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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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Mittwoch, ^hen 4. September 1P18

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Heidelberger Zeitung

in

dem

der
der

Deine Frass beweist, daß du
Du darfst nicht gekränkt sein!
auch mit achtzehn Fahren ans Den-
bleibt einem. niMs anderes übrig,
so ernste Entschlüsse lassen will wie
Aber ich habe es leichter, wie ich be-
Jch bin über die Fahre hinaus, die
Es ging

Und der Geheimrat berichtete Nora, was er
bei Professor Wendelstein er erfahren hatte, und
erntet« stürmische Dankbarkeit dafür, daß er seine
Sache so prächtig gemacht hatte. Rademann lieh
sich alles wohl gefallen, kam sich aber weiter nicht
besonders verdienstvoll vor.
„Ueberlege dir alles nochmals gut und dann
telephoniere wenn du -maM". Damit lieh er
Nora und Lotte, der er zum Trust freundlich zu-
nickte, allein.
Nora schwieg und dachte Es fiel ihr dar-
über nicht auf. dah auch Lotts in Gedanken ver-
sunken dasah.
Dein jungen Mädchen waren verschiedene Lich-
ter aufgegangen. So manches der Worte Rade-
manns hatte Lotte das Mesen der BUndenerzi-eh-
ung wie mit flüchtigen Strahlen von dieser und
jener Seite beleuchtet. Alles in allem hatte sie
zwar nichts weniger als ein deutliches Bild von
den Aufgaben und Erfolgen einer solchen Anstalt
erhalten, aber was sie vernommen hatte, war so
fremdartig, so verwirrend, dah es geeignet sein
konnte, ein junges, phantasie-reich-es Gemüt eine
zeitlanz stark zu beschäftigen. Ms allem rang sich
für sie die Erkenntnis los, dah ihre Freundin kein
gewöhnliches Arbeitsfeld gewählt bade, auf dem
sie auch sicherlich ihren Posten werde ganz und
dem ernsten Zweck zu Dank äusfüllen können, um
so mehr als Mangel an Hilfskräften herrschte.
Und da war eg auf einmal eins Frage, die sich
Lott« aufdrängte, so jäh, daß sie daneben der an-
deren Empfindungen nicht mehr achtete, denn die
Beantwortung dieser Frage erschien ihr vor allem
wichtig zu sein, da doch alles andere, hinfällig
wurde, wenn diese Antwort ja lautete.
Unbekümmert darum, ob und welche Gedanken
Nora in diesem Augenblick beschäftigen -mochten,
wandte sich Lotte mit ihrer Frage an di« Freun-
din. Sie muhte sie wiederholen, denn Nora war
beim Klang von Lottes Stimme zwar aus ihrem
Nachsinnen erwacht, hatte jedoch nicht verstanden,
was das Mädchen von ihr wollte.
„Muh man, um, in einer solchen Anstalt tätig
zu feier, mindestens dein Alter erreicht haben?
'Nora blickte Lotts lange und nachdenklich an.
Zwang sie sich erst dazu, ans idle Wort« der
Freundin acht zu haben, oder überlegte ste stch ihre

>K Wiesloch, 3. Sept. Eine Diebesbande
deren Tätigkeitsfeld sich über den ganzen Amts-
bezirk und die benachbarten Orte Reilingen und
Nutzloch, ja sogar bis nach Unteröwisheim im
Amtsbezirk Bruchsal erstreckte, wurde Ende letzter
Woche von der Gendarmerie ausgehoben. Zs
find die 16jährigen Taglöchner Kraus, Bietsch
und Kaufmann aus Walldorf, di« unter Füh-
rung ihres 25jährigen Genoffen Frohmüller
überall Hühner, Enten- Gänse und Feldfrücht«
aller Art stahlen und mit ihrer Beute einen
schwunghaften Handel nach Heidelberg
trieben.
üj Schwetzingen, S. Sept. Im Heeresbericht
vom 28. August hecht es u. a.7 „Boi den Kämp-
fen aim 27. August um Thilloy tat sich das F
santerie-Regiment Nr. 206 besonders
Levvvv. Seine neunte Komvasn ke hielt den
Westrand des Ortes, obwohl ste Lurch feindlichen
Einbruch nördlich von ihr im Rücken bedroht war,
bis -uv letzten Patrone und dann mit dem Bajo-
nett. Aus selbständigem Entschluß kam iHv die
S. Kompagnie desselben Regiments »u Hilfs und
warf den Feind aus dem Ort wieder Linaus." Der
Führer dieser neunten Kompagnie mar der Leut-
Zant Frftz Winter, Sohn des Brau-ereidirek-
kors Winter hier. Leutnant Winter sowie ein
Sergeant und ein Musketier seiner Kompagnie
wurde nfür ihr heldenmütiges Ausharren mit dem
Eisernen Krem 1. Klasse ausgezeichnet.

