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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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eidelbergerZeilimg

Nr. 287

8». Jahrgang

Heidelberger Zeitung erscheint an lidk« «»chentag mittag» ir Uhr. Trail»»e!t<l»-.n lind da»
sUPs «rnMch« VerkLndtgnngsbla» der Bezirk» Heidelberg, die Heidelberger Fim,tl!«nbl«ter,
außerdem amtlicher W->bnmlgs»n,e!ger. Di« Heidelberger Zeitung Kan» durch alle P-llanslalte«,
durch die Agenturen au? dem Lande, die LrSgerinnen und dei der DeschLft»M« selbst—Hmiptste. LS-
monatlich und viertelsührlich bestellt werde»
Hauptschristletter: Kurt Fischer in Heidelberg
Druck »Verlag: Theodor Berkenbusch—Heidelderger Lerlag»»nk,lt und »rncheret, Hüdelberg.

Bezugs- uno Anzeigenpreis. Di- .snd-n>«r,«r g«u»«g- K»ft«t »«i jeder P»ft.nst«lt
monaütch ,.1, Nk, ViertelsLhrltch z.z« M. au»schN«ßlich gustellgebühr, durch di« Agenturen »d«
Li« TrLgerinnen frei Hau» monatlich I.ti M. — Die sechrgespalten« Petttgeil« oder deren Rau»
kostet »0 pfg.; tm Reklameteil di« viergespalten« Petttgetl« t —, »U Platzvorschrtst >ckk tlll.
»et Wiederholungen Nachlaß nach Tarif. Erfüllungsort ist Heidelberg. Linzelverkauf >0 Pfg.
Druck » Aerlag: Theodor Verkenbnsch-Heid-lb«g«r R,rlag»anfialt» Druckerei HeidMerg.
VoftscheckkoMo Karlornh» Nr. M«r. A«nspr«ch»r: Redaktion l«l, g>«schLft»ft,ll«^W
...I,.' «»» - !

berkütt-igttngsblati für NordöKdsrr und öis angrenzenden Teile vsn Bayer«, HesseuLnd WürlteNöerE

