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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Nr. 125

Heidelberger Zeitung

Samstag, den 6. Juli 1918

Fernsprecher ucr. vs

^-eire »

sondern ein dauernder Rückgang des zur
Verfügung stehenden Schiffsraums erfolgt. Die-
sem andauernden Rückgang steht aber ein dauernd
steigender Bedarf gegenüber. Wir alle wissen,
vag schon seit geraumer Zeit
die vorhandene Tonnage nicht mehr ausreicht
um die Bedürfnisse unserer Feinde in ausreichen-
dem Mage zu befriedigen, Mit fedem amerikani-
schen Soldaten aber .der eurociiscken Boden be-
tritt, wächst der Bedarf an Schiffsraum einmalig
Um rund 6 BRT. für den Kopf, um den.Mann
hsrüberzubringen, dauernd — und dieses ist der
springende Punkt —, um den Mann laufend mit
der notigen Zufuhr, im weitesten Sinne gedacht,
SU versorgen. In allen Tonarten wird in der
feindlichen Presse verbreitete der U-Bootkrieg
wirke nicht mehr, sei nicht mehr — um mit Lloyd
George zu reden — eine Gefahr, sondern nur noch
eins Belästigung. Wir sollten uns durch solche zu-
versichtlichen Reden unserer Gegner nickt irre ma-
chen lassen. Selbstverständlich muh auch das Ergeb-
nis des U-Vootkrieges einmal geringer werden,
wenn der Seeverkehr abnimmt. An dem End-
erfolg aber vermag das ebensowenig etwas zu
indern wie der Umstand, daß unter besonders un-
günstigen Verhältnissen vorübergehend ein-
mal ein stärkerer Verlust an U-Booten als der
normale eintritt. Fester Sieges Wille, der
Unsere Heere im Westen von Sieg zu Sieg geführt
bat, ist auch in der Marine lebendig und wird
auch den U-Bootkrieg das ihm sesteckteZiel errei-
che» lassen. (Lebhafter Beifall).
Der Haushalt der Marine wird im übrigen be-
willigt.
Ohne Aussprache werden Einzeletats bewilligt,
so der Kolonialetat und der Etat der
R e i chs e i s e n bah n e n und des Re ichs-
schätzamts. Bis auf^den Etat der Reichsschul-
den und dem der allgemeinen Finanzverwaltung
wird der Etat in dritter Lesung genehmigt
Nächste Sitzung Samstag 1 Uhr. Kleine Vor-
lagen, Kaligesetz, Ernährungsfragen. Kohlenver-
sorgung und Reichsbekleidung.
Badische Erste Kammer
Karlsruhe, 6. Juli. Bürgermeister Her-
mann-Offenburg fetzte seine Berichterstattung
über die Anträge zur Reform der Städtordnung
«ort und zwar über den Bürgerausschuh.
Oberbürgermeister Habermehl-Pforzheim be-
richtete über die Gemeindebesteuevung und eine
Petition des Stadtverordneten Oel-
o o r f-Heidelberg über die Gemei ndebe-
st e uer uns. Die Kammer nahm die Ausschuß-
amräge an, die Forderungen im Sinne derBe-
ny.ütze de» Zweiten Kammer stellen und insbe-
sondere auch für die Aufhebung des Klassenroahl-
rechtes zu den Gemeinden eintreten.
Oberbürgermeister Hermann-Offenburg berich-
tete über die Petitionen über das Gemeindewahl-
recht der Frauen. Die Petitionen wurden der
Regierung zur Kenntnisnahme zugewiesen.
Geh. Kommerzienrat Engelhard-Mannhelm be-
richtete über den Antrag auf Grund des 8 51 der
Verfassung eine Erweiterung der land-
ständischen Ausschüsse vorzunehmen. Nach
Liner längeren Aussprache wurde einstimmig der
Antrag des Geheimen Rats Dr. Glöckner und des
Geheimen Hofrats Dr. Fcrbricius angenommen..
r i Grund des 8 öl der Verfassung beschloß die
^rte Kammer, daß der ständische Ausschuß für den
Zeitraum bis zum Zusammentritt des La'-d.tags
ermüch igt wird, alle nach der Verfassung dem
Landtag zugehenden, zur Beratung im Landtag
re gneten Gegenstände'zu erörtern und die Regie-
ng zu ersuchen, die Genehmigung des Eroßhex-
Zogs dazu herbeizuführen.
In der Nachmittags-Sitzung erledigte die Kam-
mer zunächst einige Beamtenpetitionen, die zum
Maßen Teil durch die Maßnahmen der Regierung
kur erledigt erklärt wurden. Es folgte die Wahl
des L and st änd i s che n Ausschusses; an-
stelle des eine Wiederwahl ablehnenden Geh.
Kommerzienrats Dr. Koelle. wurde Erz. Dr. Le-
wa ld gewählt; ferner gehören ihm an Freiherr
von La Roche und Geh. Kom-Rat Engel-
hard t.
ir^drästdent Prinz Max gab hiernach eine kurze
UebersM über die Arbeiten der Kammer, die u.
a. --4 Gesetze, 58 Petitionen erledigt und zu einer
Reihe von Anträgen der Zweiten Kammer Stel-

