„Ihren Arm, mein Fräulein!“ ſprach Kork zu der
Erblaßten. „Wohin ſoll ich Sie führen?“ Sie zeigte
nach der Gegend des Schloſſes. Eine Schaar wogender
Gefühle durchkreuzte die Bruſt der beiden Perſonen, als
ſie ſtumm, heftig bewegt, dem Schloſſe zuſchritten. Am
Eingange deſſelben blieb Natalte ſtehen.
„Sie waren mein Netter,“ ſyrach ſie ergriffen. „Wie
tief bin ich Ihnen verpflichtet!“ Suchend blickte ſie an
ſich herab. Raſch entwand ſie ihrem Halſe eine ſchwache,
goldene Kette mit einem einfachen Rubinkreuze und reichte
ſie mit zitternder Hand dem glücklichen Kork. „Ein klei-
nes Zeichen meiner Dankbarkeit!“ flüſterte ſie dabei.
Kork führte das theuere Pfand an ſeine Lippen, barg
es dann im Buſen und ſtürzte fort.
Vergebliche Fürſprache.
„Meine Eugenie iſt ein Engel,“ ſprach Loſſum zu
ſeinem Freunde Kork, „deſſen ich kaum werth bin. Nun
ich Gelegenheit habe, ſie genauer zu beobachten, finde ich,
daß die Schönheit ihrer Seele die des Körpers noch über-
trifft. Ich hätte gewünſcht, Du wärſt ein unbemerkter
Zeuge bei unſerer erſten Verſtändigung geweſen. Mit
welch' einer ſüßen, züchtigen Verwirrung nahm ſie das
Geſtändniß meiner feurigen Liebe auf! Ein leiſer, heili-
ger Schauer durchbebte ſie, als ſie daſſelbe unter hohem
Erröthen mir zurückgab und zitternd in meine verlangen-
den Arme ſank. Eine ſolche Himmelswonne enthält dieſes
Leben nur einmal und läßt ſich nicht beſchreiben. Sie
durfte mir es nicht verbergen, daß ſie dem armen Flaſch
bereits einen Platz in ihrem jungfräulichen Herzen v er-
gönnt und darum preiſe ich dankbar den Einfall, meinen
Stand unter ein beſcheidenes Incognito verſteckt zu haben.
Ohne daſſelbe dürfte ich ſchwerlich zu dem Beſitz dieſer
Perle und eines Freundes, wie Du biſt, gekommen ſein.
Denn ſprich ſelbſt, ob Du dem reichen Grafen Loſſum
würdeſt Dein liebendes Vertrauen in dem Grade geſchenkt
haben, wie dem Dir an Rang und Vermögen gleich ge-
achteten Flaſch? Ich wählte das Incognito aus mancher-
lei Gründen — vernünftigen und abenteuerlichen. Der
triftigſte war wohl der, in ungebundener Freiheit meinen
Neigungen leben zu können, die ſich nicht in das eherne
Joch ſchmieden laſſen wollten, welches der große Eroberer
faſt allen Völkern Europa's aufgezwungen hat. Deßhalb
werde ich daſſelbe auch bis zu meiner Vermählung beibe-
halten und habe die gern gegebene Einwilligung meiner
Braut und ihres Onkels dazu erhalten. Sollte das Re-
ſultat des nächſtens heftiger als je beginnenden Kampfes
für die deutſche Freiheit abermals ein ungünſtiges ſein,
werde ich jede Anſtellung im Staate fliehen, der Liebe,
der Freundſchaft und meinen Unterthanen leben, bis ein
ſchönerer Stern über mein Vaterland aufgehen wird. Da
haſt Du meinen Plan, in welchem Du, lieber Hugo, auch
Deine Rolle zu ſpielen haſt. Denn zu unſerem gemein-
ſchaftlichen Glücke gehört, daß Du zu dem Beſitz der lieb-
lichen Natalie gelangeſt. Wenn Eugenie der herrlich duf:
tenden, prachtreichen Centifolie ähnelt, ſo iſt Natalie das
würzige Veilchen. Sie muß Dein werden! Eugenie und
ich haben uns dazu verbündet. Schüttele nicht ungläubig
das bekümmerte Haupt. Es iſt nichts als Mädchengrille
