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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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HeidelbergerMung


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durch die Agenturen aus dem Lande, die Trägerinnen und bei der Geschäft»?«»« selbst —> Haupts», zs-
monaSich und vierteljährüch bestellt werden
tzauptschriftieiter: Kurt Fischer in Heidelberg
Dru» «.Verla«: LtzesSür Bcrkeakulch — Heidelberger Verla,Sanskrit und PruLerei, Heideldtr«.


Nr. 301

Dienstag, den 24. Dezemder 1818

LLLLL

Wmßhängige TttgsszEMg)
VKrküKdLgungsö!att MNsrdHadss srrrtz -Le Mgrerrzerrdsn Letts vor* Bayeru, HellenMd^DWWMt^

Arue SchLeßrreL in HMm

Unbotmäßige Matrosen
Berlin, 23. Dez. Eine wüste Schi eh er ei
gab es beute abend ^6 Mr unter den Linden in
der Gegen- des Opernplatzes. Es kam zu
einem Kamvie zwischen Matrosen, die dort
dienstlich ihren Posten hatten, und der Besatz-
ung eines Panzerautos, das vom Lustgar-
ten hex die Linden nach dem Brandenburger Tor
zuraste. Dabei sind zwei Matrosen getroffen wor-
den. Der Matrose Zwicker erhielt mehrere Schüsse
in Brust und Bauch und wurde sterbend nach
dem Vestibül des Opernhauses gebracht.
Weiter wird dazu gemeldet:
Dio Vo lks ma r ined i v is i o n sollte heute
auf An-ysHrmg der vr-eubMM Regierung durch
den Kommand-aiAen Wpls aus dem Schlosse ent-
fernt werden. Die weigorte sich jiHochtz» das
Schloß zu verlassen und machte ihrerseits den Ver-
such, unter Führung ihres Kommandanten Dor-
r' e n b a ch die Reichskanzlei und die K o m-
mandanitwr zu besetzen. Gegen tsS M« Girr-
ten Vie Mätrchen die Telephonzentvale der Reichs-
kanslar und verhinderten den Eintritt unv
das NeAasfen des R«i«h-ckänzlergebsinidi.:s. Auf den
eners.t'chon' Entsprach der BolksbsaMvckgiSA wunde
die Dchetzlins a n f gehoben.
Emzslhsitett
Berlin, 24. März. Einen unerhörten
Leb er fall gegen die Reichsregierung unter-
nahm gestern nachmittag gegen 4»L Uhr die zum
Schutze des Reichskanzlerhauses dort untergebrachte
Wache der Volksmarine-Division (Schloß). Vor
den Volksbeauftragten Ebert und Landsberg er-
schienen zwei Matrosen der Wache in voller Aus-
rüstung und erklärten, daß sie den Befehl von dem
Kommandanten der Volksmarine-Division erhal-
ten hätten, die Tore des Hauses zu schließen, kei-
nen der Anwesenden heraus und niemanden herein-
zulassen. Gleichzeitig hatten sie auch Befehl, die
Zentrale zu besetzen und den telegraphischen Ver-
kehr von und mit dem Hause zu unterbinden. Die
Sperre, die die Abwickelung wichtiger Regierungs-
geschäfte verhinderte, dauerte fast eine Stunde
lang. Um M Uhr gaben die Matrosen aus den
energischsten Einspruch des Volksbeaustragten
Ebert den Zugang zum Hause und den Telephon-
verkehr wieder frei. Am Abend wiederholte sich
die Besetzung des Reichskanzlerhauses. Berliner
Truppenteile, die zum Schutze herbeigeeilt waren,
trafen ebenfalls in der Wilhelmsstraße ein. Nach
längeren Verhandlungen gelang es, ohne daß es
zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen war,
die Matrosenwache zum Abzüge zu bewegen, wäh-
rend gleichzeitig die Truppen abzogen.
Der Grund des Vorgehens der Matrosen war
folgender: Die Neichsregierung hatte die Zahlung
der am 21. Dezember fälligen Löhnung der Matro-
sen davon abhängig gemacht, daß sie das Schloß
zu räumen hätten. Unerhörte und umfangreiche
Diebstähle an Inventar usw. gaben die V^ranlas-
suno zur Stellung dieser Bedingung. Die Matro-
sen, die übrigens schon bei der Zahlung der Löh-
nung am 11. Dezember die Räumung des Schlosses
versprochen hatten, wollten auf die Bedingung
nicht eingehen und suchten die Zahlung durch ihr
heutiges Vorgehen zu erzwingen.