lung genommen hat. Er dankte sodann allen
Mitgliedern für ihrs Arbeitsfreud igkeit und gab
seiner Freude Ausdruck, daß die Verhandlungen
von dem Geist der Sachlichkeit des gegenseitigen
Verstehens und der Versöhnung geleitet waren. Die-
ser Geist sei nötig, um an die neuen Aufgaben
heranzutreten, und die Schwierigkeiten zu über-
winden, welche die kommende Zeit bringen werde.
Danach wurde die Sitzung um 7 Uhr geschlossen. .

Badische Politik
Der badische Staatsminister fiir das
gleiche Wahlrecht
Wie aus dem gestern wiodergegebenen Sitzungs-
bericht der Ersten Kammer des badischen Landtags
hervorgeht, hat der Staatsminister v. Bodman
über das gleiche Wahlrecht, das in Baden
zu Recht besteht, aber von einem Vorredner (Frei-
herr v. Stotzingen) abfällig beurteilt worden war,
bemerkenswerte Worte gesprochen — gerade an
dem Tag. da im preußischen Abgeord-
netenhaus die letzte Abstimmung gegen das
gleiche Wahlrecht und damit gegen die auf
eine Willenskundgebung des Königs selbst begrün-
dete Regierungsvorlage gefallen ist. Die Worte
des badischen Staats Ministers werdeDgewiß auch
in Preußen ihren Widerhall finden und manchen
nachdenklich stimmen, der am gleichen Wahlrecht
nichts Gutes zu finden glaubt. Bei dessen Hauvt-
gegnern freilich, den Konservativen und ihnen na-
hestehenden Kreisen wird auch Herrn v. Bodmans
Bekenntnis nur Ablehnung erfahren. Wenn sie
schon das Wort des Königs von Preußen nicht gel-
ten lassen, so wird ihnen dieser süddeutsche Staats-
mann umso weniger Eindruck machen, als er die-
sen Kreisen ohnehin schon schweres Aergernis be-
reitet hat durch sein — lange vor dem Krieg ge-
sprochenes— Wort, daß er in der Sozialdemokratie
eine großartige Bewegung zur Hebung des vierten
Standes erkenne. Professor Mei necke, der in
einem ausgezeichneten Artikel der Neuen Rund-
schau (Grundfragen deutscher Nationalvolitik) an
dieses Wort des Frhrn. v. Bodman erinnert, geht
voll ihm aus ebenfalls auf das gleiche Wahlrecht
über, indem er bemerkt: „Die Haltung und Lei-
stung der Arbeiterschaft im Kriege bat ihm Recht
gegeben und zugleich bewiesen, daß die Sozialdemo-
kratie in ihrer überwiegenden Masse wohl ein
Feind von Regierungen sein kann, aber nicht ein
Feind des nationalen Staates ist, daß sie den
Wunsch hat, endgültig aus seinen Boden hinüber-
zutreten. Das kann nur geschehen, w-nn wir der
Arbeiterschaft die volle politische Gleichberechtigung
geben. Erst dann kann die Nation den höch-
sten Grad von innerer Kohärenz erhal-
ten. Die preußische Wnhlreform und alles, was
mit ihr zusammenhängt, ist ein Mittel zur politi-
schen Macht und so auch verstanden von den ver-
antwortlichen Staatsmännern, die sie angebahnt
haben und durchsetzen wollen. Es ist dec schwerste
Vorwurf, den man der Schule der älteren Staats-
kunst zu machen hat, daß sie den Zusammenhang
zwischen Macht und Freiheit und zwischen Macht
und Masse nicht erkennen will. Es ist ja. wie das
Beispiel des russischen Zusammenbruchs zeigt,
schlechterdings »Möglich, die volle Kraft der Na-
tion nach außen zu entfalten und dauernd zu be-
haupten, wenn im Innern die Massen dem Staat
entfremdet sind. Man lebt in den Tag hinein,
wenn man das vergißt."

