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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Seite 2 Heidelberger Zeitung . Donnerstag, den 29^August 1918 __ Fernsprecher Nr. 82 und 182 Nr. 201^,

Lloyd Georges
„Khaki"-Wahlen
Dr. Sols bezeichnete die geplanten englischen
Neuwahlen »um Parlament mit dem trenen-
ren Ausdruck: „K hak iwa h l e n". denn es i,
Nicht zu bezweifeln, Latz bei dem Stimmsettelka-mp
lediglich Kriegsfragen als Wa-Klvaroien
herbalten müssen. Die Wahlagitationen werden
schon dadurch viel Feuer erhalten da« zum ersten
Male das weibliche Geschleckt aus den
Rednertribünen vernehmbar sein, wird, -denn in-
folge der nicht unwesentlichen Erweiterungen des
Wahlrechts wird jetzt auch einem beträchtlichen
Teil der britischen Frauenwelt das Wahlrecht zu-
gänglich gemacht. Es steht indes noch nicht unbe-
dingt fest, daß es überhaupt zu Neuwahlen kommt,
wenn auch das seit sieben Fahren bestehende Par-
la-ment lcmM überfällig ist und viele Zeichen des
Werfalls zeigt. Wenn man statt der rechtlichen die
'tatsächlichen RegierungMerhältnisse in London ins
Auge saht, so ist zu bemerken, datz das Parlament,
das eigentlich in England herrschen soll, kerne
Hauptrolle mehr spielt, denn der große Reklame-
.Minister Lloyd George -stützt sich auf Las schranken-
los ausgedehnte Gesetz über den Belagerungszustand
iund übt damit eins diktatorische Gewalt aus. Es
regen sich allerdings in der neuesten Feit allerlei
Widerstände gegen die Macht des politischen Allein-
herrschers. denn er wird nicht nur von der Linken,
sondern auch -von der Rechten scharf angegriffen.
Dazu kommen noch die Anhänger des englischen
Freihandels, die durch die -Verkündung des neuen
Regierungsprogramms besonders leidenschaftlich
erregt sind. Lloyd George draht seinen Gegnern
mit den Kbakiwahl-en. weil er seines Sieges gewiß
zu sein sla'.ibt. wenn er den Sieg unb die Nieder-
werfung Deutschlands -auf sein Wachlvanier schreibt.
Gegen die Anberaumung allgemeiner Wahlen in
England macht sich indetz ein Widerstand geltend,
der von größter Bedeutung werden kaum Dis
französischen Regierungskreise befürchten eine
schlimme Einwirkung von der englischen Parla-
MLntsauflösung. denn sie nehmen wohl nicht mir
Unrecht an. doch die unruhigen Franzosen nach sol-
chem Beispiel ebenfalls nach Neuwahlen rufen wer-
den. In London bestand bekanntlich die Absicht,
auch die englischen Soldaten der Front an den Ab-
stimmungen teilnehmen zu taffen, ustd was Tommy
täte, mutzte Polln als recht und Lillig erscheinen.
Man denke sich über die heißblütigen französischen
Kämpfer auf dem Schlachtfeld« als Wühler, und
man vermag su- begreifen, daß die Ausfechtung der
politischen Gegensätze in den Grüben eine wahre
Verheerung in den Armeepflichten anrichten würde.
-Infolge des Widerspruches des französischen Kabi-
netts haben die Briten denn auch von der Solda-
lenbeteiligung an den Wahlen abgesehen, doch das
genügt Herrn Clemencsau keineswegs. Der alte
Tiger hat su viel Untaten auf seinem Kerbholz und
er fürchtet die Rache der Sozialisten. Wahlen kann
er nicht riskieren, und deshalb möchte er auch die
Engländer bewegen, nicht an dem Parlament zu
rübren.
