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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Nr. 60.

Samſtag, den 27. Juli 1872.

5. Jahrg.

Lrcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schigaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
Hiſtoriſche Novelle.
(Fortſetzung.)

Jetzt war dieſes ſtille, beglückende, ſie geiſtig ſo anre-
gende Leben auf einmal aus, und das große, von Natur
ſo düſtere, melancholiſche Haus kam ihr vor, als ob eine
Leiche darin ſtünde. Sie ſchweifte von einem Gemache in
das andere, ſtand träumend vor den runden, in Blei ge-
faßten Fenſterſcheiben und ſchaute in die Gaſſe hinaus, als
erwarte ſie Jemand und wenn dann die Glocke an der

unfern liegenden St. Quintius-Kirche die Stunde ver-
kündete, in der Schöffer zu kommen pflegte, wandte ſie

ſich mit einem Seufzer vom Fenſter ab und begab ſich in
ihre Kammer, um dort die Uebungen fortzuſetzen, die ſie
mit ihm begonnen hatte. ö

Sehr willkommen war ihr immer der Beſuch ihres

wackern Oheims, denn dieſer hatte eine herzinnige Zunei-
gung zu dem jungen Schreiber gefaßt und unterhielt ſich
ſo gern mit ihr von ihm, während ihr Vater, dem die
große Veränderung, die ſeit Schoͤffers Abreiſe mit ihr vor-
gegangen war, aufgefallen ſein und der den Grund da-
von ahnen mochte, nie mit ihr über den jungen Schrei-
ber ſprach, oder doch, wenn er einmal that, wie von einem

durchaus untergeordneten, unbedeutenden Menſchen, was ſie

elte. kränkte, da ſie ſelbſt ihn höher als alle Andere
ellte. ——
Einſt langte ein junger Mann aus Paris in Mainz
an, der Johann Fuſten Botſchaft und ein Schreiben von
Schöffer brachte, als eben der Oheim und Chriſtine ſich
im Zimmer befanden. Kaum nannte der Abgeſandte den
Namen ſeines Freundes, ſo ſah Meiſter Jakob ſeine Nichte
erbleichen und ein leiſes Zittern alle ihre Glieder durch-
fliegen; er heftete jetzt einen forſchenden Blick auf ſie; ſie
bemerkte dieß und erröthete lebhaft; dem guten Oheim war
von dieſem Augenblick an ihre Neigung zu ſeinem Lieb-
linge kein Geheimniß mehr, er hütete ſich aber wohl, mit
irgend Jemanden über die von ihm gemachte Entdeckung
zu ſprechen, obgleich er ſich vornahm, im Nothfalle der
Schutzgeiſt dieſer Neigung zu werden, gegen die er für
ſeinen Theil nichts einzuwenden hatte, und bei der Ju-
gend Beider ſehr natürlich fand. Herr Johann Fuſt theilte
zwar für den Augenblick nichts von dem Inhalte des lan
ihn gerichteten Schreibens mit, allein ſeine heitere Miene
bewies nur zu deutlich, daß er ihm angenehm ſei und in
der That machte Schöffer auch nicht nur mit den ihm

mitgegebenen Druckſchriften gute Geſchäfte, ſondern ſein
Brief meldete auch, daß er die Vervollkommnung der neuen
Entdeckung unabläſſig vor Augen habe, und auf dem

Punkte ſtehe, ein neues, viel wirkſameres Verfahren, als

das bisherige, in's Leben zu rufen, zu welchem Zwecke er
alle ſeine Kräfte anſtrenge.
„Du ſcheinſt gute Nachrichten aus Paris empfangen
zu haben?“ fragte Meiſter Jakob ſeinen Bruder, als ſich
Beide allein befanden. ö
„Die beſten von der Welt“, verſetzte dieſer und reichte
ihm das Schreiben Schöffers hin. „Jetzt endlich ſind, ſo
hoffe ich,“ fuhr er nicht ohne einigen Triumpf in Ton
und Blicken fort, „Deine Zweifel in Hinſicht der neuen
Kunſt beſeitigt, indem Du ſiehſt, daß ſie ſchon Früchte zu
tragen beginnt, und es ſoll noch beſſer kommen. Herr
Peter Schöffer iſt ganz der Mann, wie ich ihn bedarf,
und trotz ſeiner Jugend ſetze ich ein großes Vertrauen.
in ihn.“ *
„Und das mit Recht“, verſetzte Meiſter Jakob, den
Brief wieder zuſammenfaltend, den er mit Aufmerkſamkeit.
geleſen hatte; „Du wirſt große Dienſte von ihm erwarten
können, wenn Du ihn ſo behandelſt, wie er es verdient.“
„Ich werde mich ſchon hüten, ihm zu zeigen, wie wich-
tig er mir iſt,“ ſagte Johann Fuſt, „damit ich mir nicht
einen zweiten Guttenberg an ihm auf den Hals lade; ich
habe, glaub' es mir, mein Bruder, genug mit dieſem Ei-
nen zu thun, deſſen Künſtlerſtolz und Künſelergrillen mir
das Leben mehr verbittern, als Du denken magſt.“
„Ich kenne den Junker nur als einen edeln und be-
ſcheidenen Mann“, verſetzte Meiſter Jakob, „freilich iſt er
von anderem Schrot und Korn, als Du und ich ſind, ob
aber nicht von beſſerm, das wollen wir dahingeſtellt ſein
laſſen. Seit ich ihn näher kennen gelernt, ich muß es
Dir nur geſtehen, hab' ich einen gewaltigen Reſpekt ſo-
wohl vor ſeinem Charakter, als vor ſeinem Geiſte bekom-
men; vor allen Dingen gefällt mir aber ſeine edle Unei-
gennützigkeit, das ächt Künſtleriſche in ſeinem Weſen und
Treiben und obgleich er in vielen Dingen unerfahren und
unwiſſend wie ein Kind iſt, ſo muß man doch vor ihm
Achtung haben. Irre ich mich nicht, ſo wird er die Welt
von ſich reden machen.“ ö
„Aber immer ein Bettler bleiben,“ hohnlachte Johann
Fuſt. „Sag' ſelbſt, was wären er und ſeine Kunſt ohne
mich, Bruder?“
„Immer daſſelbe, was ſie jetzt ſind: er ein großer

Mann und ſeine Erfindung die größte aller Zeiten“, ver-

ſetzte Meiſter Jakob ruhig; „daß ſie früher in's Leben
tritt, als ſonſt vielleicht geſchehen ſein würde, das allein
 
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