* Ein sozialdemokratischer Stoßseufzer. Das
Hauptblatt der Sozialdemokratie, der Karlsruher
Volksfreund, nimmt Stellung zu den Arbei-
ten der Zweiten Kammer des Landtags in dem
abgelaufenen Tasungsabschnitte und kommt daher
zu folgendem Schlüsse: „Das Ergebnis des Land-
tags kann dahin zusammengefaßt werden, daß die
Ernte der Arbeiten desselben hauptsächlich
das Zentrum einheimst, während die For-
derungen der linksstehenden Parteien vorerst
mit Vertröstungen für die Zukunft abgetan
wurden. An dem badischen -Volke wird es liegen,
dieses Ergebnis nachzuprüfen und die Konsequen-
zen daraus zu ziehen. Nur von einer starken so-
zialdemokratischen Bewegung und Vermehrung
der sozialdemokratischen Mandate wird in Zukunft
eine fortschrittliche, demokratisch! gestaltete Neu-

ordnung zu erwarten sein, das zeigten die Bera-
tungen des Landtags nur allzu oft". Es scheint,
daß dem Blatt jetzt die Einsicht darüber kommt,
was die Sozialdemokratie mit der Kündigung des
Großblocks erreicht hat.
* Die fremden Jagdpächter. Im Anschluß an
die in der badischen Ersten Kammer erhobene For-
derung: „Weg mit den fremden Jagd-
pächtern" wird der Kölnischen Volkszeitung
geschrieben: Aus meiner persönlichen Kenntnis
vermag ich einen Beitrag zur Beleuchtung der
deutschen Weitherzigkeit — man könnte auch einen
anderen Ausdruck gebrauchen — in diesen Dingen
zu geben, der vielleicht die größere Oeffentlichkeit
interessiert. Mehrere Jahre hindurch hatte v.or
dem Krieg einer der fanatischsten und einflußreich-
sten Deutschenfeinde eine größere Jagd in unmit-
telbarer Nähe von Breisach, also einem der
wichtigsten Uebergangspunkte vom Elsaß nach
Baden, gepachtet. Es Handelt sick um den franzö-?
fischen Botschafter in Rom. Barr ers. Er pflegte
sein Quartier in einem Städtchen am Kaiserstuhl
aufzuschlagen und hatte meist eine größere Gesell-
schaft geladen, die in einer Reihe von Autos un-
gezogen kam. Daß darunter wohl mancher fran-
zösische höhere Offizier sich befand, kann man sich
leicht denken, Möchte die Anregung dazu beitra-
gen, daß wenigstens in den deutschen Grenz-
gebieten mit diesem Unfug ausgeräumt wird.

