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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

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Heft 22
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Göbel, Heinrich: Holländische Wandteppich-Manufakturen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0911

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Es liegt die Vermutung nal)e, daß die eine oder andere Folge, die nach Stockholm
abvvanderte, in den fd)wedifcl)en Kronbefiß überging. Dr. John Böttiger bringt ein-
gehendere Angaben1. ünter den dem Hof von Jol)an van ßageri in der 3eit von
1655 bis 1660 gelieferten Folgen finden fid) die beiden Celadonferien, die Reihe der
Iphigenia, die Landfdjaften mit den kämpfenden Eieren, die Fjiftorie des Publius Manlius
Eorquatus, eine Landfchaftsreihe mit Herren und Damen, die Legende des Porsenna,
eine ödaldteppichferie mit Jagdmotiven und die Gefchid)te des Äneas. Die leßtere Reihe
wird mehrfach in Brüffel aufs Gezeug gelegt. Eroßdem fcheint die noch erhaltene un-
fignierte Dido- und Äneasfolge — die übrigen Eeppicße fielen der 3eit und der allzu
ausgeprägten Schenkfreudigkeit der Königin Chriftine zum Opfer — dem Atelier Meifter
Pieters zu entftammen. Daß de Crad)t die Serie fertigte, beweift der Vertrag vom
3. Juli 1646, in dem fiel) der Meifter dem Brüffeler Händler de Raet gegenüber ver-
pflichtet, „te maecken en te leveren de navolgende tapitseryen: 1 stuck lang . . daer
Eneus ’tscheep ist, mit zijn scheepsvlooten; 1 stuck wesende een nacßtbancket; 2 stucken,
’t eene, daar Eneus by Dido compt, ’t ander daer de Coninck Jarbas hem beclaecht
over Dido, 1 stuck daer Venus en Juno in de locht comen; 2 stucken, ’t eene daer
Mercurius bij Eneas compt, ’t ander de desperatie van Dido“. Die Patronen — ad)t
Ellen hoch (5,56 m) — find von de Raet zu ftellen. Außer Karmoifinfeide für den Grund
kommen Gold- und Silberfäden mit zur Verwendung. Der Einheitspreis beläuft fiel)
auf 18 Gulden 12 Stuivers2. Vor dem Haagßer Notar fungieren als 3eugen der EOirker
Emanuel van Quickelberghe und Crijnfen Blijnkersduijn.
Die fd)wedifcl)e Reihe „Scener ur Aeneiden od)s Roms sagohistoria“ — Lit N des
Stockholmer Inventars — ift durd)fd)nittlid) 4,90 m hoch; die Differenz (gegenüber
5,56 m) ift an und für fid) nicht ausfcßlaggebend. Jede gängige Folge wird in min-
deftens zwei, bisweilen in drei und mehr ßöhenabmeffungen hergeftellt; die Belege
des Brüffelers Reydams-Leyniers-Konzerns bringen klaffifd)e Beifpiele. (Dir finden die
Ankunft des Äneas, die Vorftellungen des Königs Jarbas, Venus und Juno in den Lüften,
Merkur und Äneas, die verzweifelte Dido am flammenden Scheiterhaufen; die Sdflffs-
fzene und das Nad)tmal)l fehlen (Abb.). Die Farbengebung der Stockholmer Folge
fprid)t nicht unbedingt für Brüffel. Die Figuren des Hintergrundes fcflildern in grauen,
blau und fcflwarz modellierten Eönen. Im übrigen findet fid) ein fcßönesRot neben Grün,
Blau und Gelb. Die Bordüre der Äneasfolge wiederholt fid) mit geringen Abweichungen
bei einem weiteren Eeppich des fchwedifchen Kronfchaßes, der Bärenhaß. 3u der gleichen
Serie gehört die 6CIildfd)weinjagd, die die Rahmung völlig eingebüßt hat (Abb.). Klahr-
fcheinlid) entftammen die beiden Behänge gleichfalls der Manufaktur des Pieter deCracht.
Von Intereffe find zwei Fragmente im Kaifer-Friedrid)-Mufeum zu Pofen, die vielleicht
der Folge der kämpfenden Eiere nahe flehen (Abb.).
Pieter de Crad)t flirbt vor 1662. In der Cüerkftättenvereinbarung vom 2. März 1662
erfd)einen nur Abraham und Jacobus de Crad)t „basen van de Eapijtwerckers“, die
gemeinfam mit den Delfter Meiftern Maximilian, Bartholomeus und dem Inhaber der
Goudaer Filiale Pieter van der Gud)t die Abmachung treffen, daß Gefellen der Manu-
fakturen Delft, Schoonhoven und Gouda nur dann in einen befreundeten Betrieb über-
nommen werden dürfen, fofern ein zufriedenftellendes 3eugnis des alten Arbeitgebers
vorliegt und der von dem betreffenden (Oirker begonnene Eeppich vollendet ift. Die An-
regung zu diefer durchaus gefunden Maßnahme, die eine ungleichmäßige Durchführung
der Behänge zu unterbinden fud)t, geht von dem Rate der Stadt Gouda aus.
Die beiden de Cradfl betreiben ihr Atelier nicht in Amflerdam, fondern in dem
am Lek gelegenen Städtchen Schoonhoven. Ob es fleh um eine Filiale Pieter de
Crachts handelt, oder die Verbindungen der Manufakturen Amflerdam und Schoon-
hoven nur lockerer Natur find, fleht dahin.
1 Dr. John Böttiger; Svenska Statens Sämling af Väfda Capeter. Stockholm 1896.
9 Not. J. Cimmers; Haag, den 3. Juli 1646. S. auch: Die Haghe; 1910.
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