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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Bewunderung des Junkers herauszufordern ſchien, unter-
brochen wurde. Ein Lob aus dem Munde dieſes Letzteren,‚

dieß ſagten ihm die ungeſtümen Schläge ſeines Herzens,
würde ihn in eben dem Maße beglücken, als ein Tadel
aus dieſem ihn niederbeugen können.
Endlich erhob ſich der Junker, wandte ſich nach dem

jungen Manne um, und reichte ihm die Hand mit den

Worten:
„Ihr habt das Außerordentliche in Euerer ſchönen
Kunſt geleiſtet, Herr Schreiber, und wenn ihr anders
wollt, wie ich will, ſo laßt uns nähere Bekanntſchaft mit
einander machen. Auch ich bin von Eurem Fache, wenn
ich gleich meine Zeit daran verwendete, auf Stein und
Holz zu ſchreiben, wie Ihr es auf dem Pergamente thut.
Wenn Ihr mich im Hofe zum Jungen, den ich ſeit Kur-
zem bezogen habe, beſuchen wollt, will ich Euch auch von
meiner Kunſt Proben vorlegen. Meine Wohnung iſt leicht
zu finden: wenn Ihr über die Marktſtraße geht, liegt ſie
gen Oſten und iſt an den vielen ſpitzigen Thürmchen, ſo-
wie an der ſteinernen Wendeltreppe kenntlich, die in das
Innere führt. Drei Waldhörner im Wappen bezeichnen
ſie außerdem noch; Ihr werdet ſie über dem Eingangs-
thore erblicken und ſo mich nicht leicht verfehlen können,
ſofern Ihr mir die Ehre Eures Beſuchs ſchenken wollt.“
In dieſer genauen Beſchreibung, die der Junker Schöf-
fer'n von ſeiner Behauſung machte, lag ſo deutlich der
Wunnſch ausgedrückt, dieſen bei ſich ſehen zu wollen, daß
der Schreiber ihm mit Freuden ſeinen Beſuch zuſagte;
dann ſchied der Junker von Guttenberg von ihnen, nach-
dem er von Herrn Johann Fuſten einen etwas kalten,
von Peter Schöffer aber einen weit herzlicheren Abſchied
genommen hatte.
„Dieſer Mann“, nahm Fuſt, gegen den Schreiber ge-
wendet, das Wort, als er ſich dieſem allein gegenüber be-
fand, „wird mir, ſo fürchte ich, viel Geld mit ſeinen Pro-
jekten und Plänen koſten. Schon oft habe ich mir vorge-
nommen, mich gänzlich von ihm loszuſagen und lieber den
kleinen, gewiſſen Schaden zu leiden, als mich dem unge-
wiſſen größern, den er mir vielleicht bereitet, auszuſetzen.
Auch er hätte vielleicht beſſer gethan, das Handwerk ſei-
ner Vorfahren zu ergreifen und ſeine Lenden mit dem
Schwerte zu umgürten, um im Kriege Glück, Ruhm und
Geld zu ſuchen, als den Reſt ſeines väterlichen Erbtheils
an Künſte zu verwenden, die ihn ſchwerlich zum reichen
Manne machen werden.“
„Es liegt nur nicht in der Macht des Menſchen“,
verſetzte der Schreiber, der einen Mann ungern tadeln
hörte, der ihm ſo ausnehmend gefallen hatte, „ſolchen ed-
len Neigungen zu entſagen. Der auf die Kunſt oder die
Wiſſenſchaft gerichtete Sinn verſchmäht alle Erdengüter,
ſobald man ſie ihm unter der Bedingung aufzudringen
ſücht, jenem für immer zu entſagen; und der Junker —
verzeiht meinen Freimuth, Herr — ſieht mir ganz danach
aus, daß er wohl weiß, was er will und daß er auch das
Gewollte zum gewünſchten Ziele zu führen verſteht.“
„Er hat Euch, wie Andere“, verſetzte Fuüſt ohne Un-
willen, „für ſich einzünehmen gewußt, das ſehe ich ſchön;
allein nehmt Güch trötzdem vor ihm in Acht, funger Mann,
denn er iſt ein gar getültiger Menſch und ein ſolcher

