Nr. 61.
Mittwoch, den 31. Juli 1872.
5. Jahrg.
Ercheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schin ga ſſe 4
und bei den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Johannes Guttenbertz und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.)
„Das iſt auch meine Meinung,“ verſetzte Johann
Fuſt raſch, der vor dem Bruder keine Geheimniſſe zu
haben dürfen glaubte, „und eben deßhalb ziehe ich den
Peter Schöffer mir heran, der wohl ein eben⸗ſo feiner
Kopf iſt, als der Junker ſelbſt. Er wird baldigſt zu-
rückkehren, wie ich ihm habe ſagen laſſen, und dann
als Gehilfe in das neue Geſchäft treten; Guttenberg
iſt ſein Freund und wird ſich ſo nicht zurückhaltend
gegen ihn in Hinſicht ſeiner Kunſtgeheimniſſe zeigen.
Bricht dann das Verhältniß mit dem Junker, ſo habe
ich Herrn Peter, und kann ohne den Erſtern fertig
werden.“
„Wird aber dieſer Dir auf die gewünſchte Weiſe
dienen wollen?“ fragte Meiſter Jakob. „Wenn er es
thäte, da er des Junkers Freund iſt, würde ich ihn
verachten; ich hoffe aber, er thut es nicht; Deine Rech-
nung dürfte alſo, ſo fein Du auch Alles angelegt, eine
falſche ſein.“
„Das Ende wird es lehren,“ verſetzte Johann und
gab dem Geſpräche eine andere Wendung.
Wenige Monden, nachdem dieſes vorgefallen war,
traf Schöffer wieder in Mainz ein. Freude und Ge-
ſundheit ſtrahlten aus ſeinem ſchönen Geſichte, aus ſei-
nen dunkeln, glanzvollen Augen hervor, denn er hatte
alle ſeine Geſchäfte vollbracht und durfte mit dem Er-
folge derſelben zufrieden ſein. In ſeinem Beutelchen,
das nicht mehr ſo ſchlaff war, wie bei feinem erſten
Einzuge in Mainz, klangen eine Menge ſchöner Gold-
florenen, wovon ein Theil, laut ſeiner Uebereinkunft
mit Johann Fuſt, ihm angehörte, als Früchte ſeiner
Arbeit und Bemühungen. Er trat auch jetzt wieder
wie das erſte Mal, bei dem wackern Wirthe zum gol-
denen Hirſche ab, und wurde von dieſem mit aufrich-
tiger Freude, ja ſelbſt von dem wahnſinnigen Enneli,
das ihn noch wieder erkannte, obgleich er über acht-
zehn Monden abweſend geweſen war, mit einem Freu-
dengeſchrei empfangen. Solcher Empfang, ſelbſt wenn
er von ganz unbedeutenden Perſonen herrührt, ver-
fehlt niemals, eine angenehme, wohlthuende Wirkung
auf uns hervorzubringen, und ſo ſtimmte auch dieſer
Schöffern beſonders heiter. Er hatte in dem großen
Paris auch ſeines braven Hauswirths und ſelbſt des
armen Enneli gedacht und dort für erſtern ein ſauber
in Oeh gemaltes Bild ſeines Schutzheiligen, für die
arme Wahnſinnige aber einen Strauß künſtlich gemach-
ter Blumen, wie man ſie zu jener Zeit bereits in Ita-
lien verfertigte, mitgebracht, und beide Geſchenke er-
regten die lebhafteſte Freude und regſte Dankbarkeit.
Sein erſter Weg führte ihn, nachdem er ſich etwas
ausgeruht, zum Hofe zum Jungen, wo er den gelieb-
ten, ſo lange ſchmerzlich entbehrten Freund aufſuchen
und in die Arme ſchließen wollte; allein die Gehilfen
des Junkers von Guttenberg, Johann Medinbach
und Ulrich Zell, ertheilten ihm in der Werkſtatt, wo
ſie eifrig mit Setzen beſchäftigt waren, die Auskunft,
daß ihr Meiſter und Gebieter ſich vor einigen Stunden
ſchon in die Werkſtatt des Meiſters Jakob Fuſt bege-
ben habe, um daſelbſt und unter deſſen Mitwirkung
eine Probe mit einem neuen Metalle zum Guß der
Lettern zu machen. ö —
„So ſchneidet Ihr dieſe jetzt nicht mehr in Holz
aus?“ fragte der Schreiber, und eine leichte Wolke des
Unmuths zeigte ſich auf ſeiner ſonſt ſo glatten Stirne.