Aus Baden
Mannheim. 5. Juli. Die Stadt gemeinde
hat den Hinterbliebenen sämtlicher bei dem Flie-
gerangriffe auf Mannheim am letzten Samstag
Getöteten sowie der nachträglich ihren Verletzun-
genen Erlegenen das Beileid ausgesprochen,
einen Kranz mit den Stadtfarben in die Trauer-
häuser gesandt und die Bestattung als städtiXe
Angelegenheit erachtet. Bei der Beerdigung der
Frau Elisabstha Denninger und des Schiffers
Kornelius Touw, Frl. Utz Und Lei der Feuer-
bestattung von Frl Emilie Elz war jeweils ein
Vertreter der Stadtgemeinde zugegen.
Radolfzell, 6. Juli. Von einem Güterzug
stürzte Lei Fischbach ein Transvortbegleiter (Sol-
dat) ab. wurde überfahren und so schwer verletzt,
daß er starb.
Freiburg. 5. Juli. Nach der Freib. Ztg. hat
der Stadtrat dem Leutnant Weber und dem
Vizefsldwebel L. Weber, einem Sohne der Stadt,
Ehrengaben für den Abschuß eines feindli-
chen Fliegers bei dem letzten Angriff auf Frei-
burg überreicht. '
Freiburg, 5. Juli. Ein fünfkövfige Diebes-
sesellschäft stand vor der hiesigen Strafkammer.
Die Burschen im Alter von 17 bis 20 Jahren
hatten zahlreiche Einbruchsdiebstähle auf dem Ge-
wissen und dabei Kleider, Leib- und Tischwäsche,
Bettwäsche. Schmuckgegenstände, Pelzwerk und an-
dere Sachen entwendet. Das Gestohlene stellt
haute einen Wert von 6000 Mark dar. Die Diebe
erhielten mehrmonatige Gefängnisstrafen.

Landwirtschaft
* Der Verkehr mit Einstellschweiucn. Durch
eine Verordnung vom 1. Juli wurde bestimmt, daß
Lis auf weiteres die Aufzucht und Mästung von
Ferkeln und Läuferschweinen nux noch
durch solcheBetriebe undPersonen betrieben werden
kann, denen die dazu nötigen Räumlichkeiten und
Futtermittel nachweislich zur Verfügung
stehen. Durch dis Ausschaltung jener Personen,
die die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen
Betrieb der Schweinehaltung nicht zu erfüllen ver-
mögen, wird sich wohl die Nachfrage nach Anstell-
schweinen auf ein natürliches Maß beschränke» las-
sen. Gleichzeitig sieht die Verordnung vorüber-
gehend die gänzliche Einstellung des Handels mit
Ferkeln und Läuferschweinen vor. da insbeson-
dere auf den Märkten der vorhandene Vorrat an
verkäuflicher Ware vielfach durch Ländler aufge-
kauft wurde, sodaß den Schweinebaltern die Dek-
kung des eigenen Bedarfs nicht oder doch nur zu
ganz übermäßig hohen Preisen möglich war:. Da
es nicht ausgeschlossen ist, daß die Ferkel bisher
im Wege des Schleichhandels zur Schlachtung ge-
langt sind, ist in der Verordnung weiterhin ein
Schlachtverbot für Schweine mit einem Lebendge-
wicht von weniger als 80 Pfund erlassen.

