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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 62 - Nr. 70 (3. August - 31. August)
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254

Genie, wenn er ſein Leben an ein ſolches Getändel
verliert.“

Mit dieſer Crklärung und dem derſelben vorange-

gangenem Verſprechen mußte ſich Schöffer zufrieden ge-
ben, und konnte es, da er ſeinen Zweck erreicht hatte.
Unbegreiflich aber blieb es ihm immer, wie ein Mann,
wie Guttenberg, einer Leidenſchaft abhold ſein konnte,
die ihn ſelbſt ſo ſehr erhob, ja, die ihm erſt eben Gei-
ſteskraft und Strebſamkeit verlieh; denn er fühlte, daß
er ihr allein Alles zu verdanken hüben würde, was er
im Leben noch zu erzielen hoffen durfte. ö
Der Seele Schöffers war jetzt jener belebende Im-
puls gegeben, der uns allein zu bedeutenden Thaten
und Erfindungen befähigt, und Tag und Nacht be-
ſchäftigte er ſich mit der neuen Kunſt, der er eine im-
mer größere Zuneigung widmete. Aus jener Zeit der
geiſtigen Anregung ſtammte alles Das her, was die⸗ö
ſelbe dem Peter Schöffer zu verdanken hat: die Ver-
beſſerungen der Matrize durch Anwendung eines ſchick-
licheren Metalls zu derſelben; die ſchöner geformten
Buchſtaben vermittelſt einer gehörig ad juſtirten, vom
beſten Stahl verfertigten Punze; die beſſere Miſchung
des zu den Lettern genommenen Metalls; die vervoll-
kommnete Druckerſchwärze und endlich jene ſo viel be-
wunderten Initialen, die in den von Guttenberg und
Schöffer gemeinſchaftlich hervorgebrachten Druckwerken
zur Anſchauung kommen.
Wenn man Schöffer ſo ſinnen, erfinden und ſchaffen
ſah, ſo hätte man glauben ſollen, daß ſeine lebhafte
und feurige Seele ſich ausſchließlich mit ſeiner Kunſt
beſchäftige, und für alles Andere erſtorben ſei. Doch
dem war nicht ſo: ſie war nicht die Göttin, die ſie

allein beherrſchte, er war kein Künſtler im ſtrengſten

Sinne des Worts; ihr nicht brachte er, wie Gutten-
berg, alle ſeine Huldigungen dar: ſie war ihm nur das
Mittel zum Zwecke, und hätte die Liede zu Chriſtinen
ihn nicht beſeelt, der Wunſch, ſie zu beſitzen, ſeinen
Eifer nicht geſtachelt, ſo würde er wohl nie den Kranz
der Unſterblichkeit errungen haben, womit eine dank-
bare Nachwelt ſeine lichtvolle Stirn umwand.
Sein Verhältniß zu Guttenberg, der ſich immer
gleich blieb, immer jene ruhige Größe behauptete, in
deren Sphäre ſeine Natur ihn verſetzt hatte, war das
ſchönſte und erfreulichſte, und wurde mit jedem Tage
inniger.

Guttenbergs neidlofe Seele konnte es gar wohl er-

tragen, daß ſein Schüler ihn in manchen Dingen über-
flügelte, denn ihr war nur das Gelingen wichtig; auch
war er es ſich bewußt, daß Unſterblichkeit ſein Antheil
ſein würde, die dem Erfinder nie verſagt werden kann:
er war der Kolumbus dieſer neuen Welt — mochten
Andere nach ihm entdecken, ſchmälern oder gar ver⸗—
dunkeln konnte ihn Keiner mehr.
Nur Eins ſchmerzte Schöffer in dieſem ſonſt ſo
ſchönen, erfreulichen und anregenden Verhältniſſe: er
durfte dem Freunde nicht von ſeiner Liebe, von dem
Höchſten nicht reden, was ihn beſeligte; denn wenn
gleich Guttenberg ihm willig ſein Ohr lieh, ſo oſt er
ſich nicht enthalten konnte, von Chriſtinen und den

Hoffnungen ſeiner Zukunft zu reden; ſo geſchah es

doch ohne jene wohlthuende, dem Lie benden ſo noth-
wendige Theilnahme; ja, es zeigte ſich wohl gar,
wenn Schöffer von der Ewigkeit der Liebe ſchwärmte,
ein leiſer Zug von Spott um die Mundwinkel des Jun-
kers oder auch ein Ausdruck von Ungeduld, wie der
ihn zur Schau trägt, der nur aus Artigkeit etwas
Unglaubliches oder eine Albernheit anhört.
Dies verletzte natürlich den Liebenden, und ſo kam
es bald zwiſchen ihnen dahin, daß Chriſtinens und
Schöffers Hoffnungen auf den Beſitz der Geliebten gar
nicht mehr zwiſchen ihnen erwähnt wurden, was denn
allerdings ein faſt unerträglicher Zwang für die feurig
liebende Seele des jungen Mannes war. ö
Gegen Fuſt, der jetzt öfter als ſonſt im Hofe zum
Jungen und in der Druckerei erſchien, wo er Peter
Schöffer allemal antraf und immer in größter Regſam-
keit, hatte der Letztere jenes kalt-höfliche Betragen an-
genommen, das um ſo tiefer innerlich verwundet, je
weniger die äußern Formen dadurch verletzt werden.
Er antwortete ihm zwar auf die an ihn gerichteten
Fragen, aber mit jener Vorſicht und Zurückhaltung,
die er ſich zum Geſetze gegen dieſen Mann gemacht
hatte, und wenn es ſeine und Guttenbergs Kunſtge-
heimniſſe betraf, gar entſchieden abweiſend; auch redete
er ihn nie zuerſt an, ſondern erwartetete ſeine Anrede,
um ihm zu antworten.

(Fortſetzung folgt.)

Soeiale Zuſtände in China.
(Fortſetzung.)

Eben ſo iſt das Verfahren der exekutiven Beamten
bei jeder geſetzlichen Verhaftung, wie das Strafmaß
für jedes Verbrechen, ganz genau angegeben. Ein Irr-
thum, eine Verwechſelung iſt unmöglich! Dieſe Kürze
und Durchſichtigkeit des gerichtlichen Codex hat den
früheren engliſchen Geſandtſchafts-Sekretair am chine-
ſiſchen Hofe, den Dr. Staunton veranlaßt, ſchon im
Jahre 1817 das chineſiſche Strafgeſetzbuch zur Nach-
ahmung für die Europäer in's Engliſche zu übertragen.
Aber trotz der allgemeinen Kenntniß der Geſetze, die

ſeit Jahrtauſenden durch allgemeine Amtsblätter ver-

öffentlicht werden, trotz ihrer Strenge und dem kurzen
Prozeßverfahren gibt es doch kein Land, in welchem
die Unſicherheit zu Waſſer und zu Lande für Perſonen
und Sachen größer wäre, als China. In keinem Lande
ſind insbeſondere die Begriffe über Mein und Dein
lockerer, als im Reiche der Mitte.
So kommen denn Diebereien, Betrügereien, Schmug-
geleien, Zolldefraudationen, Brandſtiftungen, Raub und
Mord täglich vor. Die Diebe ſtehen mit den Nacht-
wächtern, mit den niederen Sicherheitsbeamten in dem
genaueſten und beſten Vernehmen. Sie geben ſogar
auf Wunſch der Beſtohlenen gegen eine billige Ent-

ſchädigung durch Vermittelung der Nachtwächter An-
 
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