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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 18 - Nr. 26 (2. März - 30. März)
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Nr. 19.

Mittwoch, den 6. März 1872.

5. Jchrg

Eeucheint Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr.

und bei den Trägern.

Einzelne Nummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt in der Druckerei, Schi ge ſſe 4

Die Incognito's.
Erzählung von Guſtav Nieritz.
(Fortſetzung.)

Der Eintritt eines Dieners unterbrach dies Geſpräch.
Der Baron wurde abgerufen und lteß Natalie allein zu-
rück, welche den ſchwermüthigen Blick zum ſtillen Zeug en
ſo vieler Klagen — dem Monde — aufrichtete. Sein
Licht beſchien zwei Männergeſtalten, welche oben auf dem
Gange der Sternwarte unbeweglich ſtanden und zu den
erleuchteten Fenſtern herabzuſehen ſchienen. Natalie fuhr
ſich mit ihrem Taſchentuche leicht über die ſchönen Augen
und ſchwebte davon.
Oben aber ließ ſich Adolyh alſo vernehmen: „Wär'
ich Soldat, ſo flucht' ich jetzt alle Donnerwetter zuſam-
men. Gleich dem Tantalus ſitz' ich an voller Tafel, ſehe
die Schüſſeln rauchen, den Wein im Glaſe blinken und
darf nicht zulangen. Wie der Hund in ohnmächtiger Wuth
den Mond ankläfft, möcht' ich den erleuchteten Fenſtern da
unten den Krieg ankündigen. Raſend könnte ich werden,
wenn ich mir vorſtelle, wie Eugenie mit dem General des
Tyrannen dahin ſchwebt und er ſeinen profanen Arm um
ihren Leib legen darf. Seiner Fete wegen iſt mir der
Geheimerath ordentlich verhaßt geworden.“
„Armer Freund,“ — entgegnete Hugo, — „die böſe
Eiferſucht plagt Dich. Denn was kümmerte Dich außer-
dem des Barons Fete?“
„Nun ja,“ ſprach Adolph, — „Dir werde ich am al-
lerwenigſten abläugnen, daß Cugent den größten Eindruck
auf mich gemacht hat. Ob aber meine beſcheidene Huldi-
gung ihr ſchönes Herz nur einigermaßen bewegt habe, kann
ich trotz aller Bemühung nicht erforſchen. Die ſtille Sprache
der Blicke und Seufzer reicht nicht aus, und zur münd-
lichen fehlt mir die Gelegenheit.“
„Kannſt Du es ändern ?“

„Aendern? o ja! wenn ich wollte. Ich will aber nicht.

eher, bis ich weiß, ob Eugenie dem armen Flaſch ein we-
nig gut ſei.“
„Wenn die Aenderung Deines Geſchickes in Deiner
Haͤnd ruht, warum zauderſt Du damit?“
„Ich habe meine Eigenheit, welche ich Dir, meinem
beſten Freunde, nicht länger verſchweigen will. Ich bin
nicht, was ich ſcheine —“
„Alſo wieder ein Doppelgänger, — doch kein Möl-
larſtröm und Chaſſeloup?“

Vnnterbrich mich nicht.
drückung werde ich ein freier Manſch bleiben.
ich jedoch nicht gekannt, wenn —“
„Bemerkſt Du nicht einen hellen Schein dort nach
Morgen zu?“
„Was kümmert mich der helle Schein nach Morgen
zu! Derjenige in des Geheimeraths Zimmern macht mir
Kümmerniß, ſonſt keiner. Alſo ich konnte um der Frei-
heit Willen nicht bleiben, was ich war —“
„Hörſt Du nicht fernen Kanonendonner?“
„Nur das Brummen der verhaßten Baßgeige unten.
Laß mich fortfahren, meine gegenwärtige Stimmung ſehnt
ſich nach Mittheilung.“
Das donnernde Geraͤſſel des Generalmarſches in den
Straßen unterbrach ſeine weitere Rede. Beim Geheime—⸗
rath wurde Lärm. Die Muſik ſchwieg; die männlichen
Gäſte fluchten, die weiblichen klagten. Diener rannten
fort, Erkundigung einzuziehen, und ſchmetternd rief der
feſtgezauberte General den Namen des verhaßten Chaſſe-
loup aus dem geöffneten Fenſter. Ein herbeigeeilter Ad-
jutant ſtellte endlich die Ruhe durch die Nachricht wieder
her, daß ein leichtes Streifkorps einen Ueberfall gewagt
habe, jedoch ſchon wieder zurückgeſchlagen worden ſei. Sei-
nen Rückzug zu decken, habe daſſelbe ein Dorf angezün-
det, deſſen Flammen den Oſten rötheten.
„Iſt es meinen geehrten Gäſten vielleicht gefällig, ſich
durch den Augenſchein von dem Stande der Sache zu be-
lehren?“ hob der Geheimerath an. „Die Bewohner der
Sternwarte haben mir ihre Flugmaſchine zur beliebigen
Dispoſition angeboten und zu dieſem Behuf einen Schlüſ-
ſel zum Schwan-Behälter mir überlaſſen.“
„Eine Flugmaſchine? Ein Schwan-Behälter? Hier
im Hauſe?“ forſchte neugierig die weibliche Halbſchied.
„Es iſt ein allerliebſter Einfall, verſichere ich Ihnen,“
entgegnete der Geheimerath. „Das kleine Intermezzo
ſcheint mir recht paſſend, jede Spur des gehabten leichten
Schreckens zu verwiſchen. Die Nacht iſt hell und warm,
eine Erkältung demnach nicht zu fürchten. Laſſen Sie uns
alſo paarweiſe zum Firmament auffliegen.“ Während ein
Diener die jungen Männer von dem ſpäten Beſuch in
Kenntniß zu ſetzen ſprang, entfeſſelte ein anderer den Sil-
berſchwan und führte ihn eine Treppe hoch herauf, wo die
ganze Ballgeſellſchaft lodpreiſend ihn empfing. Nur Na-
taltie war in Verſuchung, das unſchuldige Thier zu ver-
wünſchen, hätte dies ihre Herzensgüte zugelaſſen, denn ſie
ſollte mit dem verabſcheuten Brieur die Himmelfahrt er-
öffnen. Hier half keine Liſt, kein Sträuben, Es war,
als blähete ſich das lebloſe Geſchöpf ſtolzer auf, als es

In dieſer Zeit deutſcher Be-
Dieß hätt'
 
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