Samstag, den 7. Dezember 1918



Die feindliche Besetzung
linken Nheinufers ist beendet. Von Ba-
ki bis zur holländischen Grenze stehen die Posten
«er Franzosen. Amerikaner. Engländer und Bsl-
Ek. Während bis-jetzt tm allgemeinen über dis
drei Erstgenannten keine Klagen erhoben werdey.
Mehren sich dies« über Vas wüste und rachgierige
B-rMtzm tder Belsi«, die UH WevWeMN«
vrangsaltzeren und Dinas reguirieren, die ihnen
Mtehen. Wie wenig sie sich auch nm die ein-
»chstsn Rsgeln 'des völkerrechtlichen Verkehrs
wimmern, zeigt ein Zwischenfall in Aachen
Ar Adjutant des Leiters der deutschen Eisenbahn-
«oucherunssksmmisston. ein deutscher Offi-
''er, ist in Bachen von belgischen Soldaten auf
Möge zum Gebäude des belgischen Komman-
«»nten zweimal an gehalten worden und,
obwohl er den ordentlichen Ausweis der inter-
^TtioWlen WwffeNstillstastdskvNmWsn vorwirs,
mulrde geschlagen, ihm die Achselstücke ab-
«errssen und der Mantel zerfetzt Cs ist
^".uzu,fügen, daß der deutsche Offizier 'für dis
Msfu'hrun« des Waffenstillstandes tätig U ui'd
«esWih ein besonderes Anrecht aus Schutz hat.
Zur Besetzung Ludwigshafen
>Ard qsm-eldet, daß Freitag früh der französische
^tkEmandant Oberst Frisch dem Biirger-
bi neraint einen Besuch Msiattet« und sah hier-
. er verschiedene wichtige Fragen besonders auch
mr« Wgr die Anfr e chte rh a l t un g des Ve r-
«hrs zwischen Mannheim und Lud-
n besprochen worden feien. Die Not-
endiskoit d'.eser Berkehrsaufrechterhaltuna wurde
seitens des Oberbürsermeffters ganz beson-
Ms betont. Nach 1 U-Hr mittags trassn dis e r -
rar" Mtraziige mit Besetzungstruppen (fran-
' l H e Kolon «alt ruppen) am Haupt-
»Whof« «ln, wcheM sich oin.« größere Atenschen-
-.."'^..«u»e;an>.nielt hatte, um dem Einzug der
" Besstzungstruppe» beizuwohnen. Wei-
Ae Extrazüge mit fvanzMÄrn Besetzungstrup-
l - werden noch erwartet. Aebsr die Sper-
kann? * b <ke G bis jetzt noch nichts be-
^ewaliregim-nt iu Elfutz-Lothriugeu
, Bei drx B-i^mMiackr von NeusMura wuchL Ms»
^va,n eine arotzere Anzahl Personen abaetziefert.
>E "ks dem Qbere-llSatz stainme» und von den
an-EsaAVisien waren. Sie neben an. da»
"ni«.?^EEMer und naturalisierten ENäff« mter.
albaescholben würden. Ms Elsässer a«f.
N--?^Ue französischen Behörden dioiensa-n. deren
iLliatker waren. Dis aus Straßburg ausae.
««len Deutsiben sagen übersinstim-nead ans.
n »amtliches dsuMiss GeLd Lis zum 1b. Deaem-
sein muß wöbst der Kurs der
iiiv isir die Elsasier aus 1.2S Franken, daaeaen
wtnli DeutWsn auf nur 60 Centimes berechnet
xL, ^Lkm»"«Aachr!ichte«' mit d« LabeMritt
^«"Wardsn^gMeiL an Elsaß-LotL-
bo-iatiaen den Sackverkolt. Durch Via.
l ch z ? lünderu n a d eutfcker Ee -
. w ar t « oMaefordert ohne daß Vie Franzosen die.
H- rrEich welchen Schutz «währen. Framösiscke-
Werten. iamtl-cke DsMche würden aus
r.M nls« Verlangen der EMstsr LaldiM aus.
«Wlasen. Manner rm wehrvsOchtiaeo Alter
sLk" Mternsiert und iväter »um WiedeüäMau
- ^nautkrö'chs verwendet.
kvamMchr R«ierunaskornmisiar ini Metz,
bat einen öffentlichen AMiÄ an dl»
Le o VsvAkeruna deutscher Sprache «richtet.
sr«w!Wdsm °ine Einladung an M AsvöMetrum«
Sb rache behütet, alle deutschen Eim
iiier» Krieasaerickten zu denun.
fx,, . Die französischen Leitungen halben dl«.
'ben vrit arotzcr Genuatiiuna Wiederaag».
lwu-a -^«wre" u. ..Povulaire" «riköben M'idre.
i«n Ueberarkff Miriwans ürid eumrr.
dolitiük" Elam»,rcs,au daß er denen Verwaltunas»
E «in WWchlusi bringt. .
Haase über dis Sszialisisrung
-r^Esbsckustraste Haas« hat amerikani-
^runaEo^^ Mufkläriun« Wer die Soziali-
M»t/'A!.'kchten des Kabinetts aeaeban. Er
Rsfovin öri der Durchführung der
«wd vl« ».^^MElichen Lebens nichts zerstört
stria „ j ^faduktian von Landwirtschaft und Indu-
fuhr xr'fürt^^ gchemmt werden dürfe.
Wir bsWMtigon zMächsi einige mono-
Betriebe, wie z. B. die gro-
i duK-'. . vertrustete, syndizierte In'
« das Gemeineigentum übsrzn-
Mn° m nationalisieren. Es ist
s ^o-nmission emsssetzt. dis bestimmen soll,
Mchf ^urchzuführen ist. Wir wollen aber
nroa die kaufmännisch oder industriell l«t-

