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lin enthoben, was der Himmel mir auferlegt, die nie
verfliegende Qual des Gewiſſens, wird mich zu Grabe
begleiten. Was haben Sie mir noch zu gebieten, Herr
Graf?“ ö
„Daß Alles, was in der verfloſſenen. Stunde hier
vorgegangen, der Welt ein ewiges Geheimniß bleibe,“
verſetzte der Geſandte, „gebietet ſchon Ihr eigenes In-
terreſſe. Aber auch Ihre Eltern dürfen Nichts davon
erfahren. Sie haben ſchon ſchwer genug an Ihrem' ver-
gangenen Lebeu zu tragen. Es würde Ihre Mutter,
die bei aller Strenge ihres Charakters doch eine recht-
ſchaffene Frau, unglücklich machen. Ihrem Vater aber
den Todesſtoß verſetzen, erführen ſie, welch' eine him-
melſchreiende, ruchloſe That Ihre Vergangenheit noch
inſonders befleckt. Sie mögen jetzt vekfüchen, Ihr
ſchmachvolles Leben in Etwas dadurch auszulöſchen, daß
Sie die letzteu Tage Ihrer Eltern als ein treuer, ge-
horſamer Sohn nach Kräften zu erheitern, und Ihre
edle, gebeugte Gattin mit einer ſo zärtlichen Liebe,
wie ich meine Marie umfange, wieder aufzurichten ſu-
chen. Das verlange ich von Ihnen, mein Herr. Wer-
den Sie dieſem Verlangen nachkommen?“
Der Baron ſtreckte die Hand zur Decke empor.
„Ich ſchwöre es bei dem Gott der Gerechtigkeit,“
ſagte er, „deſſen ſtrafendem Arm, wie ich erkannt habe,
kein Schuldiger zu entrinnen vermag!“
Kaum war das Gelöbniß abgelegt, als die Thür
ſich öffuete. Hand in Hand traten Marie und Cäcllie
ein. Die Gräfin führte Letztere ihrem Manne zu, der
ihr die Arme entgegenſtreckte und ſie an ſeine Bruſt
zog-
„Cäcilie,“ verſetzte er mit bittendem Tone, „kannſt
Du vergeſſen, daß ich Dir kein Gatte war, wie ich es
ſein ſollte, ſo darfſt Du von dieſer Stunde an auf ein
friedvolles, glücklicheres Loos hoffen, als ich Dir bis
jetzt in unſerer Ehe bereitet habe.“
Es iſt ein Wendepunkt in meinem Leben eingetre-
ten, fuhr der Baron fort, der uns Beiden zum Heil
gereichen wird. Sieh' dorthin“ — er deutete auf Ma-
rie, die ſich zärtlich an ihren Gatten ſchmiegte — „ſo
hoffe ich, ſollſt Du Dich noch einſt an mich lehnen,
wenn ich erſt Deine Achtung, Deine Liebe verdient habe.“
Das ſanfte Geſchöpf brach in Thränen aus. Noch
niemals hatte ihr Mann in ſo mildem, gewinnendem
Tone zu ihr geſprocheu. Sie duldete die Liebkoſungen
des Barons, machte ſich dann aber ſanft von ihm los
und umarmte die Gräfin.
„Sie haben Wort gehalten,“ hauchte ſie ihr zu.
„Rur Ihnen habe ich zu verdanken, daß mir die Zu-
kunft nicht wie eine traurige öde Wüſte erſcheinen wird.“
Graf Harikoff gab ſeiner Gattin nun einen Wink.
Sie verſtünd ihn, faßte Cäcilie unter dem Arm und
führte ſie mit den, Worten: „Die Herren haben wohl
noch Geſchäfte mittzeinander,“ wieder aus dem Zimmer.
Der Graf, Herr von Handorf und Beate blieben zu⸗“
rück. Wie ſehr Graf Barikoff auch davon überzeugt
zu ſein glaubte, daß der Baron ſeine Verſprechungen
halten würde, ſo war das doch in Bezug Beatens we⸗ M
niger der Fall. Auch war es ja immerhin möglich,! di
zu erwarten war.