: Lloyd George will sich vielleicht auch durch
Frankreich drängen lassen, auf Neuwahlen zu ver-
richten. Er -will vor England vor -allen Dingen
den starken Mann spielen, der sich auch vor New
Wahlen nicht zu- fürchten hat. Mit der Ankündi-
gung einer ParlamentsauLösung folgt der ver-
schlagene Ministerpräsident vor allen Dingen den
Forderungen der Arbeiter, denen die Aufnahme von
Arbeiitsministern in das Kabinett keineswegs ge-
nügt hat. Weite Arbeiterkreise verlangen sogar den
Rücktritt dieser Arbeiter-Minister, wie die Avstim-
mun-g auf den Arbeiterkongressen in Manchester
«nd Nottingham bewies. Der im Zorn von Lloyd
George geschiedene frühere Arbeiterminister Hen-
derson trachtet nach den Zügeln der Regierung und
dem Sturze des England beherrschenden Minister-
präsidenten. Die Bemühungen der gegenwärtigen
Regierung, eine Verständigung zwischen Unterneh-
mern und -Gewerkschaften herbeizuführen. haben
Oei einflußreichen Gewerkschafken entschiedene Ab-
fetznMm gefunden. Wenn wirklich Neuwahlen kn
England stattfi-nden sollten, was durchaus noch
nicht beschlossene Sache ist. so werden starke Gegen-
sätze aufeiimndsrvlatzen. Bei einem für die En-
tente günstigen Ausgang der Krisgsereignisse ver-
möchte Lloyd George sein Glück wohl zu wagen
treten aber wieder Rückschläge für Haia und Foch
ein. woran kein Zweifel sein dürfte io könnten
Neuwahlen für das englische Kabinett ein
„Knockout" — einen Gnickfang — bedeuten!
Die polnische Frage
Beginn der entscheidenden Beratungen
In Warschau haben am Mittwoch die ent.
scheidenden Beratungen begonnen, die
den Abschluß und dis Krönung der vielfachen Ver-
handlungen über Polens Zukunft bringen sollen.
Sie werden voraussichtlich von kurzer Dauer fein.
Ueberhaupt sollen die weiteren Schritte, die zur
Errichtung des polnischen Thrones führen sollen, so
rasch wie möglich erfolgen. Man hofft in drei,
spätestens vier Wochen am Ziel zu sein. Bon der
Absicht, die Königswabl durch den polnischen Land-
tag vornehmen -ur lassen, ist man abgekommen. Ein-
ziger K and idat für den Königsthron ist nach
dem Ausscheiden verschiedener anderer Erzher-
zog Karl -Stepha n. Sobald er den Thron
bestiegen hüben wirb, hört die deutsche und öster-
reichisch-ungarische Zivilvemvaltun-g im Königreich
Polen cm-f und damit selbstverständlich auch die
ZlveiteiLung der Zweiteilung der Zivilv-erwaltung,
die nicht nur den Polen, sondern auch den Verwal-
tenden selbst viel Unbehagen bereitet bat.
Keine Thron-Kandidatur des
Herzogs Adolf Friedrich
Berlin, 2?. Aug. Herzog Adolf Friedrich
zu Mecklenburg teilt d-em Wolff-Büro mit, daß
sein Name zu Unrecht mit der Kandidatur
für den finischen Thron in Verbindung ge-
bracht werde. Obwohl man ursprünglich von fini-
scher Seite an ihn hsr-angetreten fei, stehe der Her-
zog allen diesen Kombinationen durchaus fern
und einer auf ihn entfallenden Wahl wurde der
Herzog nicht entsprechen
Ein englischer Luftangriff gegen
die Finnen
Helfingf«rs. 27. Aug. Eine Verletzung der
finischen Neutralität durch die Eng-
länder meldet das nordöstliche finische Grenz-
schutzkommanda. Danach erschien Samstag, von
Osten kommend, ein großes, grau angestrichenes
Wasserflugzeug in Höhe von 800 Meter über dem
Dorfe Kurtti, östlich von K u o la j e ae rv i.
