ler Aufſchrei erklang; dann nahm plötzlich das Getümmel
im ganzen Gebäude überhand und verbreitete ſich bis in
die Flügel.
(Fortſetzung folgt.)
So rächt ſich eine Königin
Der Chevalier de Liar, ein Mitglied der aufrühreri-
ſchen Fronde, verließ im Herbſt des Jahres 1648 ſein
von Parteikämpfen zerriſſenes Vaterland. Die Beſitzungen
dieſes Edelmanns waren verwüſtet, die Ausſichten auf Er-
folg für ſeine Partei ſehr ſchwankend und ſo beſchloß er
ſeine junge Gemahlin in Frankreich zurücklaͤſſend, einem
Fürſten des Auslandes ſeine Dienſte anzubieten. Der Zu-
fall führte ihn nach Stockholm, woſelbſt es vermöge ſeiner
hohen Abkunft ihm gelang, der Königin Chriſtina vorge-
ſtellt zu werden.
Die Tochter Guſtav Adolph's war damals noch nicht
ſo ganz die geiſtvolle Meſſaline, welche den Ruhm ihres
edlen Vaters ſchmachvoll mit Füßen trat, wie das ſpäter
geſchah, als ſie auf dem geweihten Boden Roms, dem
Schauplatz der Livia's und Agrippina's voll Inbrunſt den
Pantoffel des heiligen Vaters küßte, allein in ihrem un-
weiblichen Herzen keimten bereits die Regungen der Grau-
ſamkeit, welche mit denen der Wolluſt Hand in Hand
gingen.
Die Augen Chriſtinens ruhten mit Wohlgefallen auf
dem graziöſen Franzoſen. Huldvoll lauſchte ſie einem kur-
zen Bericht ſeiner Erlebniſſe, und als er ſchließlich mit
blitzenden Augen und gutgeſpieltem Enthuſiasmus die Bitte
ausſprach, der jungfräulichen Königin des glorreichen
Schweden Degen und Leben weihen zu dürfen, reichte dieſe
ihm die Hand zum Kuſſe und befahl dem Kriegsminiſter,
ein Lieutenantspatent der Garde für den Chevalier aus-—
zufertigen. Zu ſeiner Equipirung ließ ſie ihm eine be-
biien e Geldſumme aus ihrer Privatchatoulle einhän-
gen.
Der Chevalier war viel zu ſehr Kenner des weibli-
chen Herzens, um die Beweggründe dieſer Gunſtbezeugun-
gen mißverſtehen zu können; als echter Franzoſe war er
außerdem mit einer ſo reſpektabeln Doſis Ehrgeiz und Ei-
telkeit ausgeſtattet, daß er in nicht allzuferner Perſpektive
das goldene Scepter des nordiſchen Reiches in ſeinen Hän-
den ſah. — — Iſt es denn ſo ſchwer, das Herz einer
Königin zu erobern? Eine Königin bleibt immer nur ein
Weib .. . Bis heute war ich noch ſtets Cäſar, wo es
ernſtlich galt, ein Frauenherz zu erobern .. . Eliſabeth
von England fand ihren Eſſex, Chriſtine von Schweden
ſoll — hier wurde der Gedankengang des Abenteurers
durch ein Pochen gegen die Thür ſeiner Wohnung unter-
brochen; unwillig rief er herein, die Thür flog auf und
der junge Gardeoffizier erbleichte, denn auf der Schwelle
ſtand, lächelnd und roſig wie die blitzende Winterſonne,
welche die Ciskryſtalle der Schneedächer beglänzte — —
ſeine junge Frau.
Warum wurde Liar beim Anblick des blühenden Wei-
bes ſo blaß? Warum zitterte die Hand, welche er ihr
nach mehr als jahrelanger Trennung zum Willko mmen
reichte? — Es ſchoß wie der Blitz der Gedaͤnke durch
ſein Hirn: Der ſtolze Kopf des glänzenden Eſſex rollte
vom Block des Henkers herab, weil er heimlich vermählt
war. Gleich einem finſteren Schatten ſtieg die drohende
Ahnung in ſeiner Seele auf, als könnten ſeine ehrgeizi gen
Träume mit einer ähnlichen Kataſtrophe enden. — Köni-
ginnen ſind zwar Weiber, allein auch ein Weib wird ge-
fährlich, erregt man ihre Eiferſucht und wehe dem Manne,
deßen eiferſüchtige Geliebte eine Königin iſt!
