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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Gsie 2 Heidelberger Zeitung L'wcswg, Len 8. Juli 18I8
Lasmas-ken, Flugzeughallen mit 4 Flugzeugen
^euesi?-7 Konstruknon und 8 Doppeldeckern ergän-
zen H Mute in willkommener Weise.

Jur Kage in RMand
wird uns aus Berlin geweidet:
Die hier von vornherein vertretene Auslassung
-atz sich hinter den Ararmmelvungen Ser englischen
fresse über den bevorstehenden Sturz der Atos-
lauer Regierung mehr Wunsche als Latsachen
verbergen, hat sich bis Zur -Stunde als richtig er-
wiesen. Freilich sind auch jetzt noch immer nutz:
Ueberraschungen ausgeschlossen. Aber inmn besitzt
in Berlin Nachrichten, die die Lage im ganzen
Osten als wesentlich gebessert hinstellen.
Die Versuche, big dis Entente ohne Rücksicht auf
schier unbegrenzte Geldmittel anftellt. die Massen
für einen Putsch M ködern, haben nicht einmal in
Petersburg Erfolg gehabt, Mo man hätte glauben
können, datz die furchtbare Laos der arbeitslosen
hungrigen Bevölkerung am ehesten zu Explosionen
gegen die Herrschaft der Bolschewik! hätte führen
müssen. Es scheint aber, datz die Beobachter aus
Schweden und Dänemark rechtbehalten, -die nach
ihrer Rückkehr aus Rußland sagen, des dortigen
Volkes habe sich im Laufe der letzten Wochen eine
derartige Apathie und Gleichgültigkeit bemächtigt,
-Latz es auch zu gewaltsamen Erhebungen nicht
mehr recht zu bewegen wäre: Wer ihm Brot und
Arbeit gebe, der würde über das Volk gebieten
können. Vorläufig zeige sich aber außerhalb der
derzeitigen Regierung keine Macht- die diese
Wünsche des Volkes erfüllen könne. Und daher
würde voraussichtlich alles beim Alten bleiben.
Die Sensationsmeldungen über die Ermordung
des Exzaren und die Eroberunsszüve der Gene-
rale Kornilow und Kaledin gingen, so heißt es in
diesen Berichten, von Kennern der Verhältnisse,
kneift von den gut bezahlten Agenten der Entente
aus. die für ihren Sold zeigen wollen, Laß sie noch
am Leben sind. Für einen neuen Aaren begeistert
sich das Volk nun ganz und gar nicht. Die Absich-
ten der Entente würden kaum in die große Masse,
dringen und bei ihr gar kein Verständnis finden.
Aber auch in den bürgerlichen Kreisen herrscht dis
Leberzeugung, Latz Rußland unmöglich noch in
neue Abenteuer sich stürzen könne. Die Bürger-
lichen wollen ihre Kaut nicht für die Entente zu
Markte tragen. Und von den Nichtbürgerlichen
können sie das nicht gut verlangen. Der Katz gegen
die Deutschen schwinde mehr und mehr. Die Furcht
vor den Japanern nehme im selben Grade zu. Von
Bon den Vorgängen in Sibirien wisse man in
Petersburg weniger als in Schweden. Weit eher
würde das russische Volk einen Kampf mit den
Feinden aus Sibirien als mit den Deutschen auf-
rvehinen.
Zugunsten Kerenskis
Aus verschiedenen Andeutungen der Londoner
und Pariser Presse geht deutlich hervor, datz die
Entente nichts unversucht läßt, um thron
Staatsstreich in Rußland zu fördern oder
«ar ansugetteln, um Kerenski a^dio Spitze
des Reiches zu bringen. Verschiedene Blätter
veröffentlichen laut einer Pariser Havasmeldung
Artikel, die das glückliche Ereignis der Rückkehr
-Kerenskis ins öffentliche Leben begrüben und der
Ansicht find, datz dieses Ereignis wohl dazu ange-
tan fei, die Intervention der Alliierten zugunsten
Rußlands zu erreichtem.
Kerenski steht in enger Verbindung
mit der englischen Regierung, dis es auch
bewirkt hat, Latz er ungehindert die Reise von
Moskau nach England machen konnte. Seist Be-
such in London war bestellt. Kerenski wird in
Parts von Clemenceau empfangen werden,
diesem das geplante Unternehmen dar legen, hier-
aus nach London zurückkehren, dort Bericht erstab-
ien, nach Washington reisen und mit Wilson
konferieren. Außerdem wird er in Amerika eine
«rotz« Provagandafahrt antreten, um Lis
dortige Oeffentlichkeit für das Unternehmen zu
ßnteressieren. Von Amerika wird Kerenski nach
Wladiwostok fahren. Die Entente beabsichtigt, I

