Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 79 - No. 86 (4. October - 28. October)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0341

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M. 8A.

Samſtag, den 21. October

Meiſler Pietro VBanucci und ſeine Geſellen.

Von Robert Avé-Lallemanut.
Cortſetzung.)

Kundſchaftungen gingen hin und her zwiſchen Ur-
bino und Perugia, zwiſchen dem Habicht und dem Greif.
— Griffone erfuhr, daß Aſtorra ſich mehr und mehr
mit den Perſonen und Verhältniſſen im mißgünſtigen

Urbino befreundete, während dem Aſtorra hinterbracht

ward, daß ſein ihm feindlicher Bruder Griffone ſeine
Macht und ſein Anſehen in Perugia ohne alle Neben-
buhler immer mehr befeſtigte. Doch war aus den nach
Urbino kommenden Berichten klar zu ſehen, daß dieſe
Macht, dieſes Anſehen nur ſcheinbar war. Bei einer
thutluſtigen Jugend und mancherlei Abenteurern gewann
der junge Condottiere von Perugia allerdings Anſehen.
Aber die friedlichen Bürger der Stadt, das fleißige Ge-
werke, jegliche Kunſt wandte ſich mehr und mehr ab von
ihm. Frau Atalanta war der Gegenſtand allgemeiner
Verehrung; Frau Zenobia, recht eigentlich die barmherzige
Schweſter der ganzen Stadt, ward bis zur Begeiſterung
geliebt. Und dieſe von Allen, ganz beſonders von Witt-
wen und Waiſen, von Armen und Kranken förmlich an-
gebetete junge Frau war unglücklich durch den rauhen
Gemahl, das wußte man, das raunte man ſich überall
in's Ohr — und deſto mehr, je weniger je ein Klage-
laut über ihre Lage den Lippen des ſchönen Weibes ent-
floß. So entzog ſie, ohne eine Ahnung davon zu haben,
dem eigenen Gemahl Liebe und Anſehen in der Stadt.
Noch rauher, härter und liebloſer ward Griffone's
timmung, als ihm hinterbracht wurde, Aſtorra würde
ſich mit einer Couſine des Herzogs von Urbino ver-
maͤhlen und wirkliche Dienſte daſelbſt nehmen. Immer
lauter ward das Gerücht, immer mehr gewann es Boden,
ja endlich kam — gerade im Beginn des neuen Jahr-
hunderts (1500) — die Anzeige Aſtorra's an ſeine
Mutter Akalanta, daß er ſich gern vermählen möchte,
und noch die Bitte, die edle Frau möchte ihren Segen
dazu geben. Zuletzt war der Wunſch hinzugefügt, die
Hochzeit möchte in Perugia ſelbſt im Stammhauſe der
Baglioni gefeiert werden dürfen.
Frau Aialanta war entzückt von dem Vorhaben des
Sohnes. Aſtorra wollte wieder kommen, freiwillig wie-
der kommen! Und wenn er kam, ſo kam er mit einem
Friedenswerke zurück, zu dem vor allen Dingen der Se-
gen der Kirche angerufen werden mußte. Mit dem be-
nachbarten Staate von Urbino ward durch die Heirath
eine Art von Vertrag, eine Ausſöhnung ein für allemal
geſchloſſen. Urbino bildete dann die Vermittelung mit
Rom und dem Papſt. Durch ſolch Aufhoͤren von allem
unnachbarlichen Mißtrauen, durch ein völliges Ausſöhnen
der Genannten ward eine Macht geſchaffen, die Ruhe
gebietend werden konnte für die ganze Gegend zwiſchen
Rom und Florenz. Und Ruhe wollie man, Ruhe um
jeden Preis wollte das Bürgerthum in Italien damals,
Frieden, Ruhe und ſtill ſchaffende Arbeit. So ward