Putschversuch uuh Schießerei iu Berliu

Die Spsrtakusse an der Arbeit
Das tatenlose Geschehenlassen der Regierung as-
aeirülbsr dsln nniverantwortlichen Treiben der Lieb-
knechtlöuts Kat es nun glücklich so weit gebracht,
dasi den Svartigkusien der Kamm gcschwollen. ist.
und sie glauben jetzt alles unternehmen zu kön-
nen. Freilich sind sie in tbvekm ersten Vorhaben er-
folglos «Mieden, aber es M als völlig sicher an-
zunökmen. dasi sie weitere Schläge vorbereiten.
Der erste «in a .
gegen den Vollzngsrat
Berliner ÜAätter berichten darüber:
EiiKge MitMsder des Vollzugsratss, dis aus
diesem entfernt morden sind, batten gestern nach-
mittag einen Putschversuch' unternommen. Es
war ihnen asliMsen, «ine Anzahl Soldaten ,«
mawinn und mit diese» wollten sie den Voll-
sugsrat verhaften. Zufällig war de».
VÄkSbeauftWgts Barth im Hsrrenhauss an-
wesend und setzte den Soldaten, auseinönder, daß
sie im Begriffe ssisih eine unüberlestr Handlung
zu bgehen, dis NMtbsehöare Folgen haben könnte.
Die Soldaten zeigten sich feinen Ausennanversttz-
UNgen zugänglich und verlieben das Her-
r e n Haus, ohne da« es zu ernsten Störungen
des Betriebs des Bolljugsraiss gskonrmen ist.
Ist dieser AiMlsta also noch harmlos ve»4aMen,
io »at doch eine
Schießerei in der Chauffeestratze
mehrere O»fsr an T clen und Verwundete»
aelosiet. Der Draüt meldet:
Berlin, 6. Der. Di« Spartakussruppe, unter
Führung von Lieük,icchr hielt heute nachm t'
tag in den Germaniasälcn in der Chausseestratzr
eine Versammlung ab, nach deren Beendigung
tzisr Ecke Chausisü- und Invalidenftmsie stsht und
in der Richtung Frirdrichsstraj,« Heranroge«. An
der Chaussee- und Innalidenstratze wurde der Zu»
dm ch Maschinengewehrs«« er der »Mai-
käfer" empfang«». Es gab Lote und Ver.
letzte. Es entstand eine grohe Panik, die
Strahen waren mit Flüchtenden überfüllt. Auch
in den Strnhenbahnwagen waren die Gäste sehr
aufgeregt. Verschiedene Frauen fielen in Ohn-
macht, jeder versuchte, so gut wie möglich vor den
Kugeln Deckung zu bekommen. Der Verkehr nach
dem Stettiner Bahnhof ist von Militärmaitnschaf-
ten abgesperrt.
Di« Kompagnie der. „Maikäfer" ist von einer an-
deren Kompagn-ie desselben Regiments' abgelöst
worden, die -mit aufgepflanrten Seitengewehren an
dr Ecks Ehauffss- und InvMdnnftmhe stsht und
den ZuWnm rum' Stettiner Bahnhof, Wedding»
Lehrter BMnHöf »Ms Baiböbof Füiedri'chstriaste in
ihrer Gewalt 8ät. Rach Mitteilung eines Unter-
offiziers hat der Stvasienkampf 12 Tote gefordert,
darunter mehrere Frauen und ein ^jäh-
riges Kind.
Die R o t e F a b n s. 8a« Oraan der Änhrkakus-
keut«. M vor'"!bero>eb-'nd von Soldaten
besetzt wosiden. Die Besetzung M bersits wieder
rückgängig aemirckt worden.
1« Tote
' Berlin, 7. Dez. (8 Mr vorn,.). Bisher sind
18 Tote und 13 Verwundest«, darunter 12
Echurerverwundete, sestgestellt worden.