Kerenski einen sehr namhaften Geldbetrag, man
spricht von 20 Millionen Pfund, zur Verfügung zu
stellen. Er selbst wird von London aus besoldet
und die Londoner Regierung trägt auch die Un-
kosten seiner jetzigen Reisen.
Die Tschechs-Slowakerr
Das Petit Journal meldet: Die Vorstädte von
Jekaterineniäurg sind von Tschechen und Slowaken
besetzt. Der Zar wurde in Jekaterin-enburs nicht
mehr vergefru-een.
Der Serow meldet aus Paris: Der Moskauer
Sowjetrat hat die Verhandlungen mit den
Tschechen und Slowaken abgebrochen und die
militärische Niederwerfung des Aufstandes in Si-
birien in die Wege geleitet.
Die Englättder im Mrirmangebiet
Nach einer Londoner Meldung im Petit Journal
wurde am Donnerstag im Unterhause- bekannt ge-
geben, datz sich in Sibirien, in Archangelsk und
im Mur man gebt et für drei Milliarden
Schilling Werte der Engländer und der Verbünde-
ten befinden, zu deren Schutz dis dort befindlichen
englischen Truppen beträchtlich verstärkt werden
sollen. Eine Preisgabe Archangelsk Lurch die Ver-
bündeten sei ausgeschlossen.
Die Hoffnung auf Deutschland
Die Nawaia Shi-sn, Gorkis Zeitung, veröffent-
licht eins Unterredung mit einem Mitglieds der
Moskauer Regierung, worin es heißt:
Die Regierung der Sowjets erlebt bedrohliche
Stunden. Es ist nicht gelungen, die Vor-,
wärtsbewegung Lex Tschecho-Slowaken aufzu-
halten. Die Tätigkeit der Tschecho-Slowaken,
die von der Entente unterstützt werden, gibt
Deutschland Gelegenheit, der Sowietre-
gierung. die nach der Meinung der deutschen Hee-
resleitung trotz ihrer aufrichtigen Bemühungen
mit dem Aufstande nicht fertig zu werden vermag
seinen Dienst anzubieten.
Deutsche Ernährungshilfe für
. Oesterreich
Der Neuen Freien Presse wird gemeldet, Latz
im großen Hauptquartier Besprechungen Mer die
deutsche Beihilfe zur Ernährung des österreichisch-
ungarMen Heeres stattfanden. die su einem be-
friedigenden Abschlüsse geführt Habsck.
Der ungarische Ernährungsminister Fürst Win-
dischgrätz und Fürst Egon Fürstenberg find fetzt
aus dem deutschen Hauptquartier nach Men zu-
_
Deutsches Mich
* Hertlings Wiener Reise, lieber -den Zeitpunkt
der Wiener Reise des Reichskanzlers Dr. Grafen
v. Hertling steht vorläufig, wie die Nordd. Allgem.
Zeitung mitteitt, nichtsfest.
* Das Kompromiß über dje Branntweinsteuer
gescheitert. Das Kompromiß über dis Brannt-
weinsteuer ist vorderhand gescheitert und zwar an
den Forderungen, die das Zentrum im
Interesse der süddeutschen Brenner schob.
An dem bisherigen Kompromiß waren Zentrum,
Konservative, Freisinn und Nationalliberale be-
teiligt. Nun werden die Verhandlungen auf einer
breiteren Basis, d. h. mit Einschluß auch der Fort-
schrittlichen Volkspartei fortgesetzt Und man glaubt
daß sie nunmehr zu einer Einigung führen werden.
* Vereinheitlichung des Eisenbahnwesens. Die
Verkehrsminifter der Bundesstaaten mit Eifen-
bahnbesitz waren am 28. und 29. Ls. Mts. in
Wiesbaden zusomimengetreten, Um Verein-
barungen vorzubereiten, die weikergshende
einheitliche Einrichtungen und Maß-
nahmen auf dem Gebiete des Betriebes und
Verkehrs der Eisenbahnen sowie die Ausschaltung
jeglichen Wettbewerbes auf den Staatseisenbah-
nen zum Mele haben. Die Verhandlungen, die
unter dem Zeichen bundesfreundlichen Entgegen-
kämmens geführt wurden, sollen alsbald fortge-
setzt werden. ___

