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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0304

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Betrachtungen und kritischen Erörterunsen er-
wärmt man nicht die Masten. Hier , liegt eine
dringende Ausgabe der Regierung und alter de-
per vor, die ihre Stimme km öffentlichen Loben er-
heben können. Von der Tribüne der gesetzge-ben-
Len Versammlungen, von Kanzel und Katheder
.müssen die vaterländischen Pflichten in diesen
Tagen der Entscheidung immer von neuem einge-
prägt werden. Der Geist der Starte muh den
Kampf aufnehmen gegen die Seelen gedankenloser
Schlaffheit. D i e F ü h r u n g gebührt der
'Negierung und sie wird erwartet.

Der schwerste Tag des Krieges
Von unserem Kriegsberichterstatter.
Der 29, August brachte für die ganze Front
zwischen Oise und Paslyecks einen schweren Groß-
kampftag. Nun, da er mit einer völligen Nieder-
lage der Franzosen, die sich dieses Mal hiev ne-
ben schwarzenl Hilfsvölkern auch von Amerikanern
unterstützen ließen, endete, kann die übereinstim-
mende Aussage vieler unserer Braven aus verschie-
denen Divisionen weiter-gegeben werden,, daß dieser
Tag für sie der schwerste im saitgen Kriege gewesen
sei, was Schweres sie sonst auch immer m Lber-
winden hatten.
! Das Beziehen unserer neuen Ailettcstellunsen
zwang den Feind zum Nachzug und zur Neu a us-
siellung seiner Artillerie, sodaß es die letzten! Tage
nördlich Soissons verhältnismäßig ruhig wat.
Dl» neue feindliche Anstrengung galt dem allge-
meinen Ueberschreiten der Ailette und dem Durch-
bruch der ganzen Front, wie aus Vorbereitung
und Durchführung des Ganzen hervorgeht.
Gewaltigster Feuerorkan ließ am frü-
hesten Morgen! die gesamte Front ausdonnern. Der
bald darauf vorbrechende Sturm schickte zwischen
Tankgefchwa,dern zahlreiche Flammenwerfer vor.
Südlich von Chauny ballte sich der Kampf an der
Straße Manicamv Vishancourt—Marivelle besoni-
ders erbittert zusammen. Weitere Brennpunkte
warM Pont-St. Mkrd, der nordwestliche und west-
liche Raum des Dörfchens Juioisny, die Ebene «wi-
schen den Hügeln Villers—La Fosse und Mon-
tosuve. Die Uebersahl der Tanks brach sich bald
Raum und mußte das Schicksal erleben, durch un-
sere Infanterie oder Artillerie, durch unsere M'i-
nenwerfer, erledigt oder zu schleunigster Umkehr
geswungen zu werden. Vielfach sprangen todes-
mutige Musketiere auf die Sturmwagen und war-
fen von oben Handgranaten in die Ungetüms. Die
Strecke eines einzigen Tages von 72 zerschossenen
Tank» gibt einen ungefähren Begriff von der
Größe und Schwere der Kämpfe. Dementsprechend
sind auch die Verlusts des Gegners ganz ungeheuer-
lich. Vor nmnchem Kompagnieabschnitt liegen etwa
ISO Tote, besonders vor dem der Garde bügeln sich
hi« feindlichen Leichen.
An der Spitze der heranwogenden Kolonnen rit-
ten die KompagnMübrer, wie wenn es sich um
«ine Manüverübung handele. Fliegerverbänd«
As zu SO Flugzeugen griffen, mit Bomben und
Miaschinengewshrhagcl in die heiße Schlacht ein.
Es ist kaum zu glauben, daß trotz aller Anstreng-
ungen der Feind noch nicht einmal den geringsten
Geländegewinn gemacht hat. Vielmehr gewann
Unsere Garde sogar noch Boden. Von außeror-
dentlicher Schlachtwirkung war unsere Artillerie,
hie schnellstens 6 von den zwischen Lhamps und
Gumy gelegten zehn Brücken durch Volltreffer zer-
störte. Weiße und schwarze Franzosen, dazu die
Amerikaner, haben wieder einmal blutig erfah-
ren, was deutsche Abwehr heißt. Sie werden all-
mählich zu der beschämenden Ansicht kommen, daß
hier alles Anrennen, selbst mit aller Uebermacht

