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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 71 - Nr. 78 (4. September - 28. September)
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Nr. 72.

Samſtag, den 7. September 1872.

5. Jahrg.

Erſſcheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 42 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man avbonnirt in der Druckerer, Sch a ſſea
und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.) ö

„Du ſagſt Ihm dann, daß ich ihn ſuche, noch im-
mer auf ihn warte, und er flieht wieder vor mir, wie
damals, als ich ſo krank wurde, krank aus Gram über
Ihnꝰ .
„Ich ſag's Ihm nicht, Enneli; ich kenne Ihn ja
nicht einmal.“
„O, Ihn kennt die ganze Welt! — Er iſt von vor-
nehmem Geſchlecht vom Adel, wie ich ſelbſt es bin —
und o, wie ſchön iſt Er!“ ö
Sie ſeufzte tief auf und man ſah es ihren Geſichts-
zügen an, daß ihre Gedanken ſich wieder verwirrten,
ſo wie ſie des Unglücks ihrer Vergangenheit, ihrer ver-
rathenen Liebe, gedachte. ö ö ö
„Wenn er Dich liebte, wie konnte er Dich dann
verlaſſen?“ fragte Schöffer nach einer Pauſe, welche
zwiſchen ihnen entſtanden war.
„O, er liebte mich wohl, aber er war nicht treu!“
verſetzte ſie mit traurigem Tone. „Erſt waren wir
ſo glücklich; er ſagte mir tauſend ſchöne Worte; ich
ſchien ihm Alles zu ſein; dann aber machte er eine
lange Reiſe, und als er wiederkehrte, da wollte er von
ſeiner Liebe zu mir nichts mehr wiſſen, und ſagte mir,

daß er eine andere, eine höhere Geliebte habe, als mich,

und der wollte Er fortan ſein Leben weihen. Ich aber
wollte ihn nicht laſſen; ich konnte ihn nicht laſſen; ich
bat, ich beſchwor Ihn, mir nur den Theil ſeines Her-
zens zu ſchenken, den die andere Geliebte nicht ein-
nähme; nicht wahr, das war doch nicht unbeſcheiden,
nicht unbillig von mir? für alle meine heiße, innige
Liebe, ja für mein ganzes Selbſt, wollte ich nur einen
kleinen, kleinen Theil ſeines Herzens haben“ ...
Sie ſtockte hier; um ihre bleichen Lippen zuckte es
krampfhaft; der Schweiß perlte auf ihrer Stirne und
ihr Herz pochte ſo ungeſtüm, daß Schöffer es ſchlzen
hören konnte. Das herzinnigſte Mitleid mit der Armen
erfaßt ihn dann; er reichte ihr ſeine Hand; die ihrige
war eiskalt und zitterte in der ſeinigen.
„Armes, armes Enneli!“ ſagte er dann.
ö „Ja,/“ nahm ſie wieder das Wort, und man ſah
ihren Geſichtszügen das Beſtreben an, daß ſie ihre Ge;
danken ſammeln, zuſammenhalten wollte, „ja, Du biſt
gut; und ſagteſt Du mir nicht, daß Du auch liebteſt,
und unglücklich, wie ich? oder träumte mir das wieder
nur? O, ich muß ſo viel träumen, und ſo ſchrecklich!

zählen!

meiner überdrüſſig ward.

Sieh, ſo träumte es mir ſogar, als habe ich mit Ihm
vor dem Altare geſtanden. — Ein entfernter Vetter,
den ich noch hatte, und der nun auch todt iſt, wie Alle,

die zu meinem Geſchlechte gehören, das einſt berühmt

und angeſehen war — hatte ihn dazu gezwungen, mich
zu ſeiner ehelichen Genoſſin zu machen, weil er mir
dies einſt verſprochen hatte, als er mich noch liebte,
und nicht jene Andere . . .. O, es iſt eine traurige
Geſchichte, und ſie könnte Dich wieder krank machen,

darum erzähle ich ſie Dir lieber nicht.“

V„Erzähle mir immerhin Deinen Traum weiter,
Enneli; ich ſinde eine Freude darin, Dir zuzuhören,
mich mit Dir zu betrüben.“
„Gut, wenn Du es ſo willſt — aber wo war ich
denn? ich vergeſſe immer ſo leicht, wo ich ſtehen blieb.“
„Wie Du mit ihm vor dem Altar ſtandeſt, Enneli.“
„Ganz recht! und der Prieſter traute uns wirklich,
und ich weinte viel; er aber ſah kalt und ſtrenge aus,
und als die heilige Handlung verrichtet war, da ſagte
er zu mir . . . O weh! weh! ich kann Dir's nicht er-
Es drückt mir das Herz ab; es wird mich
noch tödten, wenn ich ihn nicht endlich noch wieder-
finde, wenn er die harten Worte nicht widerruft, die
er damals zu mir ſprach, und die mich krank, ſehr
krank machten; und als ich genas, da war mein Vet-
ter, mein letzter Verwandter, auch todt, und er fort,
in die Welt, ich konnte nicht erfahren, vohin, und da
machte auch ich mich fort — aber ganz heimlich, denn
ſie wollten mich nicht laſſen — und ſuchte ihn überall,
bis ich hierher kam, wo man mich aus Mitleid behielt.
Ich blieb auch gern hier und diente dem Hauſe als
Magd, ich, deren Geſchlecht einſt hohe Burgen am
Rheinſtrome bewohnte, und weite, fruchtbare Gauen
beherrſchte; ich, die Letzte derer zur eiſernen Thüre —
Du wirſt den Namen wohl ſchon haben nennen hören?“
— Diotz dem blieb ich gern hier und verrichtete alle
die niedern Dienſte, die man dafür von mir forderte,
daß man dafür mir ein Stückchen Brod reichte; denn
ſieh, dies Haus, man erkennt's an dem Schilde, iſt
eine Herberge, wo viele Leute einkehren, und endlich

muß Er doch auch hierher kommen, wenn er ſich weit
genug in der Welt umgeſehen hat, und vielleicht ſei-

ner andern Geliebten ſatt und überdrüſſig iſt, wie Er
O, mir wäre wohl ganz
wohl hier, glaube es mir, ganz wohl; denn wenn ein
Wanderer an die Stubenthüre klopft, dann glaube ich
allemal, jetzt iſt Er's endlich; ganz wohl wäre mir,

wenn ich nur weinen könnte; das kann ich aber nicht
 
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