Die 500 bis »00 IMtrofen. die bischer die Be-
wachung des Eckstosses hatten, sollten auf Auwei-
sung der preußischen Regre-rmm Äurch den AoM-
Mandanten Wels als Sicherheitstrup-
pen aufgelöst nach in ihre Heimatsgarnlso-
nen befördert werden. Die Straste Unter den
Linden zeigte gestern gegen 6 Ubr nachmittags
ihr gewöhnliches Aussehen. Zu dieser Zeit kamen
aus der oberen WrW-vaste, der Charlottenstraße
And über die sSchloßbrücke Truvvs von - Matrosien,
Karabiner auf der Schulter und strebten der auf
der Schloßbrücks gegenüber dem Zeughaus gelege-
nen EtadtsÄMMMidamtur dem Sitze des Komman-
danten Wels entgegen. Die Linden wurden von
der Charlottenstraße bis zur Schloßbrücke. ebenso
wig der Lustgarten, der Dom.und die Königin»
straste abgesperrt. Bor der Kommandon-
tu r Em' eine groß» Zahl von Matrosen Auf-
stellung. Alls Veranlassung des Stadtkommandan-
ten erfolgte die
Alarmierung
der republikanischen Ssldatenwshr und Sicher-
heitsgarden. Die FILHr-er dieser Abteilungen rück-
ten mit MaschinensawiShven sofort auf die Straße
Gleichzeitig wurden dis Soldat enräie der Ber-
liner Garnisonen verständigt, die auf Lastwagen
fe eine Kompagnie nach der KMmandantur in
Marsch fetzte. Bevor dies« Truvoen eintreffen
konnten, hatten die Matrosen ihr Vorhaben er-
rgicht. Unter den Rufen: „Nieder mit Wels!"
waren 16 Matrosen in die Kommandantur einge-
drangen und hatten Wels. Leutnant Fischer
und Dr. Bongartz gefangen genommen Aus der
Straße wurden die Verhafteten von den Matrosen
in die Mitt« genommen und der ganze Trupp nach
demMarstatt, den die Matrosen besetzt chatten,
«eführt. Inzwischen waren von der Kommandan-
tur aus zwei Panzerwagen mit Maschinengeweh-
ren. sowie mehrere Personenwagen, auf denen
man Maschinengewehre gefechtsmäßig äufgebaut
hatte, Äusgefahren und hatten zunächst in der
Wallstraße Aufstellung genommen.
Plötzlich kam von der Charlottenstraße her ein
Lastwagen, der nicht zur Kommandantur gehörte
und der «Uf der rechten Seite der Linden langsam
aitf die Kommandantur Muhr. Die Postenkette
der Atatrofsn ries dem Führer sn, er möge halten
und versperrte ihm mit vorgehaltsnen Gewehren
den Weg. Der Führer ließ sich nicht beirren und
fuhr wesr-ter. Dis Matrosen eröffntoen mit Kara-
binern
Schnellfeuer auf das Automobil.
Etwa 100 Schüsse fielen. Dann wurde auf dem
Lastwagen ein Maschinengewehr sichtbar, das nun
seinerseits Feuer auf die Matrosen richtete, ohne
jedoch Personen zu verletzen. Während der ersten
Schüsse bog «ms der Charlottenstraße ein Panzer-
wagen i» die Linden ein und eröffnete von der
Höhe des Denkmals Friedrichs des Großen aus
Schnellfeuer auf die Matrosen. Von den vor der
Kommandantur stehenden Poste» wurden ein
Mann getötet und drei schwer verletzt.
Der gefangengenommene Stadtkommandant
We ls wurde gegen Mitternacht in Fr ei hei'
gefetzt. Ms aus weiteres übernahm der Vor-
sitzende des Berliner Vollzugsvates, Wolken-
b uh r. das Amt des Stadtkommandanten.

