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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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auf dieſem kalten Boden,“ fiel die Signora ein; „und ihr
Hauch ſoll vernichten. Sie und Er müſſen fort, oder ich
habe nicht Ruhe mehr auf der Erde. Wachen Sie auf,
Auguſtin, laſſen Sie ſich nicht durch ein Weib beſchämen.
Ihr Gewinn iſt der größere; Rettung aus bedrängter
Lage, ein wiedergeſchaffenes Fürſtenthum, Glanz ohne Ende
für die Zukunft und eine reizende Braut winken Ihnen
als leichtgewonnene Kampfpreiſe. Setzen Sie ſich mit
Gewalt in Viktoriens Beſitz und zwingen Sie die Gegner,
gut zu heißen, was nicht ungeſchehen zu machen iſt. Ich
lechze nur nach Rache und verfluche die Stunde, die mich
als ein Weib gebar.“ — ö
„Wahrlich, ſchöne Blanda, Sie könnten mir Furcht
einjagen mit dieſem grimmen Tragödienſpuck,“ verſetzte der
Graf mit ſeinem ſtereotypen Lächeln, „hätte ich die kleine
buntſchillernde Schlange nicht zahm und weich geſehen und
mit ihr wie ein indiſcher Jongleur ſpielen dürfen. Die
alten Weltweiſen haben alſo doch nicht ganz Unrecht, wenn
ſie ſprechen, Männerhaß iſt eine Fackel, ſie ſenkt Haar
und Haut und Fleiſch, aber erlöſcht, ſobald ſie geſenkt,
Weliberhaß iſt jedoch wie geſchmolzen Metall, der glühende
Tropfen brennt bis auf die Knochen. Ich werde mich vor
Ihrem Haſſe wohl hüten, meine kleine, jähzornige Röme-
rin.“ —
„Sie thun nicht übel daran, denn Ihr Gehorſam al-
lein ſchützte Sie bisher,“ fiel die Marquiſe ein, und ihr
Auge traf ihn nur einen Augenblick, doch wie mit einem
Giftpfeil. „Des Jongleurs bunte Schlange iſt ihm nur
zugethan, ſo lange er mit ihr ſchmeichelt, mit ihr koſet,
und ſie wie ſeinen Fetiſch füttert und anbetet. Woher
käme einem Manne ſo viele Klughett, auch das gewöhn-
lichſte Weib zu durchſchauen? Wann ließen Euch Euere
armſeligen Weltgeſchäfte Zeit daezu? Und doch ſind wir
es, die Euch regieren und Euch verderben, wenn auch nur
ſelten die Hiſtorienbücher davon erzählen. Jede verſucht's,
wie ihr die Natur die Waͤffen dazu darbot; die Eine, in-
dem ſie ſich in den Sternenſchleier einer Urania wickelt
die Andere, indem ſie gleich den Göttinnen auf dem Berge
Ida nach dem goldenen Apfel ringt.“
„Dieſe Florentine war verſchmitzter, als ich geglaubt,
als eine liſtige Heuchlerin umgab ſie ſich mit dem Scheine
der kalten Tugend, mit dem Schleter der duldenden Mär-
tyrerin, und wußte doch in der rechten Stunde den ſter-
benden Tyrannen bis zum Taranteltanze zu kitzeln. Aber
mein Triumpf iſt, daß ich ihr den Sieg ſo ſchwer ge-
macht wie möglich, und wenn ich ſie vertilge, werde ich
mich grämen, daß Todte nicht mehr leiden können. Ja,
Auguſtin, ich war Florentinens Furie; ich impfte den
Argwohn ſchon am Hochzeitstage in Adalberts Herz, er
glaubte die Mährchen, mit denen ich Florentinens Jung-
frauenleben zu ſchmücken verſtand, er verachtete ſie als eine
Gleißnerin und auf meinen Rath nahm er ihr die Toch-
ter, zerſtörte er die Kindesliebe und Kindesachtung in Vik-
toriens jungem Gemüth. So habe ich ſie mit Wolluſt
gepeinigt Jahre hindurch und dieſe Wolluſt iſt mir Erſatz
geworden für den Raub, den ſie an mir begangen und ich
ſchlug ſie in den eigenen Panzer, ich heuchelte noch wahr-
hafter als ſie ſelbſt, denn die Gute merkte nichts von der

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Hand, welche ſie verdarb. Daß ich gerecht gethan an ihr,
enträthſelten uns die letzten Wochen. Dieſe Wegwerfung,
dieſe Hingebung an den fremden Mann, an den Obriſt
wirft ihr jede Krone, die Dornenkrone wie die goldene ſel-
tener Weiblichkeit, vom Haupte. Mitleid und Hochachtung
treten nicht mehr als ihre Schützer auf, ſie iſt ein gewöhn-
liches Weib, und ohne Gewiſſensſcrupel, ſo kühl wie ich
dieſen ſtachelichten Zweig aus meinem Wege breche, blaſe
ich das Licht aus, das zu hell unſere Geheimniſſe zu be-
leuchten wagt.“
„Ben Obriſt würde ich ſchon auf mich nehmen,“ ſagte
der Graf gleichgültig.
