Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 44 - No. 51 (3. Juni - 28. Juni)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0185

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

5.

Mittwoch, den 7. Juni

1876.

Die Gruft von Steffendorf.
Novelle von H. Fallung.

(Fortſetzung.)

Monate waren ſeitdem vergangen.
Der Sommer zog vorüber unter ſchweren Sorgen,
der Auguſt nahete ſeinem Ende. ö
Herr von Lamark war als Eigenthümer von Steffen-
dorf anerkannt. Er hatte im Beiſein ſeines Secretärs
Bach und des von Felix Vitus zugezogenen Notars die
in der Blechkapſel bewahrten Dokumente vorgelegt. Das
Beſitzdokument von Steffendorf wurde allſeitig geprüft
und richtig befunden. Die Gräfin Irene bezeugte mit
eigener Hand in einem beſonders angehefteten Inſtrumente
deſſen Papier und Tinte etwas friſcher waren, als die
des umfangreichen Beſitzdokuments, daß ſie das letztere
ihrem Bruder, dem Grafen Bernhard abgefordert, daß
der Verkauf des Gutes an den Grafen Bernhard aus
bewegenden Gründen mit beiderſeitiger Einwilligung
rückgängig gemacht ſei, Graf Bernhard den Kaufpreis
zurück und allen daraus hervorgegangenen Schaden er-
ſtattet erhalten habe. Die ſo in den Beſitz zurückgelangte
Gräfin Irene veräußerte hierauf Steffendorf von Neuem
an den Mann ihrer Schweſter Agnes, Melchior von La-
mark, und erklärte, daß ſie wegen des Kaufpreiſes bereits
früherhin durch von Lamark geleiſtete Zahlungen und
Dienſte befriedigt worden ſei, daß der Graf Bernhard
aber Zeit ſeines Lebens im ungeſtörten Genuſſe von
Steffendorff verbleiben und das Beſitzrecht Lamarks erſt
vom Tode des Grafen Bernhard beginnen ſolle.
Welche Dienſte er ſeiner Schwägerin Irene geleiſtet,
darüber ließ Herr von Lamark, welcher bei dieſen Ver-
handlungen krank unb durch ſeinen Secretär Bach in
der Hauptſache vertreten war, nur vereinzelte und ge-
heimnißvolle Andeutungen fallen. Er verwieß auf ſeine
Tagebücher, welche nach ſeinem Tode der Familie darüber
vollen Aufſchluß gewähren würden. Es war ihm pein-
lich und unangenehm, ſo erklärte er, auf dieſe für die
Gräfin Irene verhängnißoolle, ihn mit Kummer und
Schmach belaſtende Zeit zurückzukommen. Dagegen legte
er die vollgültigen Quittungen der Gräfin Irene üder
die von ihm derſelben geleiſteten Zahlungen in einem be-
ſondern Convolute vor.
Die Unterſchriften unter den Verträgen und Quittungen,
die Siegel derſelben wurden in beſter Ordnung gefunden.
Die umfangreiche Beſitzurkunde, auf welcher der Ueber-
tragungsvermerk an den Grafen Bernhard ſpäter wieder
durchſtrichen erſchien, verbreitete, aus der Kapſel heraus-
gezogen, einen eigenthümlichen Geruch von Moder und
Verweſung und mußte, nach Bach's Anſicht, längere Zeit
in einem dumpfen und feuchten Schranke aufbewahrt ge-
weſen ſein. „Herr von Lamark gab darüber Aufſchluß,
indem er auführte, er habe das Dokument in einem alten

eichenen Schrein, in welchem auch viele leere Weinflaſchen

am Boden gelegen, verſchloſſen gehalten, es ſei dort viele
Jahre unberührt geweſen. Felix Vitus wollte zwar

wiſſen, daß Graf Bernhard noch vor etwa vier Jahren
die Urkunde als in ſeinem Beſitze befindlich bezeichnet
habe. Indeſſen mußte hierbei ein Irrthum obwalten,
weil der neuere Vertrag mit Herrn von Lamark bereits
in viel älterer Zit zu Stande gekommen und damals
auch die Urkunde ihrem Inhalte nach von Gräfin Irene
an Herrn von Lamark übergeben worden war.
Nachdem dies feſtgeſtellt worden, bat Lamark wieder-
holt den Baron Felix, ſeine Wohnung im Schloſſe zu
behalten, wogegen Herr Bach bemerklich machte, daß der
Aufenthalt daſelbſt für Fel'x Vitus gewiß kein angeneh-
mer ſein könne, da mehrere Hauptreparaturen an den
Gebäuden erforderlich ſeien und die Vornahme derſelben
große Unruhe mit ſich bringen müſſe. Herr von Lamark
war indeß in dieſem Punkte unnachgiebig und in ſeinen
Bitten halsſtarrig. Er trug ſeine Einladung zum offen-
baren Verdruſſe ſeines Secretärs mit einer gewiſſen Haſt
und Aengſtlichkeit vor, ſo daß Felix Vitus dadurch auf
den Gedanken gebracht wurde, Herr von Lamark fürchte
ſich vor ſeinem Gefährten, wolle Schutz gegen denſelben

haben oder denſelben gern los ſein und ſuche durch die

an Felix gerichtete Bitte den Anmaßungen des Unter-
gebenen Zügel anzulegen. Da Felix deſſenungeachtet ſeine
Weigerung fortſetzte, ſo erklärte Lamark, daß er ohnehin
in den nächſten Monaten noch in der Reſidenz leben
müſſe, um ſeine Angelegenheiten dort zu ordnen; er werde
ſchon in wenigen Tagen abreiſen; dann bleibe, wenn
Felix Vitus ſeine Bitte nicht erfüllte, Steffendorf ganz

verödet.

Mit ſchwerem Herzen entſchloß ſich daher Felix Vitus,
hauptſächlich um dem Nachfolger im Beſitze, der ihm be-
mitleidenswerth erſchien, die nöthigen Anleitungen über
die Verwaltung der Gutsländereien und Einkünfte zu
gewähren, noch einige Zeit in Steffendorf zu verweilen.
Er benutzte dieſen Aufenthalt — nachdem Lamark und
deſſen Secretär abgereiſt waren — auch dazu, ſeine
Wiederanſtellung im königlichen Heere zu betreiben.
Aber es ſchien, als ob ſeit dem Tode des Grafen
Bernhard der Glücksſtern des jungen Mannrs voͤllig
erloſchen ſei. ö
Im Juni erhielt er die Nachricht, daß der Banquier
in der Hauptſtadt, welchen er als Depoſitar ſeines in
Staatspapieren angelegten Kapitalvermögens benutzt hatte,
in Concars verfallen und mit den meiſten ihm anver-
trauten Effecten flüchtig geworden ſei; nur ein ſehr un-
bedeutender Theil des hinterlegten Vermögens konne
günſtigen Falles gerettet werden.
Seine Wiederanſtellung im Heere ſtieß auf die er-
heblichſten Schwierigkeiten; die Angelegenheit wurde im-
mer mehr in die Laͤnge gezogen und ſchien endlich ganz

ſcheitern zu wollen.

Dagegen führte die Unterſuchung gegen die beiden
Schubert und die Katharine Schmidt zu vielen verdrieß-
lichen Reiſen an den Sitz des Gerichts, um dort als
Zeuge weitere Aufklärung zu geben. Wie vorauszuſehen
war, wurden die beiden des Einbruchs angeklagten Schu-
bert, ſowie die der Hehlerei bezüchtigte Katharine Schmidt
von dem Schwurgerichte einſtimmig für ſchuldig befunden
 
Annotationen