Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0084

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sei e 2

Heidelberger Zeitung

Mittwoch, den 17. Juli 1918

Fernsprecher Nr. 82

Nr. 164

. Rücktritt Hötzendorfs
Wien. 16. Juli. Kaiser Karl hat nachstehendes
Handschreiben erlassen:
Licber Fetdinarschall Freiherr v. Conrad!
Schwer nur habe ich mich entschlossen, Ihrer
erneuten Bitte um Enthebung Folge su geben.

koren. Im gleichen Zeiträume verloren sie Ms
den anderen Kriegsschauplätzen insgesamt 27
Flugzeuge.
Der deutsch-franzöfische
Gefangenenaustausch

Klingt doch seit Jahrzehnten in meiner Wehr-
macht ruhmvoll Ihr Name. Sie haben als
erster bahnbrechend der technischen Ausbildung
moderne Wege gewiesen, Eie haben im Frieden
als Eher des Eeneralstabes unter
schwieris-n Verhältnisses weitblickend die seit-
gemÄhe Ausgestaltung der Armee ungebahnt.
Die Lchaffun-g dieser Grundlage ermöglicht uns,
den Kamps gegen eine Welt von Feinden ehren-
voll zu bestechen. Ihre Tätigkeit während des
Krieges auf verantwortungsvollem Posten, sve--
stell als Chef des Genemlstabes, sichert Ihnen
für alle Zeit einen ehrenvollen Platz in der Ge-
schichte. Ihrer Taten voller Wert wird- später
erst Gemeingut aller werden. Mr Ihre durch
ein Menschenalter erfolgreich und aufopferungs-
voll geleistete Arbeit gebührt Ihnen für immer
mein, meiner Wehrmacht und des Vaterlandes
Dank. Ich ernenne Sie zum Obersten aller
Leibgarden und erhebe Sie in den erb-
lichen Graf en stand.
Eckertswu, 15. Juli 1918
Karl.
Gleichzeitig wurden ernannt der Genralaberst
Erzherzog Joseph zum Heeresgruppe irkom-
mandant, der Generalmajor Must Alois Schön-
>b«ra-Haut en ste i n zum Kommandanten
einer Armee.
Unsere Juni-Erfolge im Luftkampf
' Berlin, 16. Juli. Im Juni erzielten unsere
Luststreitkräfte im Kampfe gegen einen Gegner,
der mit allen Mitteln die eigene Aufklärung er-
swingen und die unsere unterbinden wollte. Er-
bfolge von besonderer Gröhe. Arbeits- und
.Erkundungsflu gzeuge lösten stärkster feindlicher
^Gegenwirkung zum Trotz ihre Aufgabe zur vollsten
«Zufriedenheit von Truppe und Führung. Unsere
."Jagdflieger bewährten .ihren Angriffsgeist
ohne Rücksicht auf die Zahl des Gegners. Unsere
.Bombengeschwader setzten ihren Zerftö-
vunss,krieg gegen militärische Anlagen hinter der
feindlichen Front fort. Besonders wirkungsvoll
waren ihm Angriffe gegen die Bahnhöfe
Meaur, Berberis und Etaples. rvo Brände und
Explosionen entstanden und gegen die Flughä-
fen Ravay, Ochsy. Btöfvillers und Tantonville.
Trotz stärkster feindlicher Gegenwirkung blieben
Unsere Bombenbeobachter die nie versagenden Hel-
ler der kämpfenden Erdtruppen.
- Dem Kampfmittel 'des Heimatluft-
fchutzes gelang es. auch in diesem Monat die
wehrlose .Bevölkerung des westlichen Hei-
matgebietes vor schweren Verlusten durch
feindliche Bombenangriffe »u bewähren, Dio
.Leistungen der Luftstreitkräfte finden ihren sicht-
baven Ausdruck in den Abschlubzahlen. die
alle bisherigen weit übertreffen. 487 feindliche
Flugzeuge wurden vernichtet. Davon blieben 216
'in unserer Hand. 215 wurden auf feindlicher Seite
»mn Abschuß gebracht und völlig zerstört. 21 zur
'Landung hinter unseren Linien gezwungen. Un-
'fere Flugzeugabwehrgeschütz e evzielten
Mt 22 abgeschossenen und 14 jenseits der feind-
lichen Linien schwer beschädigt zur Landung -ge-
jtwungenen feindlichen' Flugzeugen «in Ergebnis,
das die bisherige Söchstleistung vom Monat
Mai um fasst di« Hälft« übertrifft. Wir büß-
!Ic-n 1L3 Flugssuse, davon auf feindlicher Seite 86,
«nd 51 Fesselballone ein.
Englands Flngzeugverluste
' Laut den Basler Nachrichten meldet Reuter aus
London: Einer amtlichen Mitteilung zufolge ba-
den dis Engländer vom Juli 1917 Lis Juli 1918
an der Westfront insgesamt 1186 Flugzeuge ver-