Das Wasserflus,zeug kreiste über dem Dorfe, stieg
dann zu 800 Meter Höhe auf, und warf mehrere
Bomben ab. Durch die zweite Bombe wurde ein
Bauer verletzt, durch die dritte und vierte, die un-
weit der militärischen Speiseanstalt niedersielen.
ein Soldat. Die fünfte Bombe schlug in der Nähe
der Ambulanz ein, ohne Schaden zu verursachen;
dis -sechste, dis auf am Bvd-e-n liegende Soldaten
gerichtet war, krepierte nicht, Während der gan-
zen Zeit wurde aus dem Wasserflugzeug mit zwei
Maschinengewehren geschossen. Gegen
die Flieger wurde Gewehr fester eröffnet, worauf
das Flugzeug sich 9 Uhr 22 Minuten in östlicher
Richtung über Niva la entfernt«. In dem Flug-
zeug befanden sich drei Mann. Die Flächen wa-ren-
auf der Unterseite mit großen schwarzen Ringen
bemalt. Kurtti liegt unmittelbar an der finischen
Ostgrenze, ungefähr in der Höbe von Kantaliaks.
Ein verdienter Hinweis
Nachdem die hoWndische Zeitung Het VaLevland
in einer Arttkelreihe die Frag« aufgeworfen hatte,
ich der Verband das Problem des Völkerbundes
mit so großer Aufrichtigkeit behandelt hab«; daß
Deutschland darüber in Erörterungen einiiretsn
könne, bemerkt di« Utrecht«! StichtMe Eaurant
dazu:
Sobald England sich zum Entschluß ÄMhringt,
Irland als selbständigen «nstUfchen
Bundes st aat in den Völkerbund aufzvneh-
men. wird Deutschland dies vielleicht runl Anlaß
nehmen um Staaten, von denen der Verb-Md an-
gibt, daß sie durch Deutschland unterdrückt werden,
als selbständige Staats körper kn den
ö" kaff«n.
Die Streifzüge des „Triumph"
Berlin, 28. Aug. lleber die erfolgreichen Streif
zöge der deutschen Tauchbootbe-atzung an Bord der
„Triumph" heißt es einer Genfer Meldung Der
B. T. zufolge im Matin:
16 Ma-nm der Besatzung des Tauchbootes bssin
den sich an Bord des „Triumph", der mit 2 Kano-
nen -und drahtloser Telegraphie ausgerüstet sei
Di« Fischerbänke an der Küste Neuschottlands seien
durch die Streifzüge des „Triumph" unsicher ge-
worden und zahlreiche Schoner ihm bereits zum
Osser gefallen. Die Besatzungen mehrerer in den
Grund gebohrten Schoner seien in einem kana-
dischen Hafen gelandet. Au-s Washington wird noch
weiter gemeldet, datz das MarinedEvarteineut den
Verlust der drei amerikanischen Dampfer „Lake
E d o n", „Westüridge" und „C ud o r a" be-
kannt gegeben hat, die von einem deutschen U-Boot
torpediert wurden.
Genf, 28. Aug. Wie der Matin meldet, sind in-
folge der Tätigkeit des von einem deutschen Tauch-
boot aufgebrachten kanadischen Dampfers Triumph
bereits zahlreiche Handelsschiffe abgängig.
Die größte Abschutzzahl
Berlin, 28. Aug. Für die gewaltigen Ver-
luste unserer Feinds bei ihren- Masssnangriffen
bietet das Ergebnis der Flugzeu gabschii i fe
am 8. August einen schlagenden Beweis. Wie der
amtliche deutsche Heeresbericht vom 9. August auf
Grund -der ersten Front-meldungen mitteilte, fielen
am 8. August 30 feindliche Flugzeuge -unserer Waf-
fenwirkung zum Opfer. Spätere Feststellungen ha-
ben- indes ergeben, datz allein auf der Hamptkamvf-
front 88, und auf der Westfront zusammen 71 feind-
liche Flugzeuge abgeschossen wurden, davon allein
19 durch Fluigabw-e-hrkanonen. Das ist die größte
Abschußzahl, di« je an einem Tage erreicht wurde.
