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als daß er dem unglücklichen Freunde hätte antworten
können, und dieſer fuhr fort: ö
„Ich weiß noch immer nicht, ob der Himmel oder
die Kirche Vergebung für eine ſolche Sündenlaſt hat,
wie ich ſie durch Selbſtſucht auf mich lud; das aber
weiß ich, daß meinem Leben die Krone ausgebrochen,
und es für immer um die erträumte Ruhe meines
Herzens geſchehen iſt. Ich hatte mich feſt in den Man-
tel der Selbſucht gehüllt — er iſt mir jetzt vom Leibe
geriſſen, und mir ſelbſt ein Gegenſtand des Gräuels
und des Mitleids, ſtehe ich jetzt in meiner bettelhaften
Blöße da. Es bleidt mir nur noch Eins zu thun übrig,
Schö ffer, und dazu bedarf ich Eurer; darf ich feſt auf
Euch rechnen? wollt Ihr thun, was ich von Euch for-
dere?“
„Alles, was Ihr wollt, mein theurer, unglücklicher
Meiſter!“ rief Schöffer, der ſeinen Thränen nicht län-
ger gebot.
„Schwört Ihr, mir gehorſam zu ſein?“
„Bei dem Blute des Gekreuzigten ſchwöre ich es
Euch!“
„Wohlan, ſo werdet Chriſtinens Gatte!“ verſetzte
Guttenberg; „ich weiß, welche edle, ganz Enrer wür-
dige Entſchlüſſe Ihr gefoßt habt, Ihr, Schöffer, mein
Sohn, mein Bruder! Ihr und Chriſtine; ich weiß aus
dem Munde Eurer Geliebten ſelbſt Alles, und ich habe
Euch und ſie bewundert, wie Ihr es verdient. Euch
wird nie der elende Eigennutz anhauchen, Euch die Ge-
meinheit nicht vergiften können, und Ihr ſeid würdig,
einander anzugehören. Was aber das Urtheil der Welt
anbetrifft, ſo überlaßt es mir, Eure Ehre und Euern
unbefleckten Ruf vor derſelben zu vertheidigen; trage
ich doch das Schwert des Edelmannes an der Seite,
und wehe dem, der es wagen würde, Eure Geſinnun-
gen verdächtigen zu wollen!“
Schöffer wollte ihn unterbrechen; er ließ es nicht zu.
„Ich habe Euren Schwur, Schöffer, und Ihr müßt
ihn halten; ich ſelbſt führe Euch noch heute Chriſtinen,
der eines ſo großen, edlen Herzens würdigen Geliebten
zu. Sei glücklich, mein Sohn, ſei es durch die Liebe
und flechte um die Palme der Kunſt die Myrthen-
krone!“
Er umarmte ihn bei dieſen Worten; Beide? ver-
goſſen Thränen der Rührung, Jeder verſtand das Herz
des Andern.
Dann kam Alles ſo, wie Guttenberg es in ſeinem
Edelmuthe gewollt hatte: er ſelbſt führte das liebende
Paar wieder zuſammen und war Zeuge bei der hei-
ligen Handlung, die es auf immer vereinte. Es war
die letzte Freude, die Guttenbergs Herz empfand, ſein
nen Schüler glücklich zu ſehen.
Guttenberg beſchloß, wie bekannt, ſein Leben als
Hofjunker am Hofe des Churfürſten Adolph von Mainz,
nachdem er mit Hülfe ſeines Freundes, des Doctors
Humery, zuvor noch einmal den Verſuch gemacht hatte,
eine Druckerei zu errichten, aus der aber, vielleicht aus
Mangel an Geldmitteln, nur wenige, jetzt ſehr ſelten
gewordene Werke hervorgiengen.
Was ſeine glühende Seele erſtrebt hatte, ward ihm
zu Theil: unſterblicher Ruhm bei der Nachwelt, die
ihn ſtets als den Mann preiſen und bewundern wird,
dem ſie die größte und folgenreichſte, wie auch ſegens-
vollſte Erſindung zu verdanken hat. Monumente ha-
ben ſein Andenken aufbewahrt — und jedes gedruckte
Buch iſt ja eins für den großen Mann! ö
Durch ſeinen Rechtsſtreit mit Fuſt wurden Gutten-
bergs bisherige Gehilfen zerſtreut, und da ſie ſich ihres
Eides, die Geheimhaltung der Kunſt betreffend, durch
ihren Meiſter entbunden ſahen, verbreiteten ſie die
neue große Erfindung durch ganz Europa: ſo knüpfte
ſich an dieſes an ſich traurige Ereigniß großer Segen
für die Welt.