Mit der Herausgabe der Elsas? - Lothrin-
ger, deren Befreiung von der deutschen Regie-
rung als Ehrensache betrachtet wurde, ist, wie die
Nordd. Alls. Zeitung hervorhebt, die Voraus-
setzung zum Beginn des in Bern vereinbarten
großen Kriegs- und Zivilgsfangenen-Austausches
erfüllt. Ein Zug mit 438 nach den Bestim-
mungen der Bernsx Vereinbarungen in der
Schweiz zu internierenden Offiziere ist daselbst
eingetroffen. Ein weiterer Zug mit ungefähr einer
gleichen Anzahl von Offizieren wird morgen fol-
gen, sodas? alsdann der grösste Teil der in den
Jahren 1914—15 gefangen genommenen deutschen
Offiziere der Unterbringung in der Schweiz teil-
haftig wird. Ferner find in Konstanz Ende dieser
Woche ein Zug mit ungefähr 750 Unteroffizieren
und Mannschaften, in der darauffolgenden Woche
zwei weitere Züge mit gleicher Besetzung, sowie
ein Zug mit etwa 600 Zivilpersonen zu erwarten.
Die Transporte werden in regelmäßigen Abstän-
den nach Maßgabe der eisenbahntechnischen DVg-
lichkeiten fortgesetzt.
Der offiziöse Artikel spricht dann auch noch der
Schweiz den Dank aus. für die großen Ver-
dienste, die sie sich bei dem Zustandekommen und
der Durchführung der Verständigung mit Frank-
reich utzd durch die den internierten deutschen
Offizieren gewährt« Gastfreundschaft erworben
hat.
Ein angeblicher Brief des Zaren
Wie aus Basel gemeldet wird, veröffentlicht
die Petersburger „Sloböda" einen Brief des
da s Zaren an einen Freund in Petersburg, in
dem es heißt: Als wir aus Jekaterinburg ab-
reisten, versuchte eine Gruppe Banditen
uns zu beseitigen. Dem Zarewitsch wurde
dadurch ein großer Schrecken eingejagt. von
dem ex sich noch nicht völlig erholt hat, sodaß er
noch immer das Bett hüten muß. Es ist nur der
Kaltblütigkeit eines Kommissars zu
verdanken, daß wir am Leben geblieben
sind. . _
Kleine KrregsnachrrchLen
* Die Fliegerangriffe auf Dünkirchen. Nach
dem Petit Puristen erlitt Dünkirchen 159 Filie-
gerangriffe und 2 5 Bombardements
bis z»m 1. Juli. Außerdem wurde die Stadt 211
mal infolge deutscher Flugstreisen in Nordfrank-
reich alarmiert.
* Kriegszustand in Algier und Tunis. Lyoner
Blätter melden, daß der militärische Befehlshaber
von Algier wegen gewisser Vorkomm-
nisse am 12. Juli den Kriegszustand über
Algier und Tunis verhängte.

