Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI Heft:
Heft 19
DOI Artikel:
Roh, Franz: Münchner Malerei des 19. Jahrhunderts: (Bemerkungen zu drei Ausstellungen bei Heinemann)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0806

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mäfylid) immer meßr Vertreter zugefellen werden. Das Extrem diefer Anfcßauung
wird eine genaue Umkehrung [ein. Sie ift nid)t weniger (aber auch nid)t im Ge-
ringften [tärker!) bedingt von der inzwifcßen ganz veränderten Lage gegenwärtiger Kunft,
die den Sinn für GefamtabFtraktion fcßärpe, ferner von einer nad)exprefßo-
niftifcßen Periode, die eben erft in ißren zarteften Keimen — nocß kaum fid)tbar —
hervortritt, nach einer kühlenden, härtenden Genauigkeit verlangt und wieder peniblere
Gliederung des Bildorganismus mit pcß bringen wird. Von diefer Stellung aus ent-
fteßt die Neigung, die Kunft von 1800 — 1880 nun gerade als ein decrescendo aufzu-
faffen: aus köftlicßer Verhaltenheit fei man zu Sinnlichkeit abgefunken, aus kriftallifd)
klarer und gereinigter Kompofition zu einem nur triebmäßigen „Ulurf“. Aus wundervoll
metallifcher Härte zu einer völlig zerweicßten Eextur, aus einer morgenkühlen Ein-
ftellung von Ließt und Luft fei man zu jener triefenden und fcßwammigen Helldunkel-
und dann Licßtmalerei gelangt. Selbft im Inhaltlichen fei man erweicht: Die ßeroifcße
Landfchaft fei ganz allmählich durch das Dorfidyll verdrängt worden, Und um Bei-
fpiele aus den Katalogen zu nennen: An die Stelle der Cannerfcßlacßt von 1809 (Kobeil)
feien die „Dackel vor dem Kunftverein“ getreten.
Für diefe neuere Anfcßauung ift deshalb die erfte Ausstellung mit der fcßönen Katalog-
einleitung Feulners nicht etwa nur gefduchtlich die intereffantefte, weil fie zeitlich am
weiteften zurückliegt, fondern menfcßlich die reinfte, ja geradezu die aktuellfte. (In
welchem Sinn fid) Feulners Einleitung wohl noch zu befcßeiden und zu vorfid)tig hält.)
Unter Feulners ßöcßfi intimer Führung konnte man hier auch für die Uliffenfcßaft be-
kannteres und fo gut wie unbekanntes Material zum damaligen Klaffizismus, vor
allem aber zum fogenannten Naturalismus von 1800 vergleichend beieinander feßen.
Seltene Beifpiele des Porträts (Dillis, Edlinger, Fjauber, Kellerhofen, C. und S. Klotj,
W. von Kobell, Stieler u. a.), vor allem aber der damaligen Landfd)aftsmalerei wurden
gezeigt. Die drei Landfehafter Kobell, ferner Albrecßt Adam, Georg Dillis, Ulagen-
bauer, der jüngere Dorner und Peter Fjeß mit einem großen Früßwerk wurden deut-
lich. Alle überragte aber (Uilßelm von Kobell. Er war die eigentliche Entdeckung diefer
Ausftellung und ift feitdem unter die größten deutfeßen Landfehafter überhaupt einzu-
reihen1. Um den Meifter, der eine unausfcßöpflid) reizvolle Vereinigung von Miniatur
und größter Monumentalität gibt, vor allem in feinen fpäteren Klerken voll zu ver-
fteßen (was freilich nur feiten gefeßaß), muß man etwas von oben fkizzierter Eintei-
lung angenommen haben, die es nicht als nachteilig empfindet, daß diefer Kunft bald
auch der leßte malerifcße Fjaucß der anfänglich nacßklingenden Holländer oder des flüffigen
Rokoko ausgetrieben war, bis pe in köftlicßer Kühlung, Härtung und großzügig metal-
lifcher Präziperung daftand. Einfeitig und veraltend ift auch das Urteil, wie es hier
und da abgegeben wurde, vom Herausfallen der kleinen feßarf gefeßnittenen Figuren
Kobells zu fpreeßen. Denn der Sinn feiner großen Scßlacßtenpanoramen liegt gerade
darin, daß aus dem Dunft der Gründe die geftreckten foldatifcßen Formationen (oder
hie und da Einzelgruppen) heraustreten in den reftlos entfcßleierten, kriftallklar geöff-
neten Vordergrund, klein aber feßarf abgeftellt auf die eherne Feftigkeit des unend-
lich geftreckten tragenden Bodens. Es gab junge, vorfüßlende Menfcßen, die fid) zu
diefem Kobell als' zu ißrem füllen Heros fo pellen wollten wie etwa die vorige Gene-
ration zu Greco oder die vorvorige zu Frans Hals. In erfter Begeifterung tauchte die
Vorftellung auf, daß pcß heute eine Mufeumsleitung kein höheres Verdienft erwerben
könnte, als in großem, niedrigem Saal all die gelagerten, ebenen Scßlacßtenbilder
Kobells zyklifdß zu vereinigen, zugleich im Sinne einer großen Vereinigung der Kämpfe
von 1800. (Uenn man danach die drei großen Formate der neuen Pinakothek, die
feßon ßeute dort als Höhepunkt erfeßeinen, fodann den 3yklus im Reßdenzmufeum ab-
wanderte, der im Dunkel eines überßoßen Saales verßnkt, dann die zwei großen Ar-
1 Eine umfaffende Monographie über öl. von Kobell ßeßt endlich in Äusficht, und zwar durch
Ölaldemar Leffing. (Ich Telber plane eine kurze Darßellung der Schlachtenbüder.)
784
 
Annotationen