22⁷7
„Dann iſt mir Alles klar! Er kann nicht ſchwei-
gen; er wird Euch Alles geſagt haben, der Schwätzer.“
„Nichts hat der edle Junker mir geſagt, was Euch
unangenehm oder nachtheilig ſein könnte,“ verſetzte der
Schreiber mit unwilligem Tone, der den neuerworbenen
Freund, den er in ſeinen Gedanken ſo hoch ſtellte, nicht
läſtern hören konnte, am wenigſten aus dieſem Munde,
ohne ſich verletzt zu fühlen. ö ö
Fuſt beſann ſich einige Augenblicke „ dann ging er zur
Thüre, ſchob den eiſernen Riegel, mit dem man ſie von
Innen verſchließen konnte, vor, trat wieder zu dem erſtaun-
ten Schreiber, ergriff ſeine Hand und ſagte: ö
„Ich ſehe, Herr Peter Schöffer, daß Ihr der Mann
ſeid, dem ich mich und mein Geheimniß anvertrauen darf,
und ſo will ich es Euch enthüllen, nachdem Ihr mir zu-
vor einen feierlichen Schwur geleiſtet haben werdet, gegen
keinen Menſchen, wer es auch ſein möge, ohne meine Ein-
willigung ein Wort von dem zu ſagen, was ich Euch
jetzt enthüllen werde. Wollt Ihr ihn leiſten, dieſen
Schwur ?“
(Fortſetzung folgt.)
Krupp und ſeine Kauonenfabrik.
(Fortſetzung.) ö
Die Londoner Weltausſtellung erklärte, daß A. Krupp
in Eſſen hinſichtlich der Gußſtahlfabrikation die erſte
Stelle in der Konkurrenz aller Länder des Erdballs ein-
nehme.
denn die Engländer ſind zähe. Die engliſchen Ingenieure
und Induſtriellen ſchafften enorme Schauſtücke auf die
letzte Pariſer Weltausſtellung und näherten ſich dem Krupp'⸗
ſchen Ausſtellungsviereck mit einer Neugierde, mit welcher
man wohl vor einen Vorhang tritt, der einen weißen
Elephanten enthüllen ſoll! Dam! Der Krupp'ſche Stahl-
block ſah aus, als hätte der Veſuv als Schmelzofen ge-
dient, und der Krupp'ſche Tauſendpfünder mit 14 Zoll
Seelenweite war das Nonplusultra aller Artillerie. Eng-
land ſtaunte, aber die engliſchen Artilleriſten meinten auch,
Krupp habe gewaltſam die Grenze des Praktiſchen und
Brauchbaren überſprungen. Sie wandten ſich an ihren
bisher unüberwindlichen Armſtrong und ſagten: Schieß
mit Krupp um die Wette und mach ihn, wenn möglich,
caput! Armſtrong nickte und der Tegeler Schießplatz
bei Berlin wurde zum Kampfplatz gewaͤhlt. Armſtrong
ſchaffte einen Vorderlader nach Berlin, der 228,6 Milli-
meter Rohrbohrungsdurchmeſſer, ein Rohrgewicht von
13,000 Kilogramm, ein Geſchoßgewicht von 114 Kilo⸗—
gramm hatte, und 19,5 Kilogramm Britaniapulver ver-
ſpeiſen konnte, und Krupp ſtellte einen gepanzerten Hin-
terlader von 235,4 Millimeter Rohrbohrungsdurchmeſſer,
von 14,700 Kilogramm Rohrgewicht und von 154 Kilo-
gramm Geſchoßgewicht daneben, der mit Gemüthlichkeit
21,0 Kilogramm preußiſches Pulver verblitzen konnte.
