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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 71 - Nr. 78 (4. September - 28. September)
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Nr. 71.

Mittwoch, den 4. September 187².

Jchrg.

Erſſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerer, Schea ſſe 4

und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.)

Der Alte ſah ihn verwundert und ungläubig an,
und ſagte: „Ihr, Herr Schöffer, Ihr, des reichen Fuſts
Schwiegerſohn?“ * —
„Nennt mich fürder nicht ſo, Lorenz,“ verſetzte
Schöffer mit feſtem Tone; „ich hab's unſerm Herrn
und Meiſter gelobt, ihm treu zu bleiben, ſelbſt um den
Preis meines Glückes und meiner Liebe, und ich halte
ihm Wort. Aber nochmals, weßhalb ſeid Ihr noch hier,
Lorenz?“? ö
„Ich habe an dem hochgelahrten Manne, Herrn
Conrad Humery, den ſie den Doctor nennen, einen
Beſchützer gefunden,“ verſetzte Lorenz, „und dieſer will
mich bei ſich behalten, bis mein theurer Junker wieder
ein Stückchen Brod mit mir zu theilen haben wird.
Auch dieſer Ehrenmann hatte von dem ſchändlichen
Rechtshandel gehört und iſt entrüſtet darüber, wie es
alle braven Leute in Mainz ſind. Er hofft, daß der
Junker bald wieder hieher zurückkehren werde, und iſt
für dieſen Fall entſchloſſen, ihm mit Rath und That
unter die Arme zu greifen.“ ö
„Ihr zeigt Eurem Gebieter an, daß ich zurück bin,
und ihn mit Sehnſucht erwarte, ſobald er nach Mainz
zurückgekehrt ſein wird, nicht wahr, Lorenz?“ fragte
ihn Schöffer.
„Gewiß werde ich das thun, guter Herr,“ verſetzte

unter die Augen treten könnt!“ ö
„Ja, bei'm Allmächtigen, der Herz und Nieren
ſeiner Menſchen prüft, das kann ich!“ rief Schöffer
im Gefühle ſeiner Würde. „Noch nie,“ fuhr er fort,

„hat ein Menſch der Freundſchaft und der Ehre ein

größeres Opfer gebracht, als ich; aber ich ſtehe keinen
Augenblick an, es zu bringen.“
Beide trennten ſich jetzt, der Alte, um zu ſeinem
neuen Beſchützer, Peter Schöffer, um zu Meiſter Jakob
Fuſt zu gehen, mit dem zu reden er das größte Ver-
langen trug. —
13.

Meiſter Jakob war, wie ſich dieß nicht anders von
ſeinem biedern Charakter erwarten ließ, vollkommen
mit Schöffer einverſtanden und bot, warum dieſer ihn
bat, gern die Hand zu einer letzten Zuſammenkunft
zwiſchen Schöffer'n und Chriſtinen, indem er dieſe durch
ſeine Tochter Katharine zu ſich einladen ließ.

würde ich nie angehören wollen.

Chriſtine kam; ihr Antlitz war bleich, aber ihre

Miene gefaßt. Sie ſtürzte in die Arme des Geliebten
und hielt ihn lange feſt umſchlungen; Beide weinten

und ſchämten ſich ihrer Thränen nicht.
„Ich weiß,“ nahm Chriſtine, ſich ſanft aus ſeinen
Armen losmachend, das Wort, „was Du mir zu ſagen
haſt, und daß wir uns heute zuletzt ſehen. Ich würde
Dich verachten, ja, ich würde Dich verſchmähen, wenn
Du die Freundſchaft verratheu und jetzt noch meinen
Beſitz wünſchen könnteſt; einem entehrten Manne,

einem, der die Hand nach ſolchen Gütern ausſtrecken

könnte, wie mein Vater ſie für mich zuſammenſcharrt,
Es iſt meiuem Vater
gelungen, uns zu trennen; nur auf dieſe Weiſe konnte
es ihm gelingen, das wußte er, da er meinen Charokter
kannte. O, er iſt ein kluger Mann, mein Vater!“
rief ſie, und Thränen erſtickten ihre Stimme. Schöffer

küßte ſie auf dieſe hellen Perlen, die der edelſten Seele
und den ſchönſten Augen entthaueten; zu reden ver-
mochte er nicht: er war zu bewegt dazu; dann fuhr
ſie gefaßter fort: ö

„Du, Schöffer, mußt Dich jetzt öffentlich von mir

losſagen: ſo will es Deine Ehre, und dann Deinen

hohen Meiſter aufſuchen, damit er keinen Augenblick
länger in dem Wahne bleibe, daß Du Antheil an dem

Beginnen meines Vaters genommen haſt“...

„Vor ihm ſtehe ich gerechtfertigt da, er kennt mein
Herz und meine Geſinnungen,“ fiel Schöffer ihr in

die Rede.
der Alte; „wohl Euch, daß Ihr ihm ohne Erröthen

„Das tröſtet, das beruhigt mich,“ verſetzte ſie.
„Dann zum Abſchiede, Geliebter, zum Abſchiede für
dieſes ganze Leben!“
Beide umſchlangen ſich aufs Neue; in dieſer Uu-
armung lag zugleich die höchſte. Seligkeit und der
höchſte Schmerz, den ein Menſchenherz nur zu ertragen
vermag.
„Jetzt geh', Schöffer, Geliebter meiner Seele, geh'!“

rief ſie; „dieſe Stunde tödtet mich ſonſt; aber bevor

Du auf ewig von mir ſcheideſt, empfange meinen
Schwur, den ich Dir wie vor dem Altare des Aller-

höchſten leiſte, daß nie ein anderer Mann in meinem
Herzen wohnen, nie ein Anderer in meinen Armen
ruhen ſoll. Nicht werde ich, wie mein Bruder, die

finſtern Mauern eines Kloſters aufſuchen, um dort Dich
und mein entſchwundenes Liebesglück zu beweinen; nein,
Schöffer, ich will mir das Recht bewahren, ohne eine
Sünde zu begehen, nur an Dich denken, über Deinen
Verluſt weinen zu dürfen; dieſes Herz foll Dir ganz,
 
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