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Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0611

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Neues aus aller Welt
* Eins Spezialist»« in Kirchendirbstählen. Die
'Hausiererin K. Scheel, die vor der Stuttgarter
Strafkammer stand, hatte in den leisten. 26 Jahren
120 Bes'trafungen erhalten und besitzt darüber ein
gedrucktes Verzeichnis. Ihre Spezialität sind
K i r ch e >! d i o h st ä h l e. Sie stiehlt aus den
Gotteshäusern Kerzen, Teppiche. Altardecken und
verbüßt in der Stvaftmstatt 5 Jahre AuchtHaus,
die ihr das Tübinger Gericht dafür zudtktierr hat.
Auch letzt stand sie vor Gericht, weil sie aus der
kacholHche» Kirche in Neuhausen zwei Teppiche
und aus der Liebfrauenkirche in Kannstadt drei
Akstrrdecken gestohlen hatte. Mr diese DiMLchls
echrelt sie wieder eine Zuchthausstrafe, die
mit der schon erkannten auf 6 Jahre Mammenge-
zosen wurde. Damit ist indes, die Reihe noch nicht
abgeschlossen, da sie sich noch wegen weiterer 10
Kirchcndiebstähle in Göppingen und anderen Or-
ten zu verantworten hat.
* Abdeckerfleisch für Menschen. Vor der Straf-
kammer in Görlitz wurde gegen zwei Dresdner
Arbeiter wegen Diebstahls verhandelt. Ein Ver-
wandter des einen Angeklagten Jahn, hatte eine
Abdeckerei in Arnsdorf bei Ruhland. ganz nahe
der sächsischen Grenze. Er begab sich nachts in die
Abdeckerei, stahl von den verendeten Tieren Fleisch-
teile und brachte sie zerstückelt nach Dresden, wo er
für feine Fleischlieferungen massenhaft Absatz sand.
Zur Mithilfe bediente er sich des Mitangeklagten
Knauer. In der Nacht zum 8. Juni wurden Jahn
und Knauer festgenommen. Sie waren tm Be-
grrff, die besten FleiscUtiicke von einem verendeten
Rind in Rucksäcken nach Dresden zu bringen. In
der Verhandlung war Jahn geständig, zahl-
reiche Bewohner Dresdens mit Fleisch van kre-
pierten Tieren versorgt zu haben, ohne da'g
die Betreffenden Ahnung von der Herkunft des
Fleisches hatten. Er bestritt aber, durch Diebstahl
in den Besitz des Fleisches gelangt zu sein. Das
Urteil lautete bei Jahn auf zwei Jahre sechs
Monate Gef-ängnis. Knauer wurde freige-
sprochen.,da das Gericht annahm, er habe geglaubt
das Fleisch lei mit Wissen des Abdeckereibe,sitzers
abgeholt worden.
" Nnt.irbeoSachtungen in dee WMe deZ K«m-
melberges. Als die deutsche Infanterie den Kem-
melberg eroberte, war er mit Wiesen. Fichten-
und Laubwald bedeckt. Am Tage nach der Erobe-
rung, de,n 27. Apvil, betrat ihn der Leipziger Na-
turforscher B. Franz. Er fand Moosboden und
lauschige Pfade und eine Stelle, an die er sich hin-
zubegeben hatte, wurde ihm »durch einen geknick-
ten Baum" bezeichnet. Mit dem Fortschritte, des
Frühlings wurde die dem Feinde zugekehrte Seite
des flandrischen Berges aber nicht grüner sondern
immer schwärzer; sie wurde in ein Trichtergelände
Ulmgewandelt, in dem tatsächlich feder Fußbreit
Bodens durch Granaten umgepflügt ist. Seine
Naturbeobachtungen in dieser Wüste schildert nun
Franz in. der bei Gustav Fischer in Jena erschei-
nenden »Naturwissenschaftlichen Wochenschrift":
Nach drei Wochen war es auf der feind-wärtigen
Seite des Verses kein Stückchen grünen Erdbodens
mehr, und auf der Rückseite waren durch Trichter-

