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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 10 - Nr. 17 (3. Februar - 28. Februar)
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eitlelberger

Nr. 12.

5. Ichrg

Samſtag, den 10. Februar 1872.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Scht, aa ſſe 4
ö und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Gräfinnen von Schauenſtein.
Novelle von Wilhelm Blumenhagen.
(Fortſetzung.)

„Iſt Feuer im Schloſſe?“ rief die Marquiſe einem
Paar Lakaien zu, die über die Gallenie ſprangen, welche
nach dem Logis der fremden Offiziere führte. — „Gna-
den wiſſen noch nichts?“ antwortete der Diener mit athem-
loſer Bruſt. „Es iſt ein ſchreckliches Unglück! Wenn ich
nur meinen Herrn, den Herrn Obriſt finden könnte!
Springen Sie nur hinunter, man ruft auch nach Ihnen
und der Comteß, denn Erlaucht, die Frau Gräfin, ſind
todt!“ — Die Marquiſe faßte den Eilfertigen am Aermel
und hielt ihn feſt. „Trunkenbold oder Tollhäusler, was
ſagſt Du, die Gräfin todt?“ — „Mauſetodt; der Herr
Hofrath iſt bei ihr; der Schlag hat Gnaden getroffen. —
Wenn ich nur meinen Herrn zu finden wüßte!“ — Der
keuchende Menſch ſtürzte fort und die Marquiſe wandte ſich
zurück gegen das Zimmer. Es lag etwas Triumphirendes
in ihren Mienen, und doch bebten ihre Lippen und ihrem
Worte fehlte die ſonſtige Keckheit, denn auch die entmenſchte
Na ur des Böſen kann nicht jederzeit der innern, mahnen-
den Stimme Schweigen gebie ten.
„Haſt Du's gehört, Viktorie?“ ſagte ſie, mit Zwang
die Siimme verſtärkend. „So biſt Du plötzlich am Ziele
und der Himmel hat für Dich entſchieden. Wache auf,
mein Kind, und ſtehe ſtark im Wetter, hinter dem wir den
hellſten Sonnenſchein wiſſen. Du biſt frei von Stund'
an, frei wie Deine Vögelchen und Souveräne im Schloſſe
und Lande, bald eine glückliche Braut und dos koſtet
nichts weiter als den Zwang, einige Tage die trauernde
Tochter zu ſpielen.“ —
Die Comteß ſtand unbeweglich mitten im Zimmer, eine
weiße Bildſäule, die ſtarren, wie lebloſen Augen nicht auf
die Marquiſe, ſondern hinaus in die langen Räume ge-
richtet.
Ein Gärtnerburſche ſtolperte jetzt vorüber. „Wohin,
Martin?“ rief die Signora voller Ahnung ihn an. „Zum
Georg‚“ ſtöhute der Burſche; „er muß zum Holz, dem
Herrn zu Hülfe. Die Herrſchaften gingen alle ſo eilig
und heimlich zum Walde; ich ſchlich neugierig nach in den
Buſch. Der Herr Obriſt liegt oben am Waſſer und iſt
todt geſchoſſen!.“ — Wie ein elektriſcher Schlag durchzuckte
es Viktorien; ſie griff nach der Signora Arm und ihn
krampfhaft preſſend ſtammelte ſie: „Ermordet? Und Beide?
Warum auch Er ?“ — „Ermordet? Wie kommſt Du auf

das?“ fragte Blanda nicht ohne Befangenheit zurück.
Mit flüchtigen Schritten erſchien der Graf und eilte über
den Corridor heran, Viktorie trat ſogleich ihm entgegen.
„Graf,“ ſagte ſie mit Haſt und Fleberathem, „kann das
Wort ein Pfeil werden, können Wünſche tödten? — Iſt
es möglich?“ fuhr ſie fort, die Blicke bemerkend, die er
und die Marquiſe tauſchten. „O Mächte des Himmels,
dann bin ich eine Mörderin und habe meine Mutter ge-
tödtet!“ — Sie ſchwankte, ſank am Tiſch in die Kniee

und barg ihr Antlitz auf den Händen.

„Schaffen Sie ſie fort, es giebt ſonſt ein Unglück und
Gefahr für uns,“ raunte Blanda ihm heimlich zu. Der
Graf näherte ſich der Comteß und hob ſie auf einen Seſ-
ſel, ohne daß ſie ihre Stellung veränderte. „Nehmen Sie
das wahrhafte Mitgefühl Ihres treueſten Freundes als
Tröſtung auf,“ ſprach er mit erkünſteltem Gefühl. „Das
Schickſal hat oft die ſchwarze Laune, traurige Schläge zu
verknüpfen, um ſeine boshafte Uebermacht uns recht dring-
lich zu beweiſen. Ich eile in das Schloß mit der Nach-
richt, daß der arme Obriſt durch den unvorſichtigen Schuß
eines Jägers gefallen, komme Hülfe für ihn zu holen und
ſtehe erſchüttert, gelähmt von der größeren Trauerpoſt, die
mich empfängt. Aber Muth, meine Theure, zeigen Sie
die ſtarke Seele, vor welcher wir uns Alle unterthänig
beugren; Sie ſind nicht allein; treue Herzen helfen Ih-
nen auch das Schwerſte zu tragen.“ — ö
Ein ſeltſames Gekreiſch unterbrach ihn. Es war der
Benjamin, welcher den Koch gewaltſam herbeizerrte. So
wie der taubſtumme Knabe die Marquiſe erblickte, ſtürzte
er auf ſie zu, faßte ſie mit beiden Händen am Kleide und
ſtieß dabei gellende, entſetzliche Töne aus, „Was will der
Junge?“ fragte herriſch der Graf. — „Seit das Geſchrei
in die Küche kam, daß unſere gute Gräfin geſtorben, daß
ſie Gift genommen, geberdete ſich der Burſche wie ein Ra-
ſender. Wir verſtehen ihn nicht, aber er zog mich trotz
meiner Wehr hieher zu den gnädigen Damen hinauf,“
antwortete der Koch entſchuldigend. Der Graf machte den
Knaben von der mit ihm ringenden Signora los und
ſchleuderte ihn gegen die Thür. „Sperrt den Popanz
ein,“ ſprach er erhitzt „und iſt er toll geworden, ſo ſorgt,
daß er nicht Eure beſtürzte und im Schmerz zernichtete
Gebieterin beläſtige“ — Schnell ſagte er dann ſeinem Ka-
valier einige Worte in das Ohr, dieſer eilte fort und er
ſchloß die Thür. Viktorie war aufgeſprungen, ſie hielt
ſich an Beide und zog ſie feſt zu ſich. „Blanda, Augu-
ſtin,“ ſtöhnte ſie verwirrt, „was wird mit uns werden?
Im Garten ſchreit man Mord; Gift tönen die Wände
des Schloſſes zurück. Wen trifft das Richtſchwert? Zuckt
es nach Euch, zuckt es nach mir? Das Geſpenſt meiner
 
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