Frage bereits, Sie wusste selbst nicht, warum sie
solange mit der Antwort zögerte, di« doch eigent-
lich nur „ich weih nicht" lauten konnte.
Jetzt aber fuhr es ihr durch den Kopf: das
waren die ersten Worte die Lott« seit der Rück-
kehr des Vaters zu ihr gesprochen hatte. Eine
Frage war es; und warum gerade diese Frage?
Lotte schien ste nicht gedankenlos gestellt zu ha-
ben, sondern eine bestimmte Absicht damit zu ver-
binden, denn Nora sah ihre Blicke erwartungs-
voll auf sich gerichtet. Und da fühlte sie stch nicht
mehr berechtigt, mit „ich weih nicht" zu antwor-
ten. sondern sagte ruhig: „Ich glaube nicht" und
war kein bißchen erstaunt. Lott« nun mit deutlich
erkennbarer Erregung den Vorfall fassen zu hören,
sich gleichfalls Professor Wendellteiner als Helfe-
rin anzubieten.
„Und du muht mir dabei behilflich sein, Nora,"
bat das junge Mädchen. „Du hast mir vor weni-
gen Tagen erst das Versprechen gegeben, dich mit
mir in meine neuen Pflichten zu teilen. Menn
das letzt vielleicht auch nicht möglich oder notwen-
dig fein wird, so muht du mir wenigstens helfen
wollen".
„Gern, Lotte," versicherte Nora auch jetzt ruhig.
„Du mutzt nur vorher ebenso mit dir ins reine
kommen, wie ich mich mit mir hab« auseinander-
setzen müssen. Nur dürfte das.bei dir weniger
einfach sein als bei mir und nicht so rasch ge-
schehen können".
„Warum nicht?" fragte Lotte haltig.
„Warum nicht?
zu wenig denkst.
Wer dächte
ken! Doch
wenn man
wir beide,
reits laste-
uns Mädchen den Frühling bedeuten,
damit schneller als bei vielen anderen, doch das
wollen wir ruhen lassen. Du aber. Lotte, sollst
in diese Zeit erst eintreten. Und dickt davor willst
du dich seitwärts wenden und dich gang den Ar-
mdn widmen, die" —
„Die doch auch nichts haben. Nora „und ohne
Schuld entehren müssen, was wir auch neben ih-
nen besitzen, das Glück M Men"

Sport und Spiel
* El«» der Schachwelt. Nach langer Zeit steht
wieder einmal rin Schachereignis bevor, an dem
der Weltmeister Lasker beteiligt fein wird. In
Berlin wird in einigen Wochen ein Viermei-
sterturnier abgehalten, und zwar zwischen
Lasker, Rubinstein, Schlechter und
Larrasch. Die vier Meister werden je znni
Partien mit wechselndem Anzug miteinander spie-
len. An jedem Spieltag wird vier Stunden lang
gekämpft; somit dürfte, da nur selten «ine Parti«
kn vier Stunden beendet sein wird, das Turnier
etwa zwölf Tage in Anspruch nehmen.