Die Engländer -selbst geben in ihrem Heeresbericht
vom 8. August au datz 81 ihrer Flugzeuge vom
Feindfluge nicht zurückgekehrt, also über deukfchem
Gebiet abgeschossen worden seien: die Zahl der
über ihrem Gebiete abgeschosseucn Flugzeuge wird
von ihnen wie gewöhnlich verschwiegen. Unser-
gesamten Verluste betrugen nur 10 Flugzeuge,
davon 7 über feindlichem Gebiet. In dem Ver-
hältnis 10 zu 61 Abschüssen kommt die überlegens
Tüchtigkeit und -Kampfstärke unserer Luftstreitkräfte
überzeugend »um Ausdruck __
Ein Konflikt zwischen China und
Japan
Die Times meldet untorm 23. August aus Pe-
king Einzelheiten über große Schwierigkei-
ten, die plötzlich zwischen China und Japan aus-
gebrochen find. Die Chinesen sangen plötzlich an,
Schwierigkeiten bezüglich ihrer Teilnahme an der
Expedition zu machen und wollen sich nicht
den Bedingungen unterwerfen, die in dem ge-
meinsamen militärischen Vertrag für den Fall,
haß ernste Zustände an der Grenze entstehen soll-
ten, vorgesehen waren. In einer von der chine-
sischen Regierung am 27. Juli ausgegebo-
nen Note hatte diese erkannt, daß die Lage an der
Grenze ernst sei. Daraufhin hat die japanische
Regierung in ihrer Antwort vom 11. August darauf
gedrungen, daß entsprechend den Vertragsbeding-
ungen beide Regierungen gemeinsam Vorge-
hen sollten. Sofort verlangte die chinesische Re-
gierung trotz ihrer Anerkennung der Notwendigkeit
der Intervention eine zehntägige Frist. Ja-
pan fand jene Verzögerung unverantwortlich und
sandte Truppen aus S-om Süden der Mandschurei
nach der Kreme. Jetzt rieht plötzlich China seine
früher ausgesprochene Anerkennung des „ernsten
Zustandes", der als Wer trag ?L edingu ng zu eines
Teilnahme Chinas an einer Intervention führen
müßte, zurück, erkennt daher auch d'e
digkeit ei-ner Intervention nicht mehr an uE"
behauptet, die Japaner intervenieren « ufeigenk
Faust, ganz im Widerspruch nttt dem allgemein«"
Plane der Alliierten
Deutschland und Spanien
WTB. Berlin, 28. Aug. Nach einer Meldung del
Times aus -Santander soll die deutsche Regierung
die Bedingungen der spanischen Notifikäst
tion angenommen und zugestimmt haben, daß di«
in den spanischen Häfen liegenden Schiffe al«
Kompensationen für die Verluste der spa-
nischen Handels flöt io betrachtet wurden. Dies«
Meldung ist unrichtig Wie bereits am 23. Au-
gust mitgeteilt, hat die deutsche Regierung gegclt
das angekündigte Vorgehen der spanischen Regit-
rung Verwahrung eingelegt. Es sind zwischen
beiden Regierungen Verhandlungen eime-leli-
tot. um eine den beid-erseitigen Interessen RechnunS
tragende Lösung herbeizuf'ühren.
Badische Politik
§ Das Gesetzes- und Verordnungsblatt für daS
Großherzogtum Baden Nr. 42 enthält landesherr-
liche' Verordnungen über den Vollzug der Reichs-
steuergesetze. Aend-erun-g der Verordnung über dif
Vorbereitung zum höheren Dienst in der JustÄ
und der inneren Verwaltung sowie des Mini-
steriums des Kultus und Unterrichts Wer die Ver-
steuerung für die Bedürfnisse der israelitischen
Religionsgemeinden; des Ministeriums des In-
nern über Nüsse (Walnüsse). '
Aus Baden
Hauptversammlung des Badischen
Eisenbahner-Verbandes
Karlsruhe, 28. Aug. Die HauptversammlunS
des Badischen Eisenbahner - Verbandes fand ani
Sonntag und Montag in Bruchsal statt. Von
den 92 Obmannschaften des Landes hatten 77 Ver-
tretungen entsandt. Am ersten Verhandlungs-
tag erfolgte nach eingehender Berichterstattuns
die Behandlung der Berban-dsangelegenheiten.
Die Hauptversammlung beschloß u. a. dis Einfüh-
rung einer Beitragserhöhung und die Gewährung
einer Sterbeunterstützung für Mann und Fr.aih
außerdem.eine Unterstützung bei Betriebsunfälle«.
