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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 18 - Nr. 26 (2. März - 30. März)
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Nr. 24.

Samſtag, den 23. März 1872.

5. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 19 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiae ſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Incognito's.
Erzählung von Guſtav Nieritz.
(Cöortſetzung.)

„Dieſe Frage beantwortet ſich ſchon von ſelbſt“ —
entgegnete der Baron gefaßter. „Läßt man wohl die Sei-
nen aus einer andern Abſicht malen, als um ein theures
Andenken von ihnen zu beſitzen, im Falle eine Trennung
einſt ſtattfinden ſollte?“
„Sie haben vollkommen Recht. Wie ich ſehe, hängt
dort das Bild der gnädigen Comteſſe an der Wand. Doch
vermiſſe ich das Ihrer anderen liebenwürdigen Nichte da-
neben.“
„Da, wie Sie ſelbſt wiſſen, Letzteres in Miniatur ge-
daſſe iſt, ſo würde es nicht neben ein großes Oelgemälde
paſſen.“

„Auch das! Allein Sie befinden ſich doch in dem Be-

ſitze deſſelben? oder wäre es vielleicht ſchon in die Hände

eines beneidenswerthen Bräutigams gelangt?“

„Sie werden unverſchämt, mein Herr!“ ſagte der Ba— x

ron aufwallend. ö ö
„Nie darf man einen Inquiſitor alſo nennen,“ —
entgegnete Chaſſeloup grinſend. „Das mehr beſprochene
Miniaturgemälde ſpielt in unſerem Drama eine ſolche
Hauptrolle, daß ich durchaus auf deſſen Vorzeigung be-
harren muß.“ ö ö
»„Daſſelbe befindet ſich gegenwärtig
Händen.“
„In weſſen denn??
„Ich laſſe es faſſen —“
„Wo? von wem? womit 2“ ö
„Ich habe einen Freund beauftragt —“
„Sein Name und Aufenthaltsort?“
„Particulier v. Wormb in Augsburg —
„Ich bin dort bekannt. Allein es exiſtirt eine Fami-
lie dieſes Namens daſelbſt nicht.“
„Mein Freund iſt ſeit kurzem hingezogen. .
„Wo lebte derſelbe vorher?“
„In — der Name des Orts iſt mir entfallen, da
mein Freund als Weltbürger oft damit wechfelt.“
„So! Andrich iſt der Vatername Ihrer werthen
Nichte?“ — fragte Chaſſeloup, von ſeinem frühern Ge-
genſtande abſpringend.
„So iſt's!“ nickte der Geheimerath.

nicht in meinen

„Kaufmann war der Hr. Schwager und wo?“
„In Philadelphia“ — antwortete der Geheimerath
leichter.
„So weit reicht allerdings meine Bekanntſchaft nicht,
doch benutze ich jede Gelegenheit, das Mangelnde zu er-
ſetzen. Mein ſchönes Fräulein, in welcher Straße Phi-
ladelphia's befindet ſich die Akademie der ſchönen Künſte?“
Natalie würdigte den Frager keiner Antwort.
Dieſer wendete ſich nun wieder an den Baron. „Wird
die Faſſung des Bildes koſtbar ausfallen oder nicht?“
Ich habe meinem Freunde hierin freie Hand gelaſſen.
„Ich bedauere, daß ich Ihnen nicht ein Gleiches ge-
ſtatten kann. Die Unterſuchung hat durch Ihre vagen,
ausweichenden Antworten eine ſo ernſte Bedeutung ange-
nommen, daß Sie es uns nicht verargen können, wenn
wir einige Guiden, mit der Livre Ihrer Dienerſchaft be-
kleidet, in Ihr Vorzimmer legen, um Jeden den Aus-
oder Zutritt zu verwehren.“ ö ö
Nach dieſen, mit ſichtlicher Schadenfreude geſprochenen
Worten entfernte ſich der Inquiſitor und ließ den Baron
in einer nicht geringen Verlegenheit zurück.
„Hat man ſchon je erlebt,“ — hob Eugenie an, —
„daß ein Weib der Männer Tröſterin werden muß! Und
doch muß ich dieſe Rolle übernehmen, will ich meinen
theuern Onkel nicht der Verzweiflung anheim fallen ſehen
Onkel! pfui! ſchämen Sie ſich! Schauen Sie doch in den'
Spiegel, wie bleich und jämmerlich Ihr Antlitz geworden
iſt! Und wodurch? Durch die Kreuz- und Querfragen
eines Unverſchämten, den Sie ohne Säumen hätten aus
dem Zimmer werfen laſſen ſollen.“
Der Baron, welcher mit langen Schritten auf- und
abgegangen war, blieb hier vor der Gräfin ſtehen, blickte
ſie voll Unruhe an und ſagte nach einigem Bedenken: „Du
ſprichſt, wie Du es verſtehſt. Ich ſage Dir, dieſer Chaſ-
ſeloup — auf deutſch, Jagdwolf — enthält tauſend Teu-
fel in ſich, von denen einer ſchou hinreicht, einen ehrlichen
Mann in's Unglück zu ſtürzen.“ ö
Er ſetzte ſtill ſeine Wanderung fort. ö
„Arme Natalie!“ ſprach er trauernd, vor dieſelbe tre-
tend, — „was wird aus Dir — aus mir noch ärmeren
Manne werden?! Du allein begreifſt, was mich darnie-
derbeugt. Wenn nicht der Herr der Heerſchaaren ſich er-
barmt — ich weiß kein Mittel, uns zu retten. Zwar lä-
chelt ein kleiner Hoffnungsſtern durch die dunkle Nacht un-
ſerm deutſchen Vaterlande. Seit der Schlacht bei Dres-
den hat Napoleon nur Verluſte erlitten. In Leipzigs
Ebenen ſammeln ſich jetzt die Völker zum entſcheidenden

x Schlage. Möge er günſtig für uns Alle ausfallen!“
 
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