Gespenster des Glücks
Roman von Alfred Madern»
(44. Fortsetzung)
Lotts begann ihrer Freundin diese Gedanken
vorzutragen. Einmal sprach st« bedächtig, dann
wieder aufgeregt, jetzt wurden ihre Augen kugel-
rund, nun blickte sie wieder ins Weite; Nora sah,
Latte wurd« es immer feierlicher zumute, immer
wävmer ums Herz, und mutzte dennoch über den
Eifer des jungen Mädchens lächeln, das sich in
mehr phantastischen als praktischen Vorstellungen
erging.
„Ja, warum lachst du denn?" fragte Lotte und
unterbrach sich in dem Gemälde, das sie von Nora
und dem von ihr geleiteten Blinden za entwerfen
begonnen hatte.
„Ach, was bist du für ein grohes, großes, lie-
bes Kind, Lotte! So einfach, wenn auch schön,
wie du dir es denkst, würde und möchte ich es gar
nicht haben. -So spielten wir als Kinder. Die
eine schloß die Augen, und die andere führte sie,
rechts herum, links herum, gerade aus. im Kreise
lieh sie auf Gras treten und sleich darauf wie-
der auf Kies, möglich durch eine>-Pfützs. und dann
wurde einem die Erlaubnis zuteil, di« Augen wie-
der zu öffnen. Sag, haben wir da nicht jedesmal
mit heimlichem Staunen das Licht, die Farben,
d'e Gegenstände und Bowe-gungen Les Lebens
wiedergesehen und haben ein paar Augenblicke
lang ganz verträumt und verwirrt dagestanden?"
„Du hast recht. Nora, ich erinnere mich, es war
1», genau so, aber" —
„Ach aber!" unterbrach sie Nora, lauschte und
sprang auf.
„Fch weih selbst nicht mehr und noch nichts, doch
mir war, als sei Vater heimgckommen".
Da hörte sich Nora auch schon hei ihrem Na-
men gerufen. Unter der Tür« stieß sie mit dem
Geheimrat zusammen.
„Na, da wollen wirs gleich hier bei dir ab-
machen. Guten Tag. Fräulein Bauer! Ausschluß
Lex Oeffcntlichkeit ist nicht erforderlich; bitte,
fungieren Sie als Zeugin!"
Die Tochter des großen Juristen lächelte und
setzte sich denn auch recht zutraulich zu den beiden.

Da die Reklamationen
unserer Abonnenten die einzige Kontrolle
über die richtige Lieferung unserer Zei-
tung find, bitten wir, bei Störungen
in der Zustellung der „Heidel-
berger Zeitung" um alsbal-
dige telephonische oder
schriftliche Mitteilung
»M lN „KOMM ZkitM"
Hauptstraße SS.