bildung und verspritzte Erde wenigstens neun
Zehntel des Wiesen- und Moosbodens gleichfalls
in schwarzen oder ddoch braunen Erdboden ver-
wandelt worden. Di« allermeisten Baumstämme
sind in Stümpfe verwandelt, in geringer Höhe
über dsm Erdboden albgeknickt. nur die wenige»
ragen noch hoch und tragen vereinzelt Aeste. an
denen fedoch die Zwei Spitzen fast alle fehlen. Wo
aber an Baum oder Dtrauch eine Vlatiknospe ver-
schont geblieben war, da entwickelt sich nur ein
kümmerliches Grün, nur winzige Blättchen. Of-
fenbar stockt dis Saftzusuhr. infolge der vielen
Wunde in Rinde und Holz und vielleicht noch mehr
infolge der Lockerung des Wurzelwerks im Erd-
reich Auch mögen schädigende Gaswirkungen hin-
zukommen. Zu meinem Staunen wurde ich indes-
sen gewahr, doch täglich nm Sonnenaufgang, mor-
gens um 6 Uhr nach »Sommer,zeit", und noch we-
nige Stunden später, ein lautes, wenn auch nicht
vielstimmiges Vogelkonzert in dem veröden
Walde ertönt. Durch kein Laubgedämvft, erschal-
len laut dis Sti armen verhältnisnräßig zahlrei-
cher Amseln, dis gleichwie nackt auf kahlen Aesten
sahen. Nächst der Amsel bemerkte ich Buchfinken,
Stare, den Fitislaubsänger. einen Pirol, einen
Kuckuck, einen Turmfalken, nrehrers Ringeltauben,
ferner Hausspvtzen, diihFHvaUrsckMiMK vhn dm
wenigen fetzt zerstörten Gebäuden aiuf den» Bergs
in den Wald verschlage« waren ; in Gebüschen auch
Nachtigallen. Im ganzen also nach flüchtigen Ein-
drücken — denn zu anderer als flüchtiger Beobach-
tung konnte es nicht kommen — noch ungefähr die
Vogelwelt, die man auch i«p unversehrten Wälde
vermuten würde. Sobald aber die Sonne ein we-
nig heißer schien, verstummte frühzeitig der Vo-
gslsang, und erst am kühlen Abend setzten die Am-
seln wieder ein. Ein« Stimme aber vermißte
man in dem Vogelkonzert. ein Bogel fehlt auf
viele Quadratkilometer, die Lerche. Das ist
klärlich. Sie ist auf dem feindwärtigen Abhang«
und im 'Borgeländ« allenthalben, auf dem rück-
wärtigen Abhänge und dem benachbarten Hinter-
gelände, fast überall nicht nur ihrer Nester, son-
dern auch feglichen geeigneten Brutgeländes A-
raubt worden und daher offenbar ausgewandert.
Es ist das eine neue Erscheinung im Tier-
leben des Kampfgebietes.
* ZwanasoolNtreckungsstatiltik. Nack einer vom
Deutschen GevicktsoellsiehcrbunLe bei seine« Mit-
glied sni veranstalteten Umfrage gelangten im
Jahrs 1913' — dem letzte« vollen Friedensiatzpe —
3 864 876 Vfändnngsaufträge in ParteWKe.nl in
Deutschland durch Gerichtsvollzieher zur Erledi-
gung. Die durch dktle Aufträge von den Schuld-
nern geforderten Geldbeträge erreichten die Summe
von rund 820 Miklisne« Mark: im Durchschnitt
entfallen auf jeden MändungVaMvag, IM Mark.
30 Prozent der Aufträge wurden durch Zahlung
von 160 Millionen Mark erledigt. Die EeÄühren-
einnabmen der sämtlichen deutschsnc'Gsrichtsvollzie-
bsr bstruasn im Jabre 1013 12 710 823 Mi. an «r-
stattunasfäbMen Auslagen wurden ersetzt
5 177 095 M. Erwäbnsnswest ist ferner, dost nach
der .Deutschen Gerichtsvolkisber-ZeitunB" auf is
20 300 Einwohner ein Gerichtsvollzieher, drei Rich-
ter und vier Rechtsanwälte entfall«»«.