Aus Stadt und Umgegend
* Abg. Rebmann spricht in Heidelberg! Wie aus
den Anschlägen und Anzeigen ersichtlich ist, wird
am kommenden Dienstag, am Großherzogstag, der
Führer der badischen nationalliberalen Partei,
Geh. Hofrat R e b m ann - Karlsruhe, Lei der in
der Stiftsmühle stattsindenden vaterländischen Feier
die Festrede halten. Weitere Mitteilungen über,
die Veranstaltung, die als Familienabend gedacht«
ist folgen noch.
* Zum 60, vaterländischen Volksabend, der am
Sonntag auf dem Schloß abgehalten werden soll,
als Vorfeier von Eroßherzoas Ge-
burtstag haben die vereinigten Süngerchöre'
denen -sich., auch die Concordia angeschlossen hat
ein reiches Programm vorbereitet, daß auch eine
Komposition von Herrn Musikdirektor Meidt,
sowie ein Solo von Herrn Kreisdirektor Dürr in
sich schließt. Auch das Städtische Orchester wird
durch Stücke von Weber und Wagner sowie durch
patriotische Weisen dazu beitragen, für .die An-
sprachen der Herren Oberbürgermeister Dr. Wach
des Prorektors Geh. Hafrat Dr. B-artholom-ä
und Reichstagsabgeordneten Dr. Ri eß er. den
festlichen Rahmen zu schaffen. Die Veranstaltung
findet unter allen Umständen statt, Lei
schlechtem Wetter in den bereitgestellten Sälen der
Schloßwirtschaft.
* Großherzog-Geburtstagsseier in der Schule. Im
Hinblick aus den Ernst der Zeit hat das Unter-
richtsministerium angeordnet, daß die Schul-
feiern anläßlich des Geburtsfestes des Großher-
.sogs in einfacher Weise im Laufe des Mhntagoor-
mittag stattzufinden haben. Der 9. Juli selbst ist
schulfrei.
* Stadttheater. In dem letzten Gastspiel des
Mannheimer Hoftheaters, das am 10. Juli statt-
findet, und eine Aufführung von dem in Mann-
heim neuinszenierten „Fächer" von Oskar Milde
bringt, ist nahezu das ganze Schau- und Lustspiel-
personal des Hoftheaters beschäftigt. Die Haupt-
rollen liegen in den Händen der DaMen Berger
Busch, Eerlach, Leonie, Merbreier. v. d. Mühlen,
Sandheim und Schönfeld und der Herren Wberti
Garrison, Eodeck,- Günberg, Köhler, Odomar
Schlettow, und Schmitz. Der Vorverkauf beginnt
am Montag, den 8. Juli.
* Vom Roten Kreuz. Ueber den Umfang der,
Haupttätigkeit des Roten Kreuzes hier seit Kriegs-
beginn geben nachfolgende Zahlen Auskunft: Un-
entgeltlich besorgte Vevwundstentransporte 70434,
Reichnisse im Passantenverkehr 1690 800, gewährte
Uebernachtungen 89 643, Verpflegungstage im L-a-
zarettbetrieb des Roten Kreuzes 344 135 (7300
Leute fanden Ausnahme und größtenteils Heilung)
in der Frauenarbeitsstätte 142 000 neu hergestellte
und 49 000 geflickte oder gestopfte Wäschestücke, in
der Unterstützungsäbteilung gefertigte Sockenpaare
62 286, Besucher des Kriegernachmittagcheims
855 500. Milch- und Brunnenkurverabreichunge»
15 260, in Heidelberg selbst rugeteilte Zigarren
350 000. Zigarren und Zigaretten ins Feld 2112000,
dazu noch 40 260 Tabakpakete, versandte Liebesga-
benpakete sonst 60 000, dazu Gefangenenpakete rund
5500, teils verschenkte, teils sonst verbreitete Hei-
oclberger Soldatenbüchlein 15 200. Geldunterstütze
ungsn an Gefangene in Feindesland 132 500 M.
Aus diesen Zahlen ergibt sich, .obwohl sie nicht alls
Tättgkeitszweige erschöpfen, zugleich, welche Werke
jemand unterstützt, wenn er zur Großherzogs-
Eeburtstagssvende Lei,steuert.
* Frau Geh. Medizinalrat Mittermaier, dir
Witwe des vor einiger Zeit verstorbenen Ehren-
bürgers der Stadt Heidelberg ist im 88. Lebens-
fahre gestorben.
* Aussicht auf ein gutes Hasenjahr. Von der
guten Mürzwetter begünstigt, haben die Hasen
zum Teil schon Anfangs dieses Monats ihrs Jun
gen abgesetzt. Da die Felder und Wiesen gute
Nahrung bieten, haben sich die Jungen gut ent-
wickelt. sodaß auf eine gute, ergiebige Hasen ja g'k
zu rechnen ist.
* In dem Bericht über die Biirgerausschust-
sitzung hat der Druckfehlerteufel aus dem Stadtv
Heuser (Natl.) einen Angehörigen der Freier.
Vürgeroereinigung gemacht, was hiermit richtik
gestellt sei.