Am zweiten Tag nahm die Hauptversa-mmlunS
Stellung zu allen wirtschaftlichen Fragen. Ent-
schließungen wurden gefaßt in Frage de«
Dienst- und Ruhezeit, der Anstellung, des Urlaubs
aber auch hinsichtlich der Wohnungsfrage, des Ge-
nossenschaftswesens -und der Selbsthilfe. Die seither
übliche und weitere Anrechnung der verschiedene«
Arten von Renten, insbesondere der Unfall- unL
der Militärrente wude verurteilt und einmütig di«
Verbandsleitung beauftragt, auf eins AenderunS
dieser Praxis hinzuarbsiten. Die Hintansetzung
der Eisenbahninvaliden gegen Kriegs-invalide«
fand ebenfalls Mißbilligung. Die arbeitsreich«
Tagung — es waren neben den Berichten zusänü
men 180 Anträge zu erledigen —. fand ihrenAb
schlutz am Montag abend. Zum Ausdrucke des
Vertrauens und der Zufriedenheit Mer die seithet
geleistete Arbeit wurde die gesamte Vorstandschast
Wiedergewählt.
Mannheim. 28. Aus. Am Montag vormittag
spielten an der Ecke -der Laurentius- Md Dam-m-,
stratze hier drei zwölf- und «i.n zehnjährig«! VokkA
schiller mit einer Sprengpatrone, wo!M
dieselbe explodier te Alle vier Knaben wurde«
an Beinen, Händen und Oberkörper erhebst«
verletzt, so daß sie mit dem Sanitätswagen nm»
dem Allgemeinen Krankenhaus überWhrt werde«
mußten. Di« Sprengpatrone hatte einer det
Knaben zu Hause gefunden.
Karlsruhe, 29. Aug. Verhaftet wurde am
Dienstag der Leiter eines hiesigen angchehen-eg '
Hotels, weil in seinem Hause große Warenvorräte
gesunden wurden, die auf -nicht gesetzmäßigem.
Weg« erworben sein sollen. Der Mann bekleb'
Lets eine Stellung beim hiesigen Proviantamt. Ob
die in der Bevölkerung umlaufenden Gerüchte aus
Wahrheit beruhen, dis den Erwerb der Vorrat«
im Verbindung mit dieser Stellung bringen, muß
die Untersuchung ergeben, (g. K.) f >
sM« » «ssssssssssss«.
V Freunde vergeben, Eltern vergessen. T
Bulgarischs^
Gespenster des Glücks
Roman von Alfred MaLerno
(40. Fortsetzung)
«Damit werde ich mir dann köstlich die Zeit
vertreiben, wenn ich einmal in Pension gegangen
sein werde". —
Nova hörte das Plaudern des Wassers nicht
mehr. Die Stille sprach in aufregender Weise zu
ähr. Die langen Nachmittage hielt sie ihr vor.
Wollte man das alte Personal nicht entlassen, so
gab es für sie wirklich nicht genug zu tun, um nickst
eines Tages unmutig die Hände sinken zu lassen
ünd gleichzeitig zu erkennen, daß man der Schwäche
'verfallen war, denn das Leben hatte seinen Inhalt
verloren.
Der Geheimrat dachte auch daran nicht. Er
sagte sich vor, das er nun alt sei und nicht mehr
viel wolle. Er verlernte es. seine Umgebung zu
beobachten. Nova war bei ihm. war zu Hause. Das
war gut und ganz natürlich. !So richtete er sich, als
sie wieder nach Hause kamen, alles für sich und
feine Rühe ein.
Nom aber begann zu leiden.
Neunund zwanzigstes Kapitel.
Nom litt in dem Maße, als sie ihre Bsfiirch-
tu-ngen in Erfüllung gehen sah. Die Scheuerarbeit
des Stubenmädchens nachzuprüfen ünd die Näh-
ma-msell hinreichend zu beschäftigen, das waren
häusliche Verrichtungen, die ihrem Drang zu be-
friedigender Tätigkeit/ die ihr und anderen Nutzen
brachte, nicht Rechnung trugen. Und wenn sie den-
noch verlachte, ihrem Vater in der bisher ge-
wohnten Weise an die Hand zu gehen, beim Zettel-
katalog »der Korrekturlesen- von Neuauflagen
nmnches seiner zu St-udienzwecken stark verlangten
Werke, so wollte der Geheimrat nichts davon
wissen.