— zu große Blödigkeit der keuſchen Jungfrau. Ich als
Mann begreife nicht, wie die Kleine bei dem Leuchten
Deiner Augen ſo hart bleiben kann. Es läßt ſich ja aus
Deiner Geſtalt eher ein Apollo, als eine Vogelſcheuche
ſchnitzen. Mir iſt das Mädchen unbegreiflich. Nun, ich
hoffe, daß ſie unſern gemeinſamen Angriffen ſich wohl er-
geben werde.“
„Damit verſchonet ſie!“ entgegnete Kork. „Ich müßte
ſie mißachten, wenn Eure Worte bewirkten, was meinen
heißen Bitten nicht gelang.“ ö
„Sorge Dich nicht. Ueberlaß nur getroſt die Hinweg-
räumung der Bedenklichkeiten Nataliens Deinen Bundes-
genoſſen, unter denen Eugenie mit Recht oben an ſteht.“
Wirklich hatten dieſe bereits angefangen, auf Nata-
liens ſprödes Herz Breſche zu ſchießen, doch leider noch
mit keinem günſtigen Erfolge. Es war kurz nach einem
derartigen Auftritte, in welchem Nataliens Thränen und
Bitten das Feld behauptet hatten, als der Geheimerath zu
ſeinen Nichten in's Zimmer trat.
„Meine Damen,“ hob er frohgelaunt an, „die Zeit,
ſagt man, bricht Roſen, aber auch jugendliche Schönheiten.
ten. Das Andenken an die Ihrige, jetzt eben am ſchön-
ſten blühende, mir zu erhalten, wünſchte ich Ihre Bild-
niſſe zu beſitzen. Auch treibt mich noch ein anderer Grund
zu dieſem Wunſche. Wie lange werde ich Cuch, holden
Kinder, noch zu beſitzen das Glück haben? Eugenie ge-
denkt mit einem gewiſſen, rapiden Sternwartenbewohner
auf und davon zu gehen, und wer weiß, was mit Nata-
lien über kurz oder lang vorgeht?“
„Hinſichtlich Nataliens irren Sie ſich ſehr, Onkel!“
entgegnete Eugenie ſchmollend. „Gewiß, ſie ſcheint bei
dem erſten Anblick ein ſanftes, fühlendes, mitleidiges Kind
zu ſein. Allein dem iſt nicht ſo. Ich ſage Ihnen, On-
kel, daß ich nie eine eigenſinnigere, grauſamere Schöne ge-
kannt habe —“
„Verketzere mir meine ſanfte Taube nicht!“ ſchalt der
Baron. „Wenn doch alle Mädchen wären wie ſie!“
„Ja, ja, ich weiß ſchon, daß Sie Ihrem Goldtöchter-
chen helfen, ſelbſt wenn das Recht nicht auf ihrer Seite
iſt.“
„Taisez vous, ma chère!“ Gehen wir auf meinen
Antrag zurück! Was meinſt Du, liebe Natalie! vielleicht
verſteht der junge Herr Kork oben die Mintaturmalerei
eben ſo gut als diejenige in Oel. Wenn dem alſo wäre,
könnte man ihm die Arbeit übertragen. Ich glaube ge-
wiß, daß ihr Beide ihm lieber ſitzen werdet, als einem
Fremden —“
„Nein! um des Himmels Willen nicht! Nimmer-
mehr!“ rief Natalie verſtört und mit ungewohnter Leb-
haftigkeit.
„Was iſt Dir nur, Kind?“ fragte der verwunderte
und erſchrockene Geheimerath. „Haſt Du etwas an dem
Menſchen auszuſetzen, ſo findet ſich ſchon ein Anderer, Er-
eifere Dich nur nicht ſo ſehr.“
D„ Da haben Sie gleich einen Beleg zu meiner vorigen
Rede, Onkel! Sollte man nicht aus Nataliens Benehmen
ſchließen müſſen, daß der arme Kork eher eine giftige
Schlange, als ein bildhübſcher, frommer Menſch ſei? Noch
mehr werden Sie erſtaunen, wenn ich Ihnen mittheile,
Erblaßten. „Wohin ſoll ich Sie führen?“ Sie zeigte
nach der Gegend des Schloſſes. Eine Schaar wogender
Gefühle durchkreuzte die Bruſt der beiden Perſonen, als
ſie ſtumm, heftig bewegt, dem Schloſſe zuſchritten. Am
Eingange deſſelben blieb Natalte ſtehen.