Bolt a-a-n Volk!
Berlin, 7. Dez. Dis Vorgänge, die sich in den
gestrigen Nachmittags- und Zlbendstundsn abspiel-
ten. sind, wie der „Vorwärts" schreibt, nicht nur
aufs Tiefste zu beklagen, sondern auch aufs schärfste
zu verurteilen. Es ist notwendig, sie restlos
aufzuklären und die Schuldigen rücksichtslos zur
Vevantwortung zu ziehen. Die StrMsnkämpfe er-
klären sich aus dem gewiffenlosen Treiben
der Spartakusleute und der uEhueren
Erbitterung von neun Zehntsln der Berliner Sol-
daten über dieses Treiben. Wenn die Spartakus-
leute jetzt mit der Beschuldigung kommen, die Re-
gierung lasse auf das Volk schienen, so ist darauf
zu erwidern: In der Lhaussseftrake hat Volk auf
Volk göschoffen. Die Soldaten sind doch schließlich
auch Volk. Die Soldaten 'haben von der Kom-
mandantur strengsten Besohl, die Waffen nicht zu
gebrauchen, es sei denn im Kalle unvermeidlicher
-Notwehr. Die Soldaten versichern, dasi sie sich
tatsächlich in der Notwehr befunden haben.
Auf keinen Fall sind sie die Werkzeuge irgend ei-
ner höher» Macht, sondern sie sind freie Bürger
wie wir. Niemand zwingt sie. niemand erlaubt
ihnen, unschuldig^ Blut zu vergießen.
In dec „Voffischsn Zeitung" liest man: Die
Spartakusleute haben gestern einen Putsch
in Szene zu setzen versucht. sSie versehen ihre
Anhänger systematisch mit Waffen und
Munition. Ihr Ziel ist-ein Gewaltstreich
der sie in den Besitz der imbMränkten Macht,
zunächst in Berlin bringen soll. Die gestrigen
Vorgänge dürsten ihn«» allerdings gezeigt haben,
daß ihre Rechnung nicht ganz stimmt. Sie werden
allmählich zu der Ueberzeugung kommen müssen,
daß die überwiegend« Mehrheit des
deutschen Volkes, auch der Soldaten, nicht gewillt
ist. die Errungenschaften der demokratischen Revo-
lution an die Gewaltherrschaft der kleinsten Min-
derheit zu verlieren. — Das „Berliner Tage-
blatt" schreibt: Es darf nicht so weiter-
.gehe n, weil bei einer Fortdauer solcher Zustände
die Entente uns nnzwöi-felhaft einen geradezu
vernichtenden Frieden diktieren würde. — Dis
„Morgenpost" schreitb: Es muß jetzt bald gehan-
delt werden. Man nshme do» frühesten Termin
für die Wahlen zur Natianäkwersammlung, der
überhaupt möglich ist. In jeder Verzögerung
liegt neu« Gefahr und jede Woche Zauderns
könnte neue Opfer kosten.
Soldateukundgebuttg für Ebert
Berlin. 7. Dez. Gestern abend kamen Kroki-
Tvuiovs von mehreren hundert Soldaten singend
aus der Wchluna des KallMien Tores, dis Wil.,
belmstraßs herunter. Aas den Seitenstechen schloß
sich ein weiterer Soldatentruvv an. Der, Zu« be>
aäü M stach döm Reichskanzlervalais und
«vovanistaltete Idiort Sine Demonstration, die in lau-
ten §>och- und Hurrarufen auf Ebert und
Scheide mann ibren Ausdruck fand. Erste De-
rutatian bsaab sich in das Valais und bot Ebert die
Präsidentschaft de« deutschen Republik an. Ebert
erschien vor dom Valais und hielt Sine An-
is v rache in der er für das Vertrauen dankte und
erklärte, er. muffe sich erst mit seinen Kollegen vom
Rat der WoKsüsaüftvwaten besprechen. Er forderte
die Soldaten aus. Mr Ordnung und Rübe zu for-
asn und treu zur Reaieruna zu sieben. Nur
das könnte das Wirtschaftsleben zEammrenbalten.
Die Demonstranten brachten abermals Nochruife
auf die deutsche Republik und Ebert aus und zo-
gen dcmn nach den Linden. . .
Auch in München
bräunten die Svartakuffe tbr Ustwsse-n zu treiben.
Eins demokratische Veriammluna nabm durch ibr
Eingreifen «inen tumultariscken Verlauf. Prof.
Mar Mebsr-H eidslbe«ra wurde nikdevaa
schrieen. Schließlich formierte sich Sin Zsta der die
Einzisbuna der ffchwarz-wsik-voten Kabnon ver-
langte. was der Nolizeivräsidsnt auch verivvach.

