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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 71 - Nr. 78 (4. September - 28. September)
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283

Mannichfaltiges.

[Hauseigenthümer und Kinderfreunde.] Der „Main-
zer Anzeiger“ ſchreibt: „Eine ſchöne Wohnung an ſtille

Leute, ohne Geſchäft und ohne Kinder, zu vermiethen.

Näheres ꝛc.“ Wer ärgert ſich da nicht, wenn er ein ſol-
ches Inſerat lieſt? Iſt denn jeder als Rentier geboren,

ſo daß er kein Geſchäft braucht, oder war der Hausherr‚,

der die Wohnung zu vermiethen hat, niemals ein Kind?
Manchmal vielleicht ein größerer „Range“ als die Kin-
der, die er nicht haben will! Nimmt man den Fall um-
gekehrt, z. B. der Hausherr wäre Miether, und da er
Kinder hat, wären dieſelben die Veranlaſſung, daß erbei
dem Wohnungsmangel keine paſſende Wohnung fände,
E— der Kummer, den er ſich dann machen würde, wäre
gewiß ein gerechtfertigter; aber ſo iſt er ja Hausherr und
Geldprotze zu gleicher Zeit und ſcheert ſich den Teufel
um die Sorgen ſeines minder mit Güter geſegneten Mit-
bürgers. Ein kleines Skandälchen, durch einen ſolchen
Hausherrn provocirt, möge hier wiedergegeben werden.
Ein junges Mädchen, welches ſich in kürzeſter Friſt zu
verheirathen gedachte, ſuchte zu dieſem Zwecke eine paſ⸗—
ſende Wohnung. Bei dieſer Gelegenheit kam es auch in
die P—gaſſe, um eine in dieſer Straße angekündigte
Wohnung einzuſehen. Der Hausſultan, ein frommer,
gottesfürchtiger Mann, in einen türkiſchen Schlafrock ge-
hüllt und mit einem ſchwarzen Sammtkäppchen bedeckt,
fragte, als das Mädchen die Wohnung zu ſehen begehrte:
„Haben Sie auch Kinder?“ Daß dieſe delicate Frage
das Mädchen wie „auf Kohlen“ verſetzte, war klar, und
raſch erklärte Letzteres dem Hausherrn, daß es erſt bis
Michaeli zu heirathen gedenke. „Aber, da können Sie
ja doch ſpäter einmal Kinder bekommen, was mich ver-
anlaſſen würde, Ihnen wieder zu kündigen. Was treibt
ferner Ihr zukünftiger Mann? Iſt derſelbe auch ſolid,
kommt er bei Zeit nach Hauſe?“ Aehnliche anmaßende
Fragen, die der fromme Kinderfreund, der nebenbei be-
merkt, erwachſene Kinder hat, that, veranlaßten das Mäd-
chen, dem ſo edel denkenden Herrn den Rücken zu kehren,
um ſich nach einer andern Wohnung umzuſehen. —
„Nun“, rief ihr aber der Hausherr zu, „vorlänfig ge-
fallen Sie mir, ſehen Sie ſich die Wohnung an, wenn
Ihnen dieſelbe gefällt, ſo können Sie ſie miethen, aber
das ſei Ihnen geſagt, wie Sie Kinder bekommen, müſſen
Sie ausziehen.“ Bemerkt ſei noch, daß während der Con-
verſation eine Frau hereinkam, um ſich ebenfalls die
Wohnung zu beſehen. — „Wie viel Kinder haben Sie?“
— „Drei“, antwortete die Frau. „Wollen Sie machen,
daß Sie hinauskommen!“ u. ſ. w. brüllte darauf der
fromme Paſcha, und ohne eine zweite Aufforderung ab-
zuwarten, war die Frau verſchwunden. Das ſind die

kleinen Leiden unſerer wohnungsloſen Zeit: der Haus-
herr iſt Despot und die Einwohner die Sklaven ſeiner

Laune. ö
(Praesente cadavere.) In der diesjährigen Pariſer
Kunſtausſtellung befanden ſich u. A. von dem Maler Jean

Paul Laurens zwei hiſtoriſche Bilder, welche verdien-
tes Aufſehen erregten. Namentlich gilt dies vom zwei-
ten Bilde. Daſſelbe ſtellt eine päpſtliche Scene aus äl-
terer Zeit dar: Papſt Stephan VII. ließ den Leichnam
ſeines Vorgängers, des Papſtes Formoſus, ausgraben,
in das päpſtliche Gewand hüllen, mit Tiara und Ring
ſchmücken und auf den Thron ſetzen in Gegenwart des
verſammelten Concils. Dann ward ein Fürſprecher beſtellt,
der das Wort führen ſoll für den Todten. Und Stephan
der Papſt ſteht auf und redet den Todten zornentbrannt
alſo an: „Warum hat ſich, Biſchof von Porto, dein Ehr-
geiz bis zum päpſftlichen Thron erhoben?“ Dieſer ſelt-
ſame Auftritt iſt in dem Bilde geſchildert. Der uner-
bittliche Statthalter Chriſti droht, bebend vor Wuth, mit
ausgeſtrecktem Arme dem ſchon halb verweſten Körper.
Das iſt ein leibhaftes Schauſpiel „praesente cadavere“,
deſſen Anblick die Ehrfurcht vor der Unfehlbarkeit nicht
zu vermehren berechnet iſt. Das „ketzeriſche Bild“ iſt
kräftig gemalt, die beiden Päpſte, der todte und der
lebeudige, ſind in kunſtvollem Contraſt ausgeführt. Es

feſſelt den Beſchauer und prägt ſich dem Gedächtniß ein.

Japaneſiſche Papierkleider beginnen ſich als Mode-
artikel in Boſton zu etabliren. Das Papier, aus wel-
chem die Kleiderſtoffe gemacht ſind, iſt vollkommen waſ-
ſerdicht, dünn und leicht; ein Rock aus dieſem Papier
wiegt nur 2 Pfund. Solche Papierkleider können mehr—⸗
mals gewaſchen werden und halten mehrere Monate.

[Zur Beruhigung.] Es iſt nicht anzunehmen, daß
ſich abermals mauche trübe Ahnungen erfüllen, und am
nächſten erſten Oktober wieder viele Familien obdachlos
ſein ſollten. Der richtige Berliner Hauswirth läßt kei-
nen ſeiner Miether ausziehen — weil er ihn ſelber
auszieht. ö ö ö

[Je nach Uumſtänden.] Herr: „Sie, Gerichtsdie-
ner, hier haben Sie 2 Gr., melden Sie mich bei dem
Herrn Referendar an.“ Diener: „Was! beſtechen wol-
len Sie mich? arretieren will ich Sie, wenn Sie ſich
nicht packen.“
Herr: (einen Thaler in der Hand): „Ich möchte
gern zu dem Herrn Referendar, habe aber nicht viel
Zeit.“ — Diener: „Gleich mein Herr.“

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