VadMe Politik
* Der Landesvorstand der soz.-dem. Partei Ba-
dens Hat für den am kommenden Samstag und
Sonntag in Offenburg stattfindenden Landes-
partei-tag einen Bericht erscheinen lassen, der
die Zeit vom 1. Avril 1914 bis 31. März 1918,
darunter 44 Kriegsmonats, umfaßt. Die Wit-
gliederbewegung zeigt dis starken Ein-
griffe des Krieges in das äußere Gefüge Lex Par-
tei: nahezu 18 000 von den 25 000 zu. Kriegsbeginn
organisierten Parteimitgliedern sieben unter den
Fahnen. Nur etwa 5 800 Mitglieder, darunter
1800 weibliche, sind heute in den 166 Mitglied-
schaften noch vorhanden, die von den 226 des Früh-
jahrs 1914 übrig geblieben sind. Der Bericht hebt
dann hervor, daß der tiefste Stand der zahlen-
mäßigen Bewegung in Baden überwunden scheint.
Nur wenigs Orte im Land seien es, in denen die
Unabhängigen -Fuß fassen konnten. Der Bericht
gedenkt dann der Toten und bemerkt schließlich
noch, daß in der badischen Partoivresse im Be-
richtsjahr 1917-18 gegenüber den beiden vorher-
gegangenen Kriegsjahren eine Besserung festzu-
stellen ist.

Dr Rieher in Mosbach
Mosbach. 16. Juli.
Unter dem Vorsitze des Landgerichtsrats Deim-
ling fand am Sonntag nachmittag im Bahn-
hofshotel eine Versammlung der Nationalliberalen
Partei statt, in der der Reichstagsabgeordnete des
Bezirks, Geh. Rat Professor Dr. Ri ess er über
die politische Lags sprach.
Er begann seine Ausführungen mit Worten
des Dankes an die Tapferen, die nun schon seit
nahezu vier Jahren keine Gefahr scheuen, um un-
sere Heimat vor den Schrecken des Krieges zu
bewahren und knüpfte daran die Mahnung, auch
in der Heimat den Mut nicht zu verlieren, und
auszuharren bis zum siegreichen Frieden. Die
vom Redner und seiner Partei auch vor dem
Kriege stets vertretene Usberzsugung von der
wirtschaftlichen Einheit des Volkes sei in den
weitesten Kreisen lebendig geworden; wie der
Landwirt am eigenen Leib erfahren habe, daß er
die wirtschaftlichen Leistungen des Gewerbes und
des Handels auf die Dauer nicht entbehren könne,
so könne man auch in den Kreisen der Industrie
und des Handels sich der Erkenntnis nirgends
mehr verschließen, wie unbedingt nötig die Förde-
rung der deutschen Landwirtschaft für unser ge-
samtes Wirtschaftsleben sei. Eine Fülle von Auf-
gaben habe der Reichstag in der am Samstag zu
Ende gegangenen Session zu lösen gehabt und
auch der Redner, der neben der Teilnahme an den
Vollsitzungen in einer der Steuerkommissionsn, sd-
wie als Vorsitzeiftwr der Kommission für die Still-
legung gewerblicher Betriebe und als Bericht-
erstatter in der Kommission für das Schutzzoll-
gesetz nötig war, habe ein gut Teil Arbeit getrof-
fen.
Die schwersten Aufgaben waren auf dem
Gebiet der auswärtigen Politik zu lösen,
deren Leitung seit Kriegsbeginn fetzt schon in die
Hand des vierten Staatssekretärs Lbergegansen
ist. Durch den jüngsten Wechsel ist-Allerdings eins
Aenderung unsexer Reichspolitik nickst eingetreten;
dafür bürgt die Persönlichkeit unseres Reichskanz-
lers. eines klugen und erfahrenen Staatsmannes,
der mit fester Hand das Steuer führt. Staats-
sekretär von Kuhlmann mußte gehen, wegen der
schweren Mißgriffe, die er sich in seiner Rede am
24. Juni zu schulden kommen ließ. Mit dem, was
er politisch geleistet hat. dürfen wir im Großen
und Ganzen zufrieden sein. Der Friedensschluß
-mit Rußland und der Ukraine war unbedingt nö-
tig, um uns die Hände frei zu machen für den
Kampf gegen die Feinde im Westen. Der Friede
mit Rumänien ist in seinen politischen Bestim-
mungen weniger befriedigend als in den wirt-
schaftlichen, doch dürfen wir nicht vergessen, daß
der Abschluß erschwert war durch die zum Teil
widerstreitenden Wünsche unserer Verbündeten.
Unsere militärische Lage ist. so führte der Redner
weiter aus, so gut, als wir wünschen können.
Neue Schläge im Westen stehen bevor, dis Frank-
reich politisch und wirtschaftlich lähmest sollen.
Wir dürfen hoffen, daß ihr Erfolg Mammen mit
den Wirkungen des U-Bootkrieses auch unsere
Gegner im Missten zwingt, uns den Frieden zu
geben, den wir brauchen. Er soll kein Erobe-
rungsfrieden sein, aber ein Sicherungssrieden, der
uns für die Zukunft wirtschaftliche und politische
Bewegungsfreiheit sichert. Mit welchen Mitteln
diese Sicherung erreicht werden kann und wird,
das hängt von den militärischen Ergebnissen des
Krieges ab. Wenn dieses Ziel erreicht sein wird,
das läßt sich heut« nicht mit Gewißheit sagen
Aber darauf dürfen wir fest vertrauen, daß die
Schläge, die Hindenburg und Ludendorff ajustei-
len, uns diesen Frieden bringen werden.
An die mit lebhaftem Beifall Lufgönämmenen
Ausführungen des Redners schloß sich eine sehr
lebhafte Aussprache.