Badischer Landtag
Zweite Kammer
Karlsruhe, 2. Juli. Die Zweite Kammer
erledigte in ihrer gestrigen NaÄnrirtasssttzung
mehrere Interpellationen und zwar zunächst die-
jenige der Sozialdemokratie über ungerechtfertigt
hohe Nähfadenpreise, die von der badischen Kriegs-
-arbeltshilfe von den Nähfrauen verlangt werden.
Ministerialdirektor Pfisterer gab bei der Be-
antwortung der Interpellation ein Schreiben des
Kriegsbekleidungsamts bekannt, in dem zugegeben
wird, daß nur einmal billig berechneter Faden für
teurer in Anrechnung kam. Weiter erklärte der
Regierungsvertretch, es werda für Klbhilso ge-
sorgt.
Es folgte die Zentruinsintervellatton, übe« die
Einreihung badischer Heerespflrchtiger
in nichtbadische Truppenteile. Dis
Nbg. Vöttger (Soz.tz Seubert (Zentr.). Reinhardt
(Zentr.). Geck (U. Soz.), Herbster Matt.), Fischer
(R. Vgg.), Odenwald und Muser (Fortschr. Vpt.),
gaben dem Wunsch Ausdruck, daß den berechtigten
badischen Wünschen in.Berlin mehr Rechnung ge-
tragen werde.
Ministerialdirektor Pfisterer back, der Regierung
genügend Material zur Verfügung zu stellen, sie
werd- dann die Wünsche in Berlin ausdrücklich
vertraten.
Zu der Zentra msinterpellation für die Abgabe
von an die Heeresverwaltung abgelieferten
Schlachtrindern an norddeutsche Landwirte zum
Zwecke der Weitermästung bemerkte Geh. OLer-
reg.-Rat Dr. Schneider, daß diejenigen Fälle, auf
die die Interpellation absielt, um eineinhalb
Jahre zurückliegen.
Es folgte schließlich nach der Interpellation
der Rechtsstehenden Vereinigung über die Höchst-
preise und Beschlagnahms von Schweinen, Geh.
OSerreg. Rat Dr. Schneider erklärte, diejenigen
Schweine, die für die Hausschlachtung gemästet
werden, würden den Landwirten belassen
werden.
Sodann wurden noch verschiedene Petitionen
erledigt. Die der mittleren Verwaltungsbeamten
betreffend Anstellungsverhältnisse wurde der Re-
gierung zur Kenntnisnahme, die der Bezirksgeo-
meier über sine Neuorganisation des VermSs-
sungswesens der Regierung empfehlend überwie-
sen.
Fortsetzung heute Vormittag. Antrags und
Petitionen.
* Versaßungsfragen im Ausschüsse der Ersten
Kammer. Der Ausschuß der Ersten Kammer für
Justiz und Verwaltung behandelte in sei-
nen letzten Sitzungen am 27.. 28. und 29. Juni zu-
nächst den Gesetzentwurf über die Aenderung des
Stiftungsgesetzes, den er in der Fassung der Zwei-
ten Kammer ann-ahm. Dann befaßte er sich mit
dem Beschluß der Zweiten Kammer auf die in die-
ser gestellten Anträge wegen Aenderung der
Zusammensetzung der Ersten Kam-
mer. Er billigte die Forderungen nach Zulassung
einer Stellvertretung für Len Erzbischof usid den
evangelischen Prälaten und nach Erweiterung der
Ersten Kamminer durch zwei Urbeitervertreter
einstimmig. Dem Gedanken einer mäßigen Verrin-
gerung der Vertretung des Adels, stand er in sei-
ner Mehrheit nicht ablehnend gegenüber. Nachdem
jedoch zwei standesherrliche Stimmen ohnehin in
Wegfall kommen, sprach er sich für eine weitere
Minderung, und zwar bei der Vertretung der
Grundherren, nur unter der Voraussetzung -aus.
daß sie notwendig werde, um den Ausbau der Kam-
mer nach anderer Richtung zu ermöglichen: wobei
insbesondere in Betracht käme, die Vermehrung
der Vertreter der Städteordnungsstädte auf vier
(damit Mannheim und Karlsruhe ständige Sitze
erhalten) und der Vertreter der Handelskammern
auf fünf. Weiter behandelte er den Beschluß, der
Zweiten Kammer wegen Einführung der Ver-
hältniswahl und beschloß, zu beantragen, die
Erste Kammer wolle die Eroßh. 'Regierung um ei-
nen Gesetzentwurf bitten, durch den die Verhält-
niswahl nach dem vorgeschlasenen einnamisen
System zunächst für zwei Landtagsverioden in den
größeren Städten eingefützrt wird, und dann,
wenn hierbei die Brauchbarkeit des Systems sich
erweist, -einen weiteren Gesetzentwurfs ffrr dis
Verhältniswahl auf das ganze Land aus-