Sterben läge.
folgen.
daß dieſes ebenſo ſchlaue als gewiſſenloſe Geſchöpf auf's
Neue einen verderblichen Einfluß auf Alfred gewinnen
könne. Es galt alſo ſich zu ſichern. Der Geſandte
hieß den Baron ſich an den Schreibtiſch ſetzen, und dik-
tirte ihm eine Schrift, in der er bekannte, daß er in
Verbindung mit Beate Dölling vor zehn Jahren die
Pflegetochter ſeines Vaters, Marie Reiner, durch eine
falſche ſchimpfliſche Anklage dem Gericht überliefert habe,
daß die ſcheinbar von Marie geraubten Juwelen von
Beate in den Koffer des durch ſeine entehrenden An-—
träge zur Flucht getriebenen Mädchens heimlich hinein-
gelegt worden, während Letztere bei Frau von Handorf
als Vorleſeein beſchäſtigt geweſen ſei und er zur Eh-
renrettung der unſchuldigen Verurtheilten aus freiem
Antriebe dieſe Schrift aufgeſetzt. Bleich und mit zit-
ternder Hand ſchrieb und unterſchrieb Alfred die Schrift
und befahl dann Beate daſſelbe zu thun. Er überreichte
dem Grafen das Papier.
„Ich habe mich nun ganz in Ihre Hand gegeben,“
ſagte er mit dumpfer Stimme: „Sie können jetzt mich
und meine Ehre vernichten. Nun werden Sie doch nicht-
mehr an meiner Reue zweifeln!“
Graf Barikoff nickte. —
„Sie haben mich vollkommen zufriedengeſtellt, Herr
Barou. Nehmen Sie die Verſicherung, daß der Mann,
denn Sie Ihr Geſchick überantwortet, nur Ihr Beſtes
wi *.
In den nächſtkommenden Tagen erfüllte Graf Ba-
rikoft ſein Verſprechen. Nachdem er ſich von dem
mißlichen Stand der Gutsangelegenheit genau unter-
richtet, ließ er große Summen als neue Hypotheken
eintragen und verſprach mit ſeinem Ehrenworte, die-
ſelben nach ſeiner Rückkehr in die Reſidenz in Verlauf
von einigen Monaten — ſo viel Zeit bedurfte er, um
die nöthigen Gelder in Rußland flüſſig zu machen —
der alten Frau Baronin einzuſenden. Dann hieß es
ſich wieder zur Abreiſe rüſten. Ehe ſie aber erfolgte,
ſollte Marie noch eine Stunde erleben, die ihren Au-
gen viele Thränen koſtete. Der Greis Handorf, in
deſſen Geſellſchaft ſie täglich ein paar Stunden zuge-
bracht, war plötzlich ſo ſchwach geworden, daß ſein
nahes Abſcheiden von der Welt nach wenigen Tagen
Dieſer traurige Fall trat aber noch
früher ein, als man befürchtet hatte. Der alte Diener,
der zur Pflege des Greiſes beſtellt war, meldete eines
Morgens mit weinenden Augen, daß ſein Herr im
Die Gattin des Greiſes, Alfred und
Cäcilie eilten an ſein Sterbelager und auch Graf Ba-
rikoff und Marie ließen ſich nicht abhalten, ihnen zu
Als Alle ihn betrübt umſtanden, vermochte er
ſchon nicht mehr zu ſprechen, jedoch erkannte er ſeine
Familie noch. Seine Gemahlin, Sohn und Schwieger-
tochter knieten an ſeinen Betké nieder, ſeinen letzten
Segen zu
a5 noch ſo viel Kraft, die welken Hände auf ihr
egen. Dann ſank er zurück. Die Familie
empfangen. Er gab denſelben ſtumm, be-
Der Sohn und Cäcilie ſuchten die weinende
tröſten. Während dies geſchah, beugte ſich
„Barikoff, die mit ſtrömenden Augen dage-
