Nr. 69.
Mittwoch, den 28. Auguſt 187².
5. Jahrg.
cheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerer, Schtſcaſſea
und bei den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.)
Dies rührte Schöffer unendlich; doch vergebens bot
er alle ſeine Beredtſamkeit auf, den Freund von dem
Ungrunde ſeiner Befürchtungen zu überzeugen, indem
er ihm zugleich vorſpiegelte, welche Fortſchritte ſie jetzt
erſt, wo Schöffer'n auch noch bedeutende Geldmittel zu
Gebote ſtehen würden, in der Kunſt zu machen hoffen
dürften, der ſie Beide ihr Leben geweiht. Guttenberg
blieb ungläubig, und ſchüttelte von Zeit zu Zeit bedenk-
lich das Haupt; dann ſagte er, als der Freund ſeine
Rede und Betheurungen geendet hatte:
„Verzeiht mir, Schöffer, daß ich nachtheilig von
dem Manne reden muß, dem Ihr in Kurzem den Na-
men Vater geben werdet; aber ich kann mir nicht hel-
fen, ich mißtraue ihm ganz und gar, und kann es mir
nicht anders erklären, daß er Eure Schwägerſchaft ſo
eifrig ſuchte, als daß er den geheimen Plan damit ver-
band, ſich von mir zu trennen, der ich ihm in tiefſter
Seele zuwider bin, um alle Früchte meiner Erfindung
und meines Fleißes, ja ſelbſt den Ruhm an ſich zu
reißen, der mir zukommt. Er hat die Fäden ſeines
tückiſchen Gewebes zwar fein genug angelegt, aber doch
nicht fein genug, um auch mich zu täuſchen.“
„Und Ihr könntet nur einen Augenblick glauben,
daß ich mich zu einer ſolchen Schändlichkeit hergeben,
mich zur Ausführung ſolcher Pläne gebrauchen laſſen
würde?“ rief Schöffer in gerechter Entrüſtung. „Ver-
nehmt denn meinen Schwur, den Euch im Angeſichte
des Himmels geleiſteten Schwur, mein Herr und Mei-
ſter, daß ich weit eher meiner Liebe entſagen, als zu
ſolchem tückiſchen Verrathe die Hand bieten würde!“
Er erhob bei dieſen Worten Auge und Hand zum Him-
mel; er war tief bewegt und lebhaft beunruhigt, denn
er fürchtete, daß Guttenberg mit ſeiner Vorausſetzung
Recht haben möge; allein er war zu gleicher Zeit auch
feſt entſchloſſen, den dem Freunde geleiſteten Schwur.
zu halten, ſollte auch ſein Herz darüber brechen.
Guttenberg fühlte, daß er Wahrheit rede, daß es
ihm heiliger Ernſt mit ſeinem Verſprechen ſei, und
ſchloß den Erglühenden mit einem Gemiſche von Freude
und Wehmuth in die Arme. Noch nie hatte er ſo leb-
haft gefühlt, was Schöffer ihm eigentlich ſei, als in
dieſem Augenblicke; ſeine reine große Seele begriff die
gleichgeſtimmte des Freundes — er zweifelte, wie ſpä-
terhin die Umſtände ſich auch fügten — nie mehr an
der Reinheit der Geſinnungen Schöffers — Beide blie-
ben im Herzen Freunde, obgleich das Leben ſie trennte.
Johann Fuſt, dem ihre Entfernung von der Geſell-
ſchaft gleich aufgefallen war, warf unruhige Blicke auf
ſie, als ſie Arm in Arm zurückkehrten. Schöffers
glühende Wange und leuchtendes Auge, die große in⸗—
nere Bewegung, die ſich auf dem offenen, edlen Ant-
litze des Junkers abſpiegelte, verriethen ihm nur zu
deutlich, daß irgend etwas Bedeutendes zwiſchen den
beiden Männern vorgefallen wäre, und es quälte ihn
nicht wenig, daß es nicht in ſeiner Macht ſtand, zu
erforſchen, was es ſei. Der, welcher ſich unlauterer
Abſichten und verbotener Zwecke bewußt iſt, iſt bei je-
der ungewöhnlichen Erſcheinung unruhig, und theilt mit
den übrigen vom Geſetze bedrohten Schuldigen die Angſt
und Unruhe, die dieſe beſtändig foltern.
