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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 79 - Nr. 87 (2. Oktober - 30. Oktober)
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331

Zur Aerntezeit.

Herbſtſonne lächelt ſanft auf die Gefilde,
Wo Arbeit ärntet, was ſie mühſam baute,
Und freut ſich an dem friedenvollen Bilde —

Denn gern vernimmt der Himmel ſolche Laute
Wie Senſenklang und muntern Aerntereigen,
Nach all' dem Gräu''l der Kriege, die er ſchaute.

Er hat es gern, wenn ſich in Ehrfurcht neigen
Vor ihm die Menſchen, wenn nach Ungewitter
Und Sturm zurückkehrt wonnevolles Schweigen.

Woll' ihm gefallen das Gebet der Schnitter,
„ODie jetzt zu ihm die frohen Hände heben,
Einfach ihn ehrend, ohne Prunk und Flitter:

Nimm unſern Dank, der reichlich du gegeben,
Der du die Felder uns geſchmückt mit Aehren,
Und mit der Trauben goldner Laſt die Reben.

Nun iſt noch Eins, was wir von dir begehren —
Und ohne das iſt unſre Müh' verloren —
Laß uns in Frieden, was du gabſt, verzehren!

Wahr' vor der Bosheit Gift der Mächt'gen Ohren
Und ihre Herzen; laß ſie freudig halten,
Was ſie einander und ſich ſelbſt geſchworen.

Laß ſie in Frieden ihre Reiche walten,
Daß nur zum Schmuck der Feſte, nur mit Freude
Die Banner ſie, die glänzenden, entfalten.

Zeig' ihnen Feld und Wald im Friedenskleide,
Wie ſchön ſie ſind, wenn ſie mit bunten Farben —
Der Herbſt verziert, mit funkelndem Geſchmeide.

Und alle Völker laß an vollen Garben
Erfreuen ſich an reichem Aernteſegen —
Und Keines ſoll bekümmert ſtehn und darben!

Daß ſie, wie wir, die Hände fröhlich regen,
Bis, wenn des Ackers letzte Halme ſanken,
Den bunten Kranz ſie auf die Aernte legen.

Daß ſie, wie wir, in ſtillen Lebens Schranken
Der Arbeit ſich erfreu'n und deiner Gaben —
Daß ſie, wie wir, dich loben und dir danken.

O, laß uns Frieden mit einander haben! ö
ö (Kl.)

Mannichfaltiges.

(Während der Drei⸗Kaiſer⸗Zuſammen-
kunfe) in Berlin wurde dem Fürſten Bismark eine
Dame von hochklingendem ruſſiſchem Namen gemeldet
und vom Fürſten empfangen. Dieſelbe bat um ſein
Facſimile. Bismark ſchrieb lächelnd ſeinen Namen.
Da bat die Dame plötzlich, der Fürſt möge ihr erlau-
ben, dieſe ſeine Unterſchrift zu einem edlen Zweck be-

nützen zu dürfen. Bismarck willigte auch hierin mit
der ſchwachen Betonung ein: aber nur zu einem edlen.
Da brach die Dame in Thränen aus, flehend: „Mein
jüngſter Bruder, Durchlaͤucht, ſchmachtet in Sibirien;
allzu heißes Jugendfeuer war das Uebel, welches ihn
auf den Boden des politiſchen Verbrechens führte. Mit
Ihrer Unterſchrift, Durchlaucht, will ich meinen Bru-

der frei zu machen ſuchen; geſtatten Sie mir zu dieſem

Zweck Ihre Namensunterſchrift zu benutzen?“ — Bis-⸗
mark entgegnete beſcheiden, nachdem er ſich die Ver-
hältniſſe genauer hatte erzählen laſſen: „Wenn Sie
glauben, Madame, daß Ihnen mein bloßer Name etwas
nützt, ſo willige ich gern in die Benutzung meiner Un-
terſchrift für dieſen Zweck.“ — „Dann iſt mein Bru-—
der gerettet Durchlaucht; denn unſer Kaiſer Alexander
verehrt den Fürſten Bismark!“ rief die Dame freude-
ſtrahlend. Ob die Dame dieſelbe war, die dem Kaiſer
Alexander am Eingange ſeines Palais' bei ſeiner An-
weſenheit knieend ein Bittgeſuch überreichte, konnte
man nicht in Erfahrung bringen. Wünſchen wollen
wir ihr den Erfolg, den ſie voll Vertrauen nur auf
die Namensunterſchrift des Fürſten Bismark ſetzte.

— Wie man aus Palermo ſchreibt, wurde in
dem dörtigen Nonnenkioſter der heiligen Eliſabeth, in

welchem gegenwärtig die Genie-Direktion untergebracht
iſt, eine weite, von dem früheren Kloſter bis zur nahe

gelegenen Kirche reichende Gruft entdeckt, von welcher
bisher Niemand etwas gewußt hatte. Bei den an der
Begräbnißſtätte angeſtellten Nachgrabungen ſtieß man
auf eine größere, Anzahl Gebeine, unter denen ſich auch
einige kleine Kindergerippe vorfanden. Außer dieſen
Gebeinen befanden ſich in der Gruft auch noch fünf-
zehn Särge, welche der mit den Ausgrabungen beauf-
tragte Offizier indeſſen nicht öffnen ließ. Derſelbe ver-
anlaßte die Vermauerung der Gruft und erſtattete der
höheren Militärbehörde Bericht, damit eine Sachver-
ſtändigen-Commiſſion ein exaktes Urtheil über dieſen
unheimlichen Fund abgebe. *

ö *
(Ein Liebesverhältniß) zwiſchen einem Brief-
träger und einem Dienſtmädchen in Baſel, bei welchem
ſchon das Stadium des Austauſches der beiderſeitigen
Photographien eingetreten war, löste ſich plötzlich. Der
darob entrüſtete Götterbote ſchwur ſeiner früheren Flam-—
me, weil die Schuld an ihr lag, Rache, und führte
dieſe auch in feinſter Weiſe aus. Er hing nämlich ſeine
Exgeliebte als „Muſter ohne Werth“ in Form der ſei-
ner Zeit von ihr erhaltenen Photographie, Jedermann
ſichtbar, einem entſprechend groben Abſchiedsbriefe an.

(Man ſoll nicht zu jung) heirathen, ſchreibt ein
amerikaniſches Blatt, und führt als Beweis dafür fol-
gendes Beiſpiel an. In Jamesville heirathete kürzlich
ein Paar, von welchem der Bräutigam 80 und die
Braut 70 Lenze zählte. Die Folge war eine — Schei-
dung, ehe noch der Honigmond zu Ende war. ö
 
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