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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Nr. 804

Montag, den 2. September 1918 '

Heidelberger Zeitung

Seite 2

er»

de«

kurzes Wort


Einheitsftont
und weithin

mailichen Fluren zu schützen. Wir Werden fortfah-
ren. den gewaltigen Ansturm der feindlichen Mas-
sen zurückzuschlagen, bis die Gegner einschsn, daß
sie uns nicht vernichten können und daher
auch ihrerseits zur Verständigung bereit sind, Die-
ser Tag wird kommen, weil er kommen mutz, soll
nicht Europa verbluten und
die europäische Kultur in Elend
und Barbarei versinke».
Wir flehen zu dem Allmächtigen, der uns bisher
so sichtbar beigestanden hat, daß dieser Tag nicht
allzulange mehr auf sich warten lassen möge.
Meine Herren! Soeben kommt mir das In-
terview zu Gesicht, das Lord Cecil einem
Korrespondenten von Stockholms, Tidningen gege-
ben hat Ich kann mich heute auf Einzelheiten
seiner Rede nicht einlassen, und übergehe absicht-
lich alle andern von ihm geäußerten verkehrten
AnschaMngen und schiefen Urteile. Nur Mei
Punkte greife ich herMZ: Cecil begründet seine
Zuversicht auf den militärischen Endsieg
mit dem ständigen Zuströmen ameri-
kanischer Truppen. Abgesehen von diesem
offenen Bekenntnis zum Militarismus
den uns die Entente nun seit Kriegsbeginn vor-
wirft. erinnert mich dies Hoffen an die ver-
gangenen Jahre des Krieses, in denen zuerst das
treulose Italien und dann Rumänien
den Endsieg bringen sollten. Cecil vergißt aber
dabei, daß wir inzwischen mit Rußland und Ru-
mänien Frieden geschlossen haben und somit un-
sere Streitkräfte im Westen ganz erheblich
verstärken können.
Der andere Punkt ist die Behauptung Cecils,
die Entente könnte nicht Frieden schließen, so-
lange Deutschland von den Alldeutschen re-
giert werde In Deutschland regiert bekanntlich
der deutsche Kaiser im verfassungsmäßigen
Zlffaminenwirken mit dem Bundesrat und Reichs-
tag. Für die Beschlüsse des Reichstages war noch
iliemals eine einzelne Partei, sei es
die alldeutsche oder eine andere Partei, maß-
gebend. Ich kenne auch als Kanzler des Deut-
schen Reiches
lediglich deutsche Parteien und eins
deutsch« Politik.
Diese zu vertreten, ist meins Pflicht und wird es
bleiben^

Glückwünsche an den Reichskanzler
Der Kaiser hat an den Reichskanzler fol-
gendes Telegramm gerichtet:
»Zur Vollendung Ihres 76. Lebenswahres sende
ich Ihnen meine herzlichsten Glück- und Segens-
wünsche. Gott, der Herr, gebe Ihnen Gesundheit
und Kraft für Mr verantwortungsreichss Amt,
das Sie aus lauterer Vaterlandsliebe
in schwerster Zeit übernommen ha-
ben. Mein warmer Dank ist Ihnen gewiß, und
Mit mir wird sich heut« das gesamte deutsche
Volk vereinen in dem Wunsche, daß Ihr Lebens-
werk alsbald gekrönt werde durch einen das Va-
terland (sichernden Frieden Mit -unse-
ren Feinden, denen unsere unbesiegbare Armee in
unermüdlicher Ausdauer die blutigsten Wunden
geschlagen hat, die aber noch inrmer daraus be-
harren. uns zu vernichten. Ein starker Wille und
klarer Zukunftssinn sollen uns und unser Rutsches
Volk mit Gottes Hilfs durch die Not der ZM
leiten. Mit meinen treuen Wünsche» geht Ihnen
als äußeres Zeichen meiner Dankbarkeit eins
Vase zu. - Wilhelm".
Der Reichskanzler hat darauf geant-
wortet:
"Eurer Majestät spreche ich für die gnädigen
Glückwünsche und Uebersendung des mich hoch-
erfreuenden Geschenkes meinen alleruntertänigsten
Dank aus. In der» stolzen Bewußtsein, von dem
Vertrauen Eurer Majestät getragen zu sein, will

