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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 62 - Nr. 70 (3. August - 31. August)
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Samſtag, den 24. Auguſt 1872.

5. Jahrg.

Erſcheint Mittw o ch. und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiſſgael
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

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⁴— 4*

‚ (Fortſetzung. ö

Dieſer mußte alſo gewonnen werden, ſelbſt um den
Preis der Hand ſeiner Tochter, und ſo hegt er keinen
ſehnlichern Wunſch, als die Ueberzeugung von der
noch fortdauernden Neigung der beiden jungen Leute
zu gewinnen. Hierüber konnte Keiner ihm beſſeren
Aufſchluß verſchaffen, als ſein Sohn Johann, von dem
er durch das belauſchte Geſpräch im Garten wußte,
daß er der Vertraute Chriſtinen's ſei.
Er nahm alſo dieſen das nächſte Mal, als der
Prieſter zum Beſuche in ſeinem Hauſe war, auf ſein
Zimmer und er eröffnete ihm unumwunden, daß er
ſowohl um Schöffers und Chriſtinens Liebe, als um
ſeine Mitwiſſenſchaft' wiſſe. ö ö
»Der Prieſter erbleichte ſichtbar bei dieſen Worten
des Vaters; denn er ſah die Neigung der über alles
geliebten Schweſter von denſelben Gefahren bedroht,
denen die ſeinige, und mit ihr das ganze Glück ſeines
Lebens, erlegen war: er theilte nicht Chriſtinens Zü-
verſicht, daß ſie, vermöge ihres kräftigen Naturells,
ſiegreich aus dieſem Kampfe hervorgehen würde.
„Vater!“ rief er bewegt, und faſt flehend ſeine
Hände gegen denſelben ausſtreckend, „Vater, Ihr wer-
det nicht auch meine Schweſter noch unglücklich machen
wollen, indem Ihr Euch einer tugendhaften Neigung,
die ſie zu einem edlen begabten Manne hegt, in den
Weg ſtellt? laßt es genug ſein an einem Opfer —
laßt mich allein unglücklich ſein, und bedenkt vor allen
Dingen, daß Ihr Chriſtinens Herz zwar zu brechen,
aber nie dazu die Macht
ihrer Liebe zu entſagen.“
„Wer ſagt Dir denn, Johann, daß ich die Abſicht
hege, die Liebenden zu trennen?“ verſetzte der Vater;
„nur muß es mich mit Recht betrüben und verletzen,

mir zeigt... ö
„Vertrauen?!“ rief der Prieſter, den Vater
unterbrechend; er wollte mehr hinzufügen, beſann ſich
aber, ſchlug ein Kreuz und verſtummte.
Fuſt hatte ihn verſtanden und es herrſchte einige
Augenblicke ein peinliches Schweigen zwiſchen ihnen;
das bleiche abgehärmte Geſicht des einſt ſo blühenden,
lebensfriſchen Sohnes; das erloſchene Herz, das aus
den Augen deſſelben ſprach, mußte ſelbſt für ihn etwas
Peinliches haben, und ſo hatte er kein Recht, dem

zu denutlich der Vorwurf enthalten war:

den früheren Glanz wieder.

»Prieſter wegen des Ausrufes zu zürnen, in dem nur
„Vertrauen

zu Euch, Vater?!“ Dann gewann er ſeine frühere

Ruhe und Unbeweglichkeit wieder, und fuhr fort:

„Weit davon entfernt, mit Chriſtinens Wahl unzu-

frieden zu ſein, billige ich dieſelbe vielmehr, denn Schöf-

ſer iſt ein Mann, der ein großes Vermögen in ſeinem
Kopfe trägt, und ſo wird er mir als Eidam willkom⸗-

men ſein.“

„Redet Ihr, Vater, wie Euer Herz empfindet?“
fragte der Prieſter und ein Strahl von Freude belebte
ſeine matten, erloſchenen Augen und verlieh dieſen
„Darf ich Euch trauen,
Vater? Legt Ihr nicht mir und den Liebenden durch
eine ſcheinbare Einwilligung eine Falle, um uns deſto-
ſicherer zu täuſchen?ꝰ
„Du wagſt es, ſo zu dem Vater zu reden?“ fragte
Fuſt mit erkünſteltem Zorne in Ton und Blicken.
„Ja, Vater,“ verſetzte der Prieſter furchtlos; „ja.

ich, ich habe ein Recht dazu, ſo zu Euch zu reden, ich-

den Ihr zu Grunde gerichtet, ohne väterliches und
menſchliches Erbarmen zu Grunde gerichtet habt, und
ich will nicht, daß eine geliebte Schweſter mein Loos
theilen ſoll!“
„Welche Bürgſchaft verlangſt Du denn von mir,
daß mein Mund die Wahrheit rede?“ fragte Fuſt'klein-

laut und mit zu Boden geſenktem Auge, denn dieſem-

Sohne gegenüber war er ſchwach und ſeine gewöhn-

lichen Waffen reichten nicht aus.

„Einen Schwur auf dieſes Krucifix,“ verſetzte der

Sohn und zog ein elfenbeinernes Abbild des Gekreu-⸗
zigten aus ſeinem Buſen hervor.
haben werdet, ſie zu zwingen,
ö ſeine Lippen drückend, „daß die Verbindung Peter
Schöfers mit Chriſtinen, meiner Tochter, der aufrich-—
tige Wunſch meines Herzens iſt; was verlangſt Du
15 noch mehr, mein Sohn?“
daß Chriſtine ſo wenig Vertrauen in dieſer Hinſicht zu

„Ich ſchwöre,“ ſagte Fuſt, es voll Ehrerbietung an

„Nichts mehr, Vater!“ rief dieſer freudig aus, „und

jetzt erklärt mir, wie Ihr, die Ihr früher die Lieben-
den gewaltſam trenntet, zu dieſer Sinnesänderung ge-
kommen ſeid?“

„Das geſchehe ein ander Mal, Johann; jetzt ſei

mir nur behilflich, Schöffer zu verſöhnen, der mir we-
gen jener frühern Verweiſung aus unſerm Hauſe grollt.
Führe Du ihn zu uns zurück; übernimm Du es, den

Liebenden Vertrauen zu mir und meinem redlichen

Willen, ſie glücklich machen zu wollen, einzuflößen, was

mir ſelbſt ſchwerer gelingen dürfte; vor allen Dingen
 
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