Krupp war alſo wieder ſchwerer als Armſtrong.
mit Le Boulenge's Chronograph gemeſſen, und Armſtrong
blieb hinter Krupp zurück. Dann wurde auf 470 Meter
Doch noch war das letzte Wort nicht geſprochen,
Erſt
wurde nun die Geſchoßſchwindigkeit beider Konkurrenten
Diſtanz mit Voll geſchoſſen gegen eine mit innerer Eiſen-
Schiffshaut verſehene Teakholz-Packung gefeuert, welche
mit acht⸗ und neunzölligen Schmiedeeiſenplatten gepanzert
war. Armſtrong ſchoß mit 113 und 114 Kilogramm ſchwe-
ren Gruſon'ſchen Hartgußgeſchoſſen, ſowie mit ſeinem Sta hl-⸗
geſchoß. Letzteres leiſtett das Außerordentlichſte. Es
durchſchlug die Platte und wurde nach dem Durchdringen
der Scheibe 101 Meter hinter derſelben in ganzem Zu-
ſtande aufgefunden. Darauf wurde auf 715 Meter
Diſtanz mit Hohlgeſchoſſen gegen eine Panzerwand ge-
feuert, deren 30zöllige Holzpackung mit 7zölligen Eiſen-
platten armirt war. Die Krupp'ſche Stahlgranate er-
rang wiederum die Palme. Sie kam ungebrochen
durch die Panzerplatte und krepirte in der Holzpackung,
während die Hartgußgranate in der Regel wegen ihrer
Sprödigkeit ſchon beim Durchdringen der Platte zerſplit-
terte und ihre Sprengladung demnach zu früh verblitzte.
Bei den letzten Schießverſuchen endlich zwiſchen dem ge-
panzerten neunzölligen Krupp'ſchen Hinterlader und dem
Armſtrong'ſchen Vorderlader mit neun Zoll Kaliberdurch-
meſſer ſprang Armſtrong, und Krupp blieb unnachgiebig.
Ja, unnachgiebig blieb Krupp, ſo ſchwer ſich auch
anfangs die Siegeslaufbahn ſeiner Gußſtahlkanonen an-
ließ. Schon als ſich ſämmtliche Kriegsminiſterien und die
geſammte militäriſche Preſſe nach langer Debatte für
den Krupp'ſchen Gußſtahl entſchieden, ſchreckte doch noch
der ungemein hohe Preis dieſes Materials zurück. Dieſer
hohe Preis rührte ſelbſtverſtändlich von der koſtſpieligen
Erzeugung dieſes edelſten Stahles her. Wenn man auch
in neuerer Zeit größere Maſſen Stahls mit einem Male
herſtellen kann, wie z. B. in der Beſſemer Retorte, ſo ſind
doch zur Herſtellung des Krupp'ſchen Gußſtahls in grö-
ßeren Maſſen Hunderte von Schmelzöfen und Hunderte
von Tiegeln erforderlich.
Dieſer Krupp'ſche Tiegelgußſtahl hat bis zu dem
Augenblick, wo die Speiſe gußgar iſt, aber noch lange
nicht die größten Unkoſten und die zahlreichſten Mani-
pulationen hinter ſich, denn dleſe ſteigern ſich in demſelben
Maße, in welchem ſich das Arbeitsſtück ſeiner Vollendun g
nähert. Es ſind allein bis gegen Tauſend Arbeiter nö-
thig, um nur den Block zu gießen, daraus eine Ka-
none bedeutenden Kalibers gefertigt werden ſoll. Sämmt-
liche Tiegel in ſämmtlichen Schmelzöfen der umfangreichen
Gießhalle wirken bei einem ſolchen Maſſenguſſe mit und
das Gelingen deſſelben hängt wiederum von dem auf die
Sekunde pünktlichen Zuſammenwirken der ganzen Gieß-
mannſchaften ab. Ein nicht gegen die ungeheure Hitze
Gefeiter kann einem ſolchen Guſſe nur von einer entfern-
ten, durch Glasfenſter abgeſchloſſenen Tribüne beiwohnen.
Da liegt nun der gegoſſene Block, um ſich in der Form
abzukühlen, während die geſammten Tiegel, daraus er
gegoſſen worden, das Zeitliche ſegnen müſſen, denn ſie
halten ungeachtet ihrer großen Feuerbeſtändigkeit eine
ſolche zweite Drangſalshitze nicht mehr aus.
