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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Sei e 2 Heidelberger Zeiturig
Stellungsschlacht mehr, es ist ein Verve gungs-
und Manövrierkrieg, wöbet nicht mehr die

Mittwoch, den 24. Juli 1918

Fernsprecher Nr. 82

Nr. 170

OeMche Orientierung

Die Probleme des fernen Ostens

Deutsches Keich

stleberlegenheit des guten Materials und der ma-
teriellen Kriegführung, sondern die geistige
Ueberlegenheit öer Führung den Aus-
schlag geben wird.
Die Amerikaner im Feuer
Berlin, 23, Juli. Archer Senegalesen haben
die Franzosen bei Fortsetzung ihrer Angriffe zwi-
schen Aisne und Marne zum ersten Male Ameri-
kaner in verhältnismässig größerer Menge auf
die Franzosen verteilt als Kanonenfutter einge-
setzt. Die Schwarzen wie die amerikanischen Hilfs-
truppen wurden in dichten Massen gegen die deut-
schen Linien vorgetrieben. Sie mutzten den Ein-
satz mit einigen zehntausend Toten. Negern wie
Amerikanern, bezahlen. In teilweise 16 Wellen
Tiefe griffen sie an. Ein Welle nack der anderen
brach in dem deutschen Artillerie- und Maschinen-
gewehrfeuer zusammen. Auch an dem folgenden
Tage erneuerten sie bis zu sieben Mal immer wie-
der ihre Angriffe, Ihre Kraft erlahmte
immer mehr. Am dritten Tage der Offensive
begann die amerikanische Infanterie bereits beim
ersten Ansturm zu stocken und sich hinzuwerfen, so-
bald nur das deutsche Artilleriefeuer einsetzte.
Dauerte das Feuer länger, so ging sie eiligst zu-
rück, sod atz der Angriff sich stellenweise in eiliges
Zurückfluten verwandelte. Vielfach stand die -deut-
sche Infanterie aus ihren Gräben auf und em-
pfing die Amerikaner mit einem stehend freihän-
dig abgegebenen Schnellfeuer. Bei dem Angriff
am 21. Juli gerieten amerikanische Bataillone der
2. Division, die in der Schlacht von Visigneux hec-
«nrückten, in das Feuer deutscher Maschinen-
gewehre, die von der Zuckerfabrik von Noyant aus
die Schlucht bestrichen. Sie machten sofort kehrt
und fluteten eiligst zurück. Besonders
ernste Verluste erlitten die Amerikaner in den
schweren Kämpfen des 10. und 20. Nach Aussagen
von Gefangenen sind einpelne Regimen-
ter aufgerieben. Vor allem die Ofsst-
ziersverlusts sind furchtbar. In dem
Bestroben der Obersten Heeresleitung der Entente,
Erfolge der Amerikaner herauszuftreichrn oder zu
'erdichten, liegt eine durchsichtige Tendenz.
Wenn das amerikanische Volk Kenntnis erhält,
wie seine Söhne auf fremder Erde für fremde
Menschen verbluten müssen, würde die künstlich an-
gefachte und auf unwahren Bebauvtungen gegrün-
dete Kriegsbegeisterung bald zunichte werden.
» rs« q-
Berlin, 23. Juli. Ein Brennpunkt des Kam-
pfes -am 22. Juli bildete Evieds. das nach wech-
selvollen Kämpfen in unserem Besitz blieb. Dort
fechtende amerikanische Teile «litten be-
sonders hohe blutige Verluste, sodatz nur 138 Mann
darunter 8 Offiziers, unverwundet in deutsche
Hand fielen! autzerdem wurden hier 12 Maschinen -
tzemchre erbeutet. Nördlich des Ehatelet-Waldes
verbesserten wir nach Abweisung eines starken
Teilangriffes durch Gegenstotz unsere! Linie.