" . ...ch -72_Nr. 2Ü6^
welchem Verhör schütze. Lockhart wurde daraiE
tzingewiesen. dah ihm di« Frage nur gestellt wird,
uni ihm die Möglichkeit zu geben, zu beweisen, di»
ein gewisser Lockhart Organisator einer Verschrot
rung, und der englische diplomatisch« Vertretet
Löckhart verschiedene Personen seien. Der über-
führte diplomatische englische Vertreter wußte
hierauf nichts zu antworten und verließ in großer
Verwirrung di« außeordsntliche Kommission.
Der Zustand Lenius
ist fortdauernd ernst, jedoch schwebt er nicht in
Gefahr. Die Krise wird binnen zwei bis drei
Tagen erwartet.
Wie die Nationalzeitung mitteilt, hat die deut'
sche Regierung sofort nach Bekanntwerden
des Attentats auf Lenin dem Berliner Botschafter
der ruffischen Republik. Joffe, offiziell ihr Bei-
leid ausgesprochen. Auch hat st« sich täglich naS
dem Befinden Lenins erkundigen lassen.
Verhaftungen und Haussuchungen
In der Nacht nach der Ermordung Uritzkis wick'
den allein in Petersburg über 500 Verhaft
tungen vorgenommen. Unter den Verhafteten,
die fast durchgehends den besseren Ständen ans?'
hören, befinden sich verhältnismäßig viele Frauen-
Laut Petersb-rger Prawda fanden am Sonntag
abend infolge des Attentats auf llritzkj in Pe'
tersburg vielfache Haussuchungen statt, darunter
auch in der englischen Botschaft. Hierbei
entstand ein Schußwechsel. Ein Mitglied der Un-
tersuchungskommission, sowie ein Engländer wur-
den getötet, zwei Kommissars verwundet. In'
Votschaftsaebände wurden Verbaitu"«en vorge»
nr mmen
Die Explosion in Odessa
Wiens 3. Sept. Das k. und k. telegraphstO
Korrespondenzbüro teilt über di« Explosion i"
Odessa mit: Gestern um 3,30 Uhr nachmittags E
plädierten in einem Vororte Odessas die ausck'
dehnten ehemaligen russisch - rumänischen
Munitionslager. Die Explosionen dauel«
ten bis Mitternacht. Drei inmitten des Kan:'
plexes gelegene Fyroxilin-Magazine wurden durÄ
einen glücklichen Zufall verschont. Die Zahl d«
Menschenverluste ist beschränkt. De<
Brand glimmt fort. Die große Zsuckersabk«
Brodys ist eingeäschert worden. Fn der ganzes
sStadt sind die Fensterscheiben zertrümmert wol'
den. Der Schaden geht in die Millionen. D»
Magazine standen vor der Uebergabe an
ukrainischen und österreichisch - ungarischen Kow'
mandauten. Die Ursache der Explosion ist uub§
kannt. Es wird Brandstiftung vermutet.
Schwarzenwerbung in den deutsches
Kolonien
Eens, 4. Sevt. Der Matin meldet, daß die Ab
liierten die Anwerbung von freiwillige''
Schwarzen in den besetzten Kolonien erörtern
Die Frage wird jedenfalls auf der nächsten Bet'
sailler Konferenz zur Erledigung gebracht werden

Seile 4
Die Herbstzeitlose
Wieder -schmückt unsere Wiesen der schöne, ge-
iibvlicke Gast, di« Herbstzeitlose. Mi« im
frübia-br in .den Gärten die Krokusbliite. so wächst
im Herbst die Herbstzeitlose unmittelbar aus der
Lrde. Die Herbstzeitlose ist eine Lilicnpflanze,
-enn ihre Müt-e ist ein sechszipselises Perigon mit
ecks Staubfäden und drei Griffeln und auch der
pnter der Erde liegende Fruchtknoten ist der der
Lilieublüten. Da infolge ihrer späten Blütezeit
her Fnsektenüesuch unterbleibt, der die Bestäubung
der Rauben vermittelt, verändern sich während
der Blütezeit die bei jeder Pflanze etwa eine
Woche beträgt. Staubgefäß« und Stempel in ihrer
L-age zu einander, sodaß auch Selbstböstä'.'bung
eintreten kann. Diese Selbstbestäubung kann durch
Schließung der Blüte — morgens öffnet sie sich,
abends schließt sie sich — aber auch durch Schnecken
erfolgen, die in die Blumen kriechen. Die Blät-
ter der Herbstzeitlose.findet man nur. wenn man
das. -was man bei oberflächlicher Betrachtung für
den Stengel halten kann, bis in die Zwiebel
durchschneidet. Dort liegen die Laubblätter vor-
gebildet. um sich für das nächste Frühjahr zu ent-
wickeln; drei an der Zahl. Auch die Blüten-
knospen für das folgende Fahr sind schon vorgcbil-
det. Der Fruchtnoten. den man beim Zerschnei-
den ebenfalls unter der Erde vorfindet. hebt sich
nach der Winterruhs im nächsten Frühjahr auf-
wärts. und die grüne, dreiteilige Kapsel, die dann
daraus geworden ist. springt im Sommer auf. Die
ziemlich großen Braunen Samenkörner quellen im
Tau und Regen auf. werden dabei klebrig, sodaß
sie durch die Füße der Weidetiere verschleppt wer-
den könne». Dann erfolgt eine Paluise -kn khrer
Entwickelung, bis km Herbst die neue Blüte er-
scheint. Die merkwürdige Verteilung von Entwick-
lung und Rübe haben der Pflanze ihren Namen
eingebracht. Sie gilt als sehr giftig Nr
Menschen und Haustier«, lieber ihrs Herkunft be-
richtet eine griechische Sage, daß sie ans ein paar
verschütteten Tropfen eines Zaubertrainkes ent-
standen ist. mit dem die Zauberin Medea dem
Vater ihres Gatten di« Fugend Wiedersehen wollte.