Schluß folgt.) ö
„Dann iſt mir Alles klar! Er kann nicht ſchwei-
gen; er wird Euch Alles geſagt haben, der Schwätzer.“
„Nichts hat der edle Junker mir geſagt, was Euch
unangenehm oder nachtheilig ſein könnte,“ verſetzte der
Schreiber mit unwilligem Tone, der den neuerworbenen
Freund, den er in ſeinen Gedanken ſo hoch ſtellte, nicht
läſtern hören konnte, am wenigſten aus dieſem Munde,
ohne ſich verletzt zu fühlen. ö ö
Fuſt beſann ſich einige Augenblicke „ dann ging er zur
Thüre, ſchob den eiſernen Riegel, mit dem man ſie von
Innen verſchließen konnte, vor, trat wieder zu dem erſtaun-
ten Schreiber, ergriff ſeine Hand und ſagte: ö
„Ich ſehe, Herr Peter Schöffer, daß Ihr der Mann
ſeid, dem ich mich und mein Geheimniß anvertrauen darf,
und ſo will ich es Euch enthüllen, nachdem Ihr mir zu-
vor einen feierlichen Schwur geleiſtet haben werdet, gegen
keinen Menſchen, wer es auch ſein möge, ohne meine Ein-
willigung ein Wort von dem zu ſagen, was ich Euch
jetzt enthüllen werde. Wollt Ihr ihn leiſten, dieſen
Schwur ?“
(Fortſetzung folgt.)
Krupp und ſeine Kauonenfabrik.
(Fortſetzung.) ö
Die Londoner Weltausſtellung erklärte, daß A. Krupp
in Eſſen hinſichtlich der Gußſtahlfabrikation die erſte
Stelle in der Konkurrenz aller Länder des Erdballs ein-
nehme.
denn die Engländer ſind zähe. Die engliſchen Ingenieure
und Induſtriellen ſchafften enorme Schauſtücke auf die
letzte Pariſer Weltausſtellung und näherten ſich dem Krupp'⸗
ſchen Ausſtellungsviereck mit einer Neugierde, mit welcher
man wohl vor einen Vorhang tritt, der einen weißen
Elephanten enthüllen ſoll! Dam! Der Krupp'ſche Stahl-
block ſah aus, als hätte der Veſuv als Schmelzofen ge-
dient, und der Krupp'ſche Tauſendpfünder mit 14 Zoll
Seelenweite war das Nonplusultra aller Artillerie. Eng-
land ſtaunte, aber die engliſchen Artilleriſten meinten auch,
Krupp habe gewaltſam die Grenze des Praktiſchen und
Brauchbaren überſprungen. Sie wandten ſich an ihren
bisher unüberwindlichen Armſtrong und ſagten: Schieß
mit Krupp um die Wette und mach ihn, wenn möglich,
caput! Armſtrong nickte und der Tegeler Schießplatz
bei Berlin wurde zum Kampfplatz gewaͤhlt. Armſtrong
ſchaffte einen Vorderlader nach Berlin, der 228,6 Milli-
meter Rohrbohrungsdurchmeſſer, ein Rohrgewicht von
13,000 Kilogramm, ein Geſchoßgewicht von 114 Kilo⸗—
gramm hatte, und 19,5 Kilogramm Britaniapulver ver-
ſpeiſen konnte, und Krupp ſtellte einen gepanzerten Hin-
terlader von 235,4 Millimeter Rohrbohrungsdurchmeſſer,
von 14,700 Kilogramm Rohrgewicht und von 154 Kilo-
gramm Geſchoßgewicht daneben, der mit Gemüthlichkeit
21,0 Kilogramm preußiſches Pulver verblitzen konnte.