„Hella" und „Lotte" an der
AiZne
Aus dem Felde wird uns geschrieben:
In der Nacht vom 16. zum 17. Avril 1917 er-
hielt meine Sanitälskompagnie den Befehl durch
Fernipruch, tzanitütshundeführer zum
Absuchen eines Geländestreifens herauszuschicken,
der am Vortage ckvn den Franzosen erstürmt, durch
einen raschen, kräftigen Gegenstoß unsererseits aber
wieder zurücksrobert worden war. Um Uhr in
der Nacht bestiegen wir mit unseren beiden Hun-
den ein Sanitätsauto. Eile ist geboten, denn jeden
Augenblick kann drüben der Franzmann eine wei-
tere Salve eiserner Grüße herübersenden. Die
letzte Wegstunde muß aber zu Fuß zurückgelegt
werden, dann finden wir in einem Unterstände in
der Nähe der zerschossenen Kirche den Regiments-
arzt. der uns das in Frage kommende Suchgelände
an Hand einer Generalstabskarte anweist.
Die Hunde werden nun zur Suche anseisetzt.-
„Hella" sollte das rechts von einem Bahndamm
liegende Gelände und „Lotte" das linksseitige, Ge-
lände absuchen. Der Nebelschleier, der.sich über
der Erde gelagert hatte, verslatterte. wir hatten
das Kampfgclände in durchsichtiger Klarheit vor
uns! Tausende von Eranattrichtern in dem wei-
ßen Kreideboden, eben begonnene Lauf- und
Schützengräben, die mit Picken. Stahlhelmen Män-
teln,, »Munition, Mützen, Tornistern, Handgrana-
ten. toten Franzosen, verkohlten Kleidern und Lei-
chen angefüllt waren. In einem dieser Grüben
hockte ein Franzose, das Gewehr auf dessen Lauf
noch eine Gcwehrgranate steckte, im Anschlag. Aus
ein^r kleinen Wunde an der Schläfe sickerte Blut.
Das tätliche Blei aus einem unserer Maschinen-
gewehre hatte ihn vorzeitig genug erreicht...
Nach einer Stunde eifrigster Arbeit war der
Rand des Waldes erreicht. Der zähe , klebrige
Kalkboden haftete an unseren Stiefeln und be-
hinderte das Vorwürtskommen. Ein lauter Krach
nach dem andere» brüllt vom Bahndamm her. —
Die feindlichen Granaten suchen unsere Unter-
stünde, um sie zu zerschmettern. Ein schwarzer
Dualm von Pulver verhüllt für kurze Zeit den
Ausblick nach links. Surrend, fliegen Steine und