Attentat auf Lenin
Lenirr leicht verletzt — B-olkskonrmiM
llritzki ermordet
Berlin, 331. Aug. Nach hier vorliegend«"
Meldungen aus Petersburg wurden gestern
in Moskau aufLcnin mehrere Schüsse abgefe«^
die ihn leicht verletzten. Der Volkskomw«!'
sax für innere Angelegenheiten, llritzki, ist
mordet. Die Attentäter find verhaktet.
Einzelheiten
Moskau. 31. Aug. Nach einer Meldung
Prawda hatte Lenin in einer Arbeiterversain«"'
lung der Michslsonschen Fabrik in einem ienfeiv
der Moskwa gelegenen Stadtviertel
er die Versammlung verließ, wurde
Frauen a-ufgehalten, die ihn in
über das letzte Dekret bezüglich der
einsuhr nach Moskau verwickelten.
Gesprächs fielen drei Schüsse,
wurden von intelligenten Kreisen
jungen Mädchen -abgegeben. ... ...
sind festgenommsn. Zur Behandlung Lenins w«ä'
den die besten Chirurgen herangc-zogen, die
Lenin zwei Schußwunde» feststellten. Di«
eine Kugel drang über das Schulterblatt in di«
Brusthöhle ein, wo sie die obere Lungenspitze vc«'
letzte und eine Blutung in der Brusthöhle hervor-
rief. Die Kugel ist in der rechten Halsseite irbff
dem rechten Schlüsselbein stecken geblieben. Di«
andere Kugel drang in die linke Schulter ein. sc«'
splitterte den Knochen und ist unter der Haut de«
linken Schulter festgelauken Der Verwundete »'
bei voller Besinnung.
Meder die Sozialrevolutionäre
Die Prawda veröffentlicht einen von Gwerloii
unterseiÄMten Aufruf an die Arbeiter. i«s
dem er sie auffordert sich ruhig zu verhalten unA
in dem es heißt: „Wir zweifeln nicht daran, dm
die Spuren dos Mordmischlags auf die rechte"
Sozialrevolutionäre sowie auf Mietlinge d««
Engländer und Franzosen führen werden. Am
Anschläge gegen ihre Führer wird die Arbeiter'
klasse mit einem schonungslosen Massenterror g«'
gen alle Teile antworten."
Nach einer Bekanntmachung des stellvertretende"
Chefs der außerordentlichen Kommission Peter"
hat die Kommission sofort nach dem Attentat aff
Lenin alle Maßnahmen zur Feststellung der Schm'
digen getroffen. Das erste Verhör soll ergeben Hs
ben, daß dis Attentäterin eine Sozialrev»'
lutionärin sei: die Kommission besitze angäb'
lich Material, welches auf einen Zusammenbaus
des Attentats mit den bolschewikifeind'
lich en Elementen in Samara hinweist.
Kiew, 1. Sept. Das Attentat auf Lenin verüb!«
die aus Kiew stammende TerrorMin Dorai Ka"'
la n. Sie hatte im Jahre 1917 in der Untersuch'
ungshaft Lei ihrer Vernehmung durch den aM'
mein gefürchteten und bei den Revolutionären vev
haßts» Gendarmerkechef Nowitzkf auf diesen
mit einem Taschenmesser sine» mißglückten Mord
anffchlag gemocht und wurde dafür zu 13 Jahr«"
Zwangsarbeit verurteilt.
* » *
Schutzmaßnahmen gegen terroristisch^
Akte in Warschau
Berlin, 31. Aug. Nach Warschauer Meldung«»
polnischer Blätter werden im Zusammenhang mit
den terroristischen Attentaten außergewöhnlich«
Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Der Zutritt S»«
Audienz -beim Generalgouverneur Befeler muff'«
wesentlich erschwert. Der Belvederepalast, in deff
Befeler wohnt, ist stark bewach t. Der öfstiü'
liche Park ist während des Spazierganges d«s
Gouverneurs für das Publikum geschlossen.
der Fahrt Bsselers zum Gottesdienst am Geburt"'
tage Kaffer Karls sperrten Militärpatrouillen
Straßen ab. Der Wagen war von sechs bewaffn«'
ten Kraftfahrzeugen umgeben.

