Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

DOI Kapitel:
Nr. 10 - Nr. 17 (3. Februar - 28. Februar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0062

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ſchwimmen mögen? Gewiß nur ein Spiel müßiger Dorf-
kinder.“
„Mit nichten!“ entgegnete Juno, „es iſt dies vielmehr
ein Zweig der edeln Jagdkunſt. Die wilden Enten zu
berücken, hat man das Mittel erdacht, welches drollig ge-
nug iſt. Anfangs fürchten ſich die ſcheuen Thiere vor
dieſen gelben Köpfen und meiden deren Nähe. Allgemach
jedoch gewöhnen ſie ſich an die harmioſen Nachbarn, nä-
hern ſich' ihnen, und wagen ſogar, durch die eingeſchnitte-
nen Löcher den darin mit gutem Bedacht zurückgelaſſenen
Ueberreſt von Kürbisfleiſch und Kernen ſich zuzueignen.
Dieſen Zeitpunkt hat der Jäger abgewartet, um ſich in
den See und ſeinen Kopf in den Kürbis zu bergen. Die
armen Thiere, die Gefahr nicht ahnend, eilen ihrem Feinde
ſelbſt in die Hände, welcher ſie auf dieſe Weiſe leicht und
lebend fangen kann.“
„Himmel!“ ſchrie Pſyche furchtſam auf, „da ſteckt
wirklich ein Menſch in dem Kürbis!“
„Sind wir denn wilde Enten?“ lachte Juno ungläu-
big, „oder irrte ſich ein Jäger alſo in unſerer Perſon?“
„Spotte nicht!“ ſprach Jene ängſtlich. „Wahrhaftig,
es ſtieren zwei glühende Augen aus dem Kürbis uns an.“
Die Bauerndirnen kicherten. Eine von ihnen erhob
die Ruderſtange, das Geſpenſt durch einen kräftigen Schlag
zu vertreiben. Da tauchte daſſelbe — auffallend genug
— ſchnell unter und verſchwand, um erſt in ziemlicher
Entfernung wieder hervor zu kommen.
„Da ſchwimmt noch Einer!“ klagte Pſyche wieder, auf
den Kürbis deutend, der wirklich dem verlegenen Adolph
zur Maske diente. „Ich ſehe auch“ — ſie verbarg hoch-
erröthend das verſchämte Antlitz an Juno's Buſen — „ei-
nen Menſchenhals,“ fuhr ſie leiſe fort. Auch dieſer Kür-
bis ſchien belebt zu ſein. Wie ſein Vorgänger glitt er
unter das Waſſer. ö
Juno wurde ernſt. Ein Wink von ihr vermochte die
Rudermädchen zur verdoppelten Eile. Die übrige Fahrt
wurde vollendet, ohne daß die Jungfrauen noch ein Wort
gewechſelt hätten.
Als die Gondel landete, ſtiegen die Mädchen mit gro-
ßer Haſt aus. Kaum daß ſie in ihrer Betroffenheit den
ehrerbietigen Gruß des zeichnenden Hugo flüchtig erwie-
derten. Dieſer ſah den Davoneilenden aufmerkſam nach.
Als ſie ſeinen Blicken entzogen waren, verſuchte er, die
ſchönen Schifferinnen aus der-Erinnerung ſeinem Bilde
einzuverleiben. Die Staffage gelang ihm faſt beſſer als
die Landſchaft. Nicht unzufrieden betrachtete er ſeine Ar-
beit, als ſein Freund völlig angekleidet an ſeine Seite
trat.
„Das war ein Abenteuer dreifacher Art,“ hob er an,
„ſchreckhaft — genußreich — befremdlich. Aus nicht ge-
ringer Verlegenheit riß mich, den Göttinnen gegenüber,
der hohle Kürbis. Unter ſeiner Aegide genoß ich eines
Schauſpiels wie nimmer. Aber — ich war nicht der ein-
zig Glückliche, und ein anderer noch näher den Zauberin-
nen als ich. Wer er nur ſein mochte? Ein Jäger nicht!
Ich trachtete ihm nach, ſein Inkognito zu entdecken. Al-
lein, wie daheim in dieſem Element, konnte er eine unge-
heure Strecke unter dem Waſſer dahin ſchwimmen, und
endlich entzog ihn die Inſel meiner Verfolgung.“