KM, 16. Juli. Das 5jährige Kind eines hol-
ländischen Schiffers ist im hiesigen Rheinbafen er-
trunken. Die Leichs wurde geborgen. — Bei einer
Revision nach Nahrungsmitteln wurde ein Mann
festgöstellt. der 4 Mund Butter und etwa ISO
Eier bei sich trug, die er im Hanauerlande Mam-
mengekauft hatte. Im Revistonszimimer ließ er
den Korb auf den Boden fallen und verabschiedete
ibn mit einem Fußtritt. Nur em kleiner Teil der
Eier blieb noch ganz. .

5 Die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden, ch
8 Garthe w
Gespenster des Glücks
Roman von Alfred Moderns.
(10. Fortsetzung.)
' Die Eltern lächelten aber nur zu dieser Aeutze-
rung der Jugendlust. Wie sehr Nova sich verra-
ten habe, daran dachten sie nicht im entferntesten,
„Um so besser," ging es dem jungen Mädchen
wie munteres Schellenklinsen durch den Sinn-
'Wohsr diese Freude auf einmal?
Gutmachen wollte Nora, sich und dem ande-
ren die Ruhe wieder geben. Daß sie es zu ihrem
eigenen Besten tun oder doch wenigstens versuchen
Müsse, war als klare Erkenntnis und gleich dar-
vuf als fester Entschluß plötzlich vor ihrer Seele
«estaildsn.
Nach Tisch pflegten die Eltern eine gute
Stunde zu ruhen; wie so viele andere Leute auch.
Anfangs hatte sich Nora ebenfalls in Liefer Zeit
ausgestreckt, um mit der modernen Literatur „zu
gehen". Zu einer anderen Tageszeit kam sie doch
nicht so ungestört dazu. Seitdem sie aber einmal
bemerkt hatte, — auf die bequemste Art durch
das Fenster — wie ruhig, wie feierlich gerade in
chiäser Stunde der Wald sich von der Sonne be-
, scheinen ließ, seitdem ging Nora zu dieser Stunde
öfters in den Wald hinein, nur ein paar Schritte
weit.
Da stand, gerade über dem Schirmhof. unter
einer grotzmächtigen Buchs eine Bank mit weftem
'schönen Ausblick über das Talbecken von Baden-
Baden und den Kranz der Berge, der es umschloß.
>Zu dieser Stunde war dies« Bank immer frei.
-Dorthin brauchte man kein Buch mitzubringen;
ider liebe Gott Hotts ein« der schönsten Seiten in
! seinem Meltbuch aufgeschlagen und keines seiner
«wohlgeratenen sr-otzen Erdenkinder konnte müde
IwÄrdsn. alle Einzelheiten dieses Bildes immer und
-immer wieder zu betrachten.
i Auf dieser Bank oder doch in ihrer Nähe
I xflMe Nora die Mittagsruhe ihrer Eltern abzu-