Mit ſeltſam widerſtreitenden Empfindungen umarmte
der Chevalier ſeine glückliche Gattin. Dieſe brachte gute
Nachrichten aus der Heimath: Prinz Conde hatte durch
die Einſchließung von Paris einen Vergleich zwiſchen dem
Hof und der Partei des Kardinals Retz zu Stande ge-
bracht und für die verwüſteten Beſitzungen des Chevaliers
fanden ſich im vergangenen Frühjahr Pächter, welche eine
gute Ernte machten. „Laß uns mit dem nächſten Schiffe
nach Frankreich zurückkehren,“ ſchloß die junge Dame,
„denn nirgends gründet ſich der Menſch raſcher eine glück-
liche Zukunft, als im Vaterlande.“ ö
Der Chevalier ſchwankte. Ehrgeiz und Pflichtgefühl
kämpften in ſeinem Innern einen ſchweren Kampf. Vor-⸗
läufig hielt er die Exiſtenz ſeiner Gattin vor aller Welt
verborgen und erſt als bei Hofe ein glänzendes Masken-
feſt ſtattfand, geſtattete er der einſam lebenden Frau, un-—
ter einer Maske an dem Ball Theil zu nehmen.
Ehriſtine erſchien an jenem Abend im Coſtüme der
Königin Eliſabeth. Sie hörte es gern, wenn man ſie mit
dieſer Herrſcherin Englands verglich. Ihre Gewänder wa-
ren überladen mit Juwelen und Goldſtickerei und doch ſah
ſie ſchlecht aus. Frauen, denen zartere Regungen des Her-
zens fehlen, kleiden ſich ſelten geſchmackvoll. Trotz aller
Pracht war Chriſtinens Erſcheinung alles andere, nur
nicht königlich.
Der Chevalier hatte den ganzen Schwall ſeiner lie-
benswürdigen Suada in Komplimenten über das holde
Ausſehen ſeiner Gebieterin erſchöpft und trat, als dieſe
ihn mit einem zärtlichen Blicke verabſchiedet, in eine dunkle
Fenſterniſche, hinter deren ihn ſeine Frau im Domino er-
wartete.
Beide nahmen die Masken ab und muſterten von die-
ſem ſichern Verſteck aus, wo ſie ſich von Niemanden be-
obachtet glaubten, die bunten Maskenſchwärme, welche an
ihnen vorüberzogen. ö
„Wie findeſt Du die Königin?“ fragte nach einer
Weil die junge Frau den Chevalier.
„Sie iſt eben ſo ſehr König, wie Madame de Lauren
in Paris“, entgegnete der Gefragte, und Beide brachen
in ein ſpöttiſches Lachen aus. ö
In demſelben Augenblick trat ein Domino, welcher an
dem Vorhange gelauſcht hatte, in's Gewühl zurück, durch-
brach die Reihen der Tanzenden und drängte ſich mit
ſtürmiſcher Haſt in die Nähe des franzöſiſchen Geſchäfts-
trägers.
ö (Schluß folgt.)
im ganzen Gebäude überhand und verbreitete ſich bis in
die Flügel.
(Fortſetzung folgt.)
So rächt ſich eine Königin
Der Chevalier de Liar, ein Mitglied der aufrühreri-
ſchen Fronde, verließ im Herbſt des Jahres 1648 ſein
von Parteikämpfen zerriſſenes Vaterland. Die Beſitzungen
dieſes Edelmanns waren verwüſtet, die Ausſichten auf Er-
folg für ſeine Partei ſehr ſchwankend und ſo beſchloß er
ſeine junge Gemahlin in Frankreich zurücklaͤſſend, einem
Fürſten des Auslandes ſeine Dienſte anzubieten. Der Zu-
fall führte ihn nach Stockholm, woſelbſt es vermöge ſeiner
hohen Abkunft ihm gelang, der Königin Chriſtina vorge-
ſtellt zu werden.
Die Tochter Guſtav Adolph's war damals noch nicht
ſo ganz die geiſtvolle Meſſaline, welche den Ruhm ihres
edlen Vaters ſchmachvoll mit Füßen trat, wie das ſpäter
geſchah, als ſie auf dem geweihten Boden Roms, dem
Schauplatz der Livia's und Agrippina's voll Inbrunſt den
Pantoffel des heiligen Vaters küßte, allein in ihrem un-
weiblichen Herzen keimten bereits die Regungen der Grau-
ſamkeit, welche mit denen der Wolluſt Hand in Hand
gingen.
Die Augen Chriſtinens ruhten mit Wohlgefallen auf
dem graziöſen Franzoſen. Huldvoll lauſchte ſie einem kur-
zen Bericht ſeiner Erlebniſſe, und als er ſchließlich mit
blitzenden Augen und gutgeſpieltem Enthuſiasmus die Bitte
ausſprach, der jungfräulichen Königin des glorreichen
Schweden Degen und Leben weihen zu dürfen, reichte dieſe
ihm die Hand zum Kuſſe und befahl dem Kriegsminiſter,
ein Lieutenantspatent der Garde für den Chevalier aus-—
zufertigen. Zu ſeiner Equipirung ließ ſie ihm eine be-
biien e Geldſumme aus ihrer Privatchatoulle einhän-
gen.
