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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 17 - No. 25 (1. März - 29. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43705#0108

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— 100

in der Sie ſich, wie wir uns heute zu überzeugen Ge-
legenheit hatten, ſo wohl zu fühlen ſcheinen.“ — Herr
von W. iſt über den Laufpaß, den er erhalten, in vollſter
Verzweiflung. Hoffen wir jedoch, daß ſich das Mißver-
ſtändniß bald aufklärt und die Affaire ſich zum Guten
wendet. Sollten dieſe Zeilen dazu beitragen, die Herzen
wieder zu vereinen, welche der böſe „Bismarck“ in tücki-
ſcher Weiſe getrennt — ſo würde uns das zur höchſten
Genugthuung gereichen.

Verſchiedenes.
— („Die Kreditloſe“ des Fräul. Gallmeyer.) Fol-

gende hübſche Geſchichte entnehmen wir der „Dresdener

Preſſe“: Es iſt bekannt, daß die Meiſterin aller Soubretten,
vie „alleweil fidele Peppi“, ſich früher manchmal von
jenen in dem leidigen Alltagsleben ſo nothwendigen kleineren
und größeren Münzſorten in etwas beläſtigender Weiſe
verlaſſen fühlte. Das Genie hat aber das Recht, ſich
über ſolche Nichtigkeiten hinwegzuſetzen; es traten dennoch
in dem Leben der Künſtlerin Momente ein, in denen
geradezu dieſe Nichtigkeiten ihre lumpige Exiſtenz mit
einer gewiſſen Oſtentation zur Geltung brachten. Peppi
war jedoch wegen ſolcher Störungen nicht aus der guten
Laune zu bringen; war einmal der Boden ihrer Kaſette
etwas deutlich zu ſehen, dann half der „gute Franz'l“
wieder aus. Franz'l war der Bruder des ſowohl als
Schauſpieler, wie als Director des Karl⸗Theaters wohl
bekannten Karl Treumann, er beſorgte die techniſche
Leitung des Inſtituts, ein recht ſchwieriges und umfang-
reiches Amt, dem er mit großer Bonhomie vorſtand;
Franz'l war dem Schutz⸗ und dem Quälgeiſt des Karl-
Theaters ſehr wohlgethan; er kannte ſeine Schützlinge
ſehr genau und oft genug hatte er gelegentlich einer An-
leihe einer meiſterhaft dargeſtellten Verzweiflungsſcene
kalt wie alle Kaſſirer zugeſehen, dann aber freundlichſt
geantwortet: „Pepper'l, es geht halt nit!“ Dann grollte
und ſchmollte das Pepper'l, was aber im Intereſſe des
Repertoirs ſelten länger als einige Stunden dauerte. —
Eines ſchönen Tages, ein Tag, wie Neſtroy ſagte, zum
Vorſchußholen wie gewachſen, erſchien die beliebte Soubrette
im Bureau des Verwalters; man beſprach mit dem ernſte-
ſten Geſichte der Welt das Repertoir und auch ſogar
politiſche Ereigniſſe. Da warf mit einer kindlich unbe-
fangenen Miene die Künſtlerin die Bemerkung hin: „Du,
höre Franz'l, ich brauche Geld, ich gebe Dir zwei Kredit-
loſe als Unterpfand, kannſt Du mir dreihundert Gulden
geben?“ — Nun wußte der Franz'l ſchon längſt, was
der Liebling wollte, es war ihm indeß neu, daß aus
dieſer Angelegenheit ein Geldgeſchäft werden ſollte. Zwei
Kreditloſe als Unterpfand für dreihundert Gulden, die
Sache ließ ſich machen.
ihm hoch und theuer, die Unterpfänder gleich zu holen,
ſie wohnte nur wenige Schritte vom Karl-Theater, nahm
gleichgiltig das Geld und verſchwand. Nach kurzer Friſt
erſchien ſie, mit ihr zwei — Herren. „Du Franz'l, zwei
Kreditloſe wollteſt haben, da haſt Tu ſie, das ſein Kredit-
loſe — und dabei wies ſie auf ihre Begleiter, zwei redu-
cirt ausſehende Subjecte, deren Aeußeres allerdings zeigte,
daß ſie keinen Kredit mehr hatten und die noch vor einer
halben Stunde bei Peppi „fechten“ gekommen waren.
„Mein Verſprechen habe ich gehalten, Servus Franz'l.“
— Nun war der Mitdirector ein viel zu großer Freund

eines Witzes, als daß er nicht über die Fopperei herzlich

gelacht hätte; ſein Lachen ging aber bald in Groll über,

Magazin.

gemälde in 5 Abtheilungen von Alex. D

Er nahm ſie an. Peppi ſchwur

als nun die beiden Kreditloſe ihn „anfochten“ und er
muhte. zu den 300 Gulden noch zwei hinzuzahlen
mußte.