Granatsplitter —; ich will Deckung suchen, nichts
als winzige Baumstümpfe. Hier hatten unsere Gra-
naten schreckliche Arbeit verrichtet, der Tod reich-
lich Ernte gehalten. -Zwischen den wie Strrich-
hölzer geknickten Bäumen liegen berghoch die
Leichen farbiger Franzosen, jene zähnefletschenden
Eurgelabschnetder, Elitetruppsn der Großen Na-
tion. die für Recht und Freiheit zu kämpfen vor-
geben. Abgebrochene Bajonette und Kolben zeugen
von einem fürchterlichen Nahkam^»f. Eben kommt
„Hella"/ das Brinssel im Fange, schwanzwedelnd
von der rechten Waldseite zurück. Rasch ist das
Tier angeleint. Ueber Menschenleiber hinweg
reißt, zerrt mich das Tier zu jener Schlucht, die
meine rechte Suchgrenze bildet. Am WHange in
einem Gewirr von Stacheldraht bleibt „Hella"
stehen. Dort liegt mit einem. Lungenschuß ein
Hornist. Mit müdem Lächeln weist er auf denHund
will, das Tier umarmen, doch ein leichter Ohn-
machtsanfall schien sein Vorhaben" zu vereiteln.
Schnellste Hilfe tat dringend Not. Eine Kranken-
trägergruppe erwartete mich in einen: Unterstände
des Bahndammes, wohin ich zurückerlte und bald
befand sich der Aermste in ärztlicher Behandlung.
Unterdesse hatte „Lotte" in Len Eranattrichtern
des Waldes noch zwei Verwundete gesunden, von
denen der eine ein Franzose war. Eiligst wurden
Leide zurückgetragen. Dem. Zuge schlossen sich noch
zwölf leichtverwundete F.anzosen an. die sich in ei-
nem Unterstände versteckt gehalten hatten. Am
ganzen Körper zitternd folgten sie, glücklich jedoch
dem Eranatenhagel entgangen zu sein, der das
Gelände überschüttete. Kurze Zeit nachdem die
beiden Schwerverwundeten unter ärztlicher Obhut
waren und die tapferen Krankenträger den Per-
bnndsstollen zu neuer Arbeit verlassen hatten, er-
reichte zwei Kameraden das Geschick: von den
Splittern eines Schrapnells bödlick getroffen, san-
ken beide aus den weißen Kreidcboden ikiedsr. Bei
ihrer unermüdlichen und unerschrockenen Tätigkeit,
Menschenleben zu rette», büßten die beiden Ta-
pferen ihr eigenes Leben ein.
Unter Ausnützung jeglicher Deckung setzten wir
die Suche fort, denn erst mit der Erreichung des
Dorfes B.... war unsere Aufgabe gelöst. Das
Wetter hatte sich vollends aufgeklärt. Ein herrli-
cher Frühlingstag. Aus heiterem Himmel strahlte

die warme Sonne und neugierig schauten unzäh-
lige Fesselballons, deren Beobachter das Feuer der
Artillerie leiteten,, in das rauchende, qualmende
Kampsfeld. Hinkend und am linken Hinterfüße
blutend, kommt „Hella" das Bringst! im Fange,
zu mir: Angelernt führt mich das Tier so rasch ec-
eben die klaffende Wunde erlaubt zu den Trüm-
mern eines eingestürzten Hauses kurz vor B...
Noch war von einem Verwundeten nichts zu sehen,
als ich zwischen den Balken des eingrsMrzten
Strohdaches ein Wimmern vernehme. Schnell ist
auch mein Kamerad zur Stelle und mit verein-
ten Kräften gelingt es uns. einen Grenadier aus
seiner gefährlichen Lage zu befreien. Außer leichten
Quetschungen hatte der Aermste eine» Bauchschuß,
und so durften wir seine inständige, flehende Bitte,
nach einem Trünke Wasser nicht -erfüllen, da das
Getränk unweigerlich den baldigen Tod herbeige-
führi hätte. Aus zwei Baumstämmen und einer
Zeltbahn verfertigten wir eine Trage und traten
mit dem Verwundeten den Rückweg zum Verband-
unterstand an. Wie wir erfuhren, wäre es zudem
nicht ratsam gewesen, nach B. weiter vorzudrinsen
da der südliche Rand des Ortes von Franzosen
besetzt gehalten wurde.. Erst am folgenden Tags
erfolgte dann die allgemeine Säuberung durch un-
sere Garde. In Schweiß gebadet erreichter wir
nach zweistündigem Marsche endlich unseren Un-
terstand, in dem die durch unsere Hunde geretteten
neben den inzwischen aus den Stellungen einge-
brachten Verwundeten ihres Abtransportes harr-
ten. Noch einmal streichelten und liebkosten dis
Armen unsere Tiere, dann machten auch wir uns
auf den Heimweg. I David.