Die Engländer am Murman
«Stockholm, 23. Juli. Nach einer Meldung aus
velstngfors sind die Engländer im Vorrücken von
Archangelsk gegen Murman begriffen.
Letztere Stadt ist schon ernstlich bedroht.
Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrates in
Kem wurden gefangen genommen und hingerichtet
Die Truppen der Alliierten besetzten die Linie
Kand-alask - Kem.
Moskau 22. Juli. Dis Engländer haben heute
hie russische Abteilung Auer zum auher-
vrdsntlichen Schutz der Murm-anbah» und
lum Eintritt in das Verbandsheer überredet, und
dach Meldungen auch die russische Zivilbevölke-
rung zum Eintritt organisiert. Laut Murm-anski
Mestnik haben die Truppen der Zentralregierung
Coroki verlassen. Am 7. Juli Hst dort ein engli-
scher Kreuzer eingetroffen. Die gesprengten
«rücken wurden wiederhergestellt

- * Dis »mischen Verluste. Der finische Genieral-
Ltab berechnet die Verluste der Weihen Garde im
Bürgerkrieg auf 2320 Tote. 5780 Verwundete, 170
Vermißte.

Die Universitäts-Vorlesungen
lm Wintersemester 1918-19 enthalten u. a. folgende !
von allgemeiner Bedeutung:
Theologische F'akultiit:
Geschichte. Sage und Mythus im Lebensbilds
Jesu: Prof. Dibelius. — Geschichtliche Einfüh-
rung in die religiösen und kirchlichen Hauptfragen
der Gegenwart: Prof. v. Schubert. — Kirchliche
KunstderiLmäler in Baden: Prof. Bauer.
Für Kriegsteilnehmer wird die Fakul-
tät im März 1919 wieder einen Kurs abhalten.
Näheres über Zeit. Meldung usw. wird im No-
vember d. I. bekannt gegeben.
- Juristische Fakult'ät:
Handelsrecht: Prof. Fehr. — Recht der Wert-
papiere. nebst Wechsel- und Scheckrecht : Prof. Fehr.
— Völkerrecht: Prof. Thoma.
Für Kriegsteilnehmer nimmt die Fa-
kultät in Ansicht, -besonders Kurse nach. Bedürfnis
«inzurichten.
Medizinische Fakult'ät:
Soziale Hygiene 1 lNerwaltungshygiene und so-
liale 'Fürsorgebestrebungens: Dr. Dres eh
Philosophische Fakultät:
' System der Philosophie (Welt an schau ungslehr e):
vrof. Rickert. — Kant und die Philosophie von
Kant bis zur Gegenwart: Prof. M aier. —Isla-
mische Kultur im- Spiegel der arabischen Literatur-
geschichte: Prof. Rus la. — Die klassische Periode
»er osmanischen Literaturgeschichte: Lektor Dr.
Herrmann. — Kultur- und Literaturgeschichte
fes Hellenismus: Prof. Voll. — Geschichte der
-römischen Literatur in augusteischer Zeit: Prof.
Aeinreich. — Die griechische Kunst von Phi-
kias ab: Prof. v. Du h n. — Landeskunde von
Italien im Altertum: Professor Hülsen.
— Die Stadt Rom im Mittelalter und in
fe-r Renaissance: Professor Hülsen. — Ge-
schichte der deutschen Literatur im Zeitalter der
tceiormation und der Gegenrcformation: Prof,
tzrbr. v. Waldberg. — Goethe in Italien: Prof.