warten. Auch heute schritt st« einest weißen
Kreppschal chinesischer Herkunft über dem Arm,
dem Wald zu. Sie durchquerte 'den kleinen Gar-
ten, der im Schatten reich-blühender Kastanien
Mischen dem Hotel und der Straße lag, die nm
Waldrand zum Schirmhof hinüber führte. Wo
»nun wollte, konnte man die Straße überqueren
und in den Wald eintreten; sp viele Wege er-
schlossen gerade an diesem Platze seinen Frieden.
Nova zauderte einen Augenblick. Dann schlug sie
keinen dieser Seitenpfalde ein, sondern schritt auf
der Straße nach dem SchirMhof weiter.
Plötzlich sah sie. als sie um die Weghlegung
heru'mkäm, einige Schritte vor stck am Waldrand
einen Herrn stehen, der dort auf jemand zu warten
schien. Nora stutzte; da trat der Fremde aus dem
Veilchenschatten der Waldbäume hinaus ins weiße
Licht der mittagstillen Straße. Einen Augenblick
lang verweilte er dort regungslos, als wolle er
das Bild des jungen Mädchens, das auf.ihn zu-
kam, in sich aufnehmen. Dann ging ex Nora ent-
gegen. die nun in ihm Herrn Lenzber-g erkannte.
Sein Gruß war einfach und unbefangen, seine
Anrede kurz und aufrichtig.
»Ich habe auf sie gewartet, gnädiges Fräulein"
In diesem Augenblick wurde es Nora klar, daß
auch sie die Straße nach Leim Schirmhof jedem der
Waldwegs vorgezogen hatte, in der füllen Hoff-
nung, den Leutnant zu treffe. Und auch sie
sprach unbefangen und wahrheitsgetreu: „Und ich
hoffte, Ihnen zu begegnen. Herr Leutnant".
Lenzbergs Mienen blieben ruhig und ernst.
Das «fiel Nora und gab ihr ein Gefühl der Si-
cherheit vor diesem Manne und -an seiner Seite.
Wir haben ja noch uns« sestrige-s Gespräch zu
beenden".
Aüch bei diesen Worten, die er ohne lauern-
des Unterton in feiner Stimme auÄsprach, änderte
sich kein Zug in seinem Gesicht. Seinen Augen
wich Nora ja noch halb und halb aus; Loi Er-
wähnung des gestrigen Gesprächs Um so mehr;
doch hätte sie aus seinen Augen weder Uebermut
noch Spott anseblickt.
„O weh!" dachte Nora aber doch, als sie Lenz-
berg davon anfangen hörte. Dennoch verkannte sie
das Feingefühl nicht, mit dem der Offizier die
Notwendigkeit ihres unverabredeten «Zusammen-

treffen- begründete. Und wollte sich Nora vor
Lenzberg nicht in falschem und schlechtem Lichte
zeigen, so mußte sie auf das angeschlagene Thema
eingehen, wie hart der Gegenstand auch auf ihr
Herz drückte.
Der Leutnant hatte an Noras Seite, ohne zu
fragen, den nächsten Waldweg eingeschlasen, und
unbekümmert um feine Umgebung schritt das
junge Mädchen neben ihm her.
Lenzberg. schien einleitende und weitschweifige
Redensarten nicht zu lieben. Nora hielt diese ihr
rm Augenblick nicht ganz zusagende Tugend aufs
Geratewohl dem Beruf ihres Begleiters zugute.
Wo würden die Leute schließlich hinkommen, wenn,
sie zu Zeiten der.Gefahr oder sonstwann wenn es
rasch zu handeln galt, ihre Anordnungen erst um-
ständlich einleiteten. Die kurze und bündige Art
der Befehlsgebung mutzte sich allmählich auch dem
Unterhaltungston dieser Leute aufdrücken, Eine
Unterhaltung war das Gespräch, dem Lenzberg
die Richtung gab, zunächst aber ka'bm zu nennen.
„Die Freude Ihrer Gesellschaft hätte mir schon
vormittags zuteil werden können, gnädiges Fräu-
lein, wenn ich nicht daran geglaubt hätte, Sie
auch einmal allein zu treffen. Ich sah Sie mit
Ihren Eltern unten die Straße nach Barnhalt
gehen, wahrend ich zum KmLM-attfelsen hinauf-
stieg. Es wäre mir ein leichtes gewesen, einen
Bosen zu schlagen und am Steinbruck mit Ihnen
Mammen,Mommen".
„Sind Sie denn nicht zum ersten Male in Ba-
den-Baden. Herr Leutnant? mußte Nora Lenzberg
einigermaßen erstaunt unterbrechen. Mir ist doch
sc-, als hätten Sie —"
„Vollkommen richtig, gnädiges Fräulein. Zum
ersten Male und heute den dritten Tag, Sie wun-
dern sich, weil ich den Steinbruck erwähnte, an
dem ick doch unmöglich schon gewesen sein konnte.
Cs müßt« auch mehr als Zufall sein, wenn ich
noch gestern vormittag in jene Gegend geko-nÄnen
wäre; und heute morgen stieg ich wie gesagt, brav
auf meinen Korbmattfelsen. Aber wahrend ich
ein paar hundert Schritte weit über Jhnest in
derselben Richtung dahinging, hatte ich die Karte
vorg-eno-mmen und die Möglichkeit erwogen. Ihnen
ganz zufällig zu begegnen. Dabei stellte es sich her-
aus, daß ich dank der vorzüglich angelegten Wege

