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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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elberg

V olka

Nr. 55.

Mittwoch, den 10. Juli 1872.

5. Jahrg.

Eiſcheint Mittwoch und Samſcag. Puts monatlich 15 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schi a ſſe 4
ö und ber Ren Drägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Gutteuberg und Peter Schöffer.
Hiſtoriſche Novelle.
(Fortſetzung.)

3.

Früh am andern Morgen begab ſich der Schreiber in
die Werkſtatt Fuſtens, den er bereits in voller Thätigkeit
und dabei im Geſpräche mit einem Manne begriffen fand,
deſſen Aeußeres einen ſehr wohlhabenden Bürger verrieth.
Er trug auf dem Kopfe eine runde, mit Pelzwerk ver-
brämte Mütze, die wie die der chineſiſchen Mandarinen ge-
formt und oben mit einem vergoldeten Knopfe verſehen
war; um den Hals nur einen ſchmalen, aber ſehr ſteifen
und ſorgfältig eingelegten Ringkragen und über den ſchwarz-

ſeidenen Wamſe einen kurzen, mit Pelzwerk beſetzten Man-

tel von gleicher Farbe und gleichem Stoffe.
Hätteſt Du, freundlicher Leſer, jemals in der Gallerie
zu Verſailles das Bildniß des berühmten oder vielmehr
berüchtigten Ludwig des Vierzehnten, des Pere La Chaise
geſehen, ſo würdeſt Du die vollkommenſte Vorſtellung von
dem Manne haben, den ich jetzt verſuchen werde, vor Dein
geiſtiges Auge zu führen, da er eine ſehr wichtige Rolle
in unſerer Erzählung ſpielen wird. Der fragliche Mann
war ziemlich groß, wenigſtens über die Mittelgröße hin-
ausgewachſen und faſt mager zu nennen. Seine Haltung
war etwas gebückt, doch neigte er eigentlich mehr das Haupt,
als den ganzen Oberkörper vornüber; ſeine dunkeln, blitz-
enden und faſt zum Erſchrecken klugen Augen hatten etwas
von denen des Meiſters Jacob; allein ſie wurden durch
einen lauernden, zuweilen gar falſchen Blick unheimlich
und unangenehm gemacht, obgleich ihre Form eigentlich
vollkommen ſchön war und ebenſo die Farbe, die faſt an's
Schwarze ſtreifte. Die Stirne war hoch, aber ſchmal und
Dan den Schläfen eingedrückt; die Naſe fein geſchnitten,
römiſch, doch etwas zu lang, und die ſchmalen, entfärbten

Lippen faſt zuſammen gekniffen; vom Kinn konnte man.

nichts ſehen, weil ein langer, ſorgfältig gekrümmter und
geſcheitelter ſchneeweißer Bart, der tief auf die Bruſt hinab-
hing, es bedeckte. Die Wangen waren eingefallen und zeig-
ten nur auf den etwas hervorſtehenden Backenknochen ei-

nen leiſen Anflug von Röthe; ſonſt war das Geſicht völ-

lig farblos und das Haupt ziemlich kahl.
Der Anblick dieſes Mannes, der, ſowie der Schreiber
eintrat, einen unangenehm lauernden Blick auf dieſen

warf, machte Herrn Peter faſt ſtutzen, denn nie war ihm

noch eine Phyſiognomie vorgekommen, die, ohne geradezu
häßlich zu ſein, ihm mehr mißfallen hätte als dieſe.
„Da iſt der junge Schreiber, mein Bruder,“ wandte
ſich Meiſter Jacob an den neben ihm ſtehenden Jo hann
Fuſt — denn ſo war ſein Name — „von dem ich Dir
geredet habe.“
„Ihr ſollt auch mir freundlich willkommen ſein“,
wandte ſich jetzt Herr Johann an den Schreiber, indem
er auf ihn zuging und ihm die Hand reichte „und, wenn
es Euch recht iſt, auch bei mir Beſchäftigung finden. Ich
habe mich da ſeit Kurzem in einen Handel mit einem
Edelmanne eingelaſſen, einem feinen, erfindungsreichen
Manne übrigens, von dem ich Schaden für meinen Beu-
tel fürchte, wenn uns nicht Hülfe kommt, und die könn-
tet Ihr, mit Eurer Geſchicklichkeit, uns vielleicht leiſten.“
„Will's noch immer nicht recht mit der neuen Erfin-
dung fort, Bruder?“ forſchte Meiſter Jacob, „ich meinte,
Ihr wäret nun endlich doch zu Stande gekommen?“
„Freilich haben wir einen Schritt vorwärts gethan,“
entgegnete Herr Johann; „allein die Sache will mir trotz
dem noch nicht ganz gefallen, und doch ſteckt ſchon ein
großes Geld darin, das ich zu andern Spekulationen viel-

leicht beſſer hätte benutzen können. Seht her“, wandte er-

ſich an den Schreiber, der, mit der auffallenden Perſön-

lichkeit des Sprechenden zu ſehr beſchäftigt, noch immer

kein Wort geredet hatte, „ſeht her, wie gefällt Euch das 2
Ihr ſeid vom Fache, und ſo kömmt Euch ſchon ein Ur-

theil zu.“

Er zog mit den Worten eine Pergamentrolle, die er
unter dem Arme trug, hervor und reichte ſie dem Schrei-
ber hin, der ſie mit Kenneraugen betrachtete. ö
„Wie findet Ihr dieſe Arbeit?“ forſchte Herr Johann
nochmals. ö ö
„Die Schrift iſt eben nicht vorzüglich“, verſetzte die-
ſer; „der Schreiber hat, wie es ſcheint, noch keinen Be-
griff von den neuen Erfindungen, die man in Hinſicht die-
ſer ſchönen Kunſt ſeit Kurzem in Paris gemacht hat, noch
von den koſtbaren Verzierungen, womit man dort ſolche
Werke jetzt ausſtattet.“
„Der Schreiber? Hm! der Schreiber!“ ſagte Herr
Johann und lachte ſichtbar in ſich hinein; aber weiter äu-
ßerte der verſtockte Mann ſich nicht, der wenig mittheilend
überhaupt, und am wenigſten dazu geneigt war, auch nur

das Mindeſte von einem Geheimniſſe zu verrathen, von

dem er ſo großen Gewinn hoffen durfte, wenn es gut ver-
wahrt blieb.
Der Schreiber wußte ſich die ſeltſame Antwort, die er
auf ſeine Bemerkungon erhalten hatte, auf keine Weiſe zu
 
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