Nach der Ablehnung des weitgehenden Hertling-
schen Entgegenkommens in der belgischen Frage und
der Proklamierung des unbarmherzigen Wirt-
schaftskrieges gegen Deutschland, neuerdings wie-
der durch Balfour, sind auch die letzten Hoffnungen,
daß wir im Westen zu einer Verständigung kom-
men könnten, ohne datz die Waffen ihr letztes Wort
gesprochen hätten, geschwunden. Aber selbst, wenn
es zu einer Verständigung kommen könnte, würden
England und Amerika den Versuch machen, den
schärfsten Wirtschaftskrieg gegen Europa zu führen,
und dem können wir nur widerstehen, wenn wir
hinter uns Rohstoffländer haben, die uns diesen
Wirtschaftskrieg zu überstshen helfen können.
Diese Länder liegen aber alleinimOstenEu-
rovas. Rußland vor allem.
Nun liegt der Entente einzig daran, Rußland in
einen neuen Krieg zu Hetzen und nicht seine fried-
liche Entwicklung abseits vom Kriege zu fördern.
Dadurch ist das Verhältnis jeder russischen Regie-
rung, mag sie bolschewistisch oder monarchistisch, so-
zialistisch oder kadettisch sein, zur Entente gegeben.
Die russische Regierung wird immer wieder vor
der Aufgabe stehen, das Kriegsfeuer fernzuhalten
und alle Kräfte für den Wiederaufbau des Landes
nutzbar zu machen. Folgerichtig kamen die Bol-
schewisten zu -der Drohung an die Entente. Rußland
werde sich Deutschland ganz in die Arme werfen.
Das Charakteristische der russischen Lage ist aber
die Tatsache, daß selbst der Führer der Kadetten-
partei. derjenige, der früher Hand in Hand mit
der Entente auf Zertrümmerunst Deutschlands und
Oesterreich-Ungarins -und Russischwerdung der Dar-
danellen drang, nämlich Professor Miljukow, das
Heil Rußlands für die Zukunft nur Lurch Zusam-
menarbeiten mit den Mittelmächten erwartet. Mil-
jukow hat seine Schwenkung schon so weit vollzo-
gen. datz er in Kiew den deutschen Botschafter
Freiherrn v. Mumm aufsuchte und diesem sein Pro-
gramm vorlegte. Dieses fordert vor allem- Revision
des Brester Friedensvertrages, und einer solchen
Revision steht nichts im Wege, wenn die russische
Negierung sich verpflichtet, in ein engeres Verhält-
nis zu Deutschland zu treten. Dann würde die
Bismarckschr Politik, die in Rußland unsere natür-
liche Ergänzung sah, wieder zu- Ehren kommen.
Dor allein aber würden an unserer Ostgrenze Ver-
hältnisse geschaffen, die in natürlicher und auf ge-
genseitige Verständigung mit Rußland beruhender
Form die Wirren lösen, die jetzt über unserer Ost-
ffage noch liegen. Klarheit ist hier Grundbe-
dingung.
Als erster Schritt dazu mutz aber der Standpunkt
verlassen werden, als seien die litauischen und kur-
ländischen und anderen Fragen unser Gefühls- oder
gewisses dynastisches Interesse. In
der Kurlandfrage Lat uns diese Politik bereits
den gleichen üblichen Streich gespielt wie in der
„Befreiung" Kongretzpolens, wodurch Bethmann-
Hsllweg die ganze Ostfrage auf ein falsches Gleis
brachte, wo hingegen Polen ein glänzendes Han-
delsobjekt mit Rußland beim Friedensschluß ge-
wesen wäre. Die Gsfühlsmomente, die uns auch
in der Frage des Bukarester Friedens gegenüber
dem König der Untreue, Ferdinand von Rumänien,
verleiten ließen, als zusehp Rücksicht auf das dy-
nastische Prinzip zu nehmen auf Kosten unserer
eigenen Interesse». Dieses Prinzip muß nun
endlich in der Ostfrage ausgeschaltet wer-
den. Es geht nicht an. datz sächsische Bestrebungen
auf Personalunion mit Litauen oder Sonder-
wünsche des Herzogs von Urach hier die Linien
verwirren, die von Berlin »rach Moskau gezogen
werden kann. Nicht das Interesse der Fürsten, son-.
dern das der Völker entscheidet. Das Interesse
Deutschlands aber sowohl wie Rußlands verlangt
jetzt Klärung und Berücksichtigung. Daher müssen
auch die Fragen der Ostfsevrovinren und' Litauen
der «roßen Frage untergeordnet werden, wie und
auf welche Weise das große Rußland und das
deutsche Reich zu einander komme'» -