„Wohl!“ rief die Marquiſe. „Doch was Sie thun
wollen, thun Sie ſchnell. Vor uns funkelt in der Luft
Macbeths Dolch, unſere Zeit iſt geizig gemeſſen, und be-
gierig wie ein Verdürſtender brenne ich nach einer That,
die dieſe ewigen Gluthen zu löſchen vermag. — Dort
ſchleicht die Comteß durch die Büſche heran. Ich muß
verſuchen, ſie nochmals zum Schild unſerer nächtigen Tha-
ten zu machen. Das arme Täubchen hat böſe Körner ge-
pickt, ſchwindelt und girrt und wird deſto leichter zu ver-
locken ſein.“
„Und woher dieſe Verfinſterung, dieſes Abbleichen des
lieben Kindes?“ fragte der Graf. „Mein Betragen voll
Liebe und Ritterdienſt hat ihr nirgends Urſache gegeben;
dennoch bemerkte ich einen Kaltſinn an der Kleinen, der
mich beunruhigt.“
Die Marquiſe richtete ihre ſchwarzen Augen mit ſte-
chendem Hohne auf ihn. „Das iſt ein weibliches Ge-
heimniß,“ ſagte ſie „und liegt darum ſelbſt gräflichen Au-
gen zu tief. Treten Sie dieſen Obriſten in den Staub,
und das Geſpenſt wird in den Boden verſinken.“
Der Graf entfernte ſich und Signora Blanda warf
ſich auf die Raſenbank und trällerte eine Barcarole, bis
Viktorie ſich ihr genähert hatte. Das junge, von der Na-
tur nichts weniger als ſtiefmütterlich bedachte Geſchöpf
glich dem zarten Fruchtbaume, der vom Gärtner verſäumt,
von den Winden in ſeinen Wurzeln gerüttelt, von der
Dürre gewelkt, ſeinem Untergange nahe iſt. Ihr Gang
ſchien unſicher, ihr Nacken bog ſich nach vorn, ihr Auge
ſchien erloſchen, doch auf den Wangen brannten verdäch-
tige und ſcharf begränzte Zirkelroſen und der kaum ge-
wölbte Buſen wogte ſichtlich und fieberhaft unter dem faſt
vernachläſſigten Morgenanzuge.
„Armes Püppchen,“ redete die Marquiſe ſie an, „ſo
iſt Dir ſchon bekannt, was geſchah? Es iſt nicht anders,
Du mußt die Rolle der gefeſſelten Königin am Wagen
der Widerſacher fortſpielen und Deine Freunde können nur
mit Dir trauern, daß ihre Liebe für Dich mit zu ſchwa-
chen Waffen gefochten.“ — Sie zog Viktorten auf ihren
Schooß.
„Mich liebt Niemand; auch mein Vater hat mich nie
geliebt!“ ſtieß das Mädchen mit Haſt heraus.
„Er würde Dich geliebt haben bis zum Tode, hätte
Dir das Schickſal eine andere Mutter gegeben,“ verſetzte
die Signora. „O, gute Mütter lieben mit Inbrunſt, ken-
nen kein Opfer, wenn es das Glück des Kindes fordert,
verläugnen ſich ſelbſt, wenn ſie ihr Kind leidend erblicken.
 
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