lin enthoben, was der Himmel mir auferlegt, die nie
verfliegende Qual des Gewiſſens, wird mich zu Grabe
begleiten. Was haben Sie mir noch zu gebieten, Herr
Graf?“ ö
„Daß Alles, was in der verfloſſenen. Stunde hier
vorgegangen, der Welt ein ewiges Geheimniß bleibe,“
verſetzte der Geſandte, „gebietet ſchon Ihr eigenes In-
terreſſe. Aber auch Ihre Eltern dürfen Nichts davon
erfahren. Sie haben ſchon ſchwer genug an Ihrem' ver-
gangenen Lebeu zu tragen. Es würde Ihre Mutter,
die bei aller Strenge ihres Charakters doch eine recht-
ſchaffene Frau, unglücklich machen. Ihrem Vater aber
den Todesſtoß verſetzen, erführen ſie, welch' eine him-
melſchreiende, ruchloſe That Ihre Vergangenheit noch
inſonders befleckt. Sie mögen jetzt vekfüchen, Ihr
ſchmachvolles Leben in Etwas dadurch auszulöſchen, daß
Sie die letzteu Tage Ihrer Eltern als ein treuer, ge-
horſamer Sohn nach Kräften zu erheitern, und Ihre
edle, gebeugte Gattin mit einer ſo zärtlichen Liebe,
wie ich meine Marie umfange, wieder aufzurichten ſu-
chen. Das verlange ich von Ihnen, mein Herr. Wer-
den Sie dieſem Verlangen nachkommen?“
Der Baron ſtreckte die Hand zur Decke empor.
„Ich ſchwöre es bei dem Gott der Gerechtigkeit,“
ſagte er, „deſſen ſtrafendem Arm, wie ich erkannt habe,
kein Schuldiger zu entrinnen vermag!“
Kaum war das Gelöbniß abgelegt, als die Thür
ſich öffuete. Hand in Hand traten Marie und Cäcllie
ein. Die Gräfin führte Letztere ihrem Manne zu, der
ihr die Arme entgegenſtreckte und ſie an ſeine Bruſt
zog-
„Cäcilie,“ verſetzte er mit bittendem Tone, „kannſt
Du vergeſſen, daß ich Dir kein Gatte war, wie ich es
ſein ſollte, ſo darfſt Du von dieſer Stunde an auf ein
friedvolles, glücklicheres Loos hoffen, als ich Dir bis
jetzt in unſerer Ehe bereitet habe.“
Es iſt ein Wendepunkt in meinem Leben eingetre-
ten, fuhr der Baron fort, der uns Beiden zum Heil
gereichen wird. Sieh' dorthin“ — er deutete auf Ma-
rie, die ſich zärtlich an ihren Gatten ſchmiegte — „ſo
hoffe ich, ſollſt Du Dich noch einſt an mich lehnen,
wenn ich erſt Deine Achtung, Deine Liebe verdient habe.“
Das ſanfte Geſchöpf brach in Thränen aus. Noch
niemals hatte ihr Mann in ſo mildem, gewinnendem
Tone zu ihr geſprocheu. Sie duldete die Liebkoſungen
des Barons, machte ſich dann aber ſanft von ihm los
und umarmte die Gräfin.
„Sie haben Wort gehalten,“ hauchte ſie ihr zu.
„Rur Ihnen habe ich zu verdanken, daß mir die Zu-
kunft nicht wie eine traurige öde Wüſte erſcheinen wird.“
Graf Harikoff gab ſeiner Gattin nun einen Wink.
Sie verſtünd ihn, faßte Cäcilie unter dem Arm und
führte ſie mit den, Worten: „Die Herren haben wohl
noch Geſchäfte mittzeinander,“ wieder aus dem Zimmer.
Der Graf, Herr von Handorf und Beate blieben zu⸗“
rück. Wie ſehr Graf Barikoff auch davon überzeugt
zu ſein glaubte, daß der Baron ſeine Verſprechungen
halten würde, ſo war das doch in Bezug Beatens we⸗ M
niger der Fall. Auch war es ja immerhin möglich,! di
zu erwarten war.