d WO Franzosen m Mannheim
h. Ma » nheim, 24. Dez. (Eigens Drrcht-
msldting.) Nach einer Mitteilung einer
französischen Kommission, die gestern abend im
Rathaus eintraf und sich auf einen Befehl
des Marschalls Foch berief, treffen heute
nachmittag 2 Uhr in Mannheim behufs Ucber-
wachung des neugebildeten Sammellagsrs für
Heimkshrende Gefangene der alliierten Mächte
eine französische Brigade und Z Eska-
drons ein, somit 148 Offiziere, 8vW Mann
and 1288 Pferds. Der Aufenthalt dauert so
lange, als das Sammellager besteht. Das hie-
sige Bataillon der 118er muß sofort aS -
rücken. Hiervon hat der Oberbürgermeister
l. das Kriegsministerium in Karlsruhe, Z. das
Generalkommando, des 14. A.-K., 3. dis Oberst-'
Heeresleitung in Cassel, 4. den Rat der Volfs-
beauftragten in Berlin, 8. Staatssekretär Er---
berser in Berlin und 6. den Arbeiterrat
Mannheim verständigt.
Gins Sammelstelle
fi'rr heimkshrende Kriegsgefangene
Eine französische Kommission traf am Sonntag
m . Mannheimer Rathaus ein und benachrichtigte
len Oberbürgermeister, daß laut Vereinbarung des
Rarschaks Fach mit der deutschen Regierung das
iisherige Gefangenenlager als Sammel-
elle für heimkehrende bisherige englische, fran-
ösische, italienische, rumänische und serbische Gs-
angene zu dienen habe. Der Oberbürger-
meister habe für Reinigung des Lagers, Jnstand-
etzung, Belieferung mit Kohlen, Beschaffung der
5'eiistellen, Matratzen, Decken usw. zu sorgen. Auch
nüsseu die Lazarette in b» > näm m uaaen für
und 10W Kranke eingerichtet werden.
Besetzungsgefahr
für Frankfurt a. M.
Berli n, 23. Dez. Der Voss. Zeitung wird aus
Frankfurt a. M berichtet: Die Fran-zosen
schiebe« die Besatzungszone des Mainzer Brücken-
kopfes immer mehr an die Stadt Frankfurt
heran; jetzt haben sie plötzlich Teile des
Frankfurter Stadtwaldes besetzt.
Strafandrohungen für Zeitungen
Ludwiasbakeil. 23. Dez. K-olaende Strafan-
drohungen bat der Ke ne m l der 8. Armee as-
neu We Bresse -ansskünidiat: Fede obne vorherige
Gensbmmuna des kontrollierenden Offiziers er-
ickien-ene. Veröffentlickuna wird den nacknebenden
Stvaren unterlreacn: Zeitweilige 5—10 Tage
dauernde Aufhebung der Zeitung und a-e«ebensn-
ialls Bckckkmnakme de.r veröffentlichten Eckristen.
Fm WladerWertretunasfall endgültige Auiböbuna
der Zeitnua. BÄcklaaniabme der Druckickriiten. In
beiden Bällen, wenn die Umstände es verlannmu
Auswü'Kunia Es dem ArmesaMets des Druckers,
des ScksNLlsiters und Verlegers der Druckschriften,
unasacktet etwaiasr Strafen die ein Fabr Eefänir--
nis usnld 1000 Kvaucs Geldbuße betrage» können.
Unterbindung des drahtlichen Verkehrs
Dis Gn-sntstruppeu fahren mit -dem Durch-
schneiden der Nord- und Westdeutschland ei-
nerseits und Süd- und Ostdeutschland anderer-
seits verbindenden Telephondrahte, die über
das vs» ihnen besetzte Gebiet laufen, fort. So ist
z. B. infolge Durchschneidens der Drähte eine
Verbindung zwischen Karlsruhe oder Mannheim
einerseits und Düsseldorf, Essen und vielen ande-
ren Rheinstädten, ebenso Hamburg. Leipzig usw.
also Städten, die weder in das besetzt« Gebiet,
noch in -die neutrale Zone fallen, nicht mehr mög-
lich. Es ist dringend erforderlich, daß vsn io-sr
Regierung gegen diese Unterbindung des drahi-
lrchsn Verkehrs im Reiche schärfster Protest ein-
Wlcgt wird.

Frieden erst Mitte Juni?
H-aivas meldet, die Unterzeichnung des
Friedens ist Nach offizieller Mitteilung für
Mlitte Juni, der siegreiche Einzug Fochs und
feiner Armes durch das Pariser Triumphtor für
Ende Juni vangesehen.
Wilsou für eine schoueude Behandlung
Der. Daily News Malae wird Präsident Wilson
in London Wer den Völkerbund sprechen und die
NotweitdmLeit erläutern, den Feind mit Schonung
tdu bsbandsln.