Kriegstagung des Badischen
Gustav-Adolf-Vereins
lD Heidelberg, 17. Juli.
Wer von den Eustav-Adolf-Freunden Lenkt
nicht mit wehmütigen Gefühlen — könnte man
sagen — an das grotzangolegte und in allen Tei-
len so schön verlaufene deutsche Gustav-Adokf-FeA
in Ält-Heidelbergs Mauern lm Jahre 1903. Auf
Jahre konnte damals unser badischer Landes-
verein zurückblicken. Grotzherzag Friedrich be-
wies durch seine Anwesenheit, daß ex die hohen,
idealen Zwecke und Zzele dieses e-vangel. Friedens-
bauvereins gleich seinen hohen Eltern fördern
wollte. Geh. Rat v. Pank, der Vorsitzende des
deutschen Gustav-Adolf-Vereins, gab in seiner be-
deutsamen Rede Ausdruck protestantischer Ent-
schlossenheit und evawge. Friedlantteit, unser nicht
mehr unter uns weilender Eustav-ALolf-Bater
Geh. Oberkircheurat v. Zähringer, der solang«
treu und erfolgreich den badischen Hauptverein ge-
leitet, wurde damals von der Ruvertv Carola
zum Ehren-O. der Theologie promoviert. Wie
ein schöner Traum liegt das alles hinter uns.
Nun tagt der Gustav-Ad-M-V-sr ein abermals in
Heidelberg, aber zur Kriegsz«it. Das Schloß
ruft auch den Eustav-Adolf-Leuten sein« ernste,
deutsche Mahnung zu: Schützet deutsche Art durch
treue Pflege des evang.-prote-st Bewußtseins.
Die zurückgebliebenen Glocken der Heiliggeist-
kirchs riefen um die -achte Abendstunde zum Got-
tesdienst. Mächtig füllten die Klänge der herrli-
chen Orgel den Gottesraum. Klangschön, fein «jh-
gbstimmt, sang unter Herrn Autenrietbs Leitung
der Chor. Als erster Redner betrat dann Dechant
Orendi aus Siebenbürgen die Kanzel und
sprach über
Siebenbürgen in und nack dem Kriege.
Dein Besuch in Deutschland, und die weite um-
ständliche Reise, so führte der Redner aus, sei in
erster Linie deshalb erfolgt, um dem Drängen
der sächsischen Volksseele und der Zugehörigkeit
zum deutschen Mutterlande Ausdruck zu geben.
Darauf schilderte er die Zeiten , der Not. die die
Ansiedler dort in den 800 Jahren durchmachen
mutzten, sprach von der Zerstreuung des sächsischen
Volkes durch die verschiedenen Kriege und- durch
die Aufteilung in Komitats durch Oesterreich und
dann von dem jetzigen Kriegs mit Rumänien, der
für die dortige Bevölkerung sehr unerwartet kam:
Groß waren die Not und di-e Entbehrungen, die
sich das Volk auferlegen mutzte, denn gleichzeitig
mit dem Feinde von ntutzen, machte sich auch der
im innern bemerkbar, da viele Rumänen sich in
Siebenbürgen angesiedelt hatten und nur auf das
Zeichen des Krieges warteten, um ebenfalls loszu-
schlagen. So mutzten sich Frauen und Kinder und
Greise während der Nacht auf die Flucht nach We-
sten begeben, während für die Männer es na-
türlich nur das Eine gab, auszuhalten -owf dem
Posten nach deutscher Art. Von «dem Abend zum
Morgen und vom Morgen zum Abend fürchtete
man den Einmarsch der rumänischen Heere von
Süden her, bis eines Tages von Weiten die deut-
schen Heere anrückten. von den Zurückgebliebenen