Fuſt konnte es überdieß nur ungern ſehen, daß
Schöffer und Guttenberg jetzt inniger und unzertrenn-
lichen denn je an einander hingen, jetzt, wo er ſie zu
trennen, wo er das verhaßte Band auf immer zu zer-
reißen wünſchte, das ihn an Guttenberg kettete. Er
beobachtete Beide im Laufe des Tages mit den ihm
eigenthümlichen Späherblicken, und hatte mehr als
eine Gelegenheit, mit den gemachten Beobachtungen
unzufrieden zu ſein, da er Guttenberg und Schöffer
nie zutraulicher, liebevoller, nie ſeinen Schwiegerſohn
emſiger um den Beifall und die Zuſtimmung des hohen
Meiſters demüht geſehen hatte, als eben an dieſem.
Tage. ö
Zuerſt fiel ihm jetzt der Gedanke wie eine ſchwere,
erdrückende Laſt auf's Herz, daß Schöffer ſich zu ſeinen
tückiſchen Plänen nicht gebrauchen laſſen, daß er, ſelbſt
um den Preis der Liebe Chriſtinens, den Meiſter nicht
verrathen würde. Der Gedanke an die Möglichkeit,
ſich verrechnet haben zu können, erfüllte ſein Herz mit
einer ſo lebhaften Unruhe, daß es ſelbſt ihm, dem Mei-
ſter in der Verſtellung, ſchwer fiel, ſie vor den Blicken
ſeiner Gäſte zu verbergen. Bald aber hatte ſein er⸗—
finderiſcher Kopf einen Ausweg erſonnen: Schöffer
mußte entfernt und ſomit frei von aller Theilnahme
an dem Komplotte gehalten werden, das er gegen den
Junker im Sinne trug; dann, ſo hoffte er, würde die
Liebe zu Chriſtinen die in ihm etwa noch aufſteigenden
Zweifel und Bedenklichkeiten beſiegen, und der junge
Mann ſich auf jeſuitiſche Weiſe mit ſeinem Gewiſſen
und der Moral abfinden, zumal wenn Alles ſchon be-
endet und nichts mehr gut zu machen wäre.
Mittwoch, den 28. Auguſt 187².
5. Jahrg.
cheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerer, Schtſcaſſea
und bei den Trägern.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
(Fortſetzung.)
Dies rührte Schöffer unendlich; doch vergebens bot
er alle ſeine Beredtſamkeit auf, den Freund von dem
Ungrunde ſeiner Befürchtungen zu überzeugen, indem
er ihm zugleich vorſpiegelte, welche Fortſchritte ſie jetzt
erſt, wo Schöffer'n auch noch bedeutende Geldmittel zu
Gebote ſtehen würden, in der Kunſt zu machen hoffen
dürften, der ſie Beide ihr Leben geweiht. Guttenberg
blieb ungläubig, und ſchüttelte von Zeit zu Zeit bedenk-
lich das Haupt; dann ſagte er, als der Freund ſeine
Rede und Betheurungen geendet hatte:
„Verzeiht mir, Schöffer, daß ich nachtheilig von
dem Manne reden muß, dem Ihr in Kurzem den Na-
men Vater geben werdet; aber ich kann mir nicht hel-
fen, ich mißtraue ihm ganz und gar, und kann es mir
nicht anders erklären, daß er Eure Schwägerſchaft ſo
eifrig ſuchte, als daß er den geheimen Plan damit ver-
band, ſich von mir zu trennen, der ich ihm in tiefſter
Seele zuwider bin, um alle Früchte meiner Erfindung
und meines Fleißes, ja ſelbſt den Ruhm an ſich zu
reißen, der mir zukommt. Er hat die Fäden ſeines
tückiſchen Gewebes zwar fein genug angelegt, aber doch
nicht fein genug, um auch mich zu täuſchen.“
„Und Ihr könntet nur einen Augenblick glauben,
daß ich mich zu einer ſolchen Schändlichkeit hergeben,
mich zur Ausführung ſolcher Pläne gebrauchen laſſen
würde?“ rief Schöffer in gerechter Entrüſtung. „Ver-
nehmt denn meinen Schwur, den Euch im Angeſichte
des Himmels geleiſteten Schwur, mein Herr und Mei-
ſter, daß ich weit eher meiner Liebe entſagen, als zu
ſolchem tückiſchen Verrathe die Hand bieten würde!“
Er erhob bei dieſen Worten Auge und Hand zum Him-
mel; er war tief bewegt und lebhaft beunruhigt, denn
er fürchtete, daß Guttenberg mit ſeiner Vorausſetzung
Recht haben möge; allein er war zu gleicher Zeit auch
feſt entſchloſſen, den dem Freunde geleiſteten Schwur.
zu halten, ſollte auch ſein Herz darüber brechen.