80 Milliarden Kriegsgewinn-
steuer
Wie Berliner Blätter melden^ steht die Dekrstie-
rung der neuen Kriegsgewinnsteuer
für das Reich durch den Rat der Volksbeauftragten
unmittelbar bevor. Sie wird in längstens 14 Ta-
gen veröffentlicht werden^ wobei der neue Zentral-
rat dex Arbeiter- und Soldatenräte dem Gesetz zu-
gestimmt hat und sie soll nach dem Voranschlag dem
Reich rund 8V Milliarden zuführen.
Nette Zustände!
Sonderbare Vorgänge auf dem Postamt in
Greifswald, die der A.- und S.-Rat Greifs-
wald mit der Forderung verschuldet hat, daß seine
Mitglieder aus der Postkasse zu entschädi-
gen seien, widrigenfalls er das Postamt stürmen
wolle, erfahren jetzt eins interessante Beleuchtung
! durch eins Kundgebung der Oberpostdirektion, da-
rin heißt es: „Der'N.- u. S.-Nat in Greifswald
hat am 8. Dezember vom Postamt gefordert, daß
'es ihm 7,50 Mk. Tagelohn (für jeden seiner Beauf-

tragten 15 Mark täglich) im voraus auszahlen
solle mit der Drohung, daß er dann am 9. Dezem-
ber gewaltsam in die Diensträume eindringen und
auf die Kassengelder Beschlag legen würde. Als
die Zahlung verweigert wurde, ist die Drohung am
1V. wiederholt und dem Postdirektor die Absetzung
in Aussicht gestellt worden. Die Ob«--—"Direktion
hat den A.- und S.-Rat in Greifswald auf die ein-
schlägigen Verfügungen der jetzigen Reichsleitung
vom 11. und ;2. November hingewiesen und ihn er-
sucht, sich jeder Betriebsstörung und jedes Ein-
griffes in die Verwaltung des Postamtes zu ent-
halten. Für die Entscheidung der Frage der Ab-
ordnung von Mitgliedern des A.- und S.-Nates
zu den Reichsbehörden und deren Bezahlung seien
die zuständigen höheren Dienststellen maßgebend."
Inzwischen hat das Postamt unter dem Druck der
Drohung, der Gewalt weichend, den vom A.- und
S.-Rat in Greifswald geforderten Betrag ge-
zahlt.
Zum Baubeginn des Walchenfeekraft-
werkes, das ganz Bayern mit Elektrizität ver-
sorgen und den Bedarf an fremden Kohlen herab-
setzen soll, haben sich am ersten Tage 60 Ingenieure
und zwei Arbeiter gemeldet. Am zweiten
Tage waren es 240 Ingenieure und immer noch
zwei Arbeiter. — Kommentar überflüssig.

