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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 62 - Nr. 70 (3. August - 31. August)
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Samſtag, den 31. Auguſt 1872.

5. Johrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerer, Schin ga ſſe l
ö und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
ö (Fortſetzung.)

„Wohl, lieber Herr, ich folge Euch dahiu,“ ver-
ſetzte der Alte, aus deſſen Seele der finſtere Argwohn
gegen den jungen Mann, dem er früher ſtets ſo von
Herzen gewogen geweſen war, immer mehr und mehr
verſchwand.
Schöffer ſpornte ſein Roß und erreichte in wenigen
Minuten ſeine Herberge, wo auch ſein Landsmann, der
biedere Wirth, wie es ihm bedünken wollte, ihn mit
minderer Freundlichkeit als ſonſt aufnahm. Es machte
den traurigſten und beengendſten Eindruck auf ihn, der
gewohnt war, daß übe rall freundliches Wohlwollen ihm
entgegenkam, jetzt nur finſtern Geſichtern und kalter
Zurückhaltung zu begegnen, und doch war er ſich keiner
Schuld bewußt.
Er ließ ein tüchtiges Feuer im Kamine anmachen,
denn ihn fror und er fühlte ſich durch und durch un-
behaglich, und vor dieſem erwartete er den Alten, der
erſt viel ſpäter als er anlangte, weil er zu Fuß hatte
gehen müſſen, während Schöffer ritt.
„Jetzt erzählt mir, Lorenz,“ ſagte er, einen zweiten
Armſeſſel an das Kamin ſchiebend.
„Das will ich, Herr Peter Schöffer,“ verſetzte Lo-
renz und ließ ſich in den Seſſel neben ihm nieder.
„So wißt denn, lieber Herr, daß Johann Fuſt bald
nach Eurer Abreiſe mit meinem edlen und geſtrengen
Herrn, dem Junker von Guttenberg, einen hundsfötti-
ſchen Prozeß wegen des dieſem zu dem Druckwerke vor-
geſtreckten Geldes anfieng, und entweder dieſes Dar-
lehen mit Zinſen und allem Andern wieder begehrte,
oder wenn der Junker nicht Zahlung leiſten könnte,
die ganze Druckerei zum Schadenerſatze. Nun wißt
Ihr, daß der geſtrenge Herr, obſchon er an Adel und
Tugenden keinem Andern nachſteht, mit zeitlichen Gü-
tern nicht geſegnet iſt, ſich auch nach ſolchen nie recht
umgethan hat, und da haben ſie ihm denn vorige
Woche, als wir den 6. November ſchrieben, all' ſein
Hab und Gut vor Gericht abgeſprochen, und Herr Jo-
hann Fuſt iſt von dieſem ermächtigt worden, den Hof
zum Jungen rein auszuräumen, was auch bereits ge-
ſchehen iſt. Wollt Ihr mehr von dem ſchändlichen
Handel wiſſen, ſo befragt nur den gelahrten und ehren-
werthen Herrn, den kaiſerlichen Notarius dieſer Stadt,
Ulrich Helmannsperger, der die Akten dabei geführt

hat, oder den hochwürdigen Herrn Heinrich Günther,
Pfarrherrn zu St. Chriſtobh, der nebſt Heinrichen Kef-
fer und Bechthold von Hanau unſerm armen Herrn zu
Liebe dabei gegenwärtig war; denn der Junker ſelbſt
wollte nicht dabei erſcheinen, weil er ſchon im Voraus
wußte, wie der Spruch für ihn ausfallen würde, da
virle Freunde und nahe Verwandte des Fuſts im Ge-
richte ſaßen.“ —
Wie halb im Traume hörte Schöffer dem Berichte

des treuen Dieners zu, denn zu ſchändlich, zu unwür-
dig ſelbſt eines Mannes,
ganze Handel vor, als daß er gleich die Wahrheit deſ-

wie Fuſt, kam ihm dieſer

ſen, was Lorenz vortrug, hätte glauben ſollen. Dann
ſuhr er ſich mit der Hand über das völlig erbleichte

Geficht, über die mit kaltem Schweiße bedeckte Stirne,

und ſagte, wie vor ſich hin:
„Jetzt iſt Alles aus, alle Hoffnung hin! O Chri-
ſtine, daß der Schlag, welcher mein Herz zu Tode
trifft, anch zugleich das Deinege treffen muß! Doch
wirſt Du begreifen, daß ich ſelbſt um den Preis Dei-
nes Beſitzes nicht entehrt leben, nicht der Sohn eines

Mannes werden kann, der ſo an dem Freunde meiner

Seele frevelte; Du wirſt es gleich von vornherein be-
griffen haben, daß dieß uns auf immer trennen würde!“
Sein Auge benetzte ſich bei dieſen Worten mit einer
Thränue; dann wandte er ſich an Loreuz und fragte:
„Wo iſt Euer Gebieter, Lorenz Bieldeck? Finde ich
ihn noch im Hofe zum Jungen, oder wo ſonſt?“?
„Ich vermag es Euch nicht zu ſagen, Herr,“ ver-
ſetzte der Alte, indem er traurig das greiſe Haupt auf
die Vruſt niederſinken ließ. „Sobald der unglückliche
Rechtshandel zu ſeinem Nachtheile entſchieden und Alles
aus dem Hofe zum Jungen fortgeführt worden war,
verſammelte er uns, ſeine treuen Diener und Gehülfen,
um ſich, und ſprach mit traurigem Tone alſo zu uns“ ...
Die Rührung überwältigte bej dem Andenken an dieſe
Scene den Greis ſo ſehr, daß er erſt nach einiger Zeit
fortfahren konnte: „Ja, alſo ſprach unſer edler und
geliebter Herr zu uns: Ich kann Euch kein Brod und
keine Beſchäftigung mehr geben, meine treuen Diener
und Genoſſen; ſo ſuche es ſich denn ein Jeder von
Euch, wo er es finden kann; Du aber, mein guter
Alter, wandte er ſich an mich, der Du mich auf Dei-
nen Armen in's Leben getragen haſt, wirſt ein Unter-
kommen bei meinem Brüder, Herrn Friele, finden,
der zu Eltwill im Rheingau ſeinen Wohnſitz aufgeſchla-
gen hat. Pilgere denn zu ihm, bringe ihm freund-
lichen Gruß von mir, und erzähle ihm, wie hier die
 
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