von Menschen und Material, vergeblich ist. Außer
Garde waren es Männer aus dem Magdeburgi-
schen, Hannoverschen, aus Thüringen, die hier
eisern stankhitlten.
Alfred Richard Meyer, Kriegsberichterst.
Stresemann über Lord Lansdowne
Auf der Laüdssversammlung der Natronalli-be-
ralen Partei für die beiden Mecklenburg, die in
Rostock stattfand, hielt der Vorsitzende der Natio-
nalli'beralen Reichstagsfraktion, Dr. sStrsss-
mann, eine Rede über die politische Lase, in
der er sich mit den Aeußerungen englischer Staats-
männer, insbesondere mit der Stellung Lord
Lansdownes befaßte. Dr. Stresemann sagte
u. a.:
„Lansdowne weist seinerseits darauf hin. daß
vorläufig unverbindliche Friedensbe-
sprechungen unabhängig von der militärischen
Lase stattfinden könnten. Von deutscher Seite sind
solche Besprechungen niemals abgelehnt worden.
Lansdowne weiß aber auch ganz genau, daß trotz
aller manchmal scharf zutage tretender Gegen-
sätze in Deutschland alle Parteien entschlossen
sind, gegenüber jedem Veruichtungswillen bis
zum letzten in voller Einigkeit und völkischer Ge-
schlossenheit dmchzuhaltsn. Weit entfernt davon,
uns jemals den Frieden auf der Grundlage ehren-
voller Verständigung andrsten zu können, hat
Lansdowne es nicht hindern können«, daß das Frie-
densangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember
1916 ebenso auf völlige Nichtachtung stieß, wie
andere deutsche gutgemeinte Versuche politischer
Kreise, und zuletzt der Verfluch der heutigen russi-
schen Regierung die Entente zu veranlassen, dis
Friedensverhandlungen zwischen Rußland und den
Mittelmächten zu einer allgemeinen Friedens-
aussprache zu «rweitern. Die EbgebwisMÄLit
dieser Bemühungen hat auch die ablohnende Hal-
tung der nationalliberalsn Fraktion gegen der-
artige Bemühungen bestimmt.
Solange derartige Tendenzen Lei der Entente
obwalten, kann Deutschland auf die politische und
wirtschaftliche Sicherung seiner Existenz und Zu-
kunft angesichts der Erfahrungen seiner Geschichte
umsoweniger verzichten, als selbst die Idee eines
Völkerbundes verbrämt wird mit der Drohung der
wirtschaftlichen Aushungerung eines Teiles der
Völker, die sich diesem Bunde anschließen sollen.
Lord Lansdowne ist vorläufig nur ein Predi-
ger in der Wüste, dessen Rede übertönt wird
durch die heulenden politischen Derwische, die
von Deutschland als dem Auswurf der Mensch-
heit sprechen und seine Vernichtung wollen Mer
die wie jener amerikanische Senator von der
krankhaften Wahnvorstellung des Einzugs der
Amerikaner in Berlin geplagt werden. Deutsch-
land ist ebenso wie seine Verbündeten jeder-
zeit zu ehrlichen Besprechungen «Ser
«rnen ehrenvollen Frieden bereit
Auf irgendein deutsches Friedensangebot wird die
Welt aber vergeblich warten. Weder der Regie-
rung noch dem deutschen Parlament wird man
nach den bisherigen Erfahrungen zumuten können
ein solches jemals wieder zu erlassen".
Es ist ein Verdienst, daß nach Solf. Prinz Max
Stern und Hertling auch ein deutscher Parteifüh-
rer in die Phalanx der rednerischen Abwehr tritt.
Ein litauisch-ukrainisches Bündnis
gegen Polen
Ueber eine in diesen Tagen in Brest-Li-
towsk stattgefundens Zusammenkunft von Abge-
ordneten der Taryba und der Ukraine, dis
Len Plan eines engen Schutz- und Trutz-
bündnisses zwischen Litauen und der Ukraine
ausarbeiteten, heißt es:
Das Bündnis wird in erster Linie gegen den
polnischen Imperialismus gerichtet
sein, der wegen Cholin und Ostgalizien eine unver-
söhnliche Haltung einnimmt und sich auch auf
Kosten Litauens ausdehnen will. Die Leiden ver-
bündeten Staaten werden so einen Damm bilden,
der von der Ostsee Lis zum Schwarzen Akseer reicht;
nötigenfalls werden sie aus ihrer Bevölkerung von
60 Millionen Menschen 6 Millionen Soldaten u-n-
ter die Waffen stellen können.