Schwärmer für die Kunſt obendrein, daß es ihm gleich

viel gilt, ob er Brod im Hauſe hat oder nicht, wenn er
nur ſeinen Trieben und Eingebungen Folge zu leiſten ver-
mag. Er hat ſchon mehrere junge ſtrebſame Männer an
ſich gezogen und die ließen jetzt nicht nur ihr Leben für
ihn, ſondern theilten ſogar willig ſeine Armuth, indem er
ſie gänzlich für ſich und ſeine Projekte zu begeiſtern ver-
ſtand. Hat er mich ſelbſt doch — und ich weiß ſonſt
wohl, was ich thue — in ſein Netz gezogen und zapple
ich jetzt darin, wie ein gefangener Schmetterling, der ſich
gegen die Maſchen den Goldſtaub von den Flügeln ab-
ſchlägt. Ich werd's noch eine kurze Zeit mit anſehen und
wenn das Werk dann noch immer nicht vorwärts gerückt
iſt, dann Ade mein Herr Jünker' von Guttenberg und
meine ſchönen Goldgülden! Wenn wir uns erſt näher
kennen, ſag' ich Euch vielleicht mehr davon; für jetzt nur
noch die Frage: ob Ihr wohl geneigt wäret, gegen eine
billige Vergütung einige Pergamentbläͤtter, wie ich ſie Euch
geſtern bei meinem Bruder Jakob zeigte, mit ſo ſchön ver-
zierten und vermalten Anfangsbuchſtaben zu verſehen, wie
ſie auf Euren eigenen Schriften in's. Auge fallen, neben-
bei aber meiner Tochter Chriſtine einigen Unterricht in
Eurer ſchönen Kunſt zu geben? Sie hat bereits einen An-
fang damit gemacht und dürfte es vielleicht unter Eurer
Leitung weit darin bringen, denn ſie hat einen feinen Kopf
und überaus geſchickte Hände.
Der Schreiber ſagte Beides gern zu und trennte ſich
dann mit dem Verſprechen von Johann Fuſt, wieder kom-
men zu wollen, ſobald er die ihm vom Meiſter Jakob auf-
getragenen Arbeiten vollendet haben würde.

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Hätte der Schreiber nur ſeinen Wünſchen und den
Trieben ſeines Herzens Gehör gegeben, ſo würde er den
Mann, der ihm durch das Wenige, was er von ihm ge-
hört hatte, ſo bedeutend geworden war, ſchon gleich am
folgenden Tage beſucht haben; allein theils hielt ihn ſeine
Schüchternheit, theils das Schicklichkeitsgefühl, und dann
die ihm von Meiſter Jakob aufgetragene Arbeit noch ei-
nige Zeit von dieſem Veſuche zurück. Endlich war die
letztere vollendet und er ſtand jetzt nicht länger an, ſeiner
Neigung zu folgen, den edlen Junker in ſeiner Behauſung
aufzuſuchen.
Er traf dieſen nicht im Hauſe ſelbſt, ſondern in dem
geräumigen, aber wenig gepflegten Garten, der an daſſelbe
ſtieß. Mit großen Schritten und, wie es ſchien, in Ge-
danken vertieft, ſchritt der Junker in einem Laubgange auf
und nieder, der ſich eben mit friſchem Grün begleitete,
durch das die goldenen Sonnenſtrahlen erwärmend und
belebend hindurchblickten, da es noch dünn und ſpärlich war.
Kaum erblickte ihn der Junker am Eingange des
Baumgangs, ſo eilte er auf ihn zu, ergriff ſeiner beiden
Hände mit gewinnender Freundlichkeit und ſagte:
„So haltet Ihr mir doch noch Wort, Herr Schrei-
ber? Schon fing ich zu zweifeln an, daß Ihr mir noch
Euren Beſuch ſchenken würdet, und grämte mich über Eure
Gleichgültigkeit gegen mich, der ich Euch auf den erſten
Blick gewogen ward. Ihrtwerdet dieſen Worten ſchon ab-
inerken, daß ich nicht der- Maln bin, der mit ſetnen Ge-
 
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