landen Köpfe beseitigen, sondern sie vielmehr
ausnutzen, und für die neue Produktionssteige-
rung brauchen wir sie, nicht für den privaten
Kapitalismus, sondern im Interesse des
Staates. Dis Import- und Export-
industrie werden von der Vergesell-
schaftung ausgeschlossen. Die Kom-
mission wird Männer aus der Industrie, gei-
stigs und technis.»e Arbeiter hören. Sie wird
dann angshrn, unter welchen Bedingungen untqjr
welcher . Form die sSozialisierung erfolgen und
namentlich auch der Unternehmer entschädigt
werden soll. Es sind kein« Konfiskationen

bsabsicht igt, sondern es werden angemes-
sene Entschädigungen gezahlt wer-
den. Die Kriegskonjunktur bleibt dabei jedoch
unberücksichtigt, Kriegspreise werden nicht
gezahlt werden-
Man muß zugeben, daß sich dieser Sozialisie-
rungsplan durch Mäßigkeit auszsichnet. Anderer-
seits ist aber jegliche Sozialisierung im gegenwär-
tigen Augenblicke ein Unding, einmal, weil sie die
außerordentlich gefährdete Lage der Industrie noch
verschlimmern würde, und dann, weil sich jede
Vermehrung des Staatseigentums solange von
seWt verb otet, als die Entente dieses M
Pfandzwecken benutzen will. . -