Das deutsch-bulgarische Bündnis
MTB. Großes Hauptquartier, 30. Aus. fÄmtl.)
Der Kaiser wurde gestern bei seiner Ankunft in
Nauheim van» König von Bulgarien
uud dem Prinzen Kyrill am Bahnhof begrüßt. Die
Monarchen blieben bis zum Mittagessen allein und
nahmen sodann die ALahlzeit gemeinsam mit den
Kindern des Königs ein. Nach Tisch sitzt'n sie
ihre Besprechung unter vier Augen fort. Um ßL4
Uhr begaben sie sich im Kraftwagen nach dem
Schloß Homburg v. d. H., von wo aus der
Kaiser die Rückreise antrat, Lis Nauheim vom
König begleitet.
Die mehrstündige Aussprache 8ck Lei-
den hohen Verbündeten erstreckte sich auf die ge-
samte militärische und politische Lage. Die Aus-
sprache war getragen von dem festen Entschluß »um
gemeinsamen Ausharren in dem Verteidigungs-
kampfe -es Vierhundes und von dem Geiste treuen
Festhaltens an -em bewährten Bündnissystem.
Sie bestätigte aufs neue die Uebereinstimmung
der beiden Monarchen in der Auffassung der schwe-
benden Fragen.
Der Kaiser hat dem König seine Vildnisstatuetts
und den Töchtern des Königs, den Prinzessinnen
Eudoria und Nadeschda von Bulgarien, den Lu-
isenorden überreicht. Dem Militärbevollmächtig-
ten Bulgariens im Groben Hauptquartier und Ge-
neral a la suite des Königs. General Gantschew,
wurden vom Kaiser die Brillanten zum Kronen-
orden 2. Kl. mit Schwertern verliehen.
* * .*
Bad Nauheim, 1. Sept. Der König von
Bulgarien hat nach einem mehrwöchigen Auf-
enthalt seine Kur mit sehr befriedigendem Erfolg
beendet und gestern abend die Heimreise ange-
treten.
Kobmg, 2. Sept. Der König von Bulga-
rien reiste mit dem Prinzen »Cyrill und seinen
Töchtern gestern abend nach Wien ab

Das Attentat auf Lenm
Berlin, 2. Sept. Die Petersburger Telegraphen-
agentur meldet noch über die Attentate auf L«nin
und Uritzki: Als die Schüsse krachten, flutete dis
Lenin umgebende Menge einen Augenblick zur
Seite, kehrte aber sofort wieder zurück. Lenin
wurde aufgehoben und in ein Auto getragen. Di«
Frau, die Lenin aufgehalten hatte, versuchte zu
flüchten, wurde jedoch ebenso wie die crndere'Frau,
die die Schüsse abgefeuert hatte, sofort durch die
Mengs föstgenommen. Die Iswestija berichtet, daß
die an dem Attentat beteiligten Frauen von der
Menge fast zerrissen wurden. Nur das Eingreifen
einige« Parteigenossen verhinderte ein Lynchgo-
richt.
Mafienterror
Der stellvertretende Chef der außerordentlichen
Kommission, Peters, gibt Folgendes bekannt:
„Das verbrecherische Abenteuer unserer Feinde nö-
tigt uns mit Massenterror zu antworten.
Wer mit der Waffe in der Hand ohne Erlaubnis-
schein ergriffen wird, wird sofort erschossen.
Wer gegen die Rätsgewalt agitiert, wird verhaf-
tet und in evm Konzentrationslager ««bracht. Alle
Vertreter des räuberischen Kapitals und alle
Spekulanten werden zu öffentlichen Zwangsarbei-
ten herangszogen, ihr Eigentum wird kon-
fisziert werden."
Lenins Befinden
soll nach Meldungen der PTA. derart vorzüglich
sein, daß jede Lebensgefahr ausgeschlos-
sen erscheint. Reuter hat dagegen ein Telegramm
aus Kopenhagen verbreitet wonach Lenin bereits
toi sei. Hier ist natürlich der Wunsch dsx Vater
Les Gedankens, irgend eine Bestätigung dieser
Nachricht liegt von keiner Nicht-Entente-Ssite vor.