„Sie waren mein Netter,“ ſyrach ſie ergriffen. „Wie
tief bin ich Ihnen verpflichtet!“ Suchend blickte ſie an
ſich herab. Raſch entwand ſie ihrem Halſe eine ſchwache,
goldene Kette mit einem einfachen Rubinkreuze und reichte
ſie mit zitternder Hand dem glücklichen Kork. „Ein klei-
nes Zeichen meiner Dankbarkeit!“ flüſterte ſie dabei.
Kork führte das theuere Pfand an ſeine Lippen, barg
es dann im Buſen und ſtürzte fort.
Vergebliche Fürſprache.
„Meine Eugenie iſt ein Engel,“ ſprach Loſſum zu
ſeinem Freunde Kork, „deſſen ich kaum werth bin. Nun
ich Gelegenheit habe, ſie genauer zu beobachten, finde ich,
daß die Schönheit ihrer Seele die des Körpers noch über-
trifft. Ich hätte gewünſcht, Du wärſt ein unbemerkter
Zeuge bei unſerer erſten Verſtändigung geweſen. Mit
welch' einer ſüßen, züchtigen Verwirrung nahm ſie das
Geſtändniß meiner feurigen Liebe auf! Ein leiſer, heili-
ger Schauer durchbebte ſie, als ſie daſſelbe unter hohem
Erröthen mir zurückgab und zitternd in meine verlangen-
den Arme ſank. Eine ſolche Himmelswonne enthält dieſes
Leben nur einmal und läßt ſich nicht beſchreiben. Sie
durfte mir es nicht verbergen, daß ſie dem armen Flaſch
bereits einen Platz in ihrem jungfräulichen Herzen v er-
gönnt und darum preiſe ich dankbar den Einfall, meinen
Stand unter ein beſcheidenes Incognito verſteckt zu haben.
Ohne daſſelbe dürfte ich ſchwerlich zu dem Beſitz dieſer
Perle und eines Freundes, wie Du biſt, gekommen ſein.
Denn ſprich ſelbſt, ob Du dem reichen Grafen Loſſum
würdeſt Dein liebendes Vertrauen in dem Grade geſchenkt
haben, wie dem Dir an Rang und Vermögen gleich ge-
achteten Flaſch? Ich wählte das Incognito aus mancher-
lei Gründen — vernünftigen und abenteuerlichen. Der
triftigſte war wohl der, in ungebundener Freiheit meinen
Neigungen leben zu können, die ſich nicht in das eherne
Joch ſchmieden laſſen wollten, welches der große Eroberer
faſt allen Völkern Europa's aufgezwungen hat. Deßhalb
werde ich daſſelbe auch bis zu meiner Vermählung beibe-
halten und habe die gern gegebene Einwilligung meiner
Braut und ihres Onkels dazu erhalten. Sollte das Re-
ſultat des nächſtens heftiger als je beginnenden Kampfes
für die deutſche Freiheit abermals ein ungünſtiges ſein,
werde ich jede Anſtellung im Staate fliehen, der Liebe,
der Freundſchaft und meinen Unterthanen leben, bis ein
ſchönerer Stern über mein Vaterland aufgehen wird. Da
haſt Du meinen Plan, in welchem Du, lieber Hugo, auch
Deine Rolle zu ſpielen haſt. Denn zu unſerem gemein-
ſchaftlichen Glücke gehört, daß Du zu dem Beſitz der lieb-
lichen Natalie gelangeſt. Wenn Eugenie der herrlich duf:
tenden, prachtreichen Centifolie ähnelt, ſo iſt Natalie das
würzige Veilchen. Sie muß Dein werden! Eugenie und
ich haben uns dazu verbündet. Schüttele nicht ungläubig
das bekümmerte Haupt. Es iſt nichts als Mädchengrille
— zu große Blödigkeit der keuſchen Jungfrau. Ich als