* Das schwarze Heer. Wie der Temps meldet,
haben die französischen Kolonien bisher
680 006 Soldaten und 238 000 Arbeiter nach Frank-
reich geschickt.
Fuhr. v. Wakdberg. — Die romantische Schule:
Prof. Gundelfinger. — Tennyson und sein
Kreis: Prof. Hoops. — Französische Literatur im
Zeitalter der Aufklärung: Dr. Olschki. — Grie-
chische Geschichte von den Perserkriegen bis snr
Schlacht von Chaeronea: Prof. v. Domas-
Semski. — Staats- und Kulturgeschichte des frü-
hen Mittelalters von der Völkerwanderung Lis M
Karl dem Großen: Prof. Hamps. — Das Jahr-
hundert päpstlicher Weltnracht f1198—1303): Prof.
Hamps. — Vom Mittelalter zur Neuzeit. Po-
litische und Kulturgeschichte vom Konstanzer Kon-
zil bis zur Reformation: Prof. Cartellieri. —
Allgemeine Geschichte im 19. Jahrhundert s 1815 bis
1871): Prof. Oncken. — Wesen und Bedingungen
der auswärtigen Politik: Professor Oncken. —
Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreforma-
tion und des 30jährigen Krieges: Prof. Wätjen.
— Geschichte des Osmanischen Reichs vom Beginn
seines Machiizersalls bis zur Gegenwart: Prof.
Wild. — Die außereuropäischen Erdteile: Prof.
Hettner. — Dis geograpihschen Probleme des
Friedens: Prof. Hettner. — Wirtschaft der Na-
turvölker: Prof. Koch -Grünberg. — Deutsche
und franzöUchs Kunst- und Kulturgeschichte: Prof.
C. Neumann. — Allgemeine V-olkSwirtschästs-
lehrö: Prof. Gothein. — Praktische Wolkswirt-
schaftsleihre: Prof. A. Weber. — F-man'Wissen-
schaft und Staatenkunde: Prof. Gothein. —
Geld und Kredit als Einleitung in das Geld- und
Bankwesen mit besonderer Berücksichtigung der
Kriegsfragen: Prof. Altmann. — Die Börse:
Prof. Altmann. — Hauptprobleme der Arbeiter-
bewegung: Prof. Lederer. — Die österreichisch-
ungarische Volkswirtschaft im Kriege: Prof. Le-
derer. — Vergleichende Mrtschaftslehre, mit be-
sonderer Berücksichtigung Osteuropas und des nä-
heren Orients: Dr. Neurath. — Theorie der
Verwaltungswirtschasi: Dr. Neurath.
Prorektor bleibt für das Winterhalbjahr
Prof. Dr. Bartholoma'e. Dekans'sind:
Prof. Dr. Beer, tbeol. Fakultät: Prof. Dr. An-
fchütz jurist. Fakultät: Prof. Dr. Ernst, mediz.
Fakultät; Prof. Dr. v. Domaszewski, philos.
Fakultät; Prof. Dr. Salomon, naturw.-mathcm.
Fakultät. , .