* Ervkosionskatastrovbe in Odessa. Bei einer
Ervlosionskatastropke in Odessa ist dem Verneh-
men nach eine Anzahl österr eich.-Ungar.
Offiziere und Mannschaften umge-
kommen. Der Sachschaden ist bedeutend.
Ein Teil der Dorstadt wurde vernichtet. _

Stockholm. 1. Sept. Die Verhaftung einH
größeren Zahl Entcnteagenten in Petersburg
förderte eine Reihe höchst interessanter Dokuments
zutage, die die Zukuustspläne der Entente in
Rußland behandeln. Danach wollten die Entente
agenten bereits Mitte August in Petersburg i>» '
Zusammenhang mit den damaligen Hunger«
krawallen politische Unruhen Hervorrufes
und diese gegebenenfalls Mr Umwälzung des
Staatswesens ausnützen. Petersburg sollte sich
unabhängig von» Moskauer Sowjet machen u>ll
erneut, als Hauptstadt des reorganisierten RuN
lands" erklären. Ein Bürserrat. geleitet von
Bürgermeister Schreiber, sollte bis zum LiusanH
mentritt der neuen Regierung, die auch bereits
vorgesehen ist, bestand ausschließlich aus de«
Entente ergebenen Persönlichkeiten, nämlich: K e«
renski, Ministerpräsident; Iswolsky, Mi»i^
ster des Aeußern; Terest'schenko. Handels-
minister; Stachowitsch, Minister des Inner»-
Es wurden gedruckte Proklamationen der neuen
Regierung vorgefunden, in denen gesagt wurde!
daß Rußland wiederum seiner Bündnispflicht det
Entente gegenüber Nachkommen wolle und den
Brest - Litowsker Friedensveriraä
aufhebe.
Seit den Erfolgen der Arbeiterarmeen dürfU
dis Entente von der Erfüllung dieser Wünsche now
recht weit entfernt sein.

