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Heidelberger Familienblätter — 1876

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No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M22.

Samſtag, den 18. März

1876.

——

Zwei Tibelle.
Eine Hofgeſchichte von Georg Hiltl.
(Fortiſetzung.)
Heller war ein wenig ſtutzig geworden, die Sache
kam ihm ſeltſam vor, er ſtand dem Auftraggeber mit
fragenden Blicken zur Seite, aber dieſer ſchien davon gar
nicht beſonders erregt und behandelte die Angelegenheit
höchſt oberflächlich.
„Sie können doch ein ſolches Gedicht anfertigen?“
fragte er. ö
„Gewiß, mein Herr,“ fiel der Dichter ſchnell ein.
„Ich hoffe es zu Ihrer Zufriedenheit arbeiten zu können
— aber —“ ö
„St.!“ machte Hartwig. „Ich kann mir denken,
was Sie ſagen wollen, der Preis des Poems beſchäftigt

Sie — ich kenne ja aus Ihrer eigenen Mittheilung die

Forderungen, welche Sie machen — aber das ſpielt hier
nicht mit. Sie müſſen gut bezahlt werden.“
bei dieſen Worten die Börſe, nahm aus derſelben fünf
Stück guter holländiſcher Dukaten und zählte ſie vor
dem erſtaunten Dichter auf den Tiſch.
„Hier iſt eine Summe auf Abſchlag“, ſagte er.
„Sie erhalten die gleiche Summe, wenn Sie mir das
Gedicht bis Freitag fertig liefern, wo ich kommen werde,
um es abzuholen.“
„Heller's Kopf wirbelte. „Zehn Dukaten,“ mur-
melte er. „Damit iſt nicht allein die Schuld bezahlt —
ich habe außerdem noch eine gefüllte Börſe — das iſt
ein Gluͤck.“ ö
„Hartwig erhob ſich. „Ich bitte um Ja — oder
Nein —“ ſagte er. „Kann ich zur angegebenen Zeit
auf das Gedicht rechnen ?ꝰ
„Ich

„Ja, mein Herr,“
werde es fertig halten.“
„Gut denn — noch Eins. Ich muß Sie beim
Worte nehmen, daß Sie gegen Jedermann Stillſchweigen
beobachten. Die Sache iſt eine Ueberraſchung und kein
unzeitiges Geplauder bedinge ich mir aus..
„Mein Wort darauf — ich ſchweige gegen Jeder-
mann über das Gedicht.“
„Nehmen Sie meinen Dank. Ich komme Freitag
wieder — auf Wiederſehen, Herr Heller.“
Der Fremde empfahl ſich und Heller ließ, allein ge-
blieben, die Dukaten durch ſeine Finger gleiten. ö

bekräftigte der Dichter.

X * X
Die Gräfin Wartenberg befand ſich nach der kurzen
Unterredung mit dem Könige in einem höchſt erregten
und äußerſt unbehaglichen Zuſtande. Wenngleich die
Einladung zum bevorſtehenden Feſte und die gnädigen
Worte des Königs ein wenig Balſam in die Wunde
träͤufelten, welche der Stolz der Königin ihr geſchlagen
hatte, ſo mußte die Gräfin ſich dennoch ſagen, daß ein

Be fehl nothwendig war, ihr eine Stellung in den
Kreiſen zu ſchaffen, in welchen die Königin als Gebie-

Er zog

terin auftrat, daß man ihr nur gezwungen eine ge-
wiſſe Achtung bezeigte.
Die Gräfin, deren Sinn für Intrigue durch das

Beiſpiel ihres Gatten ſehr aasgebildet worden war, lechzte

nach Revanche und wenn ſie dieſe auch zum Theil durch
die Einladung erhielt, die der König ihr perſönlich zu-
kommen ließ, blieb doch noch viel zu wünſchen übrig.
Es lag der Gräfin vor Allem daran, den König zu
überzeugen, daß nicht Jedermann mit dem Auftreten der
Königin einverſtanden ſei. Es trat noch ein anderer
Umſtand hinzu, welcher die Gräfin zu entſcheidendem
Handeln trieb. Sie hatte erfahren, daß der König —
wahrſcheinlich in Folge von vielfachen Zuflüſterungen
der Feinde des Grafen Wartenberg — dieſem einiges
Mißtrauen bezeigte, daß der Graf ſeinem Gebieter als
eine Perſönlichkeit geſchildert wurde, deren Einflüſſe ge-
fährlich und verderblich genannt wurden. Graf Warten-
berg hatte vor ſeiner Gemahlin aus dieſen, vor der Hand
noch kleinen, Anzeichen eines nahenden Sturmes kein
Hehl gemacht und als den Ausgangspunkt aller Machi-
nationen gegen ſeine Stellung die Königin bezeichnet.
Die Gräfin glaubte daher eine doppelte Verpflich-
tung zu haben, einmal ihrem Gatten, dann aber ſich
ſelbſt Genugthuung zu verſchaffen, indem ſie der Königin
die ſchlimme Scene im Parke vergalt. Sie hatte deß-
halb nichts Eiligeres zu thun, als gleich nach der Unter-
redung mit dem Könige mit ihren Freunden, zu welchen
beſonders die Grafen Wartensleben und Wittgenſtein

gehörten, Rath zu pflegen und das Reſultat dieſer Be-

rathung war ſeltſamer Weiſe daſſelbe, welches die Geg-
ner — die Partei der Königin — genommen hatten:
es müſſe durch eine recht augenfaͤllige Kundgebung auf
den König gewirkt werden, der vor allem Andern am
Empfindlichſten berührt wurde, wenn man ihn als ab-
hängig von irgend einer Perſönlichkeit, als einen Herrſcher
darſtellte, der nach dem geheimnißvollen Einfluſſe bevor-
zugter oder ihm nahe ſtehender Perſonen handelte, ohne
doch eigenem Willen Geltung verſchaffen zu können.
Die Partei Wartenberg war entſchloſſen, einen Mo-
ment zu ergreifen, der geeignet ſchien, dem Könige die
Ueberlegenheit ſeiner Gemahlin über ſeine Perſon recht
einſchneidend darzuthun — ihm zu beweiſen, daß die
öffentliche Stimme jene Anſicht theile. Man wußte,
wie viel der König auf die Stimmung des Publikums
gab, wie er ſeine Handlungen und ſein ganzes Verhalten
ſtets ſo regelte, daß ſie vor dem Richterſtuhle der Oeffent-
lichkeit beſtehen konnten, und daß er vor derſelben immer
als der allein Gebietende erſcheinen wollte. ö
Der Graf Wartensleben hatte namentlich dieſen
Charakterzug des Königs hervorgehoben und als ein
kräftiges Mittel im Intereſſe der Wartenbergs die Be-
leuchtung der Stellung, welche die Königin ihrem Gatten

gegenüber einnahm, empfohlen; dieſe Beleuchtung ſollte

durch ein Flugblatt bewirkt werden, deſſen Inhalt die
Abhängigkeit des Monarchen von ſeiner Gemahlin dar-
legte. Allein die Gefahr ſolches Unternehmens lag auf
der Hand. Schon einmal hatte der König die Verleger
und Drucker, ſowie den Verfaſſer einer ſolchen Schrift
 
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