„Das wäre noch schöner," meinte er und legte
ä-inen Tor in seine Stimme, als habe er sich weiß
Cott was zuschulden kommen lassen, und verdien«
nun einen heftigen Selbstvorwurf, „was denkst du
denn von mir? Du trägst doch die Last des Hasts-
halts; daran hast du schwer genug zu schleppen.
Was mich angeht, laß mich nur allein machen!
Noch schaff ich -es reckst gut ohne Hilfe. Und -wird
es mir zuviel, so muß die Arbeit eben weniger
werden. Dao könnte ich vor meinem Gewissen schon
verantworten. Ich habe ein Arheitsleben hinter
mir."
Und nicht einmal eine Broschüre ließ er Nora
auftckneiden.
„Die Sorge um den Haushalt füllt meine Zeit
und Gedanken nicht aus. Vater".
„Dann zerstreue dich in deiner freien Ztzit. Was
soll denn ich dann treiben, wenn ich dich auch noch
für mich arbeiten kaffe,"
Darauf erwiderte Nora nichts: sie wußte aber,
daß sie ihrem Vater keine Arbeit wegnehmen
dürfe, wenn sie ihn, der zum tatenlosen Ausruhen
noch nicht alt genug war, nicht unzufrieden Machen
wollte.
War es einmal geschehen, -so sollte der Geheim-
rat wenigstens nicht zu fühlen -bekommen, daß er
sich zu früh aus dem öffentlichen Leben zurück-
gezogen Hatte.
Daß es von dieser Stunde an im Hans« Rade-
mann hatte still werden müssen, sah No-ra ohne
Bedauern «in. Wollte ihr Vater hin und wieder
einen alten Kollegen Lei sich zu Tisch haben, so
freute auch sie sich des Gastes und -bewirtete ihn
aufs aufmerk'Wnste. Allen übrigen gesellschaft-li-
chrn Verpflichtungen aber enthoben zu sein, em-
pfand Nora als Befreiung von -lästigen Fesseln
und machte sich nichts daraus, daß ste als Tochter
eines pensionierten Professors ihre Rolle im Kreise
der UniversitätsangehöriLen ausgespielt hatte.
Den Vereinen, denen ihre Mutter vorgestanden
oder als Ausschußmitglisd ihre llmsickt und Arbeit
zugewend-et hatte, gehörte Nora nur als einfaches
Mitglied an. Wie hätte sie mit ihren jungen
Jahren auch mehr beanspruchen dürfen! In solchen
Füllen, wo es sich um Ehrenstetten handelte, die
nur durch hohe Geburt, ganz besondere Verbin-
dungen oder hohes verdienstvolles Alter erlangt
werden formten, brauchte man sich darüber nicht zu
wundern, wenn man ewig Mr zu jung befunden
wurde.
Nora hatte also allen Grund, recht unzufrieden
zu sein uud erblickte nirgends eine Notwendigkeit,
dieses Gefühl geheim zu halten und zu unter-
drücken.
Sie klagte ihrer jungen Freundin ihr Leid.
. Lotte Bauer stellte sich aufrecht vor Nova hin
und betrachtete sie mit ernsthaften Blicken- von
oben bis unten und von unten bis oben.
„Weißt du. aber du darfst jetzt nicht böse wer-
den. «in bißchen hatten meine Freundinnen schon
recht, wenn ste meinten, du hättest dich nicht so
frühzeitig aü? dem Leben stehlen sollen".
Nora winkte mit beiden Händen ab.