Deutsches Reich
* Unnötige Sondergesandtschasten. Aus Ver§
lin wird uns geschrieben: Bei Gelegenheit dS»
bevorstehenden Besuche der Könige von Bayern ,
und von Sachsen am Hofe von Sofia wir«
die Errichtung einer bayrischen und sächsisch«"
Gesandtschaft für Bulgarien bekannt gegeben wei-
den. De« Vorgang wirbelt außerordentlich viel
Staub auf. weil darin ein Wiedererwachen des
alten deutschen Partikularismus eMickt wird, do«
dis Dinge sind wohl nicht allzu tragisch zu nehmen/
da es sich in der Hauptsache nur um Formalitäten
handelt. Aus den Verträgen von 1870 stehen
Bayern und Sachsen' die einschlägigen Rechts »»-
es kann wohl nur auffallen. daß gerade jetzt vo»
ihnen Gebrauch gemacht wird. Wie es heißt, will
das Königreich Bayern seinen Wiener Gesandten
gleichzeitig zum bevollmächtigten Vertreter am
Hofe von Sofia ernennen, und Lias Königreich
Sachsen dürste es ebenso halten. Immerhin soll
wiederum ein Geschäftsträger die betreffende»
Wiener Gesandten in Bulgarien vertreten. Wien»
die Engländer und Franzosen von den Vorgänge»
hören, werden sie sich wohl ein wenig vor Vergnü-
gen die Hände reiben, denn ihr Kriegsziel ist es
das deutsche Reich wieder auseinanderzurerßen unr
den Bundesstaat in seins Teile zu verlegen» Ueber
die Einsetzung der Sondergesandtschaften urteile»
besonders radikale Blätter sehr hart, die sich sonst
nicht genug tun können, wenn es sich um die Ver-
ringerung der kaiserlichen und die Vermehrung der
parlamentarischen Rechte handelt. Dennoch wäre
es zweifellos besser, wenn derartige überflüssig«'
diplomatische Vertretungen unterblieben. 1
* Das Angestelltenkammergesetz in Eicht. Bei
den Beratungen im Ausschuß des Reichstages D
das Arbeitskammergesetz zu Anfang IM teilt'
ein Vertreter der Regierung mit. daß ein Ans-t'
stelltenkammsrgesetzentwurf bereits ausseärboite
sei. und die zuständigen Ressorts beschäftigte. All
der genannte Ausschuß des Reichstages lehnte in>
14 gegen 11 Stimmen einen Antrag, die Auck
stellten unter das Arbeitskammersesetz zu stelle»,
ab. Nach einer Mitteilung des ReichswirtschafiL^
amtes an die Vereinigung Deutscher PrivE
beamten- und Angestrlltenverbände befindet sim
der Entwurf des Angestelltenkammergeletzes i't
Bearbeitung und wird nach Möglichkeit gefördert
werden. .
Badische Politik
* Das Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 1t
und das Schulverordnungsblatt Nr. 22 enthalte»
den Wortlaut des Gesetzes vom 19. Juli über d>«
allgemeine Fortbildungsschule.
* Minister Dr. Düringer hat sich nach B er-
lin begeben, um an den Verhandlungen de-
Bundesrats teilzunehmen.
!>... - .

Seite 2

Heidelberger Zeitung

Dienstag, den 3. September 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182 Nr. 208^
Die Eniente-UmLrreöe in Rußland

Mußt dich nur vom Neide reinigen,
Dann verzehnfachst du dein Glück,
Machst in jedem Augenblick
Fremde Freuden zu den deinigen.
P. Heys«
Gespenster des Glücks
Roman von Alfred Maderno
(43. Fortsetzung)
„Da ich bei Ihnen eigentlich nichts zu tun
habe und Sie nur Ihren Patienten wegnehme,
muß ich Ihnen wenigstens ohu-e lange Einleitung
sagen, daß ich eine Bitte, zum mindesten eine
Frag« an Sie hab«, verehrter Herr Kollege".
„Da betrifft es wohl mein« Anstalt?" riet
Wendelstein er. erriet aber nur die Hälfte. Er
meinte daß es sich um die Ausnahme eines Kran-
ken aus dem engeren Bekanntenkreise Rademanns
handle, und in diesem Glauben wartete ex die
Antwort des Geheimrats nicht ab, sondern eröff-
net« ihm die Sachlage, in einer Weise jedoch, die
Rademann nur angenehm sein konnte.
„Meins Anstalt ist voll, lieber Herr Geheim-
rat, voll, bis auf das letzte Plätzchen. Platz wäre
ja noch hinreichend vorhanden, für ein halbes
Dutzend Blinde gewiß, aber ick dann und darf
nicht mehr Patienten anfnehmen. wenn dis Er-
ziehung des Einzelnen darunter nicht leiden soll,
denn es mangelt mir an den geeigneten Hilfskräf-
ten. Meine Mit reicht ja nur für di« Oberleitung
meiner Anstalt notdürftig aus; alles andere wird
in der gewissenhaftesten Weise von den Damen
lind Herren besorgt, die ich mir für diese schwere
Aufgabe herangebildet habe. Sie wissen, Herr
GsKeimrot, ich Habs Patienten aus der besten
Gesellschaft, denen ich auch keine Lehrer von min-
derer Bildung zur Seite geben darf. Besondere
Umstände veranlassen aber auch zuweilen Ange-
hörige unserer Kreise, sich der Krankenpflege zu
widmen; der Blindenfürsorss woichen sich ja lei-
der di« wenigsten zu. Wie gesagt, noch drei
Hilfskräfte, und der Aufnahme von sechs weiteren
Blinden steht nichts im Wege",