„Schon lange nicht mehr, Herr Schreiber,“ verſetzte
der lebhafte Ulrich Zell; „wir ſind, ſeit Ihr Euch wie-
der in der Welt umgeſehen, auch nicht auf dem alten
Flecke geblieben. Schaut her, hier iſt eine Probe der
neuen Schrift, ein wahres Prachtwerk, wie Ihr ge-
ſtehen werdet, und dies ſind die neuen Lettern, womit
wir ſie gedruckt.“
Er reichte ihm mit dieſen Worten einen Foliobogen
dar, worauf das erſte Buch Moſis gedruckt war, und
zwar mit ſo verbeſſerten, ſchäferen Lettern, daß der
Unterſchied gleich in die Augen fallen mußte, der zwi-
ſchen ihnen und den früheren Holz-Druckeg ſtattfand.
Dann zeigte der Gehülfe ihm auch die neuen Lettern,
die aus Blei gegoſſen waren; aber Peter Schöffer konnte
ſich über dieſe Fortſchritte in der neu erfundenen Kunſt
nicht freuen, denn dadurch wurden die von ihm ſelbſt
zu Paris gemachten Entdeckungen, die Fortſchritte,
welche er durch angeſtrengtes Nachdenken, rühmlichen
Fleiß und unausgeſetzte Verſuche erzielt zu haben glaubte,
zu nichte gemacht: er hatte ſich alſo vergebens ange-
ſtrengt und bemüht, und der Feuereifer des Freundes
ihm den heiß erſehnten Ruhm vorweg genommen!
Seine Empfindungen in dieſem Augenblicke konnten
zwar nicht ganz vor der Freundſchaft beſtehen, allein
ſie waren rein menſchlich, und ſo wollen wir ihn we-
gen derſelben nicht zu ſtreng tadeln.
„Nun, was ſagt Ihr zu dem neuen Werke?“ fragte
Mittwoch, den 31. Juli 1872.
5. Jahrg.
Ercheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schin ga ſſe 4
und bei den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Johannes Guttenbertz und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.)
„Das iſt auch meine Meinung,“ verſetzte Johann
Fuſt raſch, der vor dem Bruder keine Geheimniſſe zu
haben dürfen glaubte, „und eben deßhalb ziehe ich den
Peter Schöffer mir heran, der wohl ein eben⸗ſo feiner
Kopf iſt, als der Junker ſelbſt. Er wird baldigſt zu-
rückkehren, wie ich ihm habe ſagen laſſen, und dann
als Gehilfe in das neue Geſchäft treten; Guttenberg
iſt ſein Freund und wird ſich ſo nicht zurückhaltend
gegen ihn in Hinſicht ſeiner Kunſtgeheimniſſe zeigen.
Bricht dann das Verhältniß mit dem Junker, ſo habe
ich Herrn Peter, und kann ohne den Erſtern fertig
werden.“
„Wird aber dieſer Dir auf die gewünſchte Weiſe
dienen wollen?“ fragte Meiſter Jakob. „Wenn er es
thäte, da er des Junkers Freund iſt, würde ich ihn
verachten; ich hoffe aber, er thut es nicht; Deine Rech-
nung dürfte alſo, ſo fein Du auch Alles angelegt, eine
falſche ſein.“
„Das Ende wird es lehren,“ verſetzte Johann und
gab dem Geſpräche eine andere Wendung.