— „Du haſt Diamanten und Perlen!“ konnte man
am vorigen Dienſtag in Paris auf der Mairie des Louvre
ſingen, wo die bürgerliche Trauung der jungen Baroneſſe
Bettina von Rothſchild ſtattfand. Trauzeugen waren vier
Barone von Rothſchild. Die kirchliche Trauung ſollte
geſtern in der Synagoge der Rue de la Victoire ſtatt-
haben. Die Hochzeit im Hauſe Rothſchild iſt für die
Geſellſchaft natürlich ein ſenſationelles Ereigniß. Von
der Braut weiß man viel Rühmenswerthes zu erzählen.
Fräulein Bettina v. Rothſchild beſtand mit 16 Jahren
bekanntlich erfolgreich das Lehrerinnen⸗Examen. Sie
unterſtützte übrigens jährlich 10 arme Madchen, die ſich
dem Lehrfache widmeten. Aus Anlaß ihrer Vermählung
ſtattet ſie fünf junge Mädchen aus guten Fämilien, die
jedoch ins Unglück gerathen ſind, aus. Fräulein Roth-
ſchild bringt ihrem Gatten eine Mitgift von 12 Millionen.
Der Brautſchatz und die Geſchenke aller bilden ein an-
ſehnliches Vermögen. Unter den Juwelen findet man
Prachtſtücke, welche in einem Schatzkäſtchen Indiens glän-
zen würden. Die Baronin James gab ihrer Enkelin
unter Anderm ein Perlencollier, das in der Reinheit
und Schönheit der Perlen ſelbſt in dem Schmucke der
Kaiſerin nicht ſeines Gleichen gefunden härte. Der
Trouſſeau in all' ſeiner Pracht, Spitzen, Cachemires,
Pelzwerk und was zur weiblichen Toilette gehört, iſt von
einem Reichthum und Glanze, der eben kaum zu be-
ſchreiben. Die Abtheilung der Roben bildet allein ein
Es finden ſich deren von jedem Schnitt und
jeder Stoffgattung. Das Brautkleid iſt von Faille, die
Schleppe und das Leibchen von Brocat. „Das iſt eine
wahre Aufreizung zum Haß und zur Verachtung gegen
den Cölibat“, meinte beim Anblick dieſer Schätze eine
Dame. — —

— (Ein Kinderfreund.) Hausfrau: „Lieben Sie
die Kinder, Mr. Wright?“ — Engländer: „O, ich lieben
die Kinder ſehr, namentlich uenn ſie ſchreien!“ — Haus-
frau: „Wenn ſie ſchreien?“ — Engländer: „Ves, Ves!
dann uerden ſie gebracht hinaus!“

5 Stadt⸗Theater.

»Montag den 27. März. „Keau“, Romaniiſches Charakter ·
umas.
Das Benefize, welches Herrn Heygen als Regiſſeur zu
Theil geworden, war Angeſichts des günſtigen Weiters als ein
ziemlich gut beſuchtes zu betrachten. Das gewählte Stück Kean“,
wenn auch älteren Datums, zeichnet ſich durch eine ſpannende
Handlung und einer Reihe, wenn auch nicht pſychologiſch gerecht-
fertigter, dennoch wirkſamer Effectſcenen aus. — Herr Heygen

zeichnete den Charakter des leichtlebigen aber pflichtgetreuen, ge-

wiſſen-und ehrenhaften Schauſpielers mit kräftigen Zügen. Seine
derbe, kräftige Wiedergabe fand in der 3. Abtheilung „Die Ta-
verne zum Kohlenloch“, der Ausbruch der Leidenſchaft in der 4.
„In der Garderobe und auf dem Theater“ entſprechenden Aus-
druck. Die Stelle, in welcher er der Miß „Anna Dambz die
Leiden, Entbehrungen und Gefahren des Bühnenerufes ſchildert,
wurde mit lebhafteſtem Beifall aufgenommen, wie überhaupt das
Publikum mit demſelben heute durchaus nicht geizte und deutlich
bewies, daß es den Leiſtungen, welche ſich Herr Heygen als Re-
giſſeur und Schauſpieler um die hieſige Bühne erworben, ehrende
Anerkennung zollt. Faſt ſämmtliche andere Rollen ſind nur ſehr
ſchwach bedacht, vom „Prinz von Wales“ an bis zum Seiltänzer-
junge „Tom“, und enthalten wir uns daher einer eingehenden Be-
ſprechung der Einzelleiſtungen. Den engliſchen „Conſtabler“, in
preußiſcher oder ſaͤchſiſcher Uniform mit Säbel an der Seite auf-

treten zu laſſen, war jedenfalls ein kühner Gedanke. — Auch am

Schluſſe der Vorſtellung ward Herr Heygen lebhaft gerufen.

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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