„Dich verstehe ich, Lotte, und dir bin ich auch
nicht bös-e, ttebrigens war ich es auch deinen
Freundinnen nicht. Dock haben deine Freundinnen
niemals recht gehabt, und was du eben sagtest,
nie gemeint. Liebe Lotte, in solchen Fragen ver«
mag ein anderes nie so zu fühlen wie der Betrof-
fene selbst, Und um ihn und sein Empfinden han-
delt es sich allein. Bei mir ist es tief gegangen;
ich habe mehr verloren, als mir irgend jemand
hätte ersetzen können. Vielleicht hätte es anders
kommen können, wenn sich eine von euch jüngeren
meiner angenommen hätte; rechtzeitig. Lotte,"
setzte Nora rasch hinzu, da sie s-äh, daß Lott« eine
gekränkte Miene machte und einen dementspreÜWn-
den Einwand auf der Zunge hatte. „Ich betone
jedoch ausdrücklich, vielleicht, da ich niemand einen
Vorwurf machen will. Du sollst mich aber auch
nicht mißverstehen. Lotte. Ich bereue durchaus
nicht, daß ich den Ansprüchen der Jugend so früh-
zeitig entsagt habe. Ich sehnte mich nach einem
Ersatz für den schweren Verlust, den ich erlitten
habe, doch dachte ich, ohne mich einer -falschen Sen-
timentalität hinzugeben. nicht ein einziges Mal
daran, die Lücken iu meinem Leben durch eine
neue Liebe auszufüllen. Gerade weist ich damals
noch so jung war. gab es ein solches Bedürfnis
für mich nicht. Weißt Lu, Lotte, ich war einem
Menschen etwas gewesen. Ich hoffe heute noch,
daß ich ihm so viel war. wie er mie. Wir hatten
einander so lieb, daß es auch gewiß so gewesen
sein wird. Und dann kam die Stunde, wo. ich ihm
nichts mehr sein kannte. Fürs ganze Leben, so
hatte ich mir sinst vorgsnomwen. Ack. wie war
dieses Leben so kurz! Was Kurt mir war. werde
ich ni« vergessen können; anderen Meirichen etwa«
sein zu können, darauf richtet sich mein Sinn. D'^
ses Bewußtsein entbehren zu sollen, dünkt MiÄ
furchtbar. Was ich Kurt gewesen war, Las könnt«
ich niemand mehr sein, weil ihn mir niemand z«
ersetzen vermochte. Aber sollte es denn gar kein«
andere Möglichkeit geben, -einem Menschen etwLS -
zu sein, als nur durch -die Liebe allein. Reicht«
die Jugend nur dazu allein aus? — Solche Weg«
ging ich damals, Lotte. Begreifst du-, daß ich daM
berechtigt war? Dckß das -Schicksal von neuer*
herb in mein Leben eingegriffen bat, kann ich da-
für? Was ich meinem Vater heute bin. das H
zu wenig für mich; ihm mag es ja- genügen: io! !
liebe ihn. bete älls Tage, daß wenigstens er
nach eine Zeit lang erhalten bleiben möge; V
umgebe ihn mit aller Bequemlichkeit, die ich nst«
nur immer auszudenken vermag. Aber alles dle-
ist mir zu wenig; ich nütze nicht viel genug, ich sist-
hchre die ernste Pflicht, unter der ich -meine Ir-
gend so oft beugen mußte. Aber das war serad«
das Leben; dann fühlte ich es als Wert und Kran
wenn ich mich wieder aufrafste und aufrecht mM
ner neuen Pflichten mich besann".
(Fortsetzung folgt.)
Kunst und Wissenschaft
* Max Morris s. Im Alter von 58 Jahr«**
ist in Berlin der Literarhistoriker Mar Morr'«
gestorben. Morris war ursprünglich Arzt, wand«
sich aber, nachdem er bereits fünfzehn Jahre sei"«
ärztliche Praxis ausgeübt hatte, der Eoethefor
Ich-ung zu, die er durch zahlreiche und wert-voll« z
Schrift-sn bereicherte. Sein Hauptwerk ist di«
Ausgabe des Hirschschen „Der junge Goethe,
die er von den ursprünglichen drei Bänden am
sechs erweiterte. Von feinen übrigen Arbeit«"
sind besonders seine Studien über die „Faust -
Paralipomena zu erwähnen, ferner seins- Unter-
suchungen über Goethes und Herders Anteil
den Frankfurter Gelehrten Anzeigen und «'!!,
Studie über Kleists Reise nach Würzburg. Fu-
stins literarhistorischen Forschungen, die vo>« k«tt
nem geringeren als Erich Schmidt hervorrasE
gewürdigt wurden, erhielt Map Morris von de»
Goethe-Gesellschaft die für besson-derr Lristu-nS«^
gestiftete Goldene Medaille.

Nr. 201
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