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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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erdelber

Nr. 57.

Mittwoch, den 17. Juli 1872.

5. Jahrg.

gecheint Mittwoch und Sam ſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schi gaſſe4

und ber den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johan nes Guttenberg und Peter Schöffer.
ö Hiſtoriſche Novelle.
(Fortſetzung.)

Indeß war ihre Bekanntſchaft noch zu jung, als daß
der Junker ſchon jetzt ſeinen neuen Bekannten in das Al-
lerheiligſte hätte führen mögen, in dieſes Allerheiligſte, wo-
rin die größte Erfindung aller Jahrhunderte vorbereitet
wurde, die man aber aus guten Gründen noch geheim
hielt und womit man erſt, wie die Natur es mit ihren
Werken zu thun pflegt, hervortreten wollte, wenn der
Fruchtkeim geſchwellt war und das Blatt die ſie umgebende
Hülle geſprengt hatte, um in vollendeter Geſtalt das gol⸗—
dene Licht des Tages zu begrüßen.
Der Junker redete auch nicht zu ſeinem Gaſte von
ſeiner Verbindung mit Herrn Johann Fuſten, vermuthlich,
weil ſie ihm wenig Freude gewährte und er dieſen nicht
tadeln mochte; aber je mehr der Schreiber Johann Gut-
tenberg kennen lernet, je weniger vermochte er zu begrei-
fen, wie es möglich ſei, daß zwei ſo verſchiedenartige Män-
ner ſich zu gemeinſamen Zwecken und Unternehmungen
hatten vereinigen können, denn während Guttenbergs Seele
nur von der göttlichen Kunſt begeiſtert und ihr alles An-
dere völlig gleichgültig dagegen war, hatte er in Johann
Fuſten auf den erſten Blick den Mann erkannt, der dem
Geldgewinne und dem Vortheile jegliches Opfer darzu-
bringen im Stande war.
Er wagte es im Laufe des Geſprächs, und nachdem
der Wein, den der Junker hatte auftragen laſſen, ihm
die Zunge gelöſet, ihm ſeine Verr underung über dieſe Ver-
bindnng zu äußern, und Guktenberg antwortete ihm
leichthin: ö ö
„Er hat Geld, das mir fehlt, um meine großen Pläne
in Ausführung zu bringen; er ſucht Vortheile, ich den
Ruhm, und ſo paſſen wir gar wohl zu einander, ja, er-
gänzen einander gleichſam und jeder von uns wird, ſo
hoffe ich zu Gott, aus dem neuen Unternehmen ziehen,
was ihm am meiſten zuſagt.“
Dieſe Erklärung ſtellte den jungen Mann zufrieden,
und machte ihm zu gleicher Zeit ſein⸗n edlen Wirth noch
lieber. Einem wahrhaft für das Höchſte begeiſterten Men-
ſchen vermag überdieß Keiner zu widerſtehen und den hatte

er jetzt vor ſich. Guttenberg war ein wahrer Künſtler,

ein Mann, der zwar in allen Dingen, die das äußere Le-

ben anbetrafen, unerfahren und unbeſorgt wie ein Kind

war, der aber dagegen die höchſten geiſtigen Schätze in ſei-
nem Haupte angehäuft hatte und ſtets nur Sorge trug,
ſie zu vermehren. Dabei war ſeine Seele von jener edlen
Liebe zum Ruhme erfüllt, die allein große Männer ſchafft,
indem ſie ihm alles Andere unterordnet. Er ſchien gleich-
ſam nur noch in ſeinen Ideen fortzubeſtehen und achtete
das äußere Leben ſo gering, daß er ſeinen materiellen An-—
forderungen kaum Augenblicke ſchenken mochte, weil dieſe
ihn von den höheren, geiſtigen abzogen, die er an ſich ſelbſt
und an die heilige Kunſt zu machen gewöhnt war.“
Beide Männer ſchieden als Freunde von einander:

Guttenberg liebte den ſchönen, klugen und kunſtfertigen

Jüngling, Peter Schöffer bewunderte ſeinen neuen Freund
aber faſt noch mehr, als er ihn liebte.
Beinahe war es Schöffer jetzt unangenehm, das Haus
Herrn Johann Fuſtens noch wieder betreten zu ſollen, denn
dieſer Mann wurde ihm mehr und mehr widerwärtig, je
mehr er über ihn nachdachte; indeß band ihn ſein Ver-
ſprechen und er eilte, als er den Junker verlaſſen hatte
dem Hofe zum Humbrecht zu.
Man führte ihn wieder in das früher beſchriebene
Gemach, dießmal aber traf er den Herrn des Hauſes nicht
dort an, ſondern ein faſt noch an der Gränze der Kind-
heit ſtehendes weibliches Weſen, das, als er eintrat, mit
Schreiben beſchäftigt zu ſein ſchien.
Chriſtine, Fuſt's Tochter — denn dieſe war es —
fiel dem jungen Manne durch nichts beſonders auf. Sie
war ür fihr Alter ziemlich groß gewachſen, aber ihre
Glieder hatten ſich noch nicht völlig ausgebildet und waren
noch etwas ungelenkig, wie dies bei jungen Perſonen der
Fall zu ſein pflegt, die ſchnell emporſchießen und für ihr
Alter eigentlich zu groß ſind; auch ſchienen ihre Arme zu
laͤng im Verhältniſſe zu ihrem übrigen Körper zu ſein,
was ihr ſchlecht ſtand. Augen und Mund dagegen waren
vollkommen ſchön; die erſteren belebten auf eine angenehme
Weiſe das etwas bleiche Geſicht, während ein anmuthiges
Lächeln die ſchöngerötheten, feingeſchnittenen Lippen um-
ſpielte.
Sie erhob ſich bei ſeinem Eintritte von dem Tiſche,
an dem ſie geſeſſen und geſchrieben hatte und trat ihm mit
kindlicher Unbefangenheit und den Worten entgegen:
„Seid Ihr vielleicht der Schreiber, von dem mein Va-
ter mir geſagt hat?“
„Ich bin's“, verſetzte er mit einer flüchtigen Verbeu-
gung.
„So können wir wohl gleich den Unterricht begin-
nen?“ ſagte ſie, ihm einen Seſſel neben den ihrigen hin-

rückend; „ich habe ſchon rechtes Verlangen nach Euch ge-
 
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