jubelnd begrüßt und bewirtet, mit allem was.
noch zur Verfügung stand. Die Deutschen hatten
die Zuversicht und die Freude wieder mitgebr-acht
Mögen wir auch noch so viel verlieren. Sieben-
bürgen wird nicht rumänisch, das war der Trost
den die ^Sachsen wieder gefunden hatten. Für
Siebenbürgen, sagte der Redner sei nun. der Krieg
zu Ende und voll Vertrauen würde das Volk d-ort
in die Zukunft schauen, denn neben den schwerer
Verlusten habe das Volk auch Gewinne gehabt, in-
dem es einen Zusammenhang mit den Magyari
schon Brüdern und in Ungarn ein weiteres Hei-
matland gefunden hat und auch mit dem deutsche!»
Mutterlande seien ja nun die Beziehungen enge«
als zuvor.
Darauf sprach Geh. Kircksnrat Professor Dr
Rendtorff-Leipzig über die
Friedens-Aufgaben des Gustao-Adolf-Vereins i«
den Kriegsgebieten Ost-Europas und des nahe»
Orients.
In lebhaften Worten schilderte er seine persönli-
chen Reiseeindrücke aus Reisen, die er verschiedene
Male auf Veranlassung der Obersten Heereslei-
tung so 1615 durch Polen. 1916 durch das ganze
einen Viertelknoten in der Stunde hätte mehl
laufen müssen, als Sie. um gleichzeitig mit Ihne»
den Steinbruch zu erreichen. Hier ist diese wun-
derbare Karte,' Lenzberg lächelte jetzt zum erste»
Male und griff flüchtig nach seiner BruMasche.
der bei dieser Gelegenheit das Knistern eines Pw
Piers vernehmbar wurde. „Sie werden gering-
schätzig denken: nicht einmal auf Leinwaild aus.
gezogen, aber daran ist allein der Baedeckar schuld,
dem ich diese Karte entnommen habe. Doch machte
ich. wie gesagt, von meiner Berechnung keinen Ge-
sträuch und hoffte, nicht -allzu lange warten ztz
müssen, bis ich Ihnen allein begegnen würde".
(Fortsetzung folgt.)
Theater und Musik
* Bom Mannheimer Hoftheater. Mit Schluß die-
ser -Spielzeit folgt Lieselotte Denera einem Ruf
Direktor Bernaus an das Wiener Volkstheater
Unser früherer Intendant und Direktor der Wie-,
ner vornehmsten Privatbühne, hat auch anderen
Mitgliedern der Hofbühne ehrenvolle Anträge ge-
macht, so Everth. Garrison. Hoffmann,
Odemar undRickard Weicher. Fritz vonder
Heydt, der jugendliche- Heldentenor, kommt nach
erfolgreichem Probesingen an das Kieler Stadt-
theater ab September 1919. Er bleibt unserer
Bühne also noch ein Jahr erhalten. Hedwig
Eschel mann folgt ab Herbst dieses Ja hr es
einem Rufe an das Stadtthsater Essen als Iw
gendlich-Dramatische. ,
Humor vom Ta^e
* Im Militärschwimmbad. In einer Ortschaft
dicht hinter der Front hat ein schwäbisches Land-
sttMmbatajllon ein Schwimmbad errichtet. Ei«
Hauptmann und Kompagnieführer. der aus dem
Schützengraben kam, wollte auch dis Gelegenheit
eines erfrischenden. Bades benutzen. Einen biede-
ren schwäbischen Landsturm-mann. der den Herr«
Hauptmann im Adamskostüm nicht als Vorgesetz-
ten erkannte, und de-m der starke Haarwuchs auf
dem vorgesetzten Körper Eindruck machte, richtete
das Wärt an ihn: „Herrgottsakrament! Du bischt
aber au nah ach Affen vorbeiganga!"
 
Annotationen