Letzte Drahtherichte
Die Ergänzungsvsrträge
Moskau, 3. Sept. Laut Jsw-estija wurde
Montagsfitzung des Zentral-Erskutivtonritees
ratifizierte Zusatzvertrag zum Brester Fried«»,
nachdem Smerdow ihn unterschrieben hatte, noch
gestern abend mit einem diplomatischen K u-
- rier nach Berlin geschickt, damit der Au s tausch
der ratifizierten Verträge um 6. September er-
folgen kann.
Die deutsch-türkischen Verhand-
lungen
Berlin, 3. Söpt. Am Freitag abend trifft, wie
schon kurz gemeldet, der türkische Großwesir Ta-
la at Pascha in Berlin ein. Es ist anzuneh-
msn, daß bis dahin auch schon der Staatssekretär
des Aeutzern, v. Hintze, von seiner Wiener
Reise heimgekehrt sein wird. Die bevorstehenden
deutsch-türkischen Verhandlungen werden sicherlich
einen günstigen Verlauf im Zeichen treuer Bun-
dessreundschaft nehmen.
Konstantinopel, 3. Sept. „Fkdam" meldet: Der
Großwesir Talaat Pascha beabsichtige außer Ber-
lin auch die Großstädte der anderen verbün-
deten Staaten zu besuchen.
Rücktritt des polnischen Kabinetts ?
Warschau, 3. Sept. Die Warschauer Presse be-
schäftigt sich mit der Möglichkeit eines
Rücktritts des Kabinetts Stecz-
kewski. Anter den Kandidaten Nr den Posten
des Premierministers werden genannt: der ehe-
malige Ministerpräsident Kucharzewski, der
aber di« Annahme des Portefeuilles abgelehnt
habe- Prinz James Radziwill, der Vizepräsi-
dent des Staatsrates Mikulowskr-Pemerski und
auch der Vertreter des RegMtsckaftsrates in
Moskau Lesnicki.
Die Ententerevolution in Moskau
Moskau. 3. Sept. Das amtliche Organ- „Zs-
rpsstija" schreibt: Am 2. September ist die Ver-
schwörung liquidiert worden. die durch
anglo - französische Diplomaten mit
dem Chef der britischen Mission. Lockhardt, dem
französischen Generalkonsul Erenard und dem
französischen General Lavergue an der Spitze dar-
auf gerichtet war, durch Bestechung eines Teiles
der Rätetruppen sich des Rates der Volkskommis-
sare zu bemächtigen und die militärische Diktatur
in Moskau zu proklamieren. Die ganze Or-
ganisation. die mit gefälschten Doku-
menten und Bestechungen arbeitete, ist auf-
gedeckt. Unter anderem sind Hinweis« gefun-
den worden, daß für den Fäll des gelungenen
Umsturzes «in« gefälschteEeheimkorre-
spondenz der ruffischen Regierung mit der Re-
gierung Deutschlands veröffentlicht werden und
gefälschte Verträge fabriziert werden sollten, um
eine geeignete Atmosphäre Mr die Erneuerung
des Krieges mit Deutschland zu schaffen. Die Ver-
schwörer handelten, indem ste sich durch di« diplo-
matische Immunität deckten. Durch die Hände
nur eines der Agenten Lockhardts. des englischen
Leutnants Rühly sind i-n den letzten Wochen
1200 000 Rubel zu Bestechungszwecken ge-
gangen. Di« Untersuchung wird energisch fortge-
führt. Die Gefangennahme der Volkskommissare
sollte Lei einer Plenarsitzung stattfinden. Rayly
hat erklärt, es sei am sichersten. Lenin und Trotzki
sofort nach ihrer Verhaftung zu erschießen.
In der Nacht vom 3l August zu.m 1- September
erschienen die Beauftragten der außerordentlichen
Kommission fn der Wohnung der Verschwörer, wo
die Leiter der Verschwörung zusammenkamen. In
der Wohnung wurde ein« Versammlung vorgefun-
den. Unter den Verhafteten befand sich ein eng-
lischer Untertan, der seinen Namen nicht nennen
wollte Alle Verhafteten wurden in die außer-
ordentliche Kommission gebracht. Dort erklärt« der
unbekannte Engländer, er fei der diplomati-
sche Vertreter Lockhart. Lockbart leug-
nete kategorisch. Als ihm jedoch Beweise varge-
legt wurden, erklärte er erregt, dak seins Eigen-
schaft als diplomatischer Vertreter ihn vor irgend