Rademann hatte den Professor ihm ruhig sein
Leid klagen lassen. Das waren ja alles Tatsachen
die ihn immer mehr berechtigten, dem vielgep*.g-
ton Mann da noch ein wenig mehr von der Zeit
zu stehlen.
„Besondere Umstände. Herr Kollege, sehen Sie.
diese Worte habe ich mir von Ihren interessanten,
für mich äußerst wertvollen Ausführungen ge-
merkt. Sie befinden sich zwar auik einer ganz fal-
schen Spur, doch habe ick gerade dadurch erfahren-,
was ich wissen wollte. Ob Sie nämlich eins Hilfs-
kraft brauchen. Kraft ist vielleicht zuviel gesagt,"
sucht« Rademann zu verhindern, daß Wendelsteine!
sine übertrieben gute Vorstellung von der Bewer-
berin bekäme — der Professor blickte ibm ja schon
jetzt in höchster Spannung auf die Lippen — „denn
meine Tochter besitzt von Blindenfürsorge bis zu
dieser Stunde noch nicht dj« leiseste Ahnung, aber
den festen Willen hat sie. sich diesemDienst zu wid-
men, und das sage ich Ihnen als Vater des Mäd-
chens, diesen Willen kenn« ich für den stehe ich
ein".
So. jetzt sollte Wendslsteiner das Wort haben.
Rademann lehnte sich in dem bequemen Polster-
stuhl sehr behaglich zurück. Er saß ja nicht mehr
als Bittsteller hier, sondern als einer, der dem
schwierigsten Dienste der Nächstenliebe eine Diene-
rin zuführte, di« es ernst meinte und wohl wußte,
ivas sie begehrte. Vom Himmel konnten in die-
sem Fach ausgebildete Personen nickt fallen, also
mutzte dafür gesorgt ein und werden, daß sie ir-
gendwo heran gebildet wurden; und in diesem
Falle konnte dies nur in der Anstalt MendeWei--
ner selbst geschieden. Radomann brauchte. um sich
das zu sagen, nicht die Zsn dazu, die der Professor
nötig hatte, um sick des Geheimrats Wort« rasch
nochmals durch den Kopf sehen zu lassen/ So-
dann gab er seiner freudigen Ueberraschung Aus-
druck.
„Ick bin hock-rfveut, bester Geheimrat, ich bin
überglücklich. Wir haben in früheren Zeiten soviel
Tüchtiges von Ihrem Fräulein Tochter gehört,
daß mich nickt ihr Entsch'utz, unserer schönen
Pflicht zu dienen, Werralcht. sondern das uner-
wartete Anerbieten an und für sich, das mir so
gelegen kommt. Sagen Kie, bitte, dem gnädigen
Fräulein, daß ick ihm von Herzen dankbar hin.