t5rrN',<,.echer Nr. 88 rar.
> ^ehnt. Schließlich wurde noch die Behandlung dsS
Schlüsse Ser Zweiten Kammer wegen AeilderunS
der Städte- und Gemeindeordnung in Angriff ge-'
nammen und so weit gefördert, daß ihre Erledi-
gung in der nächsten Sitzung gesichert ist.
Vereinigung südwestdeutschsr
Handelskammern
Nach der Maßen Frankfurter Kundgebung und
den. verschiedenen dort gleichzeitig abae.altenen
Tagungen trat -die Vereinigung südw-esstl-eutschsr
Handelskammern unter dem Vorsitz von Geh.
Kommerzienrat Engel ha r d°Männüeim und j
unter Beteiligung fast oller Wd-westdeutscher Kam-
mern. su Lenen inzwischen noch diejenigen für das !
Fürstentum Birkenfeld, sowie in Metz. Saaebrückeit
und Trier hinsugetreten sind (35 Handelskammern)
am 22. Juni in Konstanz im Jnselhotel zusammen.
Der Geschäftsführer der Vereinigung. .Dr. Blau-'
stein-Mannheim, berichtete über weitere Maß-
nahmen im Anschluß an die Frankfurter Ta- i
gung. Es wurde LeMossen, dahin zu wirken, daß !
in größerem Maße als bisher ein gemeinsames !
Auftreten der bundesstaatlichen und sonstigen s
Wirtschaftsvertreter in Berlin erfolgen sollte. Laß
man sich verständigen sollte, um bei Len-Häufigen
Beratungen in den Reichs-stellen genügend vertre- !
ten su- sein. Ferner wurde verlangt, daß bei der
Handelsabteilung der Gesandtschaft in der Schweiz
auch Vertreter aus Südw ostdeutsch land beschäftigt
werden sollten. Begrüßt wird besonders, daß ist
den Landtagen von Württemberg Vaden und Hcs- !
sen die Frankfurter Kundgebung Zustimmung ge-
sunden hat. Das Protokoll der Frankfurter
Tagung erscheint in den nächsten Tagen im Druck
und kann von den einzelnen Handelskammern be-
zogen werden. Es wird beschlossen, eine weiters
öffentliche Versammlung zur Beratung
der Fragen der Uehergangswirtschaft im Monat
September und zwar voraussichtlich in Stutt-
gart. absuhalten und dahin zu wirken, daß in
dieser Versammlung namentlich die beteiligten .
Wirtschaftskreise selbst zu Wort kommen.
Gegen die von gewissen genossenschaftlichen Krei-
sen. namentlich des Handwerks, vertretenen Aus-
schaltungstendenzen gegenüber dem Handel wurde
Einspruch erhoben. Eine Kampfstellung gegenüber
den Genossenschaften- des Handwerks soll jedoch
vermieden werden, man erwartet aber das Gleiche
von den Genossenschaften dem Handel gegenüber:
Auf Antrag der Handelskammer Hanau (SynLU-
kus Dr. Grabow) wurde zu der Frage HolzHa n»?
del und Möbelversorsung folgende Ente
schließung angenommen:
Die Vereinigung südwestdeutscher Aandelskam-:
mern widerspricht, in Uebereinstimmung mit der
Stellungnahme des Zentralverbandes von Ver-
einen deutscher Holsinteressenten, entschieden -Lei!
vom Bund deutscher Werkvereine zur Kolzversor,--
gung des Möbelgewerbes an das Reichswirtschafis--
amt gerichteten Anträgen, wett sie die Ausschal-
tung des durchaus bewährten und in seinen Auf-
gaben nicht zu ersetzenden Holzhandels sowie eins
einseitige und ungerechte Bevorzugung der Ge-
nossenschaften anftreben und namentlich auch, weil)
die in den Anträgen gemachten Vorschläge, wia
Rutz-holzHöMtoreilse, Verbot der Auktionen. LirektK
Abgabe des auf Rechnung des Staates geschnittes
nen fiskalischen Holzes an die Genossenschaften zv.ni
Selbstkostenpreis usw. in keiner Weise geeignet er--
scheinen der Kolzknappheit, den hoben HolzpreiseiZ
und dem Mangel an Möbeln entgegenzuwirken."
In Lex nächsten Sitzung soll u. a. die Reform
des deutschen Auslandsdienstes und
der Ausland sv ropaganda besprochen wer-
den. ferner die Tätigkeit des MwesideutschenHan-
delskammerausschusses für Hotelgewerbe und
Fremdenverkehr, der an der gleichzeitig mit der
Konstanzer Tagung staktfindenden ReichskonferenS
für das Gastwirtsgswerbe in Frankfurt beteiligt
war.
Freiburg, 1. Juli. Der Landtagsa-bgeordnetS
Weiß Haupt-Pfullendorf wurde als Nachfol-
ger des im Jahre 1914 verstorbenen früheren
Reichs- und Landtagsabgemdn-eten Schüler sum
ersten Vorsitzenden des Badischen Bauernverein«
gewählt. ,