Die „spanische" Krankheit
Man sagt, unsere Grenzen wären beim tisch ver-
schlossen, aus dem neutrale» Auslands kämr nichts
mehr zu uns. weniger noch aus dem Lands unserer
Feinde. Aber, man sieht wieder, alle Ermzbejest -
gungen und Kontrollftationen reichen nicht aus. um
jede Verbindung KwischiM hüben und drüben zu un-
terbinden: Die „spanische" Krankbeit hat (nie-
mand weiß wie) ihren Weg nach Deutschland ge-
sunden. Eigentlich müßte diese Seuche, die sich
nun bei uns ausbreitets. „französische" oder „Pa-

riser Krankheit" beißen; denn sie soll, ehe sie nach
Spanien importiert wurde, in Paris geherüscht ha-
ben. Weshalb wir aber nicht schlicht und einfach
„Grippe" sagen und uns noch mit der „span,Men
Krankheit" das Leben erschweren, ist unerklärlich
Man findet eine Erklärung vielleicht nur darin,
daß sich „Grippe" so (sagen wirs ordinär archört
Ja, „spanische Krankheit", das klingt doch nach
etwas. Und unwillkürlich kommt dabei die Er-
kenntnis. daß wir guten Deutschen zwar «glauben
wir hätten uns die Auslandverherrlichung abge-
wohnt, indessen: Ausländisches klingt immer d ch
noch besser für gefühlvolle Ohren. Und schlisßlib.
ob „Grippe" oder spanische Krankheit": die Tatsache
steht nun einmal fest, daß die Seuche von Ort zu
Ort wandert. Zuerst hatte man in Nürnberg Kopf-
schmerzen und Fieber, dann legten sich zahlre che
ehrsame Bürger Kiels zu Bett. Berlin war bald'
erreicht. In den Fabriken hatte man nichts ande-
res zu tun als (namentlich unter den
Arbeiterinnen) „spanisch Kranke" aufzulbsen uno
heimzubeförderm In jedem Dorf bat man bereits
von dieser Krankheit gehört und alles bereitet sich
vor, eine Woche krank zu werden. Die Angst
spricht selbstverständlich hier ebensoviel mit, wie die
wirkliche Ansteckung. Man gehe durch die Stra-
ßen uiid halte die Augen und Obren offen: Jeder
spricht von der „spanischen Krank-'wit". Dieser bat
sie (wie er glaubt) gerade und schleicht (nach seiner
Ausfassungj nach Hause, jener will sie bereits über-
standen haben, dieser bereitet sich auf das ..Wochen
bett" vor. Eine Woche Ausspannung: Manchem
ists willkommen, anderen ist der Gedanke höchst
unerwünscht. Und das ist das Gute, daß sich nir-
gends eine besondere Angst zeigt. Wir beben so*
viel ertragen, die „spanische Krankheit" ertragen
wir sicherlich auch. Urd wenn nach den: Kriege un-
sere Gelehrte» und Aerzte mcbr Zeit bs'-en können
sie vielleicht foststellen, ans welcher Ursache e gut-
lich diese Epidemie entstand.
Dauernde Lpirmengefahr!
Meidet öffentliche Gespräche Aber
militärische u. Wirtschaftliche Dinge.
 
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