geredet.
er von zw.e^
ein GespM
Lebensmittel'
Während d«"
Die Schüsi«
angehörende"
Die ALdche»

Schutzmannsstreik in London
Nach den Straßenbahn- und Omnibusangesterl-
ten sind nun auch die Londoner Polizisten in
einen Ausstand getreten, um ihre Forderungen —
höhere Löhnung und Anerkennung ihrer Gewerk-
schaft — durchrusstzen. Wie holländische Blätter
berichten, hat London ein ganz eigenartiges Aus-
sehen. Die Stadt war fast ohne Schutzleute. Ge-
gen Abend sind etwa 1800 Polizisten in BüWer-
kleidern nach der Tower Hall aufmarschiert, wo sie
eine Versammlung abhielten. Die sogenannte Sit-
tenpolizei, die ein ganz unabhängiges Kovvs bil-
det. streikt nicht. Man behauptet aber, daß 12 800
Schutzleute der Hauptstadt in den Streik ein-
getreten sein sollen und daß nur ungefähr 1800
Dienst tun. Ob dis Wünsche der Polizisten be-
rechtigt sind oder nicht, hat eigentlich mit der «Sache
wenig zu tun. aber die öffentliche Meinung er-
klärt. daß keine Streikepidemie ausbrechen darf.
Ei» hoher Beamter sagte dem Mitarbeiter der
Pall Mall Gazette, daß die Behörden den Streik
der Polizei als einen ernsten Vovfall beurteilen,
weil dieser nicht ein Streik im gewöhnliche« Sinne
des Mortes ist sondern eine MSuterei ange-
sichts des Feindes, da es sich um eine disziplinierte
Körperschaft handelt, die vom Militärdienst be-
freit worden ist. um für die Sicherheit der Haupt-
stadt zu sorgen. Die Streikenden hvben durch die-
sen Streik sozusagen die innere Verteidigungslinie
durchbrochen«. Diejenigen, die diese Meuterei auf-
gestachelt oder ermutigt haben, haben eine sehr
ernste und schwere Verantwortung auf sich geladen.
Dm Merkenden Polizisten ist jetzt mitgeteilt wor-
den. daß ihre Wünsche in wohlwollende Er-
wägung gezogen würden, wenn sie den
Dienst wieder aufnehmen würden.
Ende des Londoner Polizistenstreiks
Haas. 1. Sspt. Reuter meldet aus London: Der
Streik der Volisisten ist beendet. Ein« Abord-
nung von Polizisten hatte eine Unterredung mit
Lloyd George, der ihre Forderungen be-
willigte.

