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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 18 - Nr. 26 (2. März - 30. März)
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88

Die Nagglmaiern.

Die Reli-
gion is wid-
der emool in
G'fahr, Leit-
cher! Unſer
Kammer hott
bekanntlich e
G'ſetz gemacht,
noochdem zu-
kinftig ke Miſ-
ſionsbreddige
mehr g'halte
werre dirfe!
Ganz in Ord-
nung! Mir
hawe Parrer
genug im
Land, die alle
Sunndag bred-
dige. Mir

brauche nit

aah noch frem-

de Ordensbrie-I ISS

der, die die S⸗ ⸗

Leit, die in ge-
miſchter Eh
lewe, uff d'r ů
Kanzl durchenanner mache. Die Jeſuittepreddige kennt ma
jo. Deß neie G'ſetz ſoll awer, wie g'ſagt, widder emool
die Religion in G'fahr gebrocht hawe. Unſer Schwarze
in d'r Kammer, die natierlich nit mitg'ſchtimmt, hawe
dernderwege am Sunndag nit weniger wie 9 Volksver-
ſammlunge im badiſch Ländl arrangirt. Wie ich aus de
Blätter ſehe, ſinn ſe do un dort, ball im „Schoof,“
ball im „Och ſe,“ un ball im„Bäre,“ ꝛc. abg'halte worre,
awer all ſehr friedlich abgeloofe. Zur ſchwarze Revolu-
tion iſſ'es wenigſchtens bis dato noch nit kumme. Okon—-
drolleer — es is uff denne Volksverſammlunge, drotz der
gebreddigte „außerordentlichen Bedrückung der katholiſchen
Gewiſſen“ ſehr fidel un luſchtig hergange, un verdient
hauptſächlich d'r Abgeordnete Lender als d'r g'ſchbaſ-
ſigſte Reedner un Volksdribun uff d'r neekſchte Wiener
Weltausſchtellung brämirt zu werre. D'r Herr Dekan
hott nämlich am Sunndag in Malſch unner Annerm
in Bezug uff die verbottene Jeſuitte-Miſſione wertlich de
Bauere vorgebreddigt: ö
„Wenn Ihr die ganze Woche nur Kalbfleiſch und
Salat eſſet: ekelts Euch dann nicht? Seht, ſo iſt's
auch mit den Predigten der Pfarrer; Jedermann, von
den Weibern gar nicht zu reden, will Abwechslung,
und ſo haftet's auch beſſer und bletbt beſſer hängen,
wenn die Jeſuiten und andere Ordensglieder mit Eueren
Pfarrern abwechſeln.“ ö
E Illuſchtration brauch ich eich gewiß nit zu der
Breddig zu gewe. Was ſich ſo gut vun ſelwer illuſchtrirt,

wie die Breddig, braucht ke Beleichtung mehr. — Daß

die neiſcht Religionsg'fahr bei uns do am ärgſchte ſchbuckt,
wo die fromme Männer Gottes noch die greeſcht Hand
hawe, is natierlich. So ſoll per Exempl die Badner
drowe e iwernatierlich Ereigniß ganz aus'm Heisl ge-
brocht hawe. Aus Baden ſchreibt ma nämlich:
„Eine größere Anzahl Neugieriger wurde geſtern vor
das hieſige Gymnaſium und die katholiſche Mädchen-
ſchule gelockt, um daſelbſt ein „leibhaftiges Wunder“
zu ſehen. Cs waren nämlich an einzelnen Fenſterſchei-
ben dieſer Gebäude je 2 bis 3 mehr oder weniger voll-
kommene Kreuze in der Länge von 8— 10“ und der
entſprechenden Breite, in etwas dunklerer Färbung als
die Glasſcheibe ſelbſt, zu bemerken.“
Daß dodriwer im katholiſche Baden-Baden Lärme ge-
macht, un die Kreiz vun fromme Männer Gottes geheerig
angewend werre, verſchteht ſich am Rand. „Seht,“ ſage
ſe, der böſe Geiſt der modernen Wiſſenſchaft will auch in
unſere Schulen eindringen, aber die Mutter Gottes ſetzt
ihnen das Kreuz an's Fenſter,“ ꝛc. Die ganz nei Wun-
dererſcheinung leest ſich awer ſehr einfach, wie en Sach-
kenner ſchreibt, ſo uff: A
„Dieſe Erſcheinung iſt keineswegs eine wunderbare,
ſondern eine ganz natürliche. Bei der Glasfaͤbrikation
kommt es nämlich zuweilen vor, daß das noch ſehr heiße
Tafelglas zur Abkühlung auf eiſerne Gitter gelegt wird,
wodurch eine ungleiche Abkühlung ſtattfindet und auf dieſe
Weiſe entſtehen die kreuzähnlichen Abdrücke, ähnlich wie
bei der Photographie. Dies wißſenſchaftlich zu erklären,
und namentlich die Urſache, warum dieſe Erſcheinung nur
zeitweiſe zu beobachten iſt, bleibe einem Fachmann vorbe-
halten. Nur ſei noch bemerkt, daß der Glaſermeiſter, der
die betreffenden Scheiben am Gymnaſium zu Baden ein-
geſetzt, fragliche Gitterabdrücke auch damals ſchon be-
merkte.“ *
Alſo deß is deß Puddels Kern, for de Fall an eener
odder d'r annere Fenſchterſcheib in Heidelberg emool ae
ähnliche Kreizerſcheinung bemerkt werre ſoll. Die Zeit
d'r Wunder is vorbet, Leitcher!. Mir loſſe uns heitzudag
ke X for e U vormache! Iwerhaabt ſcheine mer d'r Ver-
einigung aller Confeſſione, alſo der Zeit, in der „ein Hirt
und eine Heerde“ is, immer näher zu kumme. In Schwetz-
inge driwe wenigſchtens mache die Werrth alleweil ſchun
ke Unnerſchied in de Confeſſione mehr, wann ſe Geld da-
bei verdiene. Ich lees nämlich in d'r Zeitung:
Hochzeiten
jeder Confeſſion können in Folge hübſcher Localitäten
Einrichtungen bei mir abgehalten werden.
Hotel Haßler, Schwetzingen.
Der Werrth nimmt alſo katholiſch un broteſchtandig
Geld an Zahlung un weist aah ke iſraelitiſche Zehngulde-
ſchein zurick. En Fortſchritt d'r Zeit, der norr zu begreife
is! So is recht, ihr Schwetzinger! Norr brav eingenumme.
Wann die Eiſebahn fertig is, b'ſuche mer eich dann noch
eefter. Eier Hotel Haßler werre mer hauptſächlich im
Aag b'halte. D'r Herr Werrth ſoll unſer Guldeſchtickl-
cher all kriche. Katholiſche un lutheriſche! Fort mit denne
Krakeeler, die eem ke Ruh mim Sack loſſe, bis ma ſe aus-
gewe hott. Fort mit Schade!

und

Druc von C. Mohr. — Verlag von G. Geiſendörfer.
 
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