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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0082

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Tagen ſtattfinden wird.

„Ciel — Sie ſind es, Gräfin Wartenberg?“ rief
der König, ſich erhebend. „Hier — an dieſer Stelle?
Ich bitte Sie, laſſen Sie uns weiter gehen — man
würde wieder Stoff zu den curieuſeſten Geſprächen haben,
ſähe man uns hier.“ Die Gräfin fuhr betroffen auf —
der König fürchtete alſo die öffentliche Stimme, wenn es
ſich um eine Zuſammenkunft mit ihr handelte.
„Sire,“ begann ſie mit bebender Stimme, „ich will
nicht läſtig fallen, ich werde mich aus einem Bezirke ent-
fernen, in welchem ich nicht geduldet bin.“
„Ah — Sie übertreiben. Weßhalb nicht geduldet?
Sie, die Gattin meines Premiers?“
„Dieſer Park gehört Ihrer Majeſtät der Königin.
Weiter bedarf es keines Wortes.“ ö
„Die Königin würde Ihnen nicht die Promenade im
Parke verbieten.“
„Doch, Sire — doch,“ fuhr die Gräfin in Thränen
ausbrechend fort. „Ich bin ausgewieſen aus dieſem
Parke — ich bin beſchimpft worden — ich — ich —“
heftiges Schluchzen erſtickte ihre Worte, der König blickte
ornig.
„Was? von der Königin?“ ſagte er.
„Es iſt ſo. Wenn Euer Majeſtät geſtatten wollen,
ſo werde ich ſprechen.“ ö
„Ich will Alles wiſſen — reden Sie.“
Die Gröfin, welche trotz ihrer geringen Bildung
einen ſcharfen Verſtand und die Gabe der Rede beſaß,
ſchilderte nun in ihrer Weiſe die Scene auf der Brücke.
Sie wußte die Einzelnheiten mit ſo grellen Farben zu
malen, daß die Wirkung dieſer Effekte auf den König
nicht ausbleiben konnte, der am Schluſſe des Berichts
unwillig ausrief: ö
„Aber mon dien — weßhalb das Alles? weshalb
der Zorn der Königin?“
„Oh!“ fiel die Gräfin gewandt ein. „Das iſt mit
wenigen Worten geſagt. Man ſetzt mich herab, weil
Euer Majeſtät mich ein wenig höher ſtellen, als es den
Herrſchaften lieb iſt — man maltraitirt mich, weil Euer

Majeſtät mich und meinen Gatten ehren — das iſt die

Urſache alles Haſſes gegen mich.“
Der König biß erzürnt die Lippe, er wendete ſich
ab. Die Röthe des Zornes ſtieg ihm in die Wangen
und er ſtampfte mit ſeinem Stocke den Boden. Die
Gräfin hatte den wunden Fleck getroffen: eine Perſon,
welche der König geehrt wiſſen wollte, ward deßhalb
mit Verachtung behandelt — das hieß den König ſelbſt
angreifen.
„Ich werde zeigen,“ rief er, „daß man Ihnen ſolchen
Affront nicht anthun darf, ohne meiner Ungnade gewiß
zu ſein — ich werde Sie in Schutz nehmen. Ha —
Cest trap fort — die Gattin meines Oberſtkämmerers
— ich dulde es nicht. Calmez-vous — Gräftn. Sie
werden Revanche erhalten. Zunächſt lade ich — ich
ſelbſt — Sie zum Feſte, welches hier in den nächſten
Ich will Sie dabei ſehen —“
„Majeſtät Gnade und Huld richten mich wieder
empor — es iſt ein Balſam auf die Wunde, welche mir
geſchlagen wurde,“ betheuerte die Gräfin mit gut ge-
ſpielter Zerknirſchung.
„Man kommt — gehen Sie jetzt. Ich wünſche
nicht, daß dieſes Rencontre den müßigen Zungen einen
neuen Grund zum Schwatzen gebe.“ Er winkte gnädig
mit der Hand und die Gräfin eilte befriedigt von dannen.
Der König verſtand es, vor den Cavalieren ſeine
Bewegung zu bemeiſtern. Er ging — um ſeine Er-
holungsſtunde gebracht — aus dem Bosquet und traf
auf einen Kammerherrn, welcher ihn offenbar geſucht hatte.
„Was gibt es, Fink?“ fragte er. „Ich hörte Schritte
und komme Ihnen entgegen.“

( —

„Majeſtät!“ ſagte Herr von Fink. „Ich ſollte auf
Hoch Ihren Befehl Meldung machen, ſobald der Courier
aus Baireuth angelangt iſt.“

(Fortſetzung folgt.)

Noch Etwas über die Heidelberger
Bibliotheca Palatina.

Mit welch' allgemeinem Schmerz die Hinwegführung
der Bibliotheca palatina durch den päpſtlichen Legaten,
Leo Alacci, von hier nach Rom empfunden wurde, und
welche Entrüſtung darüber in hieſiger Stadt unter allen
Ständen herrſchte, erſehen wir auch aus Dr. E. Otto's
pfälziſcher Reim⸗Chronik“), wo es heißt:
ö Als nun die Stadt genommen war
Durch Tilly's wilde Kriegerſchaar, “
Da gab nun auch ein ſchweres Loos
Der Hochſchul' ihren Todesſtoß.
Die Lehrer wurden abgeſetzt,
Verbriefte Rechte ſchwer verletzt.
Bald Alles auseinander ſtieb,
Kaum daß noch ein Profeſſor blieb.
Studenten gab's nur Wen'ge mehr,
Hörſäl' und Aula ſtanden leer;
Die Theologie ward ganz kaſſirt
Und Niemand ward mehr inſcribirt.
Die ganze reiche Bibliothek,
Die ſchleppte man nach Rom hinweg,
„Damit die Quell der Ketzerei
„Für immer nun verſtopfet ſei.“
Ein päpſtlicher Geſandter kam —
Leo Alacci war ſein Nam' —
Der zählt' und packte Alles wohl,
Belud dann fünfzig Wagen voll,
Und fuhr mit ſeinem Raub davon —
Dem kaiſerlichen Wort zum Hohn.
Doch darf man Heidelberg nicht ſchelten,
Ich kann zu ſeiner Ehre melden,
Daß Keiner da die Hand nur bot.
Drum war Leo in großer Noth:
Es fehlten ihm die nöth'gen Sachen,
Kein Schreiner wollte Kiſten machen,
Kein Schloſſer einen Nagel ſchlagen,
Kein Packer brachte ſie zum Wagen,
Kein Weber wollte Packtuch weben,
Kein Fuhrmann ſeine Pferde geben,
Und hätt' nicht Tilly ſelbſt gedroht
Mit Peitſchenhieben und mit Tod,
Und angewandt Gewalt und Macht,
Man hätt' ſie nimmer fortgebracht. —
Den Kurfürſt Maximilian
Klagt man daher noch heute an,
Daß er die Zierde dieſer Stadt
Im Vatikan begraben hat.
Hätt' er nach Bayern ſie genommen,
Wär' Deutſchland doch nicht d'rum gekommen,
Wie glücklich wär' ſein Nachkomm') nun,
Würd' ſie bei ihm in München ruh'n,
Bei ihm, der ſo viel Gutes ſchafft
Zur Förd'rung deutſcher Wiſſenſchaft,
Und dem's vielleicht auch noch gelingt,
Daß er für Deutſchland ſie erringt.

*) Heidelberg, ſein Schloß und ſeine Pfalzgrafen. Eine hiſto-
riſche Dichtung von Dr Emil Ot to.
*1) König Max von Bayern.
 
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