---
Ernste Gedanken zur Lage
Nach dreiwöchiger Arbeit hat die Revolution^'
rogierung die VersorMNg unseres Volkes mit den
nötigsten Lebensmitteln und Lebensbedürfnissen
nicht sicherzustellen, dem Frieden nicht um
einen Schritt näher zu kommen und des vom Ber-
liner Vollzugsrats verübten Terrors nicht Hery
zu werden vermocht. Ja, sie erscheint schwächetz
als irgend eine der kaiserlichen Regierungen.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß der ganz«
Bau unserer militärischen Kraft und unserer wirt-
schaftlichen Sicherheit schon seit Monaten unter-
höhlt war, daß er beim ersten kräftigen Sturm-,
wind zusaiinmenstürzen mußte, aber ebenso unzwei-
felhaft ist, daß das revolutionäre Regiment bis zu
diesem Augenblick die Fähigkeit, das Zusalmi«
mengsbrochene wieder auszu'bauen, nicht be-
wiesen hat.
Als das Bedauerlichste erscheint, daß trotz al-
ler Verhandlungen und Mühen. Versammlungen
und Kundgebungen, die Klärung der „Rechtslage"'
in Berlin und die Teilung der Gewalten zwischen
dem Vollzugsrat und dem Rat der Volksbsauif-
tragten ebenso wenig geglückt ist.Am Sitz der so-
genannten Reichslciitung regiert tatsächlich
noch immer der Vollzuasrat. sogen dessen wahu-
witziae Geldverschleuderung bisher nichts
geschehen ist, regiert aber auch Liebknecht an der
Spitze eines Spartakusbundes, den der Berliner
Volks mund längst siSpektakelbund" getauft hat,
der noch immer eine ganze Reihe öffentlicher
Gebäude besetzt hält, der unghindert in öffentli-
chen Versammlungen wie in Kasernen zur „Ge->
wM" segn die Regierung aufruift. unbirrt alles
ankommenden und durchmarschierenden Militär-
transports zu verhetzen sucht, noch immer alle
paar Tage das PoKzsiprästdium erstürmt und
vor dessen Putschversuche» man sogar in der Wil-
helmstratze seiber zu zittern scheint.
Was die Liebknecht und Ledebour in Berlin
können, kann natürlich auch Eisner in München,
der „große Diplomat," der. wie man jetzt Höri,
durchaus nicht immer der überzeuaungsfeste Pa-
sifist war. als der er sich jetzt brüstet, und der sich
samt seinem professoralen Gesandten in Bern, von
Clemencea» nach allen Regeln der Kunst hat
nasführen lasten. Mit der Bauer nschlmcheit.
die im übrigen dieser überspannte Ideologe im-
merhin. besitzt, hat er die begreifliche naturgemäß,
auch in Bayern vorhandene Erregung gegen das
Berliner Lhaod und die Berliner Tatenlosigkeit-
für seine Zwecke zu werten verstanden. Wie di«
königliche Regierung in München durch ihre Aspi-
rationen« auf Elsaß wesentlich zur Kriegsverlän-
gerung beigetragen hatte und dann die bayerische
llngedlud auf dir angeblichen üebensmittelham-
sterer aus Preußen abzukenken versuchte, so be-
nutzt Herr Eisner jetzt den Unwillen gegen Ber-
lin. um sein eigenes Mütchen an den dort regie-
renden Genossen zu kühlen und sich selbst mit dem
Heiligenschein des alleinseligmachenden Friedens-
vermittlers zu drapieren.
Warium, so fragen wir. läßt Man sich in der
Berliner Milhelmstraße den van München ange-
kündigtön „Abbruch der diplomatischen Beziehun-
gen" gefallen und oRtwortet nickt mit der ka-
tegorischen Forderung auf Entfer-
nung diese s bayerischen Diktators?
Die Voraussetzung dafür wäre freilich, daß man
auch in Berlin selbst mit den großen und kleinen
.Diktatoren" beiderlei Geschlechts fertig zu wer- ,
den verstünde. Ist man wirklick taub «egen dis
Stimmen aus West lind Ost und Süd? Sieht man
nicht die Gefahren, die daraus für den Zusam-
menhalt des Reiches drohen?
Die Schwäche muß ein Ende haben.
Bis zur Stunde hat der „Rat der Volksbeauftrag-
ten " versagt. Weder hat er die M illiarden-
Verschleuderung von Kriegsgut durch
die heimkehrenden Soldatens nock die wilden
Streiks, weder dis TransportschwisEgkeiten
noch die Koh len not zu hindern vermocht. Er
tut scheinbar nichts oder kann nichts tun gegen
den Ansturm und dis Anmaßung der Polen,
stoch gegen den drohenden Abfall wichtig«
Reichsteile. Was will oder kann er endlich tun,
um den drohenden Einmarsch der Alliier-
ten zu verhüten? Des Nationalversamm-
lung. die frühestens im März zusammentreten
kann, kommt unter diesen Umständen, wie wir
fürchten zu spät. Die Mahnung zur GMüd. die
wir täglich hören, zieht nicht mehr. Die Frage ist:
entweder hat die Regierung die Macht, ihren
Willen durchzusetzen, und die rdnung wiederher-
z»stellen und aufrecht zu erhalten, dann soll sie sie
jetzt zeigen! Oder sie hat sienicht, dann Muh
sie umgehend dafür sorgen, daß sie sie bekommt
oder — abtreten!..
 
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