sind durch die Frage, ob Japan in Sibirien ein-
greissM wird oder nicht, wieder von neuem aufge-
rollt worden. Da wir ausschließlich auf englische
oder französische Quellen angewiesen sind, wird uns
in Mitteleuropa die Beurteilung außerordentlich
erschwert, wie denn überhaupt über die brennenden
Fragen des Ostens im allgemeinen noch ziemliche
Unkenntnis, um nicht zu sagen Unverständnis
herrscht. Da kommt dem, der sich darüber orientie-
ren will, ein bereits nach wenigen Wochen in drit-
ter Auslage erschienenes Buch von Herm. Va-
gus ch e-H e td e lb e r g zu Hilfe: „Ostasiens
kommender Weltbrand" sDie Rollenver-
teilung der verschiedenen Nationen) sFalkLuverlag
Darmstadt, Preis 2 M.) In 10 Kapiteln „Asien
den Asiaten", „Deutschland und Japan", .Bündnis
und Wandlungen", „Die Zuru'ckdrängung Ruß-
lands in Ostasten" „Das chinesische Schachbrett",
„Um die Herrschaft im Stillen Ozean", .Wettrüsten
zwischen Japan und Amerika". „Ein anslo-ame-
rikanisches Bündnis". „Deutsch-japanische B'ünd-
ni--Möglichkeiten!" und „England, der Feind Euro-
pas" gibt der Verfasser in kurz gedrängter, aber
dennoch alles Wesentliche enthaltender Uebersicht
eins Entwicklungsgeschichte der Lage im Osten seit
Beendigung des japanisch-russischen Krieges bis
zur Gegenwart und knüpft daran eine von aller
Phantasie freigehaltene Zukünftsbeirachtung, - die
sich streng logisch auf sachlicher Beurteilung der
wahren Verhältnisse ausbaut. Von besonderem
Interesse sind die 3 letzten Kapitel, die um so ak-
tueller sind, als gerad« in den letzten Tagen eine
Meldung der „Weekly Disvatch" durch die Blätter
ging, wonach England und Amerika in ein Offen-
siv- und Defensiv-Bündnis zu treten beabsichtigten.
Datz ein derartiger Vertragsabschluß nur der
SMutzpunkt einer schon seit Jahren bestehenden
Politik der Heiden Großmächte sein würde, weist
Vagusche überzeugend nach. Der frische lebendige
Ton. in dem das Büchlein gehalten ist und dessen
politische Betrachtungen durch wirtschaftliche An-
gaben aufs beste ergänzt werden erleichtert die Lek-
türe, dre wir auch unfern Lesern angelegentlich
empfehlen möchten. Es ist als Nachschlagewerk,
wie auch als ausgezeichnetes Beispiel sachlicher po-
litischer Denkweise, die dennoch nicht von einsei-
tigen europäisch-wirtschaftlichen oder politischen
Rücksichten aus orientiert ist, für jeden Politiker
wertvoll.
Was der Temps alles wissen will
sich das Paris« Blatt eine
interessante Meldung folgenden Inhalts über-
mitteln :
„Nach Erklärung eines intimen Freundes Kühl-
männs ist dieser überzeugt, daß der deutsche Gene-
ralstab nie entscheidend siegt. Die deutsche Offen-
sive kann sich noch sechs Monate unentschieden Hin-
ziehen. Militärische Enttäuschungen dürften
Kühlmann Recht geben. Kühlmann ist i« 6
Monaten Kanzler und kann dann sein Frie-
densprogramim durchführen."
Man könnte nach dieser Meldung fast anneh-
men. datz der frühere Staatssekretär geradezu
der-Mann Frankreichs gewesen wäre. Wenn in
dieser Meldung etwas Richtiges wäre, so ist es
vielleicht der eine Satz, datz di« deutsche Offensive
sich noch 6 Monate hinziehen kann. Dis Möglich-
keit mag zugegeben werden, wenn auch die Wahr-
scheinlichkeit nicht dafür spricht. Ob allerdings
dann der. Zeitpunkt gekommen ist. wo Kühlm-ann
mit seiner ihm von der französischen Presse ange-
dichteten Politik Recht behalten hat oder nicht,
darüber wird dis Zukunft entscheiden. Prophe-
zeihungen haben in diesem -Weltkrieg das Unan-
genehme an sich gehabt, datz sie nicht «»getroffen
sind. Und so wird wohl auch in dieser Beziehung
die Enttäuschung am Schlüsse wohl Lei den Fein-
den und nicht bei uns zu suchen sein
* 7V Millionen Mark Verluste der Cmmrd-
Linie. Der Präsident der Cunard-Linie erklärte
in der Generalversammlung der Gesellschaft, datz
die Schiffsverluste des Unternehmens ernst wären'.
Durch sie sei ein Schade» von dreieinhalb
Millionen Pfund Sterling (hauptsäch-
lich durch den U-Bootkrieg) angerichtet worden.
Sollen die Heidelberger
Studenten wieder fechten?
Das ist eine Frage, die vielen zunächst sonderbar
vorkommen wird in einer Zeit, wo sich die Schläger
fast aller Erdenbewohner miteinander kreuzen, bis
auf einer Seite endlich „Abfuhr" erklärt werden
wird. Ein Herr Gamber aus Heidelberg
war schuld daran, wenn sich dis „durchlauchtigsten,
hochgeehrtesten Herren" der Ersten Kammer in ihrer
22. Sitzung ausführlich und gewissenhaft mit dieser
Frage beschäftigen mußten. Herr Gamber. früher
Hilfsfechtlshrer an der F-echtschule der Universität
Heidelberg und noch früher Schlossergeselle, hat
nämlich eins Petition oder, wie man jetzt sagt,
eine Bittschrift dem Hohen Hause ein gereicht, ihm
die Erlaubnis zur Wiede-rertvilung von Fechtun-
terricht an dis Heidelberger Studenten zu erteilen.
Er belegt sein Ersuchen damit, daß er -bis Kriegs-
beginn als Fochtlehrer an gestellt gewesen wäre.
Nachdem er im Kriege seine linke Hand verloren
habe, habe er ein Unterkommen als Diener an
der Oüerrealschule in Heidelberg ge-
funden. fühle sich aber in seinem neuen Berufs
nicht befriedigt, schon aus dem Grunde, weil er
„gewöhnt fei, mit Akademiker nzu ver-
kehre n". Offenbar erscheint also Herrn Gamber
der Verkehr mit erst „zukünftigen" Akademikern —
das find doch in der Regel die Oberrealfchülsr —
als nicht ganz standesgemäß. Ja. wundert sich jetzt
vielleicht mancher, gehört denn zur Erteilung des
Fechtunterrichts die Zustimmung der Hohen Ersten
Kammer, leben wir in of demokratischen Zeitläuf-
ten. datz eine solche doch immerhin gesetzmäßige Be-
tätigung eines einzelnen Mstnnes ähnlich wie eine
Krisgsvorlags erst die Zustimmung des Parla-
ments und der Regierung finden muß?! Nun, so-
weit sind wir glücklicherweise doch -noch nicht ge-
kommen. Der casus kritikus liest wo anders:
Erteilen darf jedermann Fechtunterricht an
wen es ihm immer beliebt,- aber Fechtunterricht
nehmen darf der Heidelberger Studiosus nur,
bei wem es — dem Universitätssenat beliebt. Und
kiese Behörde besitzt so einleuchtende und strenge