Guttenberg fühlte, daß er Wahrheit rede, daß es
ihm heiliger Ernſt mit ſeinem Verſprechen ſei, und
ſchloß den Erglühenden mit einem Gemiſche von Freude
und Wehmuth in die Arme. Noch nie hatte er ſo leb-
haft gefühlt, was Schöffer ihm eigentlich ſei, als in
dieſem Augenblicke; ſeine reine große Seele begriff die
gleichgeſtimmte des Freundes — er zweifelte, wie ſpä-
terhin die Umſtände ſich auch fügten — nie mehr an
der Reinheit der Geſinnungen Schöffers — Beide blie-
ben im Herzen Freunde, obgleich das Leben ſie trennte.
Johann Fuſt, dem ihre Entfernung von der Geſell-
ſchaft gleich aufgefallen war, warf unruhige Blicke auf
ſie, als ſie Arm in Arm zurückkehrten. Schöffers
glühende Wange und leuchtendes Auge, die große in⸗—
nere Bewegung, die ſich auf dem offenen, edlen Ant-
litze des Junkers abſpiegelte, verriethen ihm nur zu
deutlich, daß irgend etwas Bedeutendes zwiſchen den
beiden Männern vorgefallen wäre, und es quälte ihn
nicht wenig, daß es nicht in ſeiner Macht ſtand, zu
erforſchen, was es ſei. Der, welcher ſich unlauterer
Abſichten und verbotener Zwecke bewußt iſt, iſt bei je-
der ungewöhnlichen Erſcheinung unruhig, und theilt mit
den übrigen vom Geſetze bedrohten Schuldigen die Angſt
und Unruhe, die dieſe beſtändig foltern.
Fuſt konnte es überdieß nur ungern ſehen, daß
Schöffer und Guttenberg jetzt inniger und unzertrenn-
lichen denn je an einander hingen, jetzt, wo er ſie zu
trennen, wo er das verhaßte Band auf immer zu zer-
reißen wünſchte, das ihn an Guttenberg kettete. Er
beobachtete Beide im Laufe des Tages mit den ihm
eigenthümlichen Späherblicken, und hatte mehr als
eine Gelegenheit, mit den gemachten Beobachtungen
unzufrieden zu ſein, da er Guttenberg und Schöffer
nie zutraulicher, liebevoller, nie ſeinen Schwiegerſohn
emſiger um den Beifall und die Zuſtimmung des hohen
Meiſters demüht geſehen hatte, als eben an dieſem.
Tage. ö
Zuerſt fiel ihm jetzt der Gedanke wie eine ſchwere,
erdrückende Laſt auf's Herz, daß Schöffer ſich zu ſeinen
tückiſchen Plänen nicht gebrauchen laſſen, daß er, ſelbſt
um den Preis der Liebe Chriſtinens, den Meiſter nicht
verrathen würde. Der Gedanke an die Möglichkeit,
ſich verrechnet haben zu können, erfüllte ſein Herz mit
einer ſo lebhaften Unruhe, daß es ſelbſt ihm, dem Mei-
ſter in der Verſtellung, ſchwer fiel, ſie vor den Blicken
ſeiner Gäſte zu verbergen. Bald aber hatte ſein er⸗—
finderiſcher Kopf einen Ausweg erſonnen: Schöffer
mußte entfernt und ſomit frei von aller Theilnahme
an dem Komplotte gehalten werden, das er gegen den
Junker im Sinne trug; dann, ſo hoffte er, würde die
Liebe zu Chriſtinen die in ihm etwa noch aufſteigenden
Zweifel und Bedenklichkeiten beſiegen, und der junge
Mann ſich auf jeſuitiſche Weiſe mit ſeinem Gewiſſen
und der Moral abfinden, zumal wenn Alles ſchon be-
endet und nichts mehr gut zu machen wäre.