Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI Heft:
Heft 16
DOI Artikel:
Schumann, Paul: Jahresschau deutscher Arbeit in Dresden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0718

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
künftlerifd) zu erziehen, vielmehr dem verfchuldeten deutfcßen Volke recht viel ausländifcße
Käufer koßfpieliger Erzeugniffe zuzufüßren. Nun ja, vornehmer Luxus bat in unferem Falle
audb feine Berechtigung, aber dazu geboren nicht die vergröberten Nachahmungen ehemaliger
Erzeugniffe der Meißner Manufaktur, die diefe in neu erwachtem künftlerifchem Verantwortungs-
gefühl längft aufgegeben hat, dazu gehören nicht Sofas mit Porzellanbefcblägen, Schöffeln und
Celler, die mit naturaliftifcß ausgeführten Blumen oder Fifchen bedeckt pnd, über die dann beim
Gebrauch braune Cunke gegoffen wird, Blumenvafen, deren aufgemalte Blumen mit den natür-
lichen Blumen in einen unmöglichen Wettbewerb treten, die unnatürlichen kubiftifeben Öfen, glatte füß-
licbe Porzellanmalereien, Preßglasgefäße, die vergeblich verfudben den echten Glasfcbliff nachzuahmen
und anderes mehr. Da bleibt gefcbmacklid) noch vieles zu beffern, und das 3ufammenwirken der
Firmen mit wirklich tüchtigen Künftlern fchwer zu vermiffen. Es gibt ja auch keramifebe Werk-
ftätten, wie die Schwarzburger und die Ältefte Volkjtedter, die Modelle von Künftlern kaufen,
leider aber ihre Namen, zum Beifpiel Guftav Oppel in Dresden, nur ausnahmsweife nennen. Mit aus-
erlefenem Gefcbmack und faft rafßnierter 3urückbaltung führt die Porzellanfabrik Rofentßai,
Selb (Bayern) ihre neuen, hier zum erften Male gezeigten Luxusporzellane in einzelnen Stücken
vor. Bier zeigt der künftlerifche Leiter der Manufaktur Julius V. Gutelbrandfen erneut feinen feinen
dekorativen Gefcbmack. Ob die exotifeben Neuheiten als eine Bereicherung deutfeßen Wertgutes
zu gelten haben, erfebeint zweifelhaft. Cecßnifcb flehen alle Erzeugniffe von Rofentbal wie die
der Porzellanfabrik Fraureuth H.-G. auf der Fjöbe. Vorzügliche, durchaus vornehme und gediegene
Gefäße in gelaufenen und auffteigenden Glafuren zeigt die Epiag, erfte böbmifebe Porzellaninduftrie
H.-G. Karlsbad und Berlin.
Schlimme Greuel finden pd) vor allem in der Fjalle für Steingut, ße überwiegen bei weitem die
guten Stücke, die pd) zum Beifpiel bei Villeroy und Bod), Wächtersbach und einigen anderen
pnden. Beim Glas pnd die Greuel in der Minderzahl. Die vornehm gediegenen Kriftallfchliffe der
Gräflich Sch aff gottfchfchen Jofepbinenbütte, die ebendort hergeftellten ßrengempfundenen
Gläfer nad) Prof. Fjärtel in Breslau, die Schalen und Gläfer mit durchfebeinendem Dekor der Fad)-
fcbule für Glasinduftrie 3wiefel im Bayrifcßen Wald, die — l)ier kraftvoll bunten — Gläfer mit
Scbmelzfarbenfcbmuck der Hugsburger Kunftgewerblerin Ida Paulin, die 3iergläfer der kunft-
gewerblicben Werkftätte B. Bayerl in München und der Petersdorfer Glashütte (Riefen-
gebirge) auch die Kriftallgläfer dea Rßeinifdjen Glashütten-Hktiengefellfchaft — all das pnd tecß-
nifcb und gefchmacklich hervorragende Erzeugniffe deutfeßer Glaskunp, allerdings nur Proben, denn
in Wirklichkeit ift die Erzeugung deutfeßer Kunpgläfer weit umfangreicher.
Wenn man die Maffe des gewöhnlichen Gebraucßsgefcbirrs in der Huspellung peßt, wie man es
jetjt in den rneiften ^ausßaltgefchäften pndet, ift man vielleicht geneigt, von Jaßrmarktfcbau zu
reden. Man follte aber nid)t vergeffen, welch riepgen Fortfdßritt wir feit etwa dreißig Jaßren auf
diefem Gebiete gemacht haben. Damals gab es faß nur das ganz braune irdene Kücßengefdhirr
ganz gewöhnlich nüchterner Hrt in Form und Farbe. Befonders ftark im Erfaßen des Volkstümlichen
find die Erzeugniffe der Oberlauptjer Kunfttöpferei Görliß, von denen einige Celler und Scßüßeln
alsbald für das Mufeum für fächpfeße Volkskunft übergegangen pnd.
Äls Einzelkünftler ift hier der Froßburger Conbildßauer Kurt Feuerriegel zu nennen, ehemals
Schüler von Karl Groß an der Dresdner Kunftgewerbe-Hkademie, rühmend zu nennen. Leider pnd
feine reizvollen Erzeugniffe in gebranntem Con fo wenig günßig aufgeßellt, daß pe leicht über-
feßen werden. Hber hier ift echtes Kunftßandwerk, denn jedes Stüde, das da ßeßt, ift nur einmal
vorhanden, wie es aus den Bänden des Künftlers und aus dem Brennofen hervorgegangen ift.
Form und Farben gehen in feinen Schöpfungen trefflich zufammen.
Die pgürlicße Keramik endlich vertreten unter anderen der Münchner Georg Kemper und der
Leipziger Bruno Eyermann mit gutem Gefcßmack. Daneben peßt man aud) expreffioniftifeße
Gebilde, die in dem derben Stoff doppelt fonderbar wirken.
Nacß meßr als einer Rid)tung iß die Dresdner Husftellung für Keramik und Glas anziehend und
leßrreicß. Erwiefen ift die Richtigkeit des Grundfages der Befcßränkung auf ein einzelnes Fad).
Überzeugend tritt auch die große überragende teeßnifeße und und wißenfchaftlicße Leiftungsfäßig-
keit der deutfeßen Indußrie für Keramik und Glas zutage. Nacß der künßlerifcßen Seite aber ergeben
pcb nur einzelne Fjößepunkte. Fjißr muß das Verantwortungsgefühl der Induftrie im ganzen troß
mand)en Fortfcßritten noch weit ftärker rege werden. Es iß ein Crugfdßuß zu fagen: wir müßen
uns nach dem fcßlecßten Gefcßmack des kaufenden Publikums richten. Wenn die Induftrie nur
künftlerifche gediegene Erzeugniße auf den A'larkt brächte, fo bliebe dem Publikum dann nichts
anderes übrig als folcße zu kaufen. Weid) ein Gewinn in jeder Richtung wäre das!
696
 
Annotationen