denn auch von den Wohlgeſinnten in Perugia das be-
vorſtehende Familienereigniß im Hauſe der Baglioni freu-
dig begrüßt, und man ſah hoffnungsvoll in die nahe
Zukunft hinein.
Griffone mußte gute Miene zum böſen Spiel machen,
denn für ihn ſchien Aſtorra's Verbindung ein böſes Spiel.
Wenn Aſtorra dann in Perugia blieb — ſo legte er ſich
die Sache zurecht, ſo ſammelte er ſich, der immer noch
ein begeiſtertes ritterliches Andenken ſeit jenem Ueberfall
der Stratioten in Perugia beſaß, leicht einen Anhang,
und konnte ſich am Ende den Vorrang und Oberbefehl
in der Stadt anmaßen. — Zudem hatte ſich, als nun
wirklich die Zeit der Feier näher rückte, das Gerücht
verbreitet, Aſtorra und Simonetto würden mit ritter-
lichem Gefolge in Perugia einziehen. ö
Das durfte Griffone nicht leiden. Er ließ durch
ſeine Vertrauten den Verdacht ausſprengen in Perugia,
es könnte bei der Gelegenheit und beſonders im Feſtes-
jubel Perugia von den Parteigängern aus Urbino über-
rumpelt werden und Aſtorra dann den Bruder gefangen
nehmen und ſelbſt umbringen. — Gerüchte gingen hin
und her, das eine noch ſchlimmer als das andere. Be-
ſonders ängſtlich und geſpannt ward die Lage, als man
erfuhr, daß Griffone heimlich einen Haufen Bewaffneter
in der nächſten Umgegend der Stadt und auf der Rocca
ſelbſt bereit hielt, um allen Eventualitäten zu begegnen,
falls ſeine Stellung und ſein Leben wirklich von Aſtorra
und deſſen Anhang gefährdet werden ſollte.
Alle wußten um das unſelige Geheimniß, nur nicht
die beiden Tamen im Palaſt der Baglioni. Getroſt und
hoffnungsvoll bereiteten ſie Alles vor zum Einzug und
zur Vermählung Aſtorra's; innig beteten ſie alle Mor-
gen und alle Abend in ihrer kleinen Hauskapelle um
inneren und äußeren Frieden. Und ſo war es ihnen
denn auch nicht aufgefallen, daß Rafael, der von Beiden
gleich innig Geliebte, welcher ſich in ſchwärmeriſch from-
mer Geſinnung mehr und mehr an ſie angeſchloſſen hatte,
ſeltener kam, ernſter erſchien, zerſtreuter war. Dem Jüng-
ling nagte etwas am Herzen, was er nicht ſagen durfte.
In Urbino lebten ihm noch zahlreiche Jugendgenoſſen;
noch immer bekam er von dorther vielerlei Mittheilungen
und ſelbſt manchen perſönlichen Beſuch. Und nun ſtimm-
ten alle von dort zu ihm gelangenden Meldungen darin
überein, daß doch vielleicht Manches bei Gelegenheit jener
Hochzeitsfeier nicht ganz klar ſein und man doch in Pe-
rugia nicht ſo ganz blindlings dem Aſtorra mit ſeinem
reiſigen Anhang trauen möchte. Ihm ſelbſt, dem Bruder
Griffone's warf man weniger vor. Nur ſollte er ſich
blindlings und willenlos dem Ehrgeiz ſeiner Braut über-
laſſen haben, welche als eine ſchöne Coquette ſelbſt mit
der Lucrezia Borgia befreundet geweſen war und vieles
von dem Gift dieſes geiſtreichen Teufels in Frauengeſtalt
eingeſogen haben ſollte in jener Zeit, als Lucrezia Fürſtin
von Peſaro, dicht bei Urbino, war. — Ein Weid aus
dem Umgang und der Schule Lucrezia Borgia's aber
war, ſelbſt wenn die Baglioni Frieden mit einander be-
wahren konnten, undenkbar neben Zenobia. Sollte ſie
doch ſchon mehrfach über die reizende, ſo demüthig fromme
 
Annotationen