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Heidelberger Familienblätter — 1876

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No. 79 - No. 86 (4. October - 28. October)
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vuenmnee Beilage zur benahane Selanz.

86.

Sanas, den 28. Ottober

1876.

Meiſter pietro Banucci und ine Geſelen.

Von Robert Avé-Lallemant.

Schluß.)

Sein Schüler Philippo de Campello baute ſehr bald
darauf die Kirche der heiligen Clara ganz am anderen
Ende der hochgelegenen Stadt. Es liegt eine gewiſſe
Aehnlichkeit in dieſer reizend einfachen gothiſchen Kirche
mit der Oberkirche des heiligen Ler. bograbt des Freun-
des der heiligen Clara, welche hier begraben liegt. Alte
fromme Fresken ſchmuͤckten einſt noch mehr denn heute
die Wände. Man hat ſie einmal weiß überkalkt; jetzt
deckt man ſie wieder auf. — Mächtig von der ebenen
Erde aufſteigende Strebebogen ſtützen die Kirche, in welche
ein anziehendes Portal hinein führt. — Eine wunderbare
Stille liegt in der Umgegend der Kirche und des Kloſters.
Einen einſameren Ort gibt es nicht im einſamen Aſſiſi.
Einen tröſtenderen Gebetswinkel kann kein gepreßtes
Frauenherz auffinden. Dazu lacht, wenn man aus der
Kirche tritt, zauberiſch lieblich die weite Natur unten im
Grunde, und verkündet Gebetserhörung und Gottes ſe-
gensreiche Vatergüte.
Auch auf Rafael hatte der Tod der drei Baglioni
einen furchtbaren Eindruck gemacht. Ein ernſtes Ver-
hängniß hatte ihn ſogar in die Nähe des Baglionipalaſtes
gefuͤhrt, als der ſterbnde Griffone, der letzte Todte, ins
Haus getragen ward. Der Anblick der beiden den
Todten begleitenden Frauen kam nie wieder aus ſeinem
Gedächtniß.
Die grauſige Schickſalstragödie von Perngia die
auch ihm die theure Nähe der beiden angebeteten Frauen
raubte, hatte eine merkwürdige Nachwirkung bei dem
Jüngling. Er ſuchte und fand allen Troſt, alles Heil,
allen Beruf, ja ſein ganzes reiches, unbegreiflich einziges
Leben in ſeiner Kunſt. Er arbeitete wie nie zuvor. Mit
inniger Liebe und Begeiſterung lauſchte er ſeinem Meiſter
Perugino deſſen ganze Kunſt ab. Nach wenigen Jahren
war er ein ganzer Perugino. Aber auch ein Rafael

war in ihm aufgewacht und zur Klarheit durchgedrungen.

ö Perugia durfte ihn jetzt nicht länger halten und hemmen,
denn jetzt hemmte ihn wirklich Perugino's Schule und
ſtrenge eintönige Form.
Da kam aber erſt noch ein Freudentag für ihn und
für die ganze Stadt Perugia. Im Palaſt der Baglioni
war ein Kommen und Gehen, was man ſeit Jahren
nicht bemerkt hatte. Frau Atalanta und die Tochter
ſollten wiederkommen.
Und nun kamen ſie wirklich, und ſiehe, nun waren
ſie da, ſtil und friedlich, ruhig und getröſtet. Wie wun-
derbar tauchten da alte Zeiten wieder auf. Frau Ze-
nobia ſtand wieder am Fenſter; Frau Atalanta ſaß wie-
der auf ihrem Lehnſtuhl, — und nun kam auch Rafael
beim Brunnen Piſanos vorbei und ſchritt in das Haus.
Grade wie damals Her Knabe, ſo trat der Jüngling jetzt
ein und begrüßte die Frauen. Aber ein ſtilles, tiefes
Weh durchzog das Herz der Wiedervereinten.

Ihr wohl wißt.

mung findet.“

Er träumte und dachte Florenz!

altar von S. Francisco und ging weiter,

„Lieber M n e — redete Fran Atalanta
ihn an — „es liegt ſo ſchweres Leid und eine ſo lange
Zrit hinter uns, ſeitdem wir uns nicht geſehen, daß wir

das gar nicht in Worten zuſammenfaſſen können. So

laßt uns denn davon ſchweigen und Gottes Heimſuchungen
ſtill bis ans Ende tragen. Aber da das Ende auch uns
bald kommen kann, ſo möchte ich Euch noch einen be-
ſtimmten Auftrag geben. Ich habe dem Kloſter des hl.
Franciscus unten an der Wieſe ein Bild gelobt, wie
Ich wollte es dann darbringen, wenn
meine Söhne mir keinen Kummer mehr machen würden
mit ihrem Bruderzwiſt. Und ſtehe, nun ruhen ſie fried-
lich neben einander da unten im Kloſter — und ich
muß mein Wort löſen. So malt mir denn ein Bild
für jenen Altar in der Franciscanerkirche, malt es, wie
Ihr wollt. Und wenn Ihr die Geberinnen mit auf
dem Bilde anbringen müßt, mich und Zenobia — nun,
ſo will ich Euch das nicht wehren.“
ö „Maria und Magdalena auf einem Bilde neben

einander — wißt Ihr es noch, Rafael?“ fragte Zenobia

den Maler mit Lächeln,
blauen Augen floſſen.
Schmerzvoll nachſinnend nickte der Maler langſam

wobei ihr Thraͤnen aus den

mehrero Male mit dem Kopfe.

„Nun wiſſen wir auch, daß Ihr in den naͤchſten
Tagen nach Florenz geht, wohin Euch Gott geleiten
möge,“ redete Frau Atalanta weiter, „ſo malt unſer Bild
dort, wenn Ihr nur immer wollt und Zeit und Stim-

„Und malt recht lange daran“ — ſetzte Zenobia
mit ihrem lieblichſten Silberton hinzu — „denn dann
denkt Ihr auch recht lange noch an Frau Aalanta —
und an mich auch, nicht wahr, Rafaen? — Und nun
lebt wohl — geht — ich behalte Euch lieb bis in den Tod!“
Und damit ging ſie ſtill weinend zur Thür hinaus.
Rafael hat ſie nie wieder geſehen. Und lo Spagna,
der einzige Seelenfreund Rafaels, hat oft noch in ſpä-
teren Jahren, wenn vom großen Maler aus Urbino die
Rede war, mit tiefer Rührung erzählt, die einzige fromme
Liebe Rafaels iſt die junge Gräfin Zenobia Baglioni in
Perugia geweſen.
Und mit dieſer ſeiner ſtillen heiligen Liebe zog Ra-
fael nach Florenz im Jahre 1504. — Wie er dort an-

fing, Gewaltiges zu ſchaffen und Herrliches zu letſten,

dort beſonders inſpirirt vom frommen Fra Beato Ange-

lico, vom Fra Bartolem'o, von Michelangelo, von Lio-
nardo da Vinci, die er Alle in ſich aufzunehmen ver-
ſtand,

das muß in einer beſonderen Kunſtgeſchichte
dargeſtellt werden, nicht in einer unbefangenen kleinen
Erzählung. — Als er im Jahr 1507 durch Perugia
kam, ſtellte er für Frau Atalanta ſeine eben vollendete
Grablegung auf den ſchon mehrfach erwähnten Seiten-
ohne mit Je-

mand verkehrt zu haben. Nur die Moönche zatten ihn

geſehen. —

Und als nun Frau Atalanta mit Zenobia zum
Abendgebete hinab kam in die Kirche, und als ſie das
wunderbare Bild erblickten, da ging ihnen tiefe Andacht
 
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