Wenige Monden, nachdem dieſes vorgefallen war,
traf Schöffer wieder in Mainz ein. Freude und Ge-
ſundheit ſtrahlten aus ſeinem ſchönen Geſichte, aus ſei-
nen dunkeln, glanzvollen Augen hervor, denn er hatte
alle ſeine Geſchäfte vollbracht und durfte mit dem Er-
folge derſelben zufrieden ſein. In ſeinem Beutelchen,
das nicht mehr ſo ſchlaff war, wie bei feinem erſten
Einzuge in Mainz, klangen eine Menge ſchöner Gold-
florenen, wovon ein Theil, laut ſeiner Uebereinkunft
mit Johann Fuſt, ihm angehörte, als Früchte ſeiner
Arbeit und Bemühungen. Er trat auch jetzt wieder
wie das erſte Mal, bei dem wackern Wirthe zum gol-
denen Hirſche ab, und wurde von dieſem mit aufrich-
tiger Freude, ja ſelbſt von dem wahnſinnigen Enneli,
das ihn noch wieder erkannte, obgleich er über acht-
zehn Monden abweſend geweſen war, mit einem Freu-
dengeſchrei empfangen. Solcher Empfang, ſelbſt wenn
er von ganz unbedeutenden Perſonen herrührt, ver-
fehlt niemals, eine angenehme, wohlthuende Wirkung
auf uns hervorzubringen, und ſo ſtimmte auch dieſer
Schöffern beſonders heiter. Er hatte in dem großen
Paris auch ſeines braven Hauswirths und ſelbſt des
armen Enneli gedacht und dort für erſtern ein ſauber
in Oeh gemaltes Bild ſeines Schutzheiligen, für die
arme Wahnſinnige aber einen Strauß künſtlich gemach-
ter Blumen, wie man ſie zu jener Zeit bereits in Ita-
lien verfertigte, mitgebracht, und beide Geſchenke er-
regten die lebhafteſte Freude und regſte Dankbarkeit.
Sein erſter Weg führte ihn, nachdem er ſich etwas
ausgeruht, zum Hofe zum Jungen, wo er den gelieb-
ten, ſo lange ſchmerzlich entbehrten Freund aufſuchen
und in die Arme ſchließen wollte; allein die Gehilfen
des Junkers von Guttenberg, Johann Medinbach
und Ulrich Zell, ertheilten ihm in der Werkſtatt, wo
ſie eifrig mit Setzen beſchäftigt waren, die Auskunft,
daß ihr Meiſter und Gebieter ſich vor einigen Stunden
ſchon in die Werkſtatt des Meiſters Jakob Fuſt bege-
ben habe, um daſelbſt und unter deſſen Mitwirkung
eine Probe mit einem neuen Metalle zum Guß der
Lettern zu machen. ö —
„So ſchneidet Ihr dieſe jetzt nicht mehr in Holz
aus?“ fragte der Schreiber, und eine leichte Wolke des
Unmuths zeigte ſich auf ſeiner ſonſt ſo glatten Stirne.
„Schon lange nicht mehr, Herr Schreiber,“ verſetzte
der lebhafte Ulrich Zell; „wir ſind, ſeit Ihr Euch wie-
der in der Welt umgeſehen, auch nicht auf dem alten
Flecke geblieben. Schaut her, hier iſt eine Probe der
neuen Schrift, ein wahres Prachtwerk, wie Ihr ge-
ſtehen werdet, und dies ſind die neuen Lettern, womit
wir ſie gedruckt.“
Er reichte ihm mit dieſen Worten einen Foliobogen
dar, worauf das erſte Buch Moſis gedruckt war, und
zwar mit ſo verbeſſerten, ſchäferen Lettern, daß der
Unterſchied gleich in die Augen fallen mußte, der zwi-
ſchen ihnen und den früheren Holz-Druckeg ſtattfand.
Dann zeigte der Gehülfe ihm auch die neuen Lettern,
die aus Blei gegoſſen waren; aber Peter Schöffer konnte
ſich über dieſe Fortſchritte in der neu erfundenen Kunſt
nicht freuen, denn dadurch wurden die von ihm ſelbſt
zu Paris gemachten Entdeckungen, die Fortſchritte,
welche er durch angeſtrengtes Nachdenken, rühmlichen
Fleiß und unausgeſetzte Verſuche erzielt zu haben glaubte,
zu nichte gemacht: er hatte ſich alſo vergebens ange-
ſtrengt und bemüht, und der Feuereifer des Freundes
ihm den heiß erſehnten Ruhm vorweg genommen!
Seine Empfindungen in dieſem Augenblicke konnten
zwar nicht ganz vor der Freundſchaft beſtehen, allein
ſie waren rein menſchlich, und ſo wollen wir ihn we-
gen derſelben nicht zu ſtreng tadeln.
„Nun, was ſagt Ihr zu dem neuen Werke?“ fragte