Daß Peter Schöffer im Beſitze einer Lebensgefähr-
tin, wie Chriſtine, glücklich wurde, brauche ich wohl
nicht erſt hinzuzufügen. ö
Im Jahre 1462 erſchien das größte Druckwerk aus
der Fuſt⸗ und Schöffer'ſchen Druckerei, die bereits von
Guttenberg angefangene lateiniſche Bibel, eines der
ſeltenſten Prachtwerke, die je aus der Preſſe hervor-
gegangen ſind. ö
Guttenberg endete, aller Wahrſcheinlichkeit nach,
ſein ruhmreiches, aber unbeglücktes Leben gegen Ende
des Jahres 1468, als treuer und geehrter Diener ſei-
nes gnädigen Herrn des Churfürſten Adolph, der bis
zu ſeinem Tode löblichſt für ihn ſorgte.
Altdeutſche Volksſitte und Tracht.
(Fortſetzung.)
Die Pommonier trugen Unterkleider mit Aermeln
auf eigene Art zugeſchnitten, aus eigengewebten Stof-
ſen angefertigt. Im ſogenannteu hercyniſchen Wald,
zu dem unſer Harz und die benachbarten Kirche gehö-
ren, war Tracht und Lebensart wie im Norden.
Wenn wir noch des beiden Geſchlechtern eigenthüm-
lichen Leibgürtels gedenken, ſo ſtoßen wir auf eine
Tracht, welche ſich in ihren weſentlichen Zügen das
ganze Mittelalter hindurch gleich blieb. Daß übrigens
die Bekanntſchaft mit den Römern eine allmählige Ver-
vollſtändigung und Ausſchmückung der Kleidung und
Bewaffnung unſerer germaniſchen Altvordern herbei-
führen mußte, liegt auf der Hand. Der deutſche Nach-
ahmungstrieb, dem wir theilweiſe viel Gutes verdan-
ken, der aber leider ſpäter in Nachäffungsſucht ausar-
tetg, that ſpäter das Uebrige. Zeugniß dafür legt die
dem Kaiſer Mark Aurel gewidmete Säule. Ihre Re-
liefs führen uns deutſche Männer als Geſandte vor dem
Kaiſer vor, deren Kleidung nicht ſehr verſchieden iſt von
der römiſchen; es erſcheinen auch deutſche Frauen in
Kleidern mit Aermeln, die den ganzen Körper bedecken;
ſelbſt ein Schleier fehlt nicht. Es wird alſo ſicherlich,
wie im Einzelnen nach Vermögen und Gelegenheit, ſo
bei ganzen Völkern nach Zeit, Lage und Verkehr eine
große Verſchiedenheit haben, wenn auch im Ganzen eine
als daß er dem unglücklichen Freunde hätte antworten
können, und dieſer fuhr fort: ö
„Ich weiß noch immer nicht, ob der Himmel oder
die Kirche Vergebung für eine ſolche Sündenlaſt hat,
wie ich ſie durch Selbſtſucht auf mich lud; das aber
weiß ich, daß meinem Leben die Krone ausgebrochen,
und es für immer um die erträumte Ruhe meines
Herzens geſchehen iſt. Ich hatte mich feſt in den Man-
tel der Selbſucht gehüllt — er iſt mir jetzt vom Leibe
geriſſen, und mir ſelbſt ein Gegenſtand des Gräuels
und des Mitleids, ſtehe ich jetzt in meiner bettelhaften
Blöße da. Es bleidt mir nur noch Eins zu thun übrig,
Schö ffer, und dazu bedarf ich Eurer; darf ich feſt auf
Euch rechnen? wollt Ihr thun, was ich von Euch for-
dere?“
„Alles, was Ihr wollt, mein theurer, unglücklicher
Meiſter!“ rief Schöffer, der ſeinen Thränen nicht län-
ger gebot.
„Schwört Ihr, mir gehorſam zu ſein?“
„Bei dem Blute des Gekreuzigten ſchwöre ich es
Euch!“
„Wohlan, ſo werdet Chriſtinens Gatte!“ verſetzte
Guttenberg; „ich weiß, welche edle, ganz Enrer wür-
dige Entſchlüſſe Ihr gefoßt habt, Ihr, Schöffer, mein
Sohn, mein Bruder! Ihr und Chriſtine; ich weiß aus
dem Munde Eurer Geliebten ſelbſt Alles, und ich habe
Euch und ſie bewundert, wie Ihr es verdient. Euch
wird nie der elende Eigennutz anhauchen, Euch die Ge-
meinheit nicht vergiften können, und Ihr ſeid würdig,
einander anzugehören. Was aber das Urtheil der Welt
anbetrifft, ſo überlaßt es mir, Eure Ehre und Euern
unbefleckten Ruf vor derſelben zu vertheidigen; trage
ich doch das Schwert des Edelmannes an der Seite,
und wehe dem, der es wagen würde, Eure Geſinnun-
gen verdächtigen zu wollen!“
Schöffer wollte ihn unterbrechen; er ließ es nicht zu.