Ser Kanzler über die Lags
Der Reichskanzler empfing am Sams-
iag die Vertreter des Verbandes kathlWcher
Studentenvereine Deutschlands, sie
ihm anläßlich seines 75. Geburtstages eine
GlückwunschaSresfo überreichten. Nachdem er
den Herren gedankt und einige Worte der Erin-
nerung an die katholischen Studentenvereine, de-
ren Mitglied er gewesen, gesprochen hatte, fuhr
der Reichskanzler fort:
„Nicht »nr mit der Waffe gilt es. das Vater-
land zu verteidigen, und den Sieg erringen zu
helfen, auch in der Heimat sind große und
wichtige Aufgaben zu erfüllen. Gerade d:e
akademisch gebildeten Kreise sind in erster Linie
dazu berufen. Die Last des Krieses liegt drüc-
kend auf unserem Volke; ich will sie nicht durch
Worte zu verkleinern suchen; zu ldenOpfer» anBlut
und Leben, von denen .kaum eine Familie
ganz verschont geblieben ist. kommen die Schwie-
rigkeiten der Ernährung und der Klei-
dung, alle die mannigfachen" Entbehrungen in der
Gegenwart und der sorgende Ausblick in «die Zu-
kunft. Der Krieg ist das größte Erlebnis
für ein Volk, er befähigt es zu ungeahnten Lei-
stungen. aber er stellt auch gewaltige An-
forderungen an die Nervenkraft.
Nicht umsonst spricht man von Kriegspsychose und
bezeichnet damit die Erscheinungen, welche der
Krieg auszulösen pflegt.
Die Kriegspsychose zeigt sich daher bei
sämtlichen am Kriege beteiligten Völkern, aber
sie tritt je nach der Eigenart der letzteren ver-
schieden auf. Bei unseren «Feinden tritt sie in
Form eines an Wahnsinn grenzenden
Hasses gegen die Zentralmächte auf. vor allem
«egen Deutschland. ein Haß. der durch
eine ununterbrochene Kette der ungeheuer-
lichsten Verleumdungen genährt wird, und sich m
unerhörten Schmähungen alles dessen
,Lust macht, was uns wert und heilig ist. Boi uns
dagegen äußert die Kriegspsychose ihre Wirkung
vor allem nach innen in der Verstärkung
d er Neigung zur Kritik, die nun einmal
dem Deutschen eigen ist und die sich mit Vorliebe
gegen die Regierung und ihre Maßnah-
men wendet und in einer Verschärfung der
Parteigegensätze. Darin liegt zweifellos
«eine Gefahr. Nicht daß daraus ein« wirkliche'
Erschütterung im 'Staatsleben zu befürchten wäre,
dazu ist unser Volk in seiner weit überwiegenden
Mehrheit zu verständig, wobl aber durch den
Eindruck, der bei unseren Feinden hsrvorgeruffen
wird. Gis träumen von einem bevorstehenden
Inneren Zusammenbruch, bauen daraus
ihre SiegeShoffnung und verlängern um des-
fentwillen den Krieg. Kiek ist darum ganz be-
sondere Abhilfe notwendig. Was wir brauchen,
ist ein
einheitliches, feste, Zusammenstehen von Kaiser
und Reich. Regierung und Volk
und Mär so, daß es auch nach außen deut-
lich in die Erscheinung tritt und nicht durch den
Nobel der Meinungsverschiedenheiten und ihrer
Neußerungen in Wort und Schrift vergällt wird.
Hierzu bei zutragen durch Beispiel und Belehrung
qt Pflicht eines jeden, der durch Berus,
Bildung und Stellung dazu in der Lage ist. Hel-
fen auch Sie. wo Sie können, «ine solche einträch-
tige sSttmmung herbejzuführ-en, di«
in der Heimat zu verstärken
sichtbar ins Licht zu setzen.
Nun noch zum Schluß «in ganz
Wer di-
militärischs Lage
dar allem ein Wort rücksichtslcher Bewunderung
Mr di« fast übermenschlichen Leistungen der Ar-
vree in der vergangenen Woche. Sodann aber
darf ich sagen, daß unsere Oberste Heeresleitung
die Lage mit voller RnH« und Zuversicht
Ansicht, auch wenn sie sich «ms strategischen Grün-
den veranlaßt sah, unsere Linien an mehreren
Stellen zurückzulegen. Mir führten den Krieg voM
ersten Tage an als einen Verteidigungs-
krieg und wir trugen ihn in Feindesland, um
dort unsere Grenzen zu verteidigen und die hei-

