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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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Nr. 9.

Mittwoch, den 31. Januar 1872.

5. Jahrg.

cheint Mittwoch und Samſeag. Preis monatlich 1 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schinga ſſea
und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.



Die Gräfinnen von Schauenſtein.
Novelle von Wilhelm Blumenhagen.
(Fortſetzung.)

Wenn Deine Männlichkeit, Dein Gewicht füber das
junge Weſen es vermöchte, dieſes dem Untergange entge-

gen wandelnde Geſchöpf auf die Bahn der Glückſeligkeit

zurückzuführen? Richard, wenn es ein Werk des Schick-
ſals wäre, welcher verachtet, nicht wieder zurückkommen
würde ?“ — ö
Du biſt krank, recht krank, Florentine‚,“ verſetzte der
Obriſt, von Mitleid und Rührung bewegt, „denn Du ge-
denkſt nicht einmal, daß Deine Angſt um einen Schatten
dem Geliebten ein Mißtrauen gegen die Fülle Deiner Em-
pfindung für ihn einflößen dürfte. Angenommen, Du hät-
teſt Dich nicht getäuſcht, ſo wäre Entſchluß und Entſagen
um eines kindiſchen Puppenſpiels willen, welches Gefall-
ſucht und Eitelkeit vielleicht gebar, und das nur das Le-
ben der Eintagsfliege in ſich trägt, zum mindeſten eine un-
verzeihliche Thorheit. Wenn Dein Freund Dich weniger
liebte, wenn er genug vom Schwärmerwahnſinn beſäße,
um Deinem gefährlichen Opfer beizupflichten und es miß-
länge, es erſchiene uns ſpäterhin frevelhaft und zwecklos
gethan, würdeſt Du die Reue zu tragen vermögen, den

freſſenden Scorpion, Dein Glück, mein Glück und Vikto-

riens Glück auf das Kartenblatt einem verwegenen Pha-
roſpieler gleich geſetzt und den Einſatz verloren zu haben?“
— Von eiſigen Schauern durchbebt, preßte ſich die Gräfin
feſter an den Kräftigen. Er ſtreichelte ſanft ihre weiße
Stirn und ſagte mit feſtem Tone: „Laſſen wir das Schick-
ſal walten; Niemand entweicht ihm, aber es löſet oft gor-
diſche Knoten mit einer Hand, deren Wunder wir weder
ſehen noch verſtehen!“ — Und das bangende Weib ver-
ſtummte vor der Beſtimmtheit ſeines Wortes.

7.

Zu derſelben. Zeit ward in dem dichteſten Gebüſch des

Schloßgartens eine nicht weniger gewichtvolle Unterredung
gehalten. Es waren der Graf und die Marquiſe, welche
durch wechſelſeitige Winke gelockt, ſich dort gefunden. Sig-
nora Blanda überſchüttete den Freund mit rauſchenden

Vorwürfen, nachdem er ihr die Schmach verkündete, die
der vereitelte Anſchlag ihnen aufzubürden drohete. Sie

warf ihm vor, daß er ein Werk dieſer Art begonnen,
ohne des Erfolges gewiß zu ſein. „Ich hielt die Heuch-
lerin für ſchuldig und jubelte voraus über ihren Sturz,
denn die Unglaublichkeit dieſes Teſtamentes ſchien mir eine
unzweifelhafte Bürgſchaft unſeres Sieges,“ ſagte ſie mit
zuckenden Lippen. ö
„Graf Adalbert war ein arger Sünder, und muß in
ſeiner letzten Stunde ſich auf der Leiter zum Schaffot ge-
glaͤubt haben,“ entgegnete der Graf mit einem höhniſchen
Lächeln.
„Und wenn auch Papier und Siegel tadellos,“ fiel.
ſie ein, „ſtanden Euch nicht Mittel genug zu Gebot?

Konntet Ihr nicht in eine Schatzkammer ohne Boden grei-

fen? Was iſt nicht zu erkaufen; was nicht zu erlangen
durch Geld und Keckheit? Aber ihr deutſchen Männer
ſeid ungeſchickt, wo es mehr gilt als den Degen oder den
Becher.“ —
„Und was jetzt, meine zornſchnaubende Medea?“ fragte
achſelzuckend der Graf mit eiſig kaltem Geſicht. „Soll ich
die Karoſſe anſpannen laſſen und Ihrer Kammerfrau und
meinem Kavalier das Einpacken befehlen?“ —
Signora Blanda ſtampfte mit den kletnen Füßen und
riß das weiße Händchen blutig im Tannengeſtrüpp, das
ſie brach. „Nein, nein,“ rief ſie mit funkelnden Augen,
„ich weiche nicht von der Stelle ohne Sieg und ſollte ich
mich ſelbſt verderben. Half die weiche Liſt nicht, mögen
härtere Mittel den Schwur erfüllen helfen, den ich zur
Vernichtung dieſer verhaßten Perſon gethan. Iſt dieſe
Florentine doch der ſchwarze Genius meines Lebens gewe-
ſen! Wäre ſie nicht erſchienen mit ihrer bleichen Karne-
valslarve und ihren matten Nonnenaugen, herrſchte ich an-
jetzt, nicht ſte, in Schauenſtein. Sie ſtahl mir den herr-
lichen Adalbert, und ich mußte mit dem kindiſchen Mar-
quis, dem Schatten eines Mannes, mich abfinden laſſen;
ja, ihre Schmeichelrede machte den Grafen eidbrüchig,
daß er ſterbend vergaß, was er mir verheißen. Wäre ſie
nicht, ſo würde die verzogene Viktorie das Spielwerk un-
ſerer Hände ſein, wir geböten in dieſem Paradieſe und
könnten die verlorene Maienzeit unſeres Lebens repetiren.
Und nun gar dieſer Obriſt! Hätte er den Marquis da-
mals hängen laſſen, die Erlöſete würde ihm doppelten
Dank gezahlt haben. Er verſchmähte den einfachen und
huldigt hier der Feindin, eine Beleidigung, die in meiner
Heimath die Dolche aller Vettern und Freunde aus der

Scheide gelockt haben möchte.“ —

„Wir ſind aber nicht an der Tiber oder am Golfe di
Nipoli,“ warf der Graf leicht hin. ö
„Aber die Römerin athmet heiß wie Aetnadunſt auch
 
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