Der Chevalier war viel zu ſehr Kenner des weibli-
chen Herzens, um die Beweggründe dieſer Gunſtbezeugun-
gen mißverſtehen zu können; als echter Franzoſe war er
außerdem mit einer ſo reſpektabeln Doſis Ehrgeiz und Ei-
telkeit ausgeſtattet, daß er in nicht allzuferner Perſpektive
das goldene Scepter des nordiſchen Reiches in ſeinen Hän-
den ſah. — — Iſt es denn ſo ſchwer, das Herz einer
Königin zu erobern? Eine Königin bleibt immer nur ein
Weib .. . Bis heute war ich noch ſtets Cäſar, wo es
ernſtlich galt, ein Frauenherz zu erobern .. . Eliſabeth
von England fand ihren Eſſex, Chriſtine von Schweden
ſoll — hier wurde der Gedankengang des Abenteurers
durch ein Pochen gegen die Thür ſeiner Wohnung unter-
brochen; unwillig rief er herein, die Thür flog auf und
der junge Gardeoffizier erbleichte, denn auf der Schwelle
ſtand, lächelnd und roſig wie die blitzende Winterſonne,
welche die Ciskryſtalle der Schneedächer beglänzte — —
ſeine junge Frau.
Warum wurde Liar beim Anblick des blühenden Wei-
bes ſo blaß? Warum zitterte die Hand, welche er ihr
nach mehr als jahrelanger Trennung zum Willko mmen
reichte? — Es ſchoß wie der Blitz der Gedaͤnke durch
ſein Hirn: Der ſtolze Kopf des glänzenden Eſſex rollte
vom Block des Henkers herab, weil er heimlich vermählt
war. Gleich einem finſteren Schatten ſtieg die drohende
Ahnung in ſeiner Seele auf, als könnten ſeine ehrgeizi gen
Träume mit einer ähnlichen Kataſtrophe enden. — Köni-
ginnen ſind zwar Weiber, allein auch ein Weib wird ge-
fährlich, erregt man ihre Eiferſucht und wehe dem Manne,
deßen eiferſüchtige Geliebte eine Königin iſt!
Mit ſeltſam widerſtreitenden Empfindungen umarmte
der Chevalier ſeine glückliche Gattin. Dieſe brachte gute
Nachrichten aus der Heimath: Prinz Conde hatte durch
die Einſchließung von Paris einen Vergleich zwiſchen dem
Hof und der Partei des Kardinals Retz zu Stande ge-
bracht und für die verwüſteten Beſitzungen des Chevaliers
fanden ſich im vergangenen Frühjahr Pächter, welche eine
gute Ernte machten. „Laß uns mit dem nächſten Schiffe
nach Frankreich zurückkehren,“ ſchloß die junge Dame,
„denn nirgends gründet ſich der Menſch raſcher eine glück-
liche Zukunft, als im Vaterlande.“ ö
Der Chevalier ſchwankte. Ehrgeiz und Pflichtgefühl
kämpften in ſeinem Innern einen ſchweren Kampf. Vor-⸗
läufig hielt er die Exiſtenz ſeiner Gattin vor aller Welt
verborgen und erſt als bei Hofe ein glänzendes Masken-
feſt ſtattfand, geſtattete er der einſam lebenden Frau, un-—
ter einer Maske an dem Ball Theil zu nehmen.
Ehriſtine erſchien an jenem Abend im Coſtüme der
Königin Eliſabeth. Sie hörte es gern, wenn man ſie mit
dieſer Herrſcherin Englands verglich. Ihre Gewänder wa-
ren überladen mit Juwelen und Goldſtickerei und doch ſah
ſie ſchlecht aus. Frauen, denen zartere Regungen des Her-
zens fehlen, kleiden ſich ſelten geſchmackvoll. Trotz aller
Pracht war Chriſtinens Erſcheinung alles andere, nur
nicht königlich.
Der Chevalier hatte den ganzen Schwall ſeiner lie-
benswürdigen Suada in Komplimenten über das holde
Ausſehen ſeiner Gebieterin erſchöpft und trat, als dieſe
ihn mit einem zärtlichen Blicke verabſchiedet, in eine dunkle
Fenſterniſche, hinter deren ihn ſeine Frau im Domino er-
wartete.
Beide nahmen die Masken ab und muſterten von die-
ſem ſichern Verſteck aus, wo ſie ſich von Niemanden be-
obachtet glaubten, die bunten Maskenſchwärme, welche an
ihnen vorüberzogen. ö
„Wie findeſt Du die Königin?“ fragte nach einer
Weil die junge Frau den Chevalier.
„Sie iſt eben ſo ſehr König, wie Madame de Lauren
in Paris“, entgegnete der Gefragte, und Beide brachen
in ein ſpöttiſches Lachen aus. ö
In demſelben Augenblick trat ein Domino, welcher an
dem Vorhange gelauſcht hatte, in's Gewühl zurück, durch-
brach die Reihen der Tanzenden und drängte ſich mit
ſtürmiſcher Haſt in die Nähe des franzöſiſchen Geſchäfts-
trägers.
ö (Schluß folgt.)