„Ich habe Euren Schwur, Schöffer, und Ihr müßt
ihn halten; ich ſelbſt führe Euch noch heute Chriſtinen,
der eines ſo großen, edlen Herzens würdigen Geliebten
zu. Sei glücklich, mein Sohn, ſei es durch die Liebe
und flechte um die Palme der Kunſt die Myrthen-
krone!“
Er umarmte ihn bei dieſen Worten; Beide? ver-
goſſen Thränen der Rührung, Jeder verſtand das Herz
des Andern.
Dann kam Alles ſo, wie Guttenberg es in ſeinem
Edelmuthe gewollt hatte: er ſelbſt führte das liebende
Paar wieder zuſammen und war Zeuge bei der hei-
ligen Handlung, die es auf immer vereinte. Es war
die letzte Freude, die Guttenbergs Herz empfand, ſein
nen Schüler glücklich zu ſehen.
Guttenberg beſchloß, wie bekannt, ſein Leben als
Hofjunker am Hofe des Churfürſten Adolph von Mainz,
nachdem er mit Hülfe ſeines Freundes, des Doctors
Humery, zuvor noch einmal den Verſuch gemacht hatte,
eine Druckerei zu errichten, aus der aber, vielleicht aus
Mangel an Geldmitteln, nur wenige, jetzt ſehr ſelten
gewordene Werke hervorgiengen.
Was ſeine glühende Seele erſtrebt hatte, ward ihm
zu Theil: unſterblicher Ruhm bei der Nachwelt, die
ihn ſtets als den Mann preiſen und bewundern wird,
dem ſie die größte und folgenreichſte, wie auch ſegens-
vollſte Erſindung zu verdanken hat. Monumente ha-
ben ſein Andenken aufbewahrt — und jedes gedruckte
Buch iſt ja eins für den großen Mann! ö
Durch ſeinen Rechtsſtreit mit Fuſt wurden Gutten-
bergs bisherige Gehilfen zerſtreut, und da ſie ſich ihres
Eides, die Geheimhaltung der Kunſt betreffend, durch
ihren Meiſter entbunden ſahen, verbreiteten ſie die
neue große Erfindung durch ganz Europa: ſo knüpfte
ſich an dieſes an ſich traurige Ereigniß großer Segen
für die Welt.
Daß Peter Schöffer im Beſitze einer Lebensgefähr-
tin, wie Chriſtine, glücklich wurde, brauche ich wohl
nicht erſt hinzuzufügen. ö
Im Jahre 1462 erſchien das größte Druckwerk aus
der Fuſt⸗ und Schöffer'ſchen Druckerei, die bereits von
Guttenberg angefangene lateiniſche Bibel, eines der
ſeltenſten Prachtwerke, die je aus der Preſſe hervor-
gegangen ſind. ö
Guttenberg endete, aller Wahrſcheinlichkeit nach,
ſein ruhmreiches, aber unbeglücktes Leben gegen Ende
des Jahres 1468, als treuer und geehrter Diener ſei-
nes gnädigen Herrn des Churfürſten Adolph, der bis
zu ſeinem Tode löblichſt für ihn ſorgte.
Altdeutſche Volksſitte und Tracht.
(Fortſetzung.)
Die Pommonier trugen Unterkleider mit Aermeln
auf eigene Art zugeſchnitten, aus eigengewebten Stof-
ſen angefertigt. Im ſogenannteu hercyniſchen Wald,
zu dem unſer Harz und die benachbarten Kirche gehö-
ren, war Tracht und Lebensart wie im Norden.
Wenn wir noch des beiden Geſchlechtern eigenthüm-
lichen Leibgürtels gedenken, ſo ſtoßen wir auf eine
Tracht, welche ſich in ihren weſentlichen Zügen das
ganze Mittelalter hindurch gleich blieb. Daß übrigens
die Bekanntſchaft mit den Römern eine allmählige Ver-
vollſtändigung und Ausſchmückung der Kleidung und
Bewaffnung unſerer germaniſchen Altvordern herbei-
führen mußte, liegt auf der Hand. Der deutſche Nach-
ahmungstrieb, dem wir theilweiſe viel Gutes verdan-
ken, der aber leider ſpäter in Nachäffungsſucht ausar-
tetg, that ſpäter das Uebrige. Zeugniß dafür legt die
dem Kaiſer Mark Aurel gewidmete Säule. Ihre Re-
liefs führen uns deutſche Männer als Geſandte vor dem
Kaiſer vor, deren Kleidung nicht ſehr verſchieden iſt von
der römiſchen; es erſcheinen auch deutſche Frauen in
Kleidern mit Aermeln, die den ganzen Körper bedecken;
ſelbſt ein Schleier fehlt nicht. Es wird alſo ſicherlich,
wie im Einzelnen nach Vermögen und Gelegenheit, ſo
bei ganzen Völkern nach Zeit, Lage und Verkehr eine
große Verſchiedenheit haben, wenn auch im Ganzen eine