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Heidelberger Familienblätter — 1876

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No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
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Heidelberger gamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 19.

Mittwoch, den 8. März

1876.



Zwri Tibelle.
Eine Hofgeſchichte von Georg Hiltl.
Cortſetzung.)

Eine Pauſe trat ein, Lottum unterbrach dieſelbe:
„Ich denke mir, es wird ein Blitzſtrahl zu ſchleu-
dern ſein — der Vorfall im Park iſt ganz dazu ange-
than, eine zündende Wirkung zu thun — bringen wir
ihn zu des Königs Kenntniß in Form eines Libells oder
Pamphlets — ein Spottgedicht muß die freche Gräfin
geißeln — ihren Uebermuth, ihre Niederlage verhöhnen,
dazu dann eine Anklage, welche direct dem Könige zu-
kommt und wir werden triumphiren.“
„Hm!“ machte Dohna. „Es iſt eine bedenkliche
Affaire, es gehört Muth dazu. Wer wagt dies Alles?“

„Wer? Ich! — ich allein,“ fuhr Wenſen kühn

blickend auf. „Ich werde Seiner Majeſtät die affreuſen
Gerüchte mittheilen, von der Anmaßung des Grafen
Wartenberg ſprechen — und nicht zögern, Alles zu be-
ſtätigen, was von ihm geſprochen wird.“
„Und das Spottgedicht? — das iſt eine heiklige
Aufgabe.“ ö ö
„Sie werden es ebenfalls verfaſſen, Wenſen“, ſagte
Lottum ſchnell. „Ein Mann mit ihren Talenten wird
dergleichen bald entworfen haben, Sie dichten ja — wie

man allgemein weiß — trefflich. Machen Sie ſich ſchnell

an die Arbeit. Die Blamage muß eine öffentliche ſein
und das Feſt, welches der König in den nächſten Tagen
hier im Schloſſe zu geben gedenkt, wird der beſte Mo-
ment ſein. Das Gedicht muß an jenem Tage eirculiren,
in verſchiedenen Exemplaren verbreitet werden — nehmen
Sie die Arbeit auf ſich.“
Herr von Wenſen konnte nicht mehr zurückweichen.
Er hatte ſich erboten, den gefährlichen Angriff zu unter-
nehmen und der Edelmann hielt ſich den Standesgenoſſen
gegenüber verpflichtet; auch war er ebenfalls von der
Nothwendigkeit, den Anmaßungen der Wartenbergs einen
Damm zu ſetzen, überzeugt. Er ſchritt alſo, nachdem die
Verſchwörer ſich getrennt, in ſein Zimmer, um daſelbſt
mit ſich allein Rath zu pflegen.
Nun war Herr von Wenſen nach einigem Sinnen
feſt entſchloſſen, das gewünſchte Spottgedicht zu verferti-
gen, von dem die Herren Cavaliere ſich ſo ungeheure
Erfolge verſprachen, nur ſtellte ſich der Ausführung die-
ſes Projects ein großes Hinderniß entgegen — Herr von
Wenſen vermochte nicht Verſe zu machen. Wenn der
Graf Lottum ihm einige Schmeicheleien über ſeine dich-
teriſche Begabung geſagt hatte — ſo waren dieſe inſofern
unverdient, als Herr von Wenſen alle Gedichte, welche
er in die Welt geſchickt und für eigene Fabrikate aus-
gegeben hatte — von Anderen, von bezahlten Lohndichtern
hatte verfaſſen laſſen. ö
Herr von Wenſen hätte nun leicht wiederum einen
jener Pocten auffinden und dieſem die Ausführung über-
tragen können, allein er ſagte ſich ſehr wohl, wie ein
ſolcher Auftrag große Gefahren im Gefolge habe. Der

Dichter des Libells gegen die Wartenberg mußte ganz im
Verborgenen leben, von der großen Welt nicht gekannt
ſein, er durfte nicht einmal genau von dem Vorhaben
der Cavaliere unterrichtet werden — das Alles waren

Bedingungen, welche geeignet ſchienen, die Unruhe zu

rechtfertigen, die ſich des Herrn von Wenſen bemeiſterte.
Er verfiel in ein tiefes Brüten, aus welchem ihn
erſt der Eintritt ſeines Kammerdieners aufſchreckte. „Eh
— Du biſt es, Hartwig?“ ſagte er ſich umſchauend.
Hartwig war ſeit ſeiner Jugend im Dienſte der
Familie Wenſen, als dieſe noch in der Gegend von
Celle anſäſſig war. Er konnte ſich daher ſchon etwas
erlauben.“
„Euer Gnaden ſind mißlaunig,“ begann er. „Es
iſt wohl wieder eine unangenehme Geſchichte paſſirt? ja —
ja — ſobald die Wartenbergs in dem Hauſe verweilen,“
F„Nein — nein — das iſt es nicht,“ entgegnete
Wenſen zerſtreut. ö ö
„Ich denke mir doch mein Theil“, fuhr der Kammer-
diener fort. Sie ſind ſonſt immer heiter und gut ge-

ſtimmt, aber ſolche Intriguen greifen ans Herz.“

„Ach — nicht doch,“ entgegnete Wenſen. Es iſt —
es ſoll — nun Hartwig, Du biſt ein alter Freund
mehr als ein Diener — es ſoll Dir nichts verborgen
ſein. Weißt Du, weßhalb ich traurig bin?“
„Nun?“ ö
„Ich ſoll dichten.“
„Ei!“ lächelte Hartwig. „Und darum ſo ernſt?
Was kann Ihnen denn das für Kummer machen?“
Wenſen fühlte das Bedürfniß, ſich auszuſprechen
und entdeckte dem Kammerdiener die ganze Angelegenheit.
Während er ſprach, ſchmunzelte Hartwig recht gutmüthig,
und als der Hofmarſchall geendet hatte, ſagte er: „Wenn
es weiter Nichts iſt — da kann ich helfen.“ ö
„Was? Du könnteſt — —“
„Gewiß. Ich wage nicht, Sie auf die gefährlichen
Folgen zu verweiſen — da Sie nun einmal die Sache
übernommen haben — aber ich glaube einen Mann ge-
lann.“ zu haben, der Ihnen ein ſolches Gedicht fertigen
ann. ö
Die Angelegenheit ward zwiſchen Beiden weitläufig
beſprochen, der Diener wurde mit aller Vollmacht aus-
gerüſtet und Herr von Wenſen verließ viel heiterer ſein
Zimmer, um ſich in das Schloß zu begeben. —
Der König war nach der Unterredung mit Warten-
berg ebenfalls in den Park gegangen. Er lenkte ſeinen
Schritt nach der Abendſeite, wo die Alleen dichter und
noch entlegener ſich ausdehnten, als auf den andern
Punkten der großartigen Anlage. Friedrich liebte es,
ſich hier einſam zu ergehen. Er hatte verſchiedene Stellen
mit Durchbrüchen verſehen laſſen, von denen aus male-
riſche Fernſichten ſich dem Auge des Ruhenden darboten.
Von ſeinen zwei ſchönen kleinen Hunden begleitet,
ließ er ſich auf einer Bank nieder, von welcher aus er
in der Richtung nach Berlin ſchauen konnte. Er hatte
noch nicht lange dieſe Ruhe genoſſen, als ein Rauſchen
im Gebüſche ihn ſtutzig machte, gleich darauf trat eine
Dame aus dem Seitenwege.
 
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