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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 10 - Nr. 17 (3. Februar - 28. Februar)
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51¹

„Ich ſah Niemanden, ich hörte keine Stimme der
Hoffnung,“ flüſterte Viktorie „und die Couſine Blanda ſaß
neben mir mit den tödtenden Augen. O, das iſt eine
fürchterliche Perſon! — Aber ſie trieben es noch weiter,“
plapperte ſie nach einer kleinen Weile fort, worin ſie ihre
Sinne zu ſammeln verſuchte; „ſie zeigten mir viele Pa-
piere, die zich unterſchreiben ſollte, die mich völlig in den
Beſitz meines Erbes ſetzen ſollten, und kündigten mir an,
in einer Stadt, wo wir am nächſten Morgen eintreffen
würden, werde ein Prieſter mich mit dem Grafen Augu-
ſtin verbinden, deſſen Schutz mir unentbehrlich geworden.“
— Sie ſchüttelte ſich wie in Froſt und Abſcheu. — Auch
ſpöttelten ſie frei und leichtfertig über meine fromme Mut-
ter und ihre welke Brautkrone, und die beſchleunigte ſtille
Kopulation. — Da war es hell vor meinen Augen und
die VBerzweiflung gebar meinen Entſchluß. Im Nacht-
quartier that ich zufrirden, ermüdet und ſtellte mich bald
feſt ſchlafend und was ich da gehört hinter den geſchloſſe-
nen Augenlidern, nmmer, nimmer werde ich das vergeſ-
ſen. Die Hölle rauſchte rund um mich und Teufel lach-
ten! Als Alles ſich zur Ruhe gelegt, ſchlüpfte ich aus
dem Fenſter und ſtürzte mich wie ein gehetztes, verwunde-
tes Stück Wild auf die Flucht. Wie ich fortkam, wie ich
Schauenſtein erreicht, dies Alles weiß ich nicht mehr;

aber immer ſah ich auf dem langen Wege durch Buſch

Dorn das Bild meiner Mutter mir vorangehen; es winkte,
wenn ich athemlos ſtille ſtand; es winkte, wenn ich nie-
derſank; es winkte, als ich Schauenſteins leuchtende Fen-
ſter erblickte, und ich folgte durch Schmutz, Regen und
Blitz, denn ich war ja ſo allein und verlaſſen, und ſchrie
immer nach der Mutter, und konnte ſie doch nicht errei-
chen; und im Donner rief es mir in das Ohr: die Mut-
ter allein hat Dich lieb gehabt; die Mutter hat von All-
len allein es gut mit Dir gemeint! Und Du biſt immer-
dar ein böſes Kind geweſen!“
„Reue verſöhnt!“ ſprach bewegt der greiſe Arzt und
legte ſeine Hand auf Viktortens Scheitel. Heftig riß ſich
das Mädchen in die Höhe und ſtand wieder mit den rol-
lenden Augen vor ihm. „Kann Reue Todte erwecken?“
rief ſie mit gellender Stimme. „Hat die böſe Blanda es
mir nicht ſelbſt geſtanden? Hat ſie nicht ſelbſt ihr den
ſchrecklichen Trank gemiſcht? Und ich ahnete den Vorſatz
und ſchwieg. O laßt mich zu meiner gemordeten Mutter,
daß dort das Gericht mich treffe, dem ich doch nimmer zu
entrinnen vermag.“ —
„Blanda?“ tönte da der Gräfin Stimme und ſich los-
reißend erſchien ſie mit dem Obriſten in der Zimmerthür.
„O geprieſen ſei Gott! So war Blanda die Verbrecherin
und mein Kind iſt rein und unbefleckt, und ich darf ſie
als mir neugeboren an's Herz drücken!“ —
Viktorie wich ſcheu und entſetzt zurück. „Rettet mich!“
rief ſie wie außer ſich; „es iſt ihr zürnender Geiſt und
auch ſein Geſpenſt erhebt ſich und Beide wollen mich ver-
derben!“ Doch ſchon hatten die Mutterarme ſie umfangen
und Florentine umklammerte ihr Kind ſo angſtvoll und
eng, als fürchte ſie, man wolle neuerdings es ihr entreißen.
ö Schluß folgt)

Loſe Blätter.

