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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Nr. 54.

Samſtag, den 6. Juli 1872.

5. Jahrg.


fcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret, Schaaſſed

und bei den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
Hiſtoriſche Novelle.
(Fortſetzung.)

Meiſter Jacob, der ſich trotz ſeiner großen Reichthü-
mer nicht ſchämte, noch ſelbſt Hand an's Werk zu legen,
war eben damit beſchäftigt, das Modell zu einem großen,
reichverzierten Kelchglaſe zu verfertigen, als der Wirth zum

goldenen Hirſche mit Herrn Peter in die Werkſtatt trat.

Meiſter Jacob kannte den jovialen Wirth recht gut, da er
an Sonn- und Feſttagen manchen Schoppen edlen Nieren-

ſteiners bei ihm geleert hatte, und ſo empfing er ihn mit

fröhlichem Willkommen und freundlichem Händedruck.
„Was führt Euch zu mir, Herr Wirth zum goldenen
Hirſche?“ fragte ihn der Meiſter, nachdem er ihm einen
von den hölzernen, mit ſtarkem Leder üeerzogenen Böcken
zum Sitze hingerückt hatte, die in der Werkſtatt in Menge
vorhanden waren.
„Etwas Gutes, lieber Meiſter“, verſetze der Wirth,
ſichtbar erfreut über die ehrenvolle Aufnahme, die er bei
dem reichen und kunſtgeübten Manne fand. „Hier bringe
ich Euch,“ fuhr er, ſich nach Peter Schöffer umwendend,
fort, der mit dem Filzhute in der Hand und bis jetzt noch
von Keinem beachtet, an der Eingangsthüre verweilt hatte,
»hier bringe ich Euch einen jungen Mann, an dem Ihr,
wenn ich Euch anders recht kenne, Euere Freude haben
werdet, denn er iſt ein Künſtler, wie Ihr, wenn gleich in
anderer Art.“
„Dann ſoll er mir herzlich willkommen ſein“, verſetzte

Meiſter Jacob, und warf mit ſeinen etwas tiefliegenden
blitzenden Augen einen ſchnellen Blick auf Schöffer, der

erröthend vor demſelben das Auge zu Boden ſenkte und
den Hut etwas verlegen in der Hand umdrehte: Meiſter
Jacob imponirte ihm nämlich durch ſeine faſt athlethiſche
Geſtalt, als durch jenen geiſtreichen Ausdruck des Geſich-
tes, der uns auf den erſten Blick ſagt, daß wir einer be-
deutenden Perſönlichkeit gegenüber ſtehen. Die Stirn die-
ſes Mannes war ungewöhnlich breit, ſehr kahl und ſtark
über die etwas aufgeworfene, kleine, unſchöne Naſe her-
vorragend. Unter den buſchigen, bereits grau gefärbten

Brauen blitzten zwei Augen hervor, die zwar nicht eben

groß und ſchön geformt, aber ſo voll Leben, Klugheit und
Feuer waren, daß man ihren Blick kaum auszuhalten ver-
mochte. Die Wangen waren noch lebhaft geröthet, von je-
ner gefunden, auf Kraft und langes Leben deutenden Röthe,
die man an geſunden und kräftigen Greiſen wahrnimmt.

und Kinn und Lippen wurden von einem krauſen, kurzen
Barte eingehüllt, der ſich dunkel erhalten hatte, obſchon
das Haupthaar zu bleichen begann. Der Hals, auf dem
dieſes bedeutende Haupt ſaß, war kurz und kräftig und
zeigte viele geſchwellte Adern; die übrige Geſtalt war
groß, neigte ſich aber trotz dem etwas zur Corpulenz; die
Hände, dieſe kunſtfertigen Hände waren aber vollkommen
ſchön geformt und die Finger, obgleich die Hand ſonſt ſehr
fleiſchig war, fein zugeſpitzt, gleichſam als habe die Na-

tur ſie zu ſchönen, känſtlichen und feinen Arbeiten formen

wollen, denen Meiſter Jacob ſein Leben widmete. Seine
Kleidung entſprach ſeinem Stande: ſie war von gutem,
dunkeln Tuche und beſtand aus einem vorn mit großen,
runden ſilbernen Knöpfen zugeknöpften Wamſe, ohne Aer-
mel, aus dem die feinen weißen leinenen Hemdärmel, bis
über den Ellenbogen aufgekrämt, hervorſahen; ein breiter,

lederner Gurt, mit großen ſilbernen Schnallen, umſchloß

den kräftigen Leib, und weite Pluderhoſen, weiße wollene
Strümpfe und Schnabelſchuhe, die er ohne alle Verzierung
trog, vollendeten den Anzug. ö
„Ich habe, edler Meiſter, ein Schreiben vom ehrwür-
digen Prior der Abtei Saint⸗⸗Germain-des-Prés aus
Paris an Euch abzugeben“, ſagte Schöffer, indem er ſich
wieder gefaßt und etwas Muth gewonnen, und zugleich
langte er eine Rolle hervor, die er im Buſen verwahrt ge-
tragen hatte.
„Seid mir herzlich willkommen, junger Mann“, ver-
ſetzte Meiſter Jacob, nachdem er das ihm überreichte
Schreiben aufmerkſam geleſen hatte. „Mit ſolcher Empfeh-
lung durftet Ihr ſicher ſein, gut von mir aufgenommen
zu werden, und was das Beſte iſt, ich werde Euch gleich
Arbeit geben können. Die mir vom Churfürſten aufgetra-
genen Gefäße ſollen viele Inſchriften haben, und wenn
Ihr ſo geſchickt ſeid, wie mein ehrwürdiger Freund, der
Herr Prior zu Saint-Germain Euch mir ſchildert —
und ich zweifle daran nicht — ſo ſeid Ihr ganz der Mann,
deſſen ich bedarf und zur guten Stunde in mein Haus ge-
kommen.“
Er erhob ſich bei dieſen Worten von ſeinem Sitze, trat
auf Schöffer zu und reichte dieſem die Hand zur Bewill-
kommung. ö
„Sagt ich's Euch nicht, Meiſter Jacob; daß ich Euch
etwas Gutes brächte?“ triumphirte der Wirth, indem er
ſich vergnügt die Hände über die gute Aufnahme rieb, die
ſeinem Schützlinge von dem verehrten Manne widerfuhr.
„Ich bin Euch in der That für Euere Bemühung
Dank ſchuldig, Herr Wirth,“ war die Antwort. „Der
junge Mann könnte mir nicht gelegener kommen, als ge-
 
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