Sterben läge.
folgen.
daß dieſes ebenſo ſchlaue als gewiſſenloſe Geſchöpf auf's
Neue einen verderblichen Einfluß auf Alfred gewinnen
könne. Es galt alſo ſich zu ſichern. Der Geſandte
hieß den Baron ſich an den Schreibtiſch ſetzen, und dik-
tirte ihm eine Schrift, in der er bekannte, daß er in
Verbindung mit Beate Dölling vor zehn Jahren die
Pflegetochter ſeines Vaters, Marie Reiner, durch eine
falſche ſchimpfliſche Anklage dem Gericht überliefert habe,
daß die ſcheinbar von Marie geraubten Juwelen von
Beate in den Koffer des durch ſeine entehrenden An-—
träge zur Flucht getriebenen Mädchens heimlich hinein-
gelegt worden, während Letztere bei Frau von Handorf
als Vorleſeein beſchäſtigt geweſen ſei und er zur Eh-
renrettung der unſchuldigen Verurtheilten aus freiem
Antriebe dieſe Schrift aufgeſetzt. Bleich und mit zit-
ternder Hand ſchrieb und unterſchrieb Alfred die Schrift
und befahl dann Beate daſſelbe zu thun. Er überreichte
dem Grafen das Papier.
„Ich habe mich nun ganz in Ihre Hand gegeben,“
ſagte er mit dumpfer Stimme: „Sie können jetzt mich
und meine Ehre vernichten. Nun werden Sie doch nicht-
mehr an meiner Reue zweifeln!“
Graf Barikoff nickte. —
„Sie haben mich vollkommen zufriedengeſtellt, Herr
Barou. Nehmen Sie die Verſicherung, daß der Mann,
denn Sie Ihr Geſchick überantwortet, nur Ihr Beſtes
wi *.
In den nächſtkommenden Tagen erfüllte Graf Ba-
rikoft ſein Verſprechen. Nachdem er ſich von dem
mißlichen Stand der Gutsangelegenheit genau unter-
richtet, ließ er große Summen als neue Hypotheken
eintragen und verſprach mit ſeinem Ehrenworte, die-
ſelben nach ſeiner Rückkehr in die Reſidenz in Verlauf
von einigen Monaten — ſo viel Zeit bedurfte er, um
die nöthigen Gelder in Rußland flüſſig zu machen —
der alten Frau Baronin einzuſenden. Dann hieß es
ſich wieder zur Abreiſe rüſten. Ehe ſie aber erfolgte,
ſollte Marie noch eine Stunde erleben, die ihren Au-
gen viele Thränen koſtete. Der Greis Handorf, in
deſſen Geſellſchaft ſie täglich ein paar Stunden zuge-
bracht, war plötzlich ſo ſchwach geworden, daß ſein
nahes Abſcheiden von der Welt nach wenigen Tagen
Dieſer traurige Fall trat aber noch
früher ein, als man befürchtet hatte. Der alte Diener,
der zur Pflege des Greiſes beſtellt war, meldete eines
Morgens mit weinenden Augen, daß ſein Herr im
Die Gattin des Greiſes, Alfred und
Cäcilie eilten an ſein Sterbelager und auch Graf Ba-
rikoff und Marie ließen ſich nicht abhalten, ihnen zu
Als Alle ihn betrübt umſtanden, vermochte er
ſchon nicht mehr zu ſprechen, jedoch erkannte er ſeine
Familie noch. Seine Gemahlin, Sohn und Schwieger-
tochter knieten an ſeinen Betké nieder, ſeinen letzten
Segen zu
a5 noch ſo viel Kraft, die welken Hände auf ihr
egen. Dann ſank er zurück. Die Familie
empfangen. Er gab denſelben ſtumm, be-
Der Sohn und Cäcilie ſuchten die weinende
tröſten. Während dies geſchah, beugte ſich
„Barikoff, die mit ſtrömenden Augen dage-