Weihnachten 1918
Von D. Ernst Dry and er.
Vizepräsident des preuß. Oberkirchenrats.
Wir begehen das erste Weihnachtssest
nach dem Kriege. Sollen, dur f e n wir es,
feiern: Schwerer als alle Kriegsnot lastet dtt
Druck des Waffenstillstandes, die Sorge um den
Frieden, die innere Not auf uns. Es gibt kaum
einen Kelch, den wir noch leeren, eme Schmach^
die wir noch erleben könnten. Unsere Demütigung
ist vollendet. .
Und dennoch ruft nicht nur der Smig des Ka-
lenders. auch die Erwartung unserer Kinder, auch
das Fragen unserer Verwundeten und Siechen
uns zur Feier aus. Weihnachtsglocken «erden lau-
ten We-Hnachtslieder werden erklingen. 3°, fast
möchte man von anderer Betrachtung aus sagen
— ist je eine Weihnachtsfeier und durch sie eine
Botschaft des Trostes, eine Nerkündlgung des
Friedens nötig gewesen ^°--juffa
Welt, für die wir lebten und wirkten, ist von nun g
nur ein Haufen von Scherben übrig Abtteben. So
muß denn eine andere, völlig neue Welt sich auf-
schließen, um in den Jammer der Gegenwart einen
Funken der Freude, ein Aufleuchten der Hoff-
nung auf eine bessere Zukunft in uns zu ent-
zünden. .
Der Historiker Ernst Lurtius. der Kenner Grie-
chenlands, eine der idealsten Gestalten, denen ich im
Leben begegnet, bin. hckt einst an den Heilquellen
von Wiesbaden in der Beooachtung der Unruhe
und Hast der nach Befriedigung suchenden Menschen
die schönen Zeilen geschrieben: „Aber nicht wi,
Schmetterlinge, die um uns im Sonnenschein au)
und ab mit bunter Schwinge gaukeln, saugt man
Freude ein! — Freude ist zarte Blute, die
auf dunklem Grunde sprießt, Wenn sich tief in das
Gemüts Gottes Gnadenstrom ergießt. — Freud'
ist Friede, der den kranken Menschenherzen Ruhe
schenkt: Freud' ist himmlisches Erbarmen, das sich
in die Seele senkt!" Das ist die Weihnachtsfreudq
von der unsere Feier getragen und' durchzogen seitz
soll. Die unsichtbare und dennoch wirklich« Welt
Gottes, die Welt des religiLsen Lebens ist dick
Quelle, aus der wir sie schöpfen können! —
die allen Völkern widerfahren soll. Er ist da und
ist geschichtlich der Wendepunkt der Zeiten gewor-
den. Keiner leugnet, daß, wenn sein Wort, die:
Richtschnur, sein Bild die bestimmende Macht wäre,
es weder Krieg noch Blutvergießen auf Erden ge-
ben würde. So soll denn unsere Weihnachtsfeier^
uns um sein Bild sammeln. Ich rede von uns.
Nicht als wenn wir die Schuldigen und unsere
Gegner eine Spur gerechter wären als wir. Aber
bei uns soll die Mahnung anfangen, und wir
wollen uns durch die widerwärtigen Erscheinungen'
der Gegenwart nicht von dieser Pflicht abhalten
lasten.
In der Person Jesu Christi ist ein unerschöpf-'
licher Quell der Liebe erschlossen. Alle Humani-j
täts-Ideale von heute gehen auf thn zurück. Alle«
Veranstaltungen charitativsr Fürsorge haben fast-
ausnahmslos ihre erste Gestalt in den Herzen und
Leben seiner Jünger gewonnen. Nicht das Chri-
stentum .hat heute bankerott gemacht, höchstens die
beutigen Christen. Lassen wir uns von seinem
Wort und Bild mahnen: in höherem Maße wie'
bisher muß eine soziale Gesinnung und ein
"Werben um die Seele des kleinen Mannes und,
des wirtschaftlich Abhängigen unter uns Platz grei-
fen, eine Gesinnung, deren Kern die wohlwollende,
Liebe ist. Dünkel und Standesvorurteil müssen
verschwinden. Der Bruch auch mit eingewurzelten
Anschauungen muß vollzogen werden. Wenn es
mehr Liebe* gibt, wird es weniger Haß geben.
Unser Leben aber wird in dem Maße reicher, be-
glückter, gesegneter werden, als wir lernen, es für-
andere hinzugeben. Daß diese Liebe möglich ist,
dafür ist Christi Gestalt Bürge und Vnröub
Auch die Ausbrüche wilden Rellgmnslmm-s
dürfen.uns nicht erschüttern M iK ein Akensch ge-
haßt worden wie der Friedefurst Christus. Aach
da, wo man es nicht ahnt, schlummert in der Seel»
der Hunger nach Gott. Selbst die Hasser voll
heute bezeugen wider Willen die alte Beobachtung«
daß nichts die Seelen der Völker so in der Tief«
bewegt, als dis Fragen des Glaubens. Auch durch
die widerwärtigen Verzerrungen der Gegenwart
schimmert noch ein Rest der Sehnsucht nach einem
Ideal durch, das im Christentums seine Verwirk«
lichung findet. Ohne die Sonnenwärme des Evaw
geliums wird auch die Kultur zur Unkultur un<
bildet den Uebergang zu einer Barbarei, vor des
Alle, die ihr Volk lieb haben, erschrecken müssen.
Nirgends aber leuchtet diese Sonne Heller als ich
der heiligen Gestalt Jesu. Hier wird das Göttlich^
zum Ereignis, zur Wirklichkeit. Die Weihnacht
stellt uns vor das tiefste Geheimnis der Vereinst
gung von Gott und Mensch, das in der Persoch
 
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