Ferilfprecher Nr. 82 und 182
ich mit Gottes Hilfe all meine Kraft daran
setzen, den: Vaterlande de» Frieden zu
er st reit en, dm es braucht. Unter umrer
Majestät weiser Leitung und im Vertrauen auf
das in übermenschlichem Ringen stets wunderbar
bewährte Heer und feine Führer sieht das deutsche
Volk, zu unerschütterlichem Ausharren trotz Not
und Entbehrung entschlossen, mit Zuversicht dem
Tage entgegen, der das Ende des Weltkrieges
> bringen wird. An dichem Tage vor Gott und der
Weltgeschichte sage» zu dürfen, ich habe meine
Pflicht gegen Kaiser und Vaterland erfüllt, wird
mir der schönste Loh» sein. Diesem Streben wird
meine ganze Kraft gewidmet sein".
Eeneralfeldmarschall v. Hindenburg sandte
folgendes Telegramm:
„Euer Exzellenz bitte ich. ineinen aufrichtigsten
Glückwunsch zum Eintritt in das neue Lebens-
jahr entgegsnnshmen zu wollen, Indem ich bei
dieser Gelegenheit dankbar der vollen Heber-
einstimmung bei unserer gemeinsamen
Arbeit gedenke, spreche ich di« Hoffnung aus,
daß es Eurer Exzellenz bochieden sei» möge, in
ganzer Frische noch lange als Kanzler des Deut-
schen Reiches zu wirken. Deutschland steht
in schwerem Kampf. I» immer sich er-
neuernde!' Anstürmen versuchen die Feinde, den
entscheidenden Durchbruch zu erzwingen, der ihnen
bisher immer mißlang. Sie werden es vergeblich
versuchen. Noch stehe» schwere Kämpfe bevor.
Das deutsche Volk weiß, worum es seht. Es weiß,
daß es auf den Schlachtfeldern Frankreichs Und
Flanderns den Heiligen Boden der Heimat ver-
teidigt. Dis jüngsten Kundgebungen der feindli-
chen Staatsmänner zeigen den nackten. Ver-
nicht u » g s w i l l en und bringen einem jeden
von uns zum Bewußtsein, welches Schicksal
Deutschland erwartet, wenn es diesen Kämpf nicht
siegreich besteht. Ich habe das starke Vertrauen,
daß die Heimat in nationaler Geschlossenheit hin-
ter den kämpfende» Trupps» steht, um de» lleber-
mut unserer Feinde sine sichere Niederlage zu be-
reiten.
Auch General Ludendorff sprach sein«
Glückwünsche in einem Telegramm aus.

L Mit Harren und Hoffen hat's mancher H
getroffen. Sprichworts^
Gespenster des Glücks
Roman von Alfred Madern»
(42. Fortsetzung)
Der Geheimrat arbeitete bereits seit Wochen
an einem Werke, in dem er die Ergebnisse feiner
Forschungen in den Karstländern zusammenfaßt«,
und freute sich jeden Tag darüber, daß er sich die-
ser Arbeit ganz widmen durste und durch dis
Pflichten d«s öffentlichen Lebens nicht mehr vM
ihr abgezogen wurde
Er war daher in der besten Laune, di« ihm
auch durch das Bewußtsein erhalten blieb, der
Wissenschaft nicht untreu geworden zu sein, als er
sich in die Stille seines Arbeitszimmers zurüchzog
In Gelehrtenkreisen würde man ja bald wieder
von ihm Höven und sprechen.
Nora störte ihren Vater nicht beim Schaffen,
sondern sucht« ihn am Abend, den er ihr regel-
mäßig mit anregenden Gesprächen über gemein-
same Reffen z» verkürzen pflegte, die seiner Ar-
bsitsstimmung sehr zuträglich waren, für ihr Vor-
haben zu gewinne». Zu ihrer freudigen Verwun-
derung legte ihr der Vater gar keine Schwierig-
Heiten in den Weg und machte auch wesentlich we-
niger Einwände, als sie befürchtet hatte. Sie er-
klärte sich das Verhalten des Vaters ihrem Plane
gegenüber damit, daß der Geheimrat selbst mitten
in anregendem Schaffen stand und die Wohltat er-
ster befriedigenden Beschäftigung bei gesundem
Körper an sich selbst spürte.
Rademann hielt seiner Tochter nur die Schwie-
rigkeiten im allgemeinen und besonderen vor, dis
Nom seines Erachtens zu überwinden haben
werde.
„Weißt du. vom Standpunkt der Wissenschaft
aus beglückwünsche ich dich zu deinem ernsten Vor-
hoben. Jeder Mensch sollte den Drang spüren,
den von verborgenen Kräften herrührenden Erschei-
nungen so uaüe als möglich auf den Grund m
kommen"

