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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 18 - Nr. 26 (2. März - 30. März)
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eiclelberger

Nr. 20.

Samſtag, den 9. März 1872.

5. Jahrg

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 18 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiga ſſe 4
und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Incognito's.
Erzählung von Guſtav Nieritz.
CFortſetzung.)

„Das iſt ja recht brav von ihm. Ich gratuliere, Herr
Kork!“ ſprach Natalie leichter. ö
Es war ein kleiner Eigennutz von Seiten des Gra-
fen dabei. Er glaubte nämlich, daß ſeine Bewerbung um
die Hand Ihrer Couſine dann eher eine günſtige Auf-
nahme finden werde, wenn er derſelben die Ausſicht er-
Dltere werde, daß Sie, mein Fräulein, mit ihr vereinigt
blieben.“

„Wie ſo? Ich verſtehe Sie nicht recht!“ ſprach Na-

talie ängſtlich.
„Loſſum hielt dann erſt ſein Glück für vollkommen,
wenn die Freunde und Freundinnen gleiches Loos mit ein-
ander theilten — wenn alſo Sie, mein Fräulein —“
Das Wort erſtarb ihm hier auf den bebenden Lippen;
Natalien gleichfalls.
„Mein Fräulein,“ hob Kork ſchüchtern an und ſein in
Thränen blitzendes Auge traf die Verlegene wie ein elek-
triſcher Schlag, „ich liebe Sie, wie wohl nie ein Mann
geliebt hat. Worte genügen nicht, die Empfindungen mei-
nes vollen Herzens zu beſchreiben. Ich bin ein ehrlicher,
ſchlichter Menſch. Sollten Sie ſich entſchließen können,
dieſe Hand anzunehmen: ſo würde dieſelbe Sie, treu und
liebend, duldend und arbeitend, durch des Lebens heitere
und trübe Tage führen. Glänzend iſt das Loos nicht, das
ich Ihnen anzubieten vermag, doch hinreichend, um ein
ſtilles, häusliches Glück zu gründen. Groß iſt meine Ver-
meſſenheit, — ich erkenn' es — nach dem Beſitze eines
ſolchen Engels zu ſtreben, allein — — doch wehe mir!
Sie zürnen! wenden ſich ab! — Sie weinen! Ich Un-
glücklicher!“ ö ö ö
„Herr Kork!“ rief Natalie außer ſich. „Verlaſſen Sie
mich, ich beſchwöre Sie! O mein Gott, mußte es dazu
kommen?“ —
„Mein Fräulein,“ hob Kork verletzt an, „dieſen hef-
tigen Ausbruch des Haſſes hatte ich nicht erwartet —“
„Nicht Haß! o Himmel, wie unglücklich bin ich!“
„„Hätte ich ahnen können, daß Sie meine Liebe un-
glücklich machen werde, würde ich mein Geſtändniß gewiß
zurückgehalten haben. Unſer beiderſeitiger Stand, glaubte
ich, würde kein Hinderniß ſein —“
„O, quälen Sie mich nicht durch ſolche Vorwürfe!“

„Die Einkünfte meines neuen Amtes belaufen ſich
freilich nur gegen 1100 Thaler.“
„Genug, um froh zu ſein.“ ö
„Mußte mein Altvater gerade den unglücklichen Na-
men „Kork“ ſich beilegen?“
„Er ſchändet nicht.“
„Aber Ihr Herz iſt bereits vergeben?“
„Nein! nein! ich darf kein Herz haben!
Sie mich meinem Verhängniſſe!“
„Mein Fräulein,“ ſprach Kork bewegt, „ich überſchätze
meinen Werth nicht. Allein meine innige, aufrichtige
Liebe zu ihnen hätte, ſollte ich glauben, doch ein mildes,
erklärendes Wort verdient.“
„Ich darf nicht!“ ſprach Natalie bitterlich weinend.
„Ein fürchterliches Geheimniß erdrückt mich! Und ſollte
ich erliegen unter meiner Qual — ich kann nicht anders.“
„Kann auch die Zukunft keine Aenderung Ihres Sin-
nes bewirken?“ ö
„Nie! nie!“ entgegnete Natalie ſchmerzlich. „Nur Ihr
Unglück kann ich bewirken. Deßhalb fliehen Sie auf im-
mer meine Nähe. Erfüllen Sie meine dringende Bitte
wenn Sie — mich wirklich lieben.“
„Ich werde!“ erwiederte Kork mit Faſſung. „Doch,
wollen Sie im Zorne von mir ſcheiden?“ ö
Weinend ſchüttelte Natalie das ſchöne Haupt.
„So bitte ich um ihre verſöhnende Rechte —“
Natalie reichte ihm die zitternde hin. Nit heißer

Ueberlaſſen

Inbrunſt drückte Kork einen ehrerbietigen Kuß auf die-

ſelbe. ö
„Leben Sie recht wohl!“ ſprach er dann. Natalie
verbeugte ſich ſprachlos. Er ging.
Unter zahlloſen, heißen Thränen rang das arme Mäd-
chen einige Male die Hände ſtill vor ſich hin, dann ver-
ſchwand ſie zwiſchen den dichten Gebüſchen des See's.
Langſamen Schrittes entfernte ſich Kork. Plötzlich kam
es ihm vor, als vernehme er Nataliens Hülfe rufende
Stimme. Wie ein Pfeil ſchoß er dem Rufe nach. Er
kam noch zur rechten Zeit, um ein Bubenſtück zu verhin-
dern. Zwei Kerle bemühten ſich, die ergriffene Natalie
nach einem nicht fern haltenden Wagen zu ſchleppen.
„Halt!“ gebot er mit fürchterlicher Stimme. Die
Schurken ſahen auf und zwei Terzerole in ſeiner Hand.
„Niedergeſetzt!“ donnerte er ihnen zu und ſeine Hand
ſpannte die Hahnen der tödlichen Geſchoſſe. Dem ruhigen
Muthe gegenüber iſt der Böſewicht gewöhnlich feig. Und
hier erblickten ſie einen Mann vor ſich, der an ma jeſtäti-
ſcher Würde einem zürnenden Feldherrn glich. Die Bu-

ben flohen dem davon eilenden Wagen nach.
 
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