Werke von großen Geistern sind Spiegel^^
8 wenn «in Ass« hineinguckt, kann kein Apostel H
^herauSsehen. Lichtenbergs^
Das Grüne Auto
Spionage-Roman von August Weitzl.
(64. Schluß).
Mik Uesen Worten eilte sie in ihr Schlafzim-
mer und versperrte hinter sich die Tür.
Wurz und Baron Sphor wurden in den Salon
geführt und gebeten, Platz zu nehmen, dis Gräfin
werde gleich erscheinen.
Zehn Minuten vergingen.
Die Sache dauert mir zu lange, sagte endlich
Wurz. Ich werde kurzen Prozeß machen. Fort
kann sie nicht, denn alle Ausgänge find besetzt.
Litte, rufen Sie das Mädchen.
Wo ist die Frau Gräfin? fragte der Polizeirat
Li« dintretende Kämmens vast.
' In ihrem Schlafzimmer, bitte.
Führen Sie uns dahin. Sofort! befahl Wurz
in so dezidiertem Tone, daß das Mädchen keinen
Einwand zu erheben wagte.
Wurz fand die Schlafzimmertür verschlossen.
Gr kolpfte — keine Antwort erfolgte.
Rufen Sie den Agenten, der im Vorzimmer
ficht, sagte Wurz leise zu Sphor.
Der Agent erschien.
Oöffnen Sie diese Tür, befahl der Polizeirat.
Es war nicht schwer, das einfache Schloß auf-
zuspvengen. Polizeirat Wurz riß die Tür angel-
weit auf, ohne in die Türfüllung zu treten und
rief:
Gräfin, ersparen Sie Ms weitere Gewalttaten r
Awingen -tzie uns nicht, Hand an sie zu legen I
Im Zimmer blieb alles still. Merkwürdig still-

Der Polizeirat konnte die Ecke eines Bettes
sehen; darüber ein Heiligenbild. Der matte Schein
einer Kerze, die in der anderen Ecke des Ummers
stehen mutzte, warf zittrige undeutliche Schatten.
Vorsichtig beugte sich der Polizeirat vor. Er sah
die Gräfin di Campobello unbeweglich vor ihrem
Toilettetisch sitzen. Er trat vor und blieb an der
Schwelle stehen.
Gräfin, ich verhafte Sie im Namen des Ge-
setzes als Mörderin des Oberleutnants Georg von
Laftell-mari!
Die Gräfin im Lehnstuhl blieb unbeweglich.
Der Polizeirat trat raisch aus sie zu und legte
seins Hand aüf ihre Schulter.
Bei der Berührung brach dis Gestalt in sich
zusammen und kollerte auf den Boden. Zu denFL-
tzen des Polizeirates lag — eine Tote.
Sie ist vor Schreck ohnmächtig geworden! rief
Sphor.
Nein. Sie ist lot. Sehen Sie das kleine Loch
.in der linken Schläfe nicht?
Aber wir haben doch keinen Schutz gehört?
Auch als Lofiellmari erschossen wurde, hat
man keinen Schutz gehört. Dieselbe lautlose Ku-
gel, die ihm den Tod gegeben, hat auch ihr ein
Ende bereitet.
Der Polizeirat beugte sich nieder und faßte dis
Tote Anter den Armen. Mit Hilfe Sphors trug
er sie zum Lager und bettete sie unter dem Hei-
ligenbild nieder.
Der Polizeirat drückte der Toten die Augen
zu. Dann nahm er seine Kappe vom Kopfe und
faltete die Hände....
* * *
Dör Selbstmord der Gräfin di Tampobello setzte
der Tätigkeit der Polizei ein Ende. Da der Mord
gesühnt erschien, wurde strengstes Stillschweigen
über alle Einzelheiten bewahrt.