dankbar auch im Namen der Armen, di« bei mir
Trost und Hilfe suchen".
„Na, dann will ich mich aber sputen," Der
Geheimrat erhob sich. Er hatte allen Grund, mit
dem Erfolg seines Besuches zufrieden zu sein. „Es
ist wohl das Beste, meine Tochter erkundigt sich
bei Ihnen telephonisch, wann sie sich mit Ihnen
aussprechen kann?"
„Ja, ich Mts darum, Herr Geheimrat. Aber
sagen Sie dem gnädigen Fräulein, wie ungedul-
dig ich es erwarte. Bedenken Sie, wir können
zwei neue Blinde mufnehmen, zwei Menschen mit
ihrem Schicksal versöhnen I" — ,
„Bei dem hilft dis Begeisterung, der deutsche
Idealismus mit," dachte Rademann. während er
nach Hause sing. „Daran ist die Wissenschaft poch
nie erkrankt, leider verstehen es nur dis Wenig-
sten. dis Wissenschaft mit den geheimsten, aber för-
derndsten Kräftea des Lebens zu beseelen".
Etnunddreitzigstes Kapitel.
Der Geheimrat fand sich daheim mit der größ-
ten Ungeduld erwartet.
Lchte war jn der Zwischenzeit gekommen und
hatte Nora Gesellschaft geleistet.
Nora hatte nicht die Absicht gehabt, ihrs
junge Freundin in ihren Plan einzuweihen, bevor
dieser nicht festere Formen angenommen Habs, doch
war Lotte dis Ungeduld, mit der sie der Rückkehr
ihres Vaters entgesensah, nicht entgangen, und
schließlich hatte ihr das junge Mädchen die Er-
klärung dafür abzuschmei^ln Verstanden.
Lott« blickte Nora zuerst ganz ehrfürchtig an.
Sie war zu jung und unerfahren und hatte sich
niemals Gedanken darüber gemacht, so daß sie mit
ihrem andächtigen Staunen über Noras Vorhaben
keinerlei Vorstellung noMi Wesen der Blinden-
erziehung verband. Sie sah im Au«enblick nur
Menschen vor sich, wie man sie zuweilen auch auf
den Straßen traf, die sich allein forttaststen oder
sich willenlos führen ließen, als schritten sie ewig
durch stockdunkle Nacht. Doch ja. um sie herrschte
auch beständig Finsternis, sie waren doch blind.
Solche armen Leut« wollte auch ihre schöne auf-
rechte Freundin an der Hand nehmen und mit eb-
nen durch die Straßen und Anlagen gehen. Schön
mochte dieses Bild trotz der Wehmut, die ihm an-




haften mutzte, ja wohl sein. Denn Nora Rade»
mann blickte die Rulle und Sicherheit aus de»
Augen, und der Blinde konnte nirgendwo in vltz
lerer Hut sein.
(Fortsetzung folgt.)

Neues aus aller Welt
* Ein Betrug Lei der Ssehandlung. Ein am
scheinend vor langer Hand vorbereiteter Betrus
ist Lei der Königl. Seehandlung 'n Bel»
lin entdeckt worden. Anfang August dieses „L'N
res überwies der Viehhandelsverban
Altona zur Gutschrift auf das Konto del
Schleswig-Holsteinischen Bank m Husum 600 ovo
Mark. Das die Uebsrweisung enthaltene Schre>
Len wurde unterschlagen,.dafür ein anderes, 6 e»
fälscht es. unterschoben, in den» als Kutschin'-
empfänger S. Flörsheimer Edelmetalle D"
lin W. 62, Kleiststratze 42, bezeichnet wurde. U»'
mittelbar nach der Gutschrift hob dis Firma Flors
Heimer daraufhin den Betrag in zwei Tu
betrügen von 346 000 und 284 000 Mk. ab. Bell'
Beträge wurden auf ihr ausdrückliches Verlange,
in Lar ausbszcchlt und zwar in Tamendnwr
scheinen. Als dieser Tage der eigentliche G>»
schriftempfänger über den durch die Fälschung w
das Konto Flörsheimer abgeleiteten Betrag v»'
fügen wollte, wurde der Betrug entdeckt. Deb
tet ist ein Hilfsarbeiter Rabiger in NeukoU»
Jn der Kleiststratze 42 ist eine Firma Flörsm'
msr unbekannt. Vor einiger Zeit hat dort e>>
unbekannte Frauensperson eine Wohnung
tet, an der sie ein mit einem Gummistempel he'i
gestelltes Schild mit der Firma befestigte und
jeden Morgen erschien, um den Briefkasten zu '
ren. D?s Staatsbank hat auf Wiederboschai'U»
des entwendeten Geldes sine Belohnung »
zu 20000 Mark ausgesetzt.
* Der Tod des russischen Zaren wird in
Nr. 354 des Berner Bunds vom 21. August " .
öffentlich kundgegsbsn. Im Anzeigenteil oie,
Blatte? findet sich in schwarzer Umrandung
sehr bescheidener Größe nachstehend« AnkündlS«
in französischer Sprache: M. Bibi.kofs.
maliger Geschäftsträger des kafferlick russ'iiA,
Reiches und mehrere andere Treuergebene -

Nr. 205

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