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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 27 - Nr. 34 (3. April - 27. April)
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Nr. 32.

Samſtag, den 20. April 1872.

5. Jahrg.

Erſſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonntrt in der Druckerei, Schi ga ſſe 8
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Verwechslun gen.
Erzählung von C. W. Koch.
Schluß.)

„Abſcheulicher Menſch! das wagſt Du mir ſo unum-
wunden zu ſagen!“ jammerte Marie.
„Warum denn nicht? — Aufrichtigkeit iſt meine Haupt-
tugend. Ich werde es jedesmal ſagen, wenn ich eine Un-
treue begehe.“
„Nimmermehr!“ rief Marie. „Dieſes Vertrauen würde
mich tödten.“

„Das glaubſt Du jetzt,“ lächelte Karl, „Doch es

kommt nur Alles auf eine Gewohnheit an — Du wirſt
Dich nach und nach ſchon hineinfügen und recht glücklich
ſein. Glaube mir, liebes Kind, ich weiß es aus Erfah-
rung. Ich habe auch geglaubt, daß ich es nicht aushal-
ten könne, wenn mir hie und da meine Göttinnen vor der
Naſe weg heiratheten, oder was noch ſchlimmer war, mit
Andern ſo ſchön thaten als mit mir — allein jetzt bin
ich das ſo gewöhnt, daß ich ihnen auch dann noch den
Hof mache. Darum kränke Dich nicht. Im Grunde bete
ich ja doch nur Dich an, wenn ich anderer Schönheit
huldige.“
„Verlaſſen Sie mich!“ rief jetzt erzürnt Marie.,, Sie
ſind der Mann nicht, dem ich mein Lebensglück vertrauen
kann.“
„Warum nicht?“ lachte Karl faſt ſpottend. „Es iſt
nirgends beſſer aufgehoben als bei mir. Ich kenne zum
Theil Deine Wünſche ſchon im Voraus, — eine Stube,
ein Herz, ein Sinn ſo ungefähr, wie es unſer Couſin gern
hat. Ja, nicht wahr, das wäre ſo ein Mann nach Dei-
nem Willen 2*
„O, wenn Sie ihm glichen,“ verſetzte Marie weinend,
„ich wäre dann nicht gezwungen, Ihnen meine Liebe und
noch mehr, meine Achtung zu entziehen. Was liegt mir
an den Vorzügen, mit denen Sie prahlen? Wenn der
Mann gut und treu iſt, kann man trügeriſche Schönheit
leicht entbehren, die ſonſt kein wahres Glück zu gründen
vermag, wenn dieſe Tugenden ihr nicht zur Seite ſtehen.
Ich weiß jetzt, was ich von Ihnen zu erwarten hätte. Un-
ſer Couſin würde mich zu lieben wiſſen, und ich könnte
ſtolz darauf ſein, daß ich der einzige Gegenſtand ſeiner
Zärtlichkeit wäre. Ich hingegen würde ihm durch Liebe
und Achtung beweiſen, daß mir die Vorzüge des Geiſtes
mehr gelten, als die des Körpers.“

„Bravo,“ rief jetzt der Taumelnde. „Das iſt ja ein
herrlicher Verlobungsſermon. Schade, daß mein Couſin
ſeine Lobrede nicht ſelbſt hören konnte. Am Ende würdeſt
Du noch gar mit Deiner Schweſter tanſchen?“
„Ohne mich eine Minute zu bedenken,“ verſetzte ge-
faßt Marie.
„Du würdeſt alſo meine Schönheit für jene Larve hin-
geben? Ei! ei!?
„Ohne Anſtand!“ erwiederte ſie mit Heftigkeit.
„Nun gut — Du ſollſt ihn haben,“ entgegnete der
Pſeudo⸗Bräutigam, in ganz anderem Tone, als dem bis-
herigen und Marie wußte ſich nicht die plötzliche Verände-
rung zu erklären, als er feierlich fortfuhr: „Mit einem
Zauberſchlage will ich das Erſtaunliche bewirken und Dir
den Geprieſenen als Bräutigam zuführen.“ Er öffnete
raſch die Thüre und der wahre Heinrich lag zu ihren
Füßen. Mutter und Schweſter und ein Theil der Ver-
wandten hatten ihn begleitet und umringten jetzt das ſtau-
nende Mädchen. Marie war unfähig, ein Wort zu reden,

doch hatte ſie Beſonnenheit und Kraft genug, den Knieen-

den aufzuheben, der jetzt voll Zartheit ihre Hand ergriff
und ſie an ſein Herz und ſeine Lippen drückte. „Unſer
Drama iſt zu Ende,“ ſprach er „und ſo Gott will, ſoll es
ſich heute in ein heiteres Luſtſpiel verwandeln.“
„Was ſoll das Alles?“ fragte jetzt Marie, als ſie ſich
allmählig von ihrem Erſtaunen erholt hatte und eine Ah-
nung dämmerte in ihrer Seele. „Sie ſind doch nicht“ ...
„Der ächte, unverfälſchte Bräutigam,“ erwiederte Hein-
rich und erklärte ihr mit wenigen Worten das Geſchehene.
„Wie ſchwer wäre es geweſen,“ ſchloß er freundlich, „Ih-
nen das Bild mit einem Male aus dem Herzen zu reißen,
das Sie ſich von mir entworfen und in Karl vielleicht
übertroffen gefunden haben? Die Klugheit gebot uns ſo
zu handeln und das kleine Intermezzo, zu dem Sie ſelbſt
den Stoff gegeben, bis auf dieſen Augenblick fortzuſpie-
len. Doch jetzt entſcheiden Sie — über mein ganzes Glück.“
Marie ſenkte ihre Blicke verlegen zu Boden. Scham
hatte ſie mit ganzer Macht ergriffen und hielt jede Frei-
heit ihrer Bewegungen gefeſſelt. Auch ihre weibliche Eitel-
keit war verletzt. Ein Blick in den Spiegel ſagte ihr,
daß ſie viel hübſcher ſei, als ihre Schweſter und doch hatte

ſie auf Karl keinen Eindruck gemacht, denn ſie hatte ihn
ja in Emiliens Armen geſehen, zärtlich und liebkoſend als

ihren treuen Verlobten — er hätte ja unmöglich ſonſt
ſeine Rolle ſo hartherzig durchführen können. Sie wollte
reden — wollte Heinrich, der noch immer harrend und

mit geſenktem Auge vor ihr ſtand, den ſie im Herzen ſo

ſehr verehrte, etwas Tröſtendes ſagen — allein die Zunge
 
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