„Wenn du bereits dahin gelangt hist, dach
will ich mir kein Gewissen daraus -machen,
aufzusordern, mich zu Herrn Professor WeävH
steiner zu begleiten. Dort wirst du selbst hören,
du dich binden willst und darfst. Auch ich belE
mir solange Freiheit vor, bis ich weiß,
Aufgabe mich erwartet. Allerdings wird es ein,
derlich sein, daß du noch früher di« ZustinmE
deiner ahnungslosen Eltern einholst".
„Die bekomme ich. Deren bin ick sicher. A
kennst doch meine Mama. Fst sie nicht das
leid, die Nächstenliebe selbst? Und Papa? w
der seinen Kopf überhaupt aus seinen BückA
herausstreckt? Das ist recht fraglich Mit M-ofe
rede ich noch heute, gleich wenn ich nach
komme, und du darfst nicht böse fein, wenn ick
jetzt schon auf die Strümpfe mach«. Fch »'M
pkoniere dir ipnu sogleich das Ergebnis, und "
le» weitere wird sich hieraus wohl finden." — .
Lotte hatte sich in ihren Eltern nicht seif.
Der Vater streckte den Kopf in der Tat nicht V
seinen Büchern heraus, und die Mutter nie'Nj
iure Tochter müsse selbst wissen, ob sie ihre
lieber hilfsbedürftigen Mitmenschen als
Sport und Vergnügen schenken wolle. Sie W
ja, als Lotte behauptete, dies als Gewiffen^H
zu betrachten und bekundet« nebenbei dennom^
mütterlickps Empfinden mit der Bemerkung, .j/
ihre Tochter keineswegs eine alte Fungfer
den brauche, sofern ihr das Heiraten üb-erlM
voraus bestimmt sei.
„Ach, Mama, dein« Worte gereichen mir
zur Beruhigung, von ihrer augenblicklichen Z- .^-
tigkeit vermögen sie mich jedoch nicht zu ü-w»
gen". -u
Das junge Mädchen fühlte selbst, daß
übermütige Regung zum Ernst seines BorL^
gar nicht paffe und erklärte auf ein« dahinzp'
Bemerkung der Mutter: „Du müßt mich nur
tig verstehn. Meine Geringschätzung gilt den
bensächlichkeiten des Lebens, die mir bisN?
die Hauptgüter erschienen sind. Di« E>auwn§j
ist abtzr doch einzig und allein die Zusri-ede'"^
Und nun will ich sehen, wie es damit bei
armen Blinden bestellt ist und ob jl
Kraft ausreicht, ihnen zu dieser Llüfriedenhe
verhelfen"