Nur beim Polizeipräsidenten sand eins Konfe-
renz statt, bei der Polizeirat Wurz folgenden zu-
sammenhängenden Bericht erstattete:
Der Mord in der Grillhofersttatze, über den
ursprünglich ein geheimnisvolles Dunkel las, ist
von der Gräfin di Campobello, geborene Violetta

Neuer Noman
In der morgigen Nummer beginnen wir mit
einem neuen Roman. Im Gegensatz ru dem abge-
lausenen, der ein Kriminalroman war, soll der neue
mehr ein Familienroman im besten Sinne Les
Wortes sein. Wir haben zu diesem Zwecke die
„Gespenster des Glücks"
von Alfred Madern»

erworben, der durch feinen Roman „Scirocco" un-
seren Lesern bereits aufs vorteilhafteste bekannt ist.
Der neue Roman ist insofern auch noch von beson-
derem Interesse, als er ru einem großen Teil in
BadenöSaden spielt. Da der Roman interessante
Einblicke in das Seelenleben einer eigenartigen
Frau gewährt, auch der Krim ihn von ferne über-
schattet, glauben wir, daß er der Anerkennung un-
serer Leser und namentlich unserer Leserinnen ge-
wiß sein wird.


Crespo, die sich selbst gerichtet hat, verübt wor-
den. Als Beweise hierfür dienen:
Erstens zeigten Fingerabdrücke, die an der
Scheibe und auf dem Fensterbrette jenes Zimmers
gefunden wurden, aus dem der Schutz kam, genau
dasselbe Bild wie diejenigen, die von der Grä-
fin abgenommen wurden,

Zweitens erkennen die Einspännerkutscher un»
der Fiaker, welche die Frau von der Grillhoser-
Stratze bis zur Paniglgasse auf der Wieden gefühlt
in den vorgelegten Photographien die Gräfin
wieder.
Drittens gehören die Spange, die im Staub
gefunden wurde, und di? daran hängenden Här-
chen die mit Fleur d'or gefärbt waren, wie
mikroskopisch festgestellt wurde,' der Toten.
Mertens war die Gräfin in ihrer Jugend
Kunstschützin und besaß ein Gewehr neuester Kon-
struktion, aus dem mittels komprimierter Luft ge-
räuschlos geschossen werden kann, und'das ein Ka-
liber aufweist, das genau der im -Bilderrcchmen
gefundenen Kugel entspricht.
Fünftens ist festgestellt worden, Latz dis Gräfin!
in Strebinger anfangs Januar auf der Maria-
hilferstratze jenen Mann wieder erkannte, zu dem
sie vor Jahren in Turin in Beziehungen gestan-
den war, und den sie seither mit ihrem Hatz ver-
folgte.
Sechstens beweisen der an gefangene Brief, der
bei dem Ermordeten gefunden wurde, und die
Aussagen des Herrn Cartelane, eines Jugend-
freundes Castellmaris, daß sie wiederholt den
Vorsatz geäußert, den Geliebten zu töten.
Einige Zwischenglieder, die fehlen, lassen sich
leicht ergänzen, so daß sich die Tat aller Wahr-
scheinlichkeit nach folgendermaßen abgespielt ha-
ben dürfte:
Die Gräfin begegnete Lastsllmari auf der Mw
riahitferstratzs und erkannte in ihm jenen Mann,
den sie schon seit Jahren gesucht. Doch auch et
hatte sie erkannt, und da er einen Anschlag auf!
sein Leben fürchtete, wie wir aus Briefen unk
Aeußerungen wissen, hauptsächlich aber wohl, weif
die Mission, die ihn nach Wien geführt, ihn vsiÄ
pflichtete, sein Inkognito zu wahren und in Vep
 
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