Feſte Preiſe. Es giebt Hausfrauen, die am
liebſten da kaufen, wo ſie am meiſten abhandeln können.

Das iſt aber thöricht und unwirthſchaftlich. Der dadurch

erzielte Gewinn iſt in der Regel nur eingebildet, denn ein
Kaufmann, der von dem Preiſe ſeiner Waare viel abhan-
deln läßt, verkauft dieſelbe nicht etwa billiger als Andere,
ſondern hat nur um ſo viel mehr vorgeſchlagen, weil er
weiß, daß dabei gehandelt wird. Dagegen halten ſolide
Kaufleute an feſten Preiſen, und dieſe ſind es, die wir
den Hausfrauen beſonders empfehlen wollen. Das Ge-
ſchäft des Einkaufens iſt dann weit leichter, zuverläſſiger
und minder zeitraubend. Die Waare wird darum ja nicht
theurer, weil der nothwendige Gewinn des Verkäufers ſei-
nen beſtimmten Prozentſatz hat. Ein Kaufmann, der hoch
und heilig verſicherte, daß er bei dem Verkauf ſeiner Waare
verlitre, gab auf die Frage, wie er denn leben könne, zur
Antwort: „Die Menge muß es bringen.“ Der Mann iſt
zu billig, denkt eine verſtändige Frau und geht weiter.

Die Induſtrie als Konkurrent beim Ver-
brauch eines wichtigen Nahrungsmittels. Be-
kangtlich beſitzt das Eiweiß die Eigenſchaͤft, bei einer Tem-
peratur von 70 — 80 Grad zu gerinnen, das heißt feſt
und in Waſſer unlöslich zu werden. In Folge deſſen be-
nutzte man es ſeither in den Zeugdruckereien, um verſchie-
dene Farben, die als Niederſchläge nicht leicht zu erhalten
ſind, auf den Geweben zu fixiren. Die Farben werden
nämlich mit dem flüſſigen Eiweiß angerieben uund dann
mittelſt Formen dem Zeuge aufgedruckt, worauf man die-
ſes heißen Dämpfen ausſetzt. So werden im Elſaß, dem
Hauptſitze der franzöſiſchen Druckereien, jaͤhrlich etwa 2500
Centner Eiweiß verbraucht, wozu man 33 Millionen Stück
Eier, das Erzeugniß von 220,900 Hühnern opfern mußte.
Der Verbrauch der engliſchen Druckereien belief ſich all-
jährlich auf nicht weniger als 165 Millionen Stück. Lange
ſchon iſt man bemüht, den Fabriken einen anderen, weni-
ger werthvollen Stoff für ihre Zwecke zu verſchaffen, und
verſchiedene induſtrielle Geſellſchaften haben ſogar einen
anſehnlichen Preis für die Erfindung eines ſolchen Mate-
rials ausgeſetzt; dieſelbe ſcheint jedoch bisher noch immer
nicht befriedigend erfolgt zu ſein.

Mirabeau wurde einſt von einem ſeiner treueſten
Anhänger, welcher leider in pollitiſchen Dingen ſehr un-
mündig war, mit langen Expektorationen beläſtigt, durch
welche dieſer zu beweiſen ſuchte, daß der große Führer der
Revolution eine falſche Maßregel ergriffen habe.
Mit komiſchem Pathos unterbrach ihn der gewaltige
Volksredner und ſprach: „Wenn ich Dich ſo ſehr verachte,
Freund, daß ich es ſchon gar nicht mehr der Mühe werth
halte, Dich zu meiner Ueberzeugung zu dekehren, dann —
dann bitte ich dringend — achte Du mich hoch genug, mir
nicht die Deinige aufnökhigen zu wollen.“
 
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