Die Poſtkutſche.
Gedankenvoll kehrten die Freunde nach der Stadt zu-
rück, wo ſie nun den Poſtwagen angekommen vermutheten.
Auf dem Marktplatze wartete ihrer ein Auto da Fe des
neunzehnten Jahrhunderts. Franzöſiſche Soldaten umſtan-
den einen mächtigen Scheiterhaufen, in welchem nicht Men-
ſchen, ſondern — nur unſchuldige Ballen Nanking, Man⸗—
cheſter, Sammt und verſchiedene Baumwollenwaaren ver-
brannt wurden. Auch ſah man daſelbſt noch andere Er-
zeugniſſe des engliſchen Fleißes, welche, aus unverbrennli-
chem Stahl verfertigt, in Stücke zerſchlagen und vernich-
tet wurden. Alle dieſe Gegenſtände waren harmloſen
Kaufleuten geraubt worden, welche dieſelben in friedlichen
Zeiten erhandelt und bezahlt hatten. So rächte ſich der
greße Kaiſer der Franzoſen an den Inſelbewohnern für
die Wegnahme ſeiner Schiffe und die Nichtanerkennung ſei-
ner Würde. Unzufriedenen Blicks, doch nur leiſe murrend,
wohnte das deutſche Volk dieſer Handlung angeblicher Ge-
rechtigkeit bei-
Dem Adolph wollten einige giftige Worte über die
Lippen gleiten; aber Hugo eilte, ohne eine Miene zu ver-
ziehen, voraus und dem Poſthauſe zu, wo ſie gerade zu
rechter Zeit anlangten. Nach kurzem Gruße der übrigen
Reiſegeſellſchaft nahmen die beiden jungen Männer Platz.
Die Poſtkutſches rollte — nein, es war vor einigen und
zwanzig Jahren — leierte ab. Wie man erwarten konnte,
war das Auto da Fe der alleinige Gegenſtand der Unter-
haltung. ö
„Jammerſchade um die ſchönen Waaren!“ hob ein jun-
ges Mädchen bedauernd an. „So muthwillig ſie zu ver-
brennen! Ein Stück des köſtlichen Hamans hätte mich
ſchon glücklich gemacht.“
„Konnte man die Stoffe nicht den Armen ſchenken?“
eiferte eine ältliche Frau. Dann hätten ſie doch Jemand

noch genützt.
(Fortſetzung folgt)

Ein chineſiſches Diner.

Die Naͤhrung der Chinefen iſt für gewöhnlich ſehr
einfach. Sie beſteht meiſtens aus Fiſchen und Vegetabi-
lien, beſonders aus Reisſpe iſen, die ſtark mit Zwiebeln
und Knoblauch, mit altem, ranzigen Oel angeſetzt ſind.
Fleiſchſpeiſen werden in den niederen Ständen ſelten, in
den höheren häufiger, aber keineswegs täglich verzehrt.
Wenn aber die Chineſen Fleiſch eſſen, ſo iſt ihnen das
Thier, von dem Fleiſch genommen, da ſie den Ckel nicht
kennen, vollſtändig gleichgültig. Deshalb hängen auch in
den Fleiſcherläden die verſchiedenſten Thiere zum Verkauf
bunt durcheinander. Da erblicken wir neben dem ſauber
ausgeſchlachteten Rinde fette Kälber und Schweine, die mit
Ziegen, jungen Hunden und Affen, mit Schlangen und
Katzen, mit gemäſteten Ratten und Mäuſen in traulicher
Harmonie ſeltſam gruppirt ſind. Auch an den Privathäu-
ſern erblicken wir während des Sommers an Thüren und
Fenſtern, guirlandenartig geordnet, die Ratten ſchockweiſe
an Bindſäden zum Trocknen aufgereiht, als Leckerbiſſen
 
Annotationen