* Die Bortofreiheit der Fürsten. Ein Privileg,
das nicht mehr- in unsere verteuerte und auf
fassung des letzten Groschens angewiesene 3^'
paßt, ist die Portofreihsit der Fürsten. Sie ist ein
lleberbleibsel von ehemals, eine Einrichtung, grf
gen die sich längst gewichtige Bedenken, nicht blo«
in demokratischen Kreisen, geltend machten, und die
jetzt durch einen Gesetzentwurf beseitigt werden
soll, den der Staatssekretär kürzlich im Reichstag
in Aussicht gestellt hat. Er erwähnte dabei, da«
es der Wunsch der deutschen Bundesfüvsten sei. M
im Hinblick auf die Schwere der Zeit an den Lastet
zu beteiligen, welche dem Volks erwachsen, beson-
ders wünschen sie keine Ausnahmestellung gegen-
über den Postgebühren, welche durch die außeror-
dentlichen Reichsabgaben wiederholt erhöht wur-
den. Die fürstliche Portofreiheit soll wegfallen
für sämtliche Sendungen an die Fürsten, ihre Ge-
mahlinnen und Witwen, für Paketsendungen der
Fäusten und ihrer Familien, für ihren Geldver-
kehr. Der fürstliche Fernsprechverkehr wird gebüh-
renpflichtig. die Portofreiheit im Telegramm- und
Brief,v«kehr soll nur noch im persönlichen Verkehr
der Fstrsten weiterbsstehen. Die Einbringung eines
entsprechenden Gesetzentwurfs bleibt abzuwarten.
* Die Richtlinien des Zentrums — kein Pro-
gramm. Wir brachten vor kurzem nach der Ger-
mania Richtlinien für die Parteiarbeit des Zen-
trums. Es wurde in Zentrumsblattern der An-
schein erweckt, als ob es sich um ein vollständiges
Programm der Partei handle. Dieser Auffassung
tritt das Organ der katholischen Arbeitervereine,
die Westdeutsche Arbeiterzeitung, ent-
gegen, indem es schreibt: „Wie wir sehen, handelt
es sich bei diesen Richtlinien nicht um ein regel-
rechtes Programm. Der Reichsausschutz hält di«
jetzige Stunde, da noch alles in Bewegung ist, nicht
für die richtige, um mit einem klaren, auf die ak-
tuellen Zeitfragen zugespitzten und alle strittigen
Punkte umfassenden Programm heraus,zutreten. I»
diesen Richtlinien ist eigentlich nur festgchaltcn,
was gemeinsame Auffassung aller Zjentrumsinit-
glisder genannt werden kann: bewusst ausgeschaltet
sind die Fragen, in denen innerhalb der Partei
selLer noch keine Einigkeit herrscht. Gegenüber
dem -bisherigen Zustande, da keinerlei Zusammen-
fassung von Grundsätzen bestand, bedeuten- Liest
Richtlinien einen bedeutenden Fortschritt, wen»
sie auch naturgemäß ein aktuelles Parteiprogramm
nicht ersetzen können. Aus ihnen kann und wird
sich einmal ein solches Programm; heräus-
entwickeln".
* Die gefährliche Haltung Les Vorwärts. Wie
der sozialdemokratische Parteivorstzand über »cn
Vorwärts urteilt, erzählt Dr. Paul Len sch in
der sozialdemokratischen Wochenschrift „Die Glocke
„Der Vorwärts ist. was die politische AuffassunS
der wichtigsten Situationen angeht, zum grössten
Teile lediglich das Privatorgan Stampfers, der
Vorstand hat sich leider nicht den politischen Ein-
fluß auf das maßgebende Parteiorgan gesichert,
der absolut notwendig ist, soll die Partei nicht
schwer;; Schaden leiden. Das ka!m in der letzten
Sitzung der Rerchstagsfraktion zum elementaren
Ausbruch und «freulicherweise war es der Vor-
stand selber, der unter lebhafter Zustimmung der
gesamten Fraktion die Haltung -des Vorwärts als