* Ministerielle Einmischung in rin Strafverfah-
ren. Die Dessauer Lebens mittelschie-
bunga« Lei der Versorgung der Stadtbevölke-
rung standen jn der Strastachs gegen den frühe-
ren Oberbürgermeister von Dessau, Geheimrat Dr.
Ebeling wieder zur Verhandlung. Der Ange-
klagte hat vor dem Termin den Antrag gestellt,
ihn von den» persönlichen Erscheinen vor Gericht
zu entbinden und diesem Antrag hott« das Ge-
richt stattgegeben. In einer am l5. Oktober statt-
gehabten Verhandlung war dann die Vertagung
ausgesprochen worden, da das Gericht doch das Er-
scheinen des Angeklagten siir notwendig hielt. Jn
der neue« Verhandlung lehnte der Verteidiger
des Angeklagten' nunmehr die gesamten im Bezirk
des Landgerichts Dessau an gestellt en Richter we-
gen Besorgnis der Befangenheit ab. Begründet
wurde dieser Antrag durch folgende Mitteilung:
Dr. Ebeling habe folgenden Vorfall erfahren.
Nachdem der Beschluß ergangen war, den Ange-
klagten vom Erscheinen Lei der Haupt Verhandlung
zu entbinden. Habs Staats Minister Dr. o.
Laue, dem Vorsitzenden der erkennenden Straf-
kammer, Landserichtsdiroktor Dr. Kramer, zu sich
befohlen und mit ihm die vorliegend« Strafsache
besprochen. Hierbei habe er seiner Verwunderung
darüber Ausdruck gegeben, wie mm» de« Angeklag-
ten vom Erscheinen in der Verhandlung habe ent-
binden können und energisches Vorgehen dringend
gefordert. Der weitere Verlauf in der Prozeßbe-
handlung zwinge den Angeklagten zu dem Schluß,
daß die Audienz des Vorsitzende« bei dem Staats-
minister nicht wirkungslos geblieben sei. Somit
sei die Besorgnis der Befangenheit begründet. In
einer Erklärung gab der Strafkammervorsitzdnde
an, daß der Staatsminister Dr. von Laue ihm um
tunlichst« Beschleunigung der Straf-
sache gegen Ebeling wegen des schwebenden Dis-
ziplinarverfahrens ersucht habe. Dagegen sei aus-
drücklich jede Einmischung in die Strafsache selbst
obgelehnt worden. Das Gericht beschloß den Ab-
lehnungsantrag dem zuständigen Oberlandesgericht
vorzukegen und die Verhandlung bis dahin zu
vertagen.
-c- Dke ..Hellseherin" von Struvksw. Olena Ma-
tt i c z u k. die ..Hellseherin" aus Stvuokow,
die vor einigen Monaten durch ihren angeblichen
Verkehr mit der Mutter Gottes berühmt geworden
ist wurde unter der Anschuldigung von Betrug
und Beberber«una von Deserteuren von der Gen-
darmerie verhaftet Md nach Stanislav ge-
bracht. Im Gefängnis bat Olena die Aufnahme
von Nahrung verweigert und ist daraufhin fredge-
lassen worden. Dieser Umstand bat ihre früher»
..Berühmtheit" wieder» hergestellt und die Pil-
gerfahrten zu ihrer Mahnung haben wieder
begonnen. Vorige Woche ist sogar eine Abordnung
von Framen und Mädchen bei dem rutbenMen
Bischof Cbommszyn erschienen, mit dem Ersuchen, er
mochte nach dem Orte wo Olena mit der Mutter
Gottes aesorocken habe. - eine feierliche Wallfahrt
mit Fabnen und Heiliaen bildern veranstalten
lassen. In vielen Bauernbütten prangt das Bild-
nis der Olena Matiiczuk unter anderen Heiligen-
bildern. '

Humor vom Tage
* Zeitunasan.ieiae. An den Kunstiackverständige«
und Aestbeten Otto Großm.üllek. derzeit unbekannt
ten Aufenthalts: Lieber Otto, kehre in Deine Heitz
matstadt zurück: unsere Denkmäler find einge-
schmolzsn! s..Jugsnd".i '
* Revierstube. Grenadier Posrmnski meldet sich
krank. ..Ihnen fehlt —?" ..Rheumatismus ans
linke Bein. Herr Obärarzt." Der Doktor will er»
fahren, ob sich bereits Geschwülste am Sitz des Lei,
dens zeige,»: ..Haben Sie Schwären?" ..Sür»
schwärrsn. Herr Obärarzt! - Wegen leichten HStt*
ich mich erst «arr nickt aemälldst." lLust. Blätter.^
* Der Leutnant hielt einen Wettlauf ab. Um,
den Eifer der Leute anzuspornen riss er «inen Ka-
nonier »u kick und beauftragte ihn. im nahegelegen
nen Laden, drei Ziäarrsn zu holen, die er als Sie,
aesvreis verteilen wollte. Auf das ..Los" stürzte«!
in edlem Wettstreit die Leute vorwärts, nur einem!
e'lte es gar nickt, und er blieb so weit zurück, das
er dem Leutnant auffiel und dieser ibn zu sich kom4
men ließ. ..Na. wollen Sie fick denn die Glimme
stenael nickt auch verdienen? Sind Sie Nick!,
rancker?" — ..Zu Befehl, nein. Herr Leutnant...
aE ick babe dis Zigarren aebolt." war die Ant-
wort. s..Simvli»iss!MUs."i
i^siHslbsr'ZSk' kuNZtVSNSM
Knlsss 7
TSx'ick geöffnet von 11—i unck 3—S llbr.
LsmstaZz nur von 11—1 llkr.
2S. Svptsmbsr — 30. Oktobsp
k>istsr- SrusZksl 6. A.
ssrsnoisoo Qo^s
/Ilfrsci Kudin.
Eintritt klle kilcsttmitZliscisr 30 fksnnlS.
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«loseph Keir Löhne
6exr. 1867. ttokmöbslksbrlst Telepin 7SS
HauptstresZS 79. tztalctaibsrz Lelcs Vieneastr.
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städtischen Möbelbeschaffungsstelle 1t
- der Zwingerstratze
zum Verkauf anzumeldem
Dem Baterlande sowohl, als den stsngen Krieg-
gekrauten wird dadurch ein großer Dienst «rwiesen.fiS»
Parole: Hilfe tut Not.
 
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