Kriegsfürsorge
* Die alten Jahrgänge. lieber den Ersatz
alter Land sturm le Ute führt das - Kriegs-
minisleriu-m in einen: Schreiben an -den Abgeord-
neten Dr. Müller - Meiningen folgendes aus:
Auf die Frage des Landsturmmannes Tü. erwidert
das Kriegsministerium, daß der Wortlaut der
Verfügung über die Durchführung der Ausdeh-
nung der Bestimmungen für die Ablösung der
über 45 Fahre alten Landsturmleüte auf diä!
Mannschaften bis zu 42 Jähren einschließlich kei-
nen Zweifel läßt. Da Nr den Austausch bestimmte
Voraussetzungen festgelegt sind (Ersatzlage, nur
zum Kampf im Schützengraben, eingesetzte Trup-
pen und im Kampfe mitwirkende Hilfskräfte,
sonstige Formationen, lediglich wenn sie dem
feindlichen Feuer stark ausgesetzt sind, besonders
zu berücksichtigende wirtschaftliche, familiäre und
gesundheitliche Verhältnisse, die zu Ausnahmen
berechtigen), kann von einer unbediigten Notwen-
digkeit der Durchführung keine Rede sein. — Die
zweite Frag«, ob die planmäßig bei einer For-
mation vorhandenen älteren Mannschaften ohne
weiteres von Truppenteilen zum Ersatzbataillon
in Marsch zu setzen seien, wird verneint. Richt
Versetzung in die Heimat, sondern Zurück-
ziehung aus der vordersten Linie zur
Etappensormation hinter der Front kommt
zunächst in Frage. Eine Versetzung zum heimat-
lichen Ersatztruppenteil kann jederzeit beim Trup-
penteil erbeten werden.
Ernährung u. Kriegswirtschaft
* Versteuerung von Tabak. Infolge der herr-
schenden TabaKnappheit haben manche Personen
Tabak In Haus- und Gemüsegärten Mer auf
flachen Hwusdächern sowie im Felde angepflanzt,
sie haben es aber unterlassen, die Pflanzungen
rechtzeitig zur Versteuerung anrumelden. Diese
Personen -haben Lei ihrer Steuereinnehmerei läng-
stens innerhalb acht Tagen eine Anmeldung abzu-
geben. Die Vordrucke dazu können von dem Bür-
germeisteramt des Wohnorts unentgeltlich bezogen
werden. Wer auf seiner Besitzung nicht mehr als
50 TaLakpflanzen gepflanzt bat, und zwar Haupt-
sächlich zu Aierzwecken, braucht eine solche Pflan-
zung nicht anzuMslden. Wer dis nachträgliche
Anmeldung unterläßt .obwohl der Tabak -bestimmt
ist, geraucht zu werden, macht stch strafbar.
* Preisregelung der neue» Weinernte. Die Ver-
handlungen »wischen den Kriegswucheräm«
tern der Weinbau treibeichen Staaten Süd-
deutschlands über ein gemeinsames Vorgehen bei
Regelung der Weinvreise Nr den Herbst
1818 sind nach einer halbamtlichen Mitteilung der
Karlsruher Zeitung nunmehr zum Abschluß ' ge-
kommen nackchem in allen grundlegenden Fragen
Einigung erzielt wurde. Die neuen Weinvreise
werden in nächster Zeit in den einzelnen Bundes-
staaten bekannt gegeben werden.. Sie werden
für Len Herbst 1918 unter keinen Umständen höher
sein als die im Herbst 1917 festgesetzten Richtpreise.
Das Kriegswucheramt wird auch im kommenden
Herbst durch strenge Ueberwachungsmaßnahmen Nr
genaue Einbaltung der neuen Preise Sorge tra-
gen und in allen Zuwiderhandlungsfällen die
ganz« Strenge des Gesetzes gegen den Schuldigen
zur Anwendung bringen.

Wenn die Alliierten das anseWndtgts Vorhaben
„freiwillige" Schwarze in den besetzten (soll heißen
deutschen!) Kolonien für den Kampf in Europa
anzuweoben, wirklich ausführen werden, woran
kaum zu zweifeln ist, so beweist Lies, Latz d»
Mann.schaftsnot in der Entente sich außerorden«
lich verschärft haben muß.
Berlin, 4. Sept. Dem Berliner Ta-gehl,
aus Wien berichtet: Vvn den Verhandlung
des Staatssekretärs v. Hintze mit de» mE
gebenden österreichisch-ungarischen Persönlichkeit^
würde es abhängen, ob und wann auch
Reichskanzler nach Wien kommen werM
Berlin, 4. Sept. Heute vormittag wird o?
Unterausschuß des preußischen Herrenhause'
zur Beratung der Wahlrechtsvorlagie zusammA
treten. Wie verschiedene Morgenblätter höre»
dürfte die Regierung sich an den Beratungen
Vernichtet die Fliegen!
 
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