„verhängnisvoll" und „gefährlich" für
die Partei bezeichnete und Besserung in Aussicht
stellte. Der hier genannte Stampfer ist der Chef-
redakteur und — Oester reicher. Er mutz ia
wissen, was dem^Deutschen Reiche und der deut-
schen Arbeiterschaft nottut.
* Künstlerische Ausführung der deutschen Post-
wertzeichen. Schon mehrfach ist bekanntlich von
verschiedenen Seiten angeregt worden, die deutschen
Postwertzeichen in Zukunft künstlerischer als bis-
her ausführen zu lassen. Auf eine diesbezügliche
Anfrage hat -das Reichspostamt sich in diesem Sinns
ausgesprochen. Vorerst allerdings ist eine Neuaus-
gabe der deutschen Postwertzeichen nicht in Aussicht
genommen.
* Beihilfe für die Kriegsteilnehmer 1870—71
Nach einer Mitteilung des Reichsschatzsekietärs
Graf Roedern, beschloß die ReichsverwaltunL
auch für 1018 die Gewährung einer einmali-
gen Beihilfe an die Kriegsteilnehmer des
Feldzuges 1870-71 und der vorangegangenen
Feldzüge.
Bestimmungen für die Zulassung der Studenten-
Fechtlebrer, datz, wie der Verfolg der Angelegen-
heit zeigen wird, die Bittschrift des Herrn Gamber
einer unwiderruflichen und unabänderlichen Üb-
le Hitzung verfiel.
Die Heidelberger Universität ist nämlich seit 1910
im Besitz einer Fechtordnung, nach der -der
Unterricht nur vom Un rv ersi-t ä 1 sfe cht-
m eiste r und seinen Gehilfen auf dem Unioerfi-
tcitssechtbbden erteilt werden darf. Grund ist die
Rücksicht auf die akademische Diszivlin. Nur durch
einen „jederzeit kontrollierbaren und unter diszi-
vlinnrer Verantwortung gegenüber der Universität
erteilten Fechtunterricht besteht die Gewähr dafür,
daß dem Fechten der Charakter einer ehrlichen
Was-fenLLung es.halten bleibt." Und außerdem
macht der enge Zusammenhang des Fechtens mit
dem Duellunwesen die strenge Regelung und Ueber-
wachu-ng des Fechtunterrichts an Studierende zur
Notwendigkeit. Und da. so schließt das Gutachten
des Senats und damit der Großh. Negierung, Herr
Gamber nicht Universitätsfechtlehrer ist oder viel-
mehr mar. liegt, zumal die Schuldienerstelle ihm
inateriell vollwertigen Ersatz bietet, kein Grund
vor. seinem Gesuch zu entsprechen.
Man muß nu-n nicht denken, daß die durchlauch-
tigsten und hochgeehrtesten Herren etwa nach dem
Grundsatz „minima non curat praetor" sich nicht
eingehend mit diesem schwierigen Fall befaßt hät-
ten, Man trat in die Diskussion ein. in der von
verschiedenen Rednern die mannigfaltigsten Lich-
ter auf die Bittschrift und den mit ihr zusammen-
hängenden Fragenkomplex geworfen wurden-
Dr. Freiher v. La Ro ch e - St a r k enfe l s, schon
dem Namen nach zur Erörterung einer in ihre»
Pertinenzen so gewalttätigen Frage prädestiniert,
meinte, wenn man an der Heidelberger Universität
vorbeigehe. sehe man meist junge Dame»
Herauskommen und es sei ihm unbekannt, ob etwa
diese jungen Damen fechten wollen . . . Und auch
der Großh. Regierung, vertreten durch Geb. Ober-
reaierunasr. Dr. Schrr> oersr. ist es nicht bekannt,
datz z. Zt. ein Bedürfnis nach Fechtunterricht a»
der Heidelberger Universität besteht. Außerdem
sei zu befürchten, daß es infolge des -Fechtunter-
richts während des Krieges zu Mensuren k o in-
 
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