Mann begreife nicht, wie die Kleine bei dem Leuchten
Deiner Augen ſo hart bleiben kann. Es läßt ſich ja aus
Deiner Geſtalt eher ein Apollo, als eine Vogelſcheuche
ſchnitzen. Mir iſt das Mädchen unbegreiflich. Nun, ich
hoffe, daß ſie unſern gemeinſamen Angriffen ſich wohl er-
geben werde.“
„Damit verſchonet ſie!“ entgegnete Kork. „Ich müßte
ſie mißachten, wenn Eure Worte bewirkten, was meinen
heißen Bitten nicht gelang.“ ö
„Sorge Dich nicht. Ueberlaß nur getroſt die Hinweg-
räumung der Bedenklichkeiten Nataliens Deinen Bundes-
genoſſen, unter denen Eugenie mit Recht oben an ſteht.“
Wirklich hatten dieſe bereits angefangen, auf Nata-
liens ſprödes Herz Breſche zu ſchießen, doch leider noch
mit keinem günſtigen Erfolge. Es war kurz nach einem
derartigen Auftritte, in welchem Nataliens Thränen und
Bitten das Feld behauptet hatten, als der Geheimerath zu
ſeinen Nichten in's Zimmer trat.
„Meine Damen,“ hob er frohgelaunt an, „die Zeit,
ſagt man, bricht Roſen, aber auch jugendliche Schönheiten.
ten. Das Andenken an die Ihrige, jetzt eben am ſchön-
ſten blühende, mir zu erhalten, wünſchte ich Ihre Bild-
niſſe zu beſitzen. Auch treibt mich noch ein anderer Grund
zu dieſem Wunſche. Wie lange werde ich Cuch, holden
Kinder, noch zu beſitzen das Glück haben? Eugenie ge-
denkt mit einem gewiſſen, rapiden Sternwartenbewohner
auf und davon zu gehen, und wer weiß, was mit Nata-
lien über kurz oder lang vorgeht?“
„Hinſichtlich Nataliens irren Sie ſich ſehr, Onkel!“
entgegnete Eugenie ſchmollend. „Gewiß, ſie ſcheint bei
dem erſten Anblick ein ſanftes, fühlendes, mitleidiges Kind
zu ſein. Allein dem iſt nicht ſo. Ich ſage Ihnen, On-
kel, daß ich nie eine eigenſinnigere, grauſamere Schöne ge-
kannt habe —“
„Verketzere mir meine ſanfte Taube nicht!“ ſchalt der
Baron. „Wenn doch alle Mädchen wären wie ſie!“
„Ja, ja, ich weiß ſchon, daß Sie Ihrem Goldtöchter-
chen helfen, ſelbſt wenn das Recht nicht auf ihrer Seite
iſt.“
„Taisez vous, ma chère!“ Gehen wir auf meinen
Antrag zurück! Was meinſt Du, liebe Natalie! vielleicht
verſteht der junge Herr Kork oben die Mintaturmalerei
eben ſo gut als diejenige in Oel. Wenn dem alſo wäre,
könnte man ihm die Arbeit übertragen. Ich glaube ge-
wiß, daß ihr Beide ihm lieber ſitzen werdet, als einem
Fremden —“
„Nein! um des Himmels Willen nicht! Nimmer-
mehr!“ rief Natalie verſtört und mit ungewohnter Leb-
haftigkeit.
„Was iſt Dir nur, Kind?“ fragte der verwunderte
und erſchrockene Geheimerath. „Haſt Du etwas an dem
Menſchen auszuſetzen, ſo findet ſich ſchon ein Anderer, Er-
eifere Dich nur nicht ſo ſehr.“
D„ Da haben Sie gleich einen Beleg zu meiner vorigen
Rede, Onkel! Sollte man nicht aus Nataliens Benehmen
ſchließen müſſen, daß der arme Kork eher eine giftige
Schlange, als ein bildhübſcher, frommer Menſch ſei? Noch
mehr werden Sie erſtaunen, wenn ich Ihnen mittheile,