Krupp war alſo wieder ſchwerer als Armſtrong.
mit Le Boulenge's Chronograph gemeſſen, und Armſtrong
blieb hinter Krupp zurück. Dann wurde auf 470 Meter
Doch noch war das letzte Wort nicht geſprochen,
Erſt
wurde nun die Geſchoßſchwindigkeit beider Konkurrenten
Diſtanz mit Voll geſchoſſen gegen eine mit innerer Eiſen-
Schiffshaut verſehene Teakholz-Packung gefeuert, welche
mit acht⸗ und neunzölligen Schmiedeeiſenplatten gepanzert
war. Armſtrong ſchoß mit 113 und 114 Kilogramm ſchwe-
ren Gruſon'ſchen Hartgußgeſchoſſen, ſowie mit ſeinem Sta hl-⸗
geſchoß. Letzteres leiſtett das Außerordentlichſte. Es
durchſchlug die Platte und wurde nach dem Durchdringen
der Scheibe 101 Meter hinter derſelben in ganzem Zu-
ſtande aufgefunden. Darauf wurde auf 715 Meter
Diſtanz mit Hohlgeſchoſſen gegen eine Panzerwand ge-
feuert, deren 30zöllige Holzpackung mit 7zölligen Eiſen-
platten armirt war. Die Krupp'ſche Stahlgranate er-
rang wiederum die Palme. Sie kam ungebrochen
durch die Panzerplatte und krepirte in der Holzpackung,
während die Hartgußgranate in der Regel wegen ihrer
Sprödigkeit ſchon beim Durchdringen der Platte zerſplit-
terte und ihre Sprengladung demnach zu früh verblitzte.
Bei den letzten Schießverſuchen endlich zwiſchen dem ge-
panzerten neunzölligen Krupp'ſchen Hinterlader und dem
Armſtrong'ſchen Vorderlader mit neun Zoll Kaliberdurch-
meſſer ſprang Armſtrong, und Krupp blieb unnachgiebig.
Ja, unnachgiebig blieb Krupp, ſo ſchwer ſich auch
anfangs die Siegeslaufbahn ſeiner Gußſtahlkanonen an-
ließ. Schon als ſich ſämmtliche Kriegsminiſterien und die
geſammte militäriſche Preſſe nach langer Debatte für
den Krupp'ſchen Gußſtahl entſchieden, ſchreckte doch noch
der ungemein hohe Preis dieſes Materials zurück. Dieſer
hohe Preis rührte ſelbſtverſtändlich von der koſtſpieligen
Erzeugung dieſes edelſten Stahles her. Wenn man auch
in neuerer Zeit größere Maſſen Stahls mit einem Male
herſtellen kann, wie z. B. in der Beſſemer Retorte, ſo ſind
doch zur Herſtellung des Krupp'ſchen Gußſtahls in grö-
ßeren Maſſen Hunderte von Schmelzöfen und Hunderte
von Tiegeln erforderlich.
Dieſer Krupp'ſche Tiegelgußſtahl hat bis zu dem
Augenblick, wo die Speiſe gußgar iſt, aber noch lange
nicht die größten Unkoſten und die zahlreichſten Mani-
pulationen hinter ſich, denn dleſe ſteigern ſich in demſelben
Maße, in welchem ſich das Arbeitsſtück ſeiner Vollendun g
nähert. Es ſind allein bis gegen Tauſend Arbeiter nö-
thig, um nur den Block zu gießen, daraus eine Ka-
none bedeutenden Kalibers gefertigt werden ſoll. Sämmt-
liche Tiegel in ſämmtlichen Schmelzöfen der umfangreichen
Gießhalle wirken bei einem ſolchen Maſſenguſſe mit und
das Gelingen deſſelben hängt wiederum von dem auf die
Sekunde pünktlichen Zuſammenwirken der ganzen Gieß-
mannſchaften ab. Ein nicht gegen die ungeheure Hitze
Gefeiter kann einem ſolchen Guſſe nur von einer entfern-
ten, durch Glasfenſter abgeſchloſſenen Tribüne beiwohnen.
Da liegt nun der gegoſſene Block, um ſich in der Form
abzukühlen, während die geſammten Tiegel, daraus er
gegoſſen worden, das Zeitliche ſegnen müſſen, denn ſie
halten ungeachtet ihrer großen Feuerbeſtändigkeit eine
ſolche zweite Drangſalshitze nicht mehr aus.
Schluß folgt.) ö