Nora hätte am liebsten den Kopf geschüttelt.
So war das Leben, so sprang es mit den Men-
schen uni. daß im Alter ganz andere Leute aus ih-
nen wurden. Der Begriff Jahve begann sich vor
Nor« wieder einmal zu dehnen. Sie erschvack bei-
nahe und mußte sich zufliistern, daß sie ja noch
nicht dreißig sei, und noch mehr vor fick als hinter
sich liegn habe. Beim Vater ging es ia schneller,
unheimlich schneller. Nun näherte er sich den
Siebzigern, aber wieviel von dem Manne, der er
vor acht, neun Jahren gewesen war. steckte heute
noch in ihm? Wie wenig! Di« Arbeitslust war
dieselbe geblieben, doch artet« sie zuweilen in
Spielerei aus. Die diente dazu, den Tag ganz
auszufüllon, den er für sich in Anspruch nahm. Erst
abends verlangte ihn nach Geselligkeit und Aus-
sprache mit ihr. verbunden mit der gewohnten
Behaglichkeit. Darum war ihm ihre Gesellschaft
die liebste. Und gerade vor ihr zeigte er sich in
jenen Veränderungen, die das Älter an ihm voll-
brachte.
Heute wieder. Erft hielt er ihr die Schwierig-
keiten der geplanten Aufgabe vor. dann beglück-
wünschte er sie zu ihrem Vorhaben, machte ibr
also 'Freuys daran und Mut dazu, und hatte doch
vor etlichen Wochen erst nichts davon wissen wollen
daß sie ihm an die Hand ging, dem sie wirklich
viel hätte helfen können, da er sie ia einst für
seine Interessen erzogen hatte. Er verfügte über
sie, seinen Launen gehorsam.
Waren es Launen? Nora sing dieser Fräse
nicht nach, sondern hörte, was ihr Vater zu ihrer
Absicht noch äußern werde.
.Der Geheimmt stellte indes keine weiteren Be-
trachtungen an. sondern er zeigte dafür Interesse,
ob Nora bereits Schritte getan habe und wo sie
sich ihren: neuen Beruf zu widmen gedenke.
»Ich wollte nichts unternehmen. Vater, ohne
vorher deine Einwilligung dazu einholen. Denn
im Besitze deiner Zustimmung hoffte ich auch auf
deinen Einfluß irgendwo rechnen zu dürfen. Ich
weiß noch sar nicht, wohin ich mich da zu wenden
habe und an wen".
„Nun, wenn dü noch nirgends Umfrage gehal-
ten hast, und noch niemand um deine Absicht weiß,
so halte ich eg fürs beste, die Sache rein persön-
lich aufzusaffsn. Hast du dir alles wohl überlegt.

so will ich mit deiner Zustimmung bereits mor-
gen meinen einstigen Kollegen Professor Wendel-
steiner aufsuchen, und ihm deinen Wunsch vor-
tragen, Wendelsteine! besitzt Feit einer Reihe von
Jahren eins eigene Blindenanstalt, in die er ver-
mutlich nur eine beschränkte Anzahl Blinder wird
aufnehmen können, die sich aber gerade deswegen'
sicherlich der sorgfältigsten Wartung zu erfreuen
Haven. Soweit ich dich kenne. Nora, glaube ich,
daß es dich wesentlich tiefer zu befriedigen ver-
möchte, eine» oder zwei Blinde dem Leben wie-
der zuzuführen, als einen großen «Saal zu beauf-
sichtigen, in dem eine größere Gruppe von Blinden
mit ein und derselben Handarbeit beschäftigt ist".
„Das unbedingt, Vater", Ich strebe etwas an,
was von mir so viel verlangt, als ich zu geben
imstande bin. Ich glaube, daß ich dir für deine
Bereitwilligkeit, mir beim ersten Schritt zur Seite
zu stehen, herzlich dankbar sein muß".
Nora ging an diesem Abend so ruhig und
gleichmäßig gestimmt zur Ruhe wie schon länge
nicht; seit Jahren vielleicht nicht. Die Gedanken
an die neue große Pflicht, der sie zustrebte und der
sich ihre Kräfte gewachsen fühlen wollten, erfüllten
sie zwar ganz, doch dis Gewohnheit des Grübelns
die nichts anderes war als der Ausdruck der Un-
zufriedenheit mit ihrem Los. hatte sie unbemerkt
abgelegt mit dem Bewußtsein, nunmehr ein voll-
wertiger Mensch zu werden, vertauscht. — --
Professor Wendelsteine! war iür Radsincmn so-
gleich zu sprechen. Der ungewohnte Besuch des
einstigen Kollegen überraschte ihn ia nicht wenig.
Der Geheimrat war doch nicht von einem gefähr-
lichen Augenleiden befallen worden?
Diese Vermutung, dis Wendelsteiner seinem
Besuch nicht verheimlichte, erwies sich unter dem
Lachen der beide» Herren als unrichtig. Rade-
mann benutzte auch jetzt noch nur Le, außer-
gewöhnlich kleinen: Druck ein schwaches Augen-
glas.
Blank musterten seine Blicke den stattlichen, um
zwanzig Jahre jüngeren Professor der Musenheil-
kunde. Der Beruf rieh scheinbar nicht auf. soviel
Geduld und Aufmerksamkeit er auch erfordern
mußte- Da brauchte er um Hora nicht allzu be-
sorgt m sein. Darum frisch voran!
(Fortsetzung folgt.)

Neues aus aller Welt
* Schließung des Binzer Familieftbades. D««
stellvertretende General des 2. Armeekorps h«"
neue einschränkende Bestimmungen für d«»
Badeperkehr erlassen. Die vorläusie«
Schließung des Familienbades in Binz aff
Rügen ist angeordnet. Außerdem sind die La«n"
räts angewiesen worden, dem Generalkommam"
i» Stettin Mitteilung zu machen, falls durch!>«'
ten loses Verhalten weitere Schließung«"
in den Badeorten notwendig werden sollten.
* 128 808 Mark gestohlen. In der Nacht zuff
Samstag ist ein Einbruch in die Schalte«'
kasse des H auptbahnhofes in Bresla"
verübt worden. Es, wurden 1LV 000 Mark em
wendet. Der Verdacht richtet fick gegen vier Pff'
fönen, die festgenommen wurden. ,
" -Schuhe zu mieten gesucht. Im Wochen bla"
für Durlach befand sich kürzlich eine eigentüinÜE
Anzeige. Jemand suchte für drei Wochen e«"
Paar Herr en schuhe, Größe i8 zu leihe"
Der Inserent und Interessent Lot eine wöckE
liche Schuhmiete von fünf Mark an. Di«.
Airzeige rührt zweifellos von einem SpaßvoS«'
her.
Das Logis bei Knhhaltern gekündigt, v"
dem Bezirk Miesbach (Oberbayern) mit T«'
geraste und Schliersee müssen wegen der unüm
stigen Ernährungsoerhältnisse, insbesondere
zahlreichen Arbeiterbevölkerung, am 1- Sept«'«"
ber sämtliche Fremde bei Kuhh altes
auszishen. Diese Maßnahme gilt auch !"
Jahresmieter, wen» diese Fremden zurzeit ke>"
Eeinünde- und Distriktsunilasen ff» Bezirk
zahlen. — Die Maßnahme zeugt mehr von
Gehässigkeit, die jetzt zwischen Stadt und La«
Platz gegriffen hat, als daß sie die ErnährunS'
Verhältnisse im genannten Bezirk nennensKff
verbessern könnte.
s Bom Großglockner. Wie die Mitteilung
des Deutschen und Oesterreichischen Alpcnvcrein
bekannt geben- ist das Großglocknergebict,
dem es im Frühjahr 1914 hieß, es werde für
alpinen Verkehr gesperrt werden, dauernd in D
Besitz des